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Unbeschwerte Tage

Es war Sommer und ich war einige Wochen bei meinen Großeltern zu Besuch. Nach der Scheidung meiner Eltern lebte mein älterer Bruder Michi bei ihnen. Sie wohnten in einer kleinen Wohnung direkt unter dem Dach eines mehrstöckigen Mehrfamilienhauses am Rande meiner Geburtsstadt.
Meine Großeltern waren beide berufstätig, zwar kam meine Oma mittags nach Hause, so dass wir jeden Morgen die Zeit mit Fernsehen oder unseren Unternehmungen in den nahegelegenen Wäldern als Wildhüter oder zu seinen dort gebauten Erdhöhlen die Zeit verbrachten.

So erinnere ich mich noch genau, dass wir eines Morgens keine Lust hatten erst um den Stausee zu wandern, um auf die andere Seite der Ruhr zu gelangen, denn dort hatte unsere Großtante ein Strandcafe. Es führte eine Eisenbahnbrücke über die Ruhr, ganz in Nähe unseres damaligen Standorts. Über diese Brücke fuhr die S-Bahn und der Güterverkehr. Ich weigerte mich, entlang der Gleise zu rennen und so marschierten wir eine Etage tiefer über die Stahlstützen, die so 50 cm breit waren.
Dann kam eine Bahn, zum Glück waren wir gerade bei einer Schrägstrebe. Krampfhaft hielten wir uns fest, denn alles wackelte und zitterte. Jeden Moment dachte ich, jetzt machst du einen Sprung in die Tiefe. Doch wir hatten Glück. Wir beeilten uns und erleichtert erreichten wir die andere Ruhrseite. Ein Eis bekamen wir nicht, denn das Café hatte noch geschlossen.

 

Dann gab es Tage, da versuchten wir uns als Goldgräber an den naheliegenden Bächen, doch wir fanden keins, aber so einige wunderschöne Quarze. Die wurden dann wieder in seine Verstecke im Wald verstaut. An manchen Nachmittagen gingen wir mit unserer Oma zum Einkauf in die Stadt. Wir halfen ihr die schweren Taschen zu tragen, denn einen Führerschein oder gar ein Auto besaßen sie nicht.

Doch der Morgen gehörte mir und meinem Bruder ganz allein. Eines Tages machten wir uns auf, wir hatten uns zum Fußballspielen verabredet. Wir spielten, auch ich bekam Bälle, so dass ich nicht nur als Statist auf der Wiese an der Ruhr stand, sondern integriert wurde. Plötzlich hörten wir die Kirchturmuhr schlagen und ich rief meinen Bruder zu, wir müssen los, denn der Abwasch stand noch auf der Spüle. Wir liefen im Dauerlauf nach Hause. Dort musste mein Bruderherz feststellen, dass er den Schlüssel vergessen hatte. Ins Haus kamen wir ja, aber nicht oben in die Wohnung. Doch die Dachluke im selbstausgebauten Speicher, der inzwischen als Schlafzimmer genutzt wurde, stand offen.

 

Ich wusste es gibt Ärger, denn eins konnte meine Oma nicht vertragen und das war nicht aufgeräumt oder das nicht gespült war.
Was nun? Wir überlegten kurze Zeit, dann fiel es uns wie Schuppen von den Augen. Einer musste übers Dach. Mein Bruder zickte herum. Wir nahmen eine herumliegende Wäscheleine, die band ich mir um den Bauch. Kurz darauf kletterte ich durch den Schornsteinfegerausstieg und ging, besser gesagt kroch, vorsichtig zum First. Dann auf der anderen Seite die wenigen Meter zum geöffneten Dachfenster.
Plötzlich ging es nicht mehr weiter, die dämliche Wäscheleine war wohl zu kurz. Ich rief meinem Bruder zu, er soll sie losmachen, aber er hörte mich nicht. So hockte ich auf dem Dach, um den Knoten zu lösen. Schaffte es schließlich und huschte rasch in die Luke, im Anschluss öffnete ich von innen schnell die Tür.
Innerhalb von zehn Minuten hatten wir aufgeräumt und beim Einräumen der letzten Tasse öffnete sich die Wohnungstür. Geschafft dachten wir noch, doch den Schlüssel vergaßen wir nie wieder.

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Texte: Gitta Rübsaat
Bildmaterialien: Kostenlose Bilder Google
Tag der Veröffentlichung: 03.10.2017

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