Eines Tages, ja eines Tages, da werde ich ihn gehen.
Vielleicht ein Stück oder auch nur ein Stückchen, diesen Weg der Zypressen.
Welchen Weg, fragen die meisten zurück. Ich meine nur einen, den Weg, den sogenannten Jacobsweg, sicher nicht aus religiösen Gründen, bibelfest bin ich sowieso nicht, habe mir darüber auch noch nie Gedanken gemacht. Kenne zwar die christlichen Feste, doch was alles in der Bibel steht, das haben doch eh nur wieder die Menschen festgelegt und niedergeschrieben. Wie weit jeder ein Teilchen dazu tat oder hineinlegte, entzieht sich meiner Kenntnis. Interessiert mich auch nicht.
Eigentlich ist es wie bei jeder Religion auf unserer Erde, Menschen schrieben irgendwann das nieder oder erzählten sich, was sie hörten und interessierte. Also doch nur eine rein mündliche Überlieferung von Geschichten, die jemanden gefallen haben, woran er glauben konnte oder wollte. Denn Menschen brauchen sowas: einen Glauben an irgendwas, an sich selbst zu glauben, ist ihnen wohl nicht genug. Wen wundert es, bei den menschlichen Exemplaren, die man auch immer wieder mal trifft.
Doch irgendetwas Wahres muss ja dran sein. Auch ich schwanke oft genug und habe einfach nicht die Zeit, mich mal nur, einzig und allein mit all diesen interessanten Fragen zu beschäftigen. Aber gerade auf diesem Weg hätte ich sie. Und sich dort damit zu beschäftigen - das wäre doch sogar mehr als passend. Denn bis auf Landschaft, ein paar Mitwanderer, Blasen an den Füßen und wo schlafe ich heute Nacht - gibt es keine wichtigen Themen, denke ich mal. Also kann ich mich meinen wesentlichen Fragen stellen.
Beim Betrachten des Bildes, kommt mir dieser Jacobsweg sofort in den Sinn. Na, ja, es könnte ja auch eine Straße irgendwo in der Toskana sein, doch mich erinnern die Zypressen an eine der vielen Straßen Südfrankreichs oder auch Spaniens. Die Landschaft mit den abgemähten Feldern in der sanften Hügeln, das ruhig dahin fließende Flüsschen und im Hintergrund das schnuckelige Gehöft.
Es könnte aber auch vielleicht genau die Herberge sein, die ich eines Abends nach einem anstrengenden Tagesmarsch aufsuche, um meinen Durst mit einem hiesigen Wein und einer landestypischen Mahlzeit abrunde, bevor ich mich völlig erschöpft, aber hoch zufrieden mit meiner Tagesstrecke zur Ruhe begebe.
Wie ich mich allerdings kenne, sofern mir die Herberge zusagt, werde ich sicher mehr als eine Nacht dort verweilen, um diesen Landstrich ein wenig näher kennenzulernen. Sicher können mir die Herbergsleute behilflich sein und mir Vorschläge machen und hätten mir einiges über diesen herrlichen Flecken Erde zu erzählen.
Ja, ich möchte mehr über diese Straße, diesen Weg erfahren. Warum baute man diesen Weg, wer musste hier Tag für Tag schuften und für wen und zu welchem Zweck? Gab es hier vielleicht mal große Feste, Hochzeitskutschen, Könige oder ist es wirklich nur ein Pilgerweg? Neugierig wie ich halt bin, möchte ich natürlich auch erfahren, wurden auf dieser Straße auch Untaten verübt, Mord und Totschlag. Langweilig wäre es sicher zu erfahren, wenn dort auch früher nur Fuhrwerke und heutzutage nur Bauern mit ihren Traktoren unterwegs gewesen wären. Gab es unter Umständen sogar ein Liebesdrama?
Wer hat die Zypressen gesetzt und warum. Weshalb hat man nicht inzwischen diesen Weg asphaltiert, damit ich mir meine Inliner anschnallen könnte, um meine wund gelaufenen Füßen zu schonen.
Doch egal welchen Belag diese Straße trägt, eines Tages werde ich ihn hoffentlich gehen, nicht nur aus religiösen Gründen, sondern auch, um mich selbst zu finden, Abstand von meinem persönlichen Umfeld zu gewinnen, mir über einiges klar werden.
Sicher werde ich diese Reise nicht allein unternehmen können, das ist sonnenklar. Da ich oft einfach nur jemanden hinterherlaufe, weil ich eher auf die Kleinigkeiten wie Blumen oder auch Tiere achte, die mich faszinieren und im Bild festhalten muss. Gerade in diesen Zeiten gehen meine Gedanken auf die Reise, dabei verpasse ich dann schon mal das Ziel ... aber, sagt man nicht auch: Der Weg ist das Ziel???
Texte: Schnief
Bildmaterialien: M.Schauten
Cover: M.Schauten
Lektorat: Gitta Rübsaat
Tag der Veröffentlichung: 01.07.2017
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