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Maries Gedanken

Die Streitereien wegen Nichtigkeiten innerhalb der Familie gingen Marie so an die Nerven, dass sie nur noch meinte:
„Kommt erst mal zur Besinnung, bevor ihr Weiteres aussprecht, eure Argumente sind so etwas von niedriger Natur, dafür habe ich kein Verständnis.“
Marie verließ kurzerhand den Raum, schnappte sich einen Regenmantel und ihren geliebten Schirm, dass sie dabei den ihres Gatten erwischte, merkte sie in diesem Augenblick nicht.
Schnellen Schrittes erreichte Marie hinter der Siedlung, in der sie ihr kleines Häuschen vor vielen Jahren errichteten, die Auenlandschaft mit ihren weitläufigen Wiesen.


Dort atmete Marie erst einmal durch, ihre Aufregung über dieses Unverständnis ihrer Familie legte sich ganz langsam, als ihr Blick über die Landschaft mit den kleinen Sträuchern und den wenigen Bäumen glitt.
„Wie kann man nur solches Gedankengut haben, waren unsere Großeltern damals nicht selbst Flüchtlinge? Wurden sie nicht auch vertrieben, an die grausame Zeit während der Flucht, der Verlust von Familienmitgliedern, die diese Tortur nicht überstanden haben, daran denken sie gar nicht mehr?“, dachte Marie, während sie langsam über die Wiesen ging.
Marie war so in Gedanken, dass sie weder die herannahenden Wolken noch den aufkommenden Wind bemerkte, ebenso achtete sie nicht auf irgendwelche Steine oder Vertiefungen im Erdreich.
Sie stolperte, fing sich aber wieder und riss dabei ihren gelben Schirm in die Höhe, als habe sie einen erhobenen Zeigefinger.


Einige Minuten später erreichte sie die einzige Bank, die kurz vor dem Bach stand und setzte sich.
Wieder gingen ihre Gedanken auf die Reise.
„Vor einigen Jahren, als die Flüchtlingswelle so präsent in den Medien war, da schrien alle auf, wollten helfen. Als dann noch die Bilder von den armen Kindern, die an Land gespült wurden. Meine Güte, welch ein Aufschrei. Und jetzt? Jetzt werden die wirklichen Flüchtlinge als Mokkafrösche und sonstiges beschimpft. Damals halfen viele, klar, sie halfen mit einer kleinen Spende oder mit Gegenständen, die sie sowieso loswerden wollten.“
Der Wind nahm zu und Marie begann es zu frösteln, so dass sie sich den Regenmantel umhängte und erst jetzt merkte, dass sie den ihres Mannes erwischt hatte, weil er fast den Boden berührte.
„Toll“, dachte sie und erhob sich wieder, schlenderte ein wenig den Bach entlang. Einige Tropfen Regen, die sich aus einer dunklen Wolke gelöst hatten, fielen ihr auf die Nase und Stirn, dass sie automatisch ihren Schirm aufspannte.
„Was ist nur mit der Welt los? Kriege und Elend hatten wir genug in der Geschichte, wann hört dieses Machtgezerre endlich auf? Europa begann sich doch in den Achtzigern zu nähern, heute driftete es wieder auseinander? … Warum? Diese Armleuchter, diese Machthungrigen, diese Menschenrechtstreter! … Haben die solch eine Angst vor dem IS. Mensch, wir haben doch Geheimdienste, die wissen doch alles oder werden wir wieder nur für doof von der Waffenlobby verkauft“, Maries Gedanken wirbelten durcheinander während sie langsamen Schrittes sich langsam auf den Rückweg machte.


Auf der langgezogenen Wiese vor der Siedlung begegnete ihr eine ihr bekannte Flüchtlingsfrau, die mit ihren sieben Kindern, den Weg geschafft hatte. Marie wusste, dass diese Frau ja nicht nur ihre eigenen Kindern mitgebracht hatte, sondern auch, welche von ihrem Mann, dessen weitere Frauen.
Marie nickte ihr freundlich zu und schon waren ihre Gedanken wieder bei ihrem Ursprung angelangt.
„Sicher war es damals nach dem Krieg nicht anders, man hat sich sicher auch auf der Flucht den Waisen angenommen, jedenfalls nach den Erzählungen der Großmutter. Aber warum haben sie inzwischen solch einen Hass auf die Flüchtlinge. Immer diese kleinen Gruppen von Vollwaisen, die nicht wissen, dass sie unser Gastrecht missbrauchen und eine Missstimmung im Land verbreiten, echt Schrott. Statt gemeinsam gegen diesen Terror und den Waffenhandel einzustellen, damit die Welt in Frieden leben kann, nein wirtschaftliche Interessen spielen eine größere Rolle, als der Mensch.“
Marie schüttelte ihren Kopf und würde am liebsten in die Welt hinausschreien:
„Was ist wichtiger als Menschenrechte und Frieden in der Welt oder euer verdammter Waffenhandel!“

 

 

 

 

 

Diese Kurzgeschichte

ist ein Beitrag in der Anthologie "Ein Bild erzählt Geschichten", die gemeinsam von BookRix - Autoren erstellt wurde zu Gunsten des Sonnenschein e.V., der es sich zur Aufgabe macht Kindern im Krankenhaus eine Freude zu bereiten.

 

Hrsg. Manuela Schauten

Ein Bild erzählt Geschichten

ebook:           ISBN 978-3-7438-2015-9 für nur 1,99 €

Taschenbuch: ISBN-13: 978-1547108801

                     ISBN-10: 154719880X

 

Impressum

Texte: Schnief
Bildmaterialien: Manuela Schauten
Tag der Veröffentlichung: 28.05.2017

Alle Rechte vorbehalten

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