John Collier
Unbekannter Künstler
„He, schau mal, da hat ja jemand versucht, das Ölgemälde mit der schönen Nackten von John Collier zu kopieren“, staunend stand kopfschüttelnd Anton vor dem Bild. Er drehte sich um, da kam Jens, sein Kumpel langsam aber sicher angeschlendert. Jens, ein Kunstbanause und er hatte wenig Sinn für Gemälde, schon gar nicht, wenn er im Anschluss darüber unter Umständen auch noch ein Referat oder einen Vergleich diverser Bilder halten soll.
Anne, die keinen Meter von Anton entfernt stand, meinte in ihrer oftmals etwas überheblichen Art:
„Das linke Bild ist die Lady Godiva von John Collier. John Miller lebte von 1850 -1934 und malte im Stil der Präraffaeliten. Godiva, die im Bild dargestellt ist, ist Gegenstand einer Legende, die aber seit dem 13. Jahrhundert belegt wurde. Unter einer enormen Steuerlast litt damals das Volk, ihr Ehemann war verantwortlich dafür und sie, die Lady Godiva, konnte es nicht ertragen, dass die Menschen litten. Ihren Mann versuchte sie zu überreden, die Steuerlast zu senken. Er sagte ihr, die Steuern würden erst gesenkt, wenn sie nackt durch die Stadt reitet. Ihr Mann Leofric glaubte und rechnete nicht damit, dass sie den Mut aufbringen würde, unbekleidet durch die Stadt zu reiten, damit es dem einfachen Volk besser geht. Und Lady Godivia ritt nackt durch die Stadt. Leofric, war so vom Mut seiner Frau beeindruckt, dass er daraufhin alle Steuern erließ, außer die auf Pferde. Der Ritt der Lady Godiva in Coventry wird jährlich durch eine Prozession gefeiert. Auch wurde die Geschichte weiter ausgeschmückt, ein einziger Bürger hätte es gewagt, zuzuschauen, wie sie durch die Stadt ritt und sei Anschluss erblindet.“
Anne machte eine kleine Pause und wollte gerade ansetzen das rechte Bild erklären, als Anton sie bat:
„Moment, ich muss das erst mal sacken lassen.“
„Was sacken lassen?“
„Die Deutung beziehungsweise die Grundlage zum Bild von Collier.“
„Die Legende haben doch einige andere Maler, wie z. B. Salvator Dali auch umgesetzt,
„Aha, schade, dass er jetzt nicht auch hier vertreten ist“, meinte Anton.
„Warum auch, ihr seid in einer Ausstellung, in der Kunstdrucke von prominenten Malern und Werke von noch unbekannten Künstlern, die versuchten, diese Bilder in einer anderen Technik und Größe darzustellen.“
„Ach so und die Unterscheidung ist allein die Technik“, warf Jens ein.
Anne, die in ihrem Element war, öffnete ihre Wasserflasche und nahm einen Schluck, bevor sie wieder weiter sprach.
„Bekannt ist die präraffaelitische Kunst für ihre leuchtenden und lebendigen Farben. Indem die Künstler die Leinwand erst weiß grundierten und im Anschluss die Ölfarbe in dünnen Schichten auftrugen, erreichten sie dies. Ihre Bilder waren akribisch besonders in den Details und die Themen holten sie sich aus Mythen und Legenden, Shakespeare und Keats. Ihre dargestellten Frauen zeigten stets wunderschöne und trugen lange Haare.“
Während Anne eine Atempause einlegte, meinte Jens;
„Und der unbekannte Künstler von dem kleinen Bild hat es also nicht in Öl sondern Kreide gemalt und kopiert hat er es zudem auch nicht, da sehe ich zu große Unterschiede.“
„Sicher sind die Details klarer, denn ich nehme an, das Originalbild von Collier ist sicher so 120 x 90 cm Und das Originalbild hier in Kreide ist nur etwa 30 x 20 cm. Doch die Frau auf dem Pferd sieht ihr unheimlich ähnlich, auch wenn alles nicht klar und deutlich dargestellt ist. Sicher hat sich der Urheber Mühe gegeben, aber ich finde es nicht so gelungen.“
„Ich schon, ehrlich gesagt, denn ich male auch ab und zu mit Kreide, wenn ich allein die Formate betrachte, hatte es Collier wesentlich einfacher. Es handelt sich um eine Pastellkreidezeichnung, zwar sind die Konturen wesentlich besser hervorzuheben gewesen, aber sicher wollte dies der unbekannte Maler nicht. Außerdem spielt bei so einem Kreidebild enorm die Belichtung eine Rolle, die Farbintensität spiegelt sich darin und ist für die Wirkung ausschlaggebend“, schaltete sich jetzt Anton ein und zeigte dabei auf das kleine Bild.
„Mir gefallen beide, und ich finde beide gelungen“, pflichtete Jens Anton bei.
„Wenn ihr das meint, ich finde es nicht, aber das ist sowieso Ansichtssache“, kaum dass Anne die Worte aussprach, wurde sie von einer Freundin weggezogen.
Doch die beiden Jungen betrachteten noch ein wenig die Bilder bis schließlich Jens augenzwinkernd meinte:
„Ich finde beide geil, wie sie so auf dem Pferdchen das Kreuz durchdrücken.“
„Recht haste“, erwiderte Anton breit grinsend.
Texte: Schnief
Bildmaterialien: Bild von John Colier, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0c/Lady_Godiva_%28John_Collier%2C_c._1897%29.jpg und Schnief
Tag der Veröffentlichung: 08.04.2017
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