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Auf dem Weg

 

Ziemlich enttäuscht ließ Max den Brief fallen, rannte aus der Küche und polterte die hölzerne Treppe hinauf. In seinem Zimmer ließ er sich auf sein Bett mit der bunt gemusterten Bettwäsche fallen. Struppi sein hellbrauner Mischlingshund folgte ihm und sprang ebenso aufs Bett.

Max war sehr traurig über die Zeilen, die er gerade gelesen hatte, dabei kullerten ihm einige Tränen die Wange hinunter. Struppi stupste ihn liebevoll an.

„Ach Struppi“, dabei drückte er seinen besten Freund fest an sich, „Selbst das Christkind hat nur von den Wünschen geschrieben, die es versucht, mir zu erfüllen. Aber der Größte und Wichtigste war nicht dabei.“

Nach einer Weile, während er so da saß und die Regale auf der gegenüberliegenden Wand anstarrte, setzte sich eine Idee in seinem wuscheligen blonden Kopf fest. Leise flüsterte er die Idee Struppi ins Ohr.

Max war zwar erst sechs Jahre alt, aber er konnte schon ziemlich gut lesen und war ebenso pfiffig. Er sprang auf, lief hinunter in die Küche und holte sich den achtlos hinunter gefallenden Brief, den seine Mutter inzwischen auf den Tisch gelegt hatte.

„Toll, das Christkind hat ja eine Adresse“, jubelte er, als er sich Minuten später wieder in seinem Zimmer befand und den Brief nochmals gelesen hatte, während Struppi freudig mit der Rute wedelte.

 

Kurz entschlossen holte er sich seinen Kinderatlas, den er vom Nikolaus erhalten hatte, aus seinem Regal neben dem Fenster. Er schaute sich Seite für Seite an, bis er endlich die gewisse 'Stadt' gefunden hatte.

„Guck mal Struppi, die Stadt liegt ja gar nicht so weit von uns entfernt“, rief Max erfreut aus und schwang den Altas in die Höhe. Struppi schaute ihn nur verständnislos an und machte es sich lieber auf dem Bett bequem.

 

Wenig später saß er beim Abendessen, das er wie so oft alleine mit seiner Mutter einnehmen musste, weil sein Vater als Kraftfahrer irgendwo im Land unterwegs war. Max sah ihn leider selten. Wenn er zuhause war, dann hatte er kaum Zeit für ihn, das machte Max sehr traurig und er vermisste ihn sehr.

„Mama, das Christkind wohnt doch in Engelskirchen, das stand in dem Brief“, begann Max zaghaft und schaute seine Mutter erwartungsvoll an.

„Dann stimmt es“, meinte seine Mutter, während sie ihm einen Becher warmen Kakao reichte.

„Ist das sehr weit von hier?“, wollte er nun wissen.

„Nein.“

„Wie kommt man denn da hin, wenn man kein Auto besitzt?“, bohrte er weiter.

„Dann benutzt man den Bus und die Bahn, hast du keinen Hunger?“, denn Max schob sein Butterbrot hin und her.

„Das meinte ich nicht. Wie muss man denn fahren, so mit dem Bus und der Bahn?“, dabei biss er schnell in sein mit Tomaten und Käse belegtes Brot.

„Von hier aus?“, wollte seine Mutter nun wissen.

„Ja“, antwortete Max kauend.

„Man nimmt zuerst den Bus zum Bahnhof, weiter mit der Bahn nach Köln, dort steigt man in den Zug nach Olpe oder Siegen um, denn Engelskirchen liegt ungefähr in der Mitte zwischen Köln und Olpe. Weshalb willst du das denn wissen?“

„Nur so, außerdem muss ich doch Jörg sagen können, wie man zum Christkind kommt, denn ich weiß ja jetzt, wo es wohnt“, flunkerte Max, wobei sich seine Wangen röteten.

„Aha“, meinte seine Mutter nur dazu.

 

Seine Mutter arbeitete in einem Krankenhaus, leider mit Schichtdienst, so kam es leider des Öfteren vor, dass er nach Schulschluss, ein bis zwei Stunden mit Struppi allein verbringen musste. Manchmal passierte es, dass sie sogar eine weitere Schicht übernehmen musste. Deshalb besaß er bereits ein kleines einfaches Handy, damit er jederzeit erreichbar war oder er seine Mutter sprechen konnte.

So passierte es auch am nächsten Tag, seine Mutter teilte ihm mit, dass sie wegen Krankheit einer Kollegin ihre Schicht übernehmen müsse, sodass es spät werden würde. Er solle doch zur Großmutter gehen. Die Großmutter lebte zwei Straßen weiter in ihrer kleinen Wohnung. Eigentlich ging Max sehr gerne zur Großmutter, denn dort gab es immer etwas Leckeres für ihn und sie erzählte ihm dann Geschichten.

Doch Max hatte ganz andere Pläne, so antwortete er seiner Mutter total aufgeregt: „Mama, es geht schon, Struppi ist bei mir, außerdem bin ich schon groß und ich schaffe das allein!“

Sofort drückte er den roten Knopf auf seinem Handy, dass das Gespräch endete.

 

Schnurstraks lief er in sein Zimmer, dort plünderte er seine Spardose auf dem Teppich. Von seinem Nikolausteller schnappte er sich einige Plätzchen und Gummibärchen. Danach lief er in die Küche, dort nahm er sich einige Hundekuchen sowie eine Trinkflasche und verstaute alles in seinem Rucksack.

Einige Minuten später zog er sich seinen roten Anorak, seinen rotweißen Lieblingsschal an und schob sich seine Mütze über die Ohren. Frohgelaunt machte er sich mit Struppi an der Leine auf den Weg zur Bushaltestelle.

 

 

Beim Einsteigen hielt Max mit Struppi im Arm dem Busfahrer sein Schülerticket direkt vor die Nase und wollte schon weitergehen, als dieser ihn festhielt und meinte:

„Für den Hund musst du aber zahlen!“

Max wollte gerade Struppi absetzen, da meinte ein älterer Herr, der einen dunkellauen Mantel und einen grauen Hut trug, der hinter Max den Bus betreten hatte:

„Lass mein Junge, dein Hund fährt auf unserer Tageskarte mit“, und schaute dabei den Busfahrer freundlich an.

Dieser nickte zustimmend, und der ältere Herr schob Max an der Schulter weiter durch den Bus.

Max bedankte sich überschwänglich und setzte sich gegenüber des älteren Mannes und seiner Frau, die einen grauen Mantel mit Pelzmütze trug. Der Duft von frischen Rosen umgab die Frau. Sie lächelte Max aufmunternd zu.

Kurz bevor der Bus den Bahnhof erreichte, fragte die Frau Max freundlich:

„Wohin wollt ihr zwei denn?“

„Nach Engelskirchen“, antwortete Max fröhlich.

„Ganz allein?“, staunte sie fragend.

„Wir sind doch nicht allein“, entgegnete Max fest.

Der ältere Herr musste unwillkürlich lächeln, seine Frau wollte weitere Fragen stellen, aber in diesem Moment erreichte der Bus den Bahnhof.

Der Bus hielt abrupt und die anderen Fahrgäste drängten eilig dem Ausgang zu, doch Max zog sich in aller Ruhe seine Mütze über die Ohren und schulterte seinen gelbblau karierten Rucksack, den er während der Fahrt zwischen seinen Beinen abgestellt hatte. Dann machte er sich auf, den Bus zu verlassen.

 

Vor dem Bus stand das ältere Ehepaar und wartete auf ihn.

„Komm, wir fahren gemeinsam nach Köln“, erklärte ihm der Mann.

Auf dem Weg zu den Gleisen versuchte Struppi an jeden Busch, an dem sie vorbei liefen, sein Beinchen zu heben.

„Struppi, so oft kann man doch gar nicht müssen, komm“, während Max ihn versuchte weiter zu ziehen, denn in der Ferne erblickte er den nahenden roten Zug.

„Er will nur seinen Duft überall hinterlassen, das machen die männlichen Hunde“, versuchte der Mann ihn aufzuklären.

 

Nachdem die drei im Zug einen Sitzplatz gefunden hatten, da wollte die Frau wissen, wie er heißt.

„Max und wie heißt Du?“, entgegnete er fröhlich.

„Ich bin die Frau Wunder und wir wohnen in der Bonnstraße.“

„Ich wohne in der Klara Winter Straße 4, dort wohne ich mit Mama und Papa und natürlich Struppi!“, erzählte Max und lächelte breit.

„Was möchtest du denn in Engelskirchen?“, fragte Frau Wunder weiter.

„Ich muss mit dem Christkind sprechen!“, sprudelte es aus Max.

„Hast du deinen Wunschzettel denn nicht aufs Fensterbrett gelegt? Das Christkind holt es sich doch in der Nacht ab?“, fragte sie in einem warmen Ton.

„Es hat mir einen Brief geschrieben, aber …“, antwortet Max, da aber gerade in diesem Moment erschall die laute Ansage der nächsten Haltestelle, so konnte ihn weder Frau noch Herr Wunder verstehen. Max stand unvermittelt auf und schaute begeistert aus dem Fenster.

Voller Freude rief er:

„Es schneit, es schneit, Frau Wunder siehst du auch die dicken Flocken?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er Struppi auf den Arm, damit sein Liebling ebenso das Schneegestöber betrachten konnte.

„Struppi, guck mal, so viele dicke Flocken!“

Struppi schaute ihn verwundert an und versuchte ihn zu lecken.“

„Nicht Struppi, das sollst du doch nicht, das kitzelt“, meinte Max lachend, ließ es aber geschehen.

 

Wenige Minuten später fuhr der Zug in den Bahnhof ein und eine laute Durchsage ertönte:

„Endstation, bitte alle aussteigen!“

Unverzüglich standen viele Passagiere auf und machten sich bereits auf den Weg zu den Ausgängen, so dass ein leichtes Gedränge entstand.

 

Auf dem Bahnsteig, die Menschen drängelten, da wollte Herr Wunder von Max wissen, von welchem Gleis der Zug nach Engelskirchen abfahre.

Max sah ihn mit großen Augen an und schüttelte dann den Kopf, dachte kurz nach und erwiderte:

„Da muss ich noch auf dem Fahrplan nachsehen.“

„Sag mal Max, wieso weißt du das nicht?“, wollte nun Herr Wunder ziemlich besorgt wissen und versuchte, Max an der Schulter festhalten, der aber von der Menschenmenge weiter geschoben wurde.

 

In einem der zahlreichen Gänge des Hauptbahnhofes herrschte das aufgeregte Geschnatter der vielen geschäftig hin und her laufenden Menschen, ebenso laut erschall Weihnachtsmusik, da stand nun Max mit Struppi und suchte die Fahrpläne.

„Da“, rief er, wild mit seinem Arm zeigend, Struppi zu und rannte mit seinem Rucksack los, der auf seinem Rücken hin und her schleuderte. So bemerkte er nicht, als er sich zwischen den eilenden Passanten durchquetschte, dass er eine Schale, die auf einem kleines Tischchen mit einem Adventskranz, der mit dicken roten Schleifen und Kerzen vor einem Laden stand, hinunter riss.

Auch hörte er nicht den Ruf der Verkäuferin.

Max rannte wie besessen zu den Fahrplänen, dabei hielt er Struppi fest im Arm.

Er atmete tief durch, als er endlich dort angekommen war und versuchte alles zu entziffern, dabei klebte er mit der Nase fast am Glas des Fahrplankastens.

 

 

Ein älteres Mädchen fragte ihn:

„Wohin willst du denn, du liest den Fahrplan von der Ankunft?“

„Wieso Ankunft, ich will nach Engelskirchen“, antwortete er ihr und schaute sie verdutzt an.

„Gibt es unterschiedliche Pläne?“, ganz erstaunt blickte er sie an.

„Ja und um wieviel Uhr willst du fahren“, fragte sie ihn weiter.

„Sofort“

„Komm wir gehen auf die andere Seite und dann helfe ich dir.“

„Danke, das ist toll. So schnell kann ich noch nicht lesen.“

„Macht doch nichts, du machst das aber schon super!“

Gemeinsam suchten sie den richtigen Zug heraus.

Max kramte plötzlich in seiner Tasche und holte ein kleines Tütchen Gummibärchen heraus.

„Hier und danke noch mal“, wollte er sich verabschieden und in Richtung des Gleises laufen.

„He, warte, hast du überhaupt ein Ticket?“, hörte er sie noch rufen.

Max zog sein Schülerticket aus der Jackentasche und hielt es in die Höhe.

Dann blickte er auf die Uhr.

„Komm Struppi, wir haben noch Zeit, guck mal, da draußen steht ein riesiger Tannenbaum“, kaum hatte er es ausgesprochen, da spurtete er los.

„Wie meiner kleiner Bruder“, dachte das Mädchen bei sich, drehte sich um und ging schnellen Schrittes in die andere Richtung und verschwand in der geschäftigen Menschenmenge.

 

Max stand staunend vor dem riesigen Tannenbaum, der mit seinen vielen Lichtern nur so funkelte und glitzerte. Struppi interessierte der Baum überhaupt nicht, stattdessen schnüffelte er um ihn herum.

Plötzlich vernahm Max den Gesang eines Chores, der auf dem Platz ein Ständchen brachte. Sofort stimmte er bei seinem Lieblingslied laut mit seiner hellen Stimme ein.

„Et es aid widder zehn noh sechs …..“

 

Als sie bei der folgenden Strophe ankamen, da stiegen Max die Tränen in die Augen.

„Ach weiß de Papp, ich mööch esu qään

Ne riesige Karton

en ganz buntem Geschenkpapier

met Schleifcher drömeröm.

Un jedes Mol, wenn ich et well,

dann maach ich da bloß op,

erus küss do, dann spillen mir,

stelle alles, stelle alles op de Kopp“

 

Die umstehenden Leute dachten, er gehöre zum Chor und legten ihm Münzen vor die Füße, dies alles bemerkte er nicht, so gefangen war er im Lied.

Erst nachdem das Lied geendet hatte und ein lautstarkes Klatschen einsetzte, riss es ihn aus seiner Trance. Struppi hatte sich inzwischen direkt vor ihm niedergelassen.

 

Plötzlich vernahm er die Stimme von Herrn Wunder:

„Max, ich dachte, du bist auf dem Weg nach Engelskirchen, was machst du hier auf dem Weihnachtsmarkt?“

Total verdutzt und mit weit aufgerissenen Augen blickte Max ihn an und begann zu stottern:

„Wir, wir haben doch noch Zeit, der Zug fährt um 14.30 Uhr“

„Das ist in fünf Minuten und ihr müsst noch zum Bahnsteig.“

 

 

 

 

Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, erreichte Max mit Struppi völlig außer Atem den Bahnsteig, denn sie rannten nicht nur, sondern quetschten sich durch jede Lücke der vielen eilenden Menschen, die sich im Zugangstunnel eilig hin und her bewegten. Erst als er mit Struppi im Zug eingestiegen war, konnte Max tief durchatmen.

 

Er fand einen Fensterplatz in Fahrtrichtung, fragte höflich, ob dieser Platzt noch frei sei. Ein Mann im mittleren Alter nickte ihm wortlos zu. So setzte er sich, nachdem er seinen Rucksack zwischen seine Beine gestellt und Struppi auf seinen Schoß genommen hatte.

Gegenüber von ihm saß eine ältere Dame, die scheinbar in ein Buch vertieft schien, doch sie beobachtete ihn über den Rand ihrer Brille.

Auch Max musterte sie eine ganze Weile, denn ihre wilden grauen Locken, die sie mit einem bunten Band versuchte zu bändigen, fand er lustig. Sein Blick senkte sich ein wenig und er schaute plötzlich etwas irritiert aus.

„Entschuldigen Sie bitte, aber warum haben sie denn keinen Mantel oder Anorak an?“, kam es plötzlich über seine Lippen.

„Wieso?“, die Dame lächelte ihn freundlich an.

„Sie sehen aus, als hätten sie sich in eine bunte Wolldecke gewickelt“, stammelte Max.

Die Leute ringsum mussten in dem Moment grinsen, aber die Dame meinte freundlich zu ihm:

„Deine Wolldecke nennt man Poncho und in Südamerika tragen viele Menschen einen. Auf der Unterseite besitzt er sogar ein Schafsfell, damit ich nicht friere.“

„Dein Poncho sieht richtig toll aus“, versuchte nun Max galant zu sein, dabei setzte er Struppi neben sich auf den Sitz.

„Danke, das freut mich, sag mal junger Mann, wo möchtest du denn so ganz allein hin?“, sie klappte dabei ich Buch zu und schaute ihn erwartungsvoll an.

Max kramte in seinem Rucksack, holte seine Brotdose heraus und einen Hundekuchen für seinen Liebling heraus, dabei murmelte er:

„Nach Engelskirchen zum Christkind!“

Die Dame glaubte, sie habe ihn wohl nicht richtig verstanden, daher fragte sie nochmals:

„Wie, … zum Christkind?“

„Ja, es wohnt doch in Engelskirchen, Himmelspforte 2-6. Das steht doch in dem Brief, den mir das Christkind schrieb. Und das steht oben auf dem Brief!“, versuchte Max zu erklären, dabei öffnete er seine Brotdose und hielt sie der Dame höflich hin. Die Dame nahm sich ein Plätzchen.

„Oder glaubst du mir nicht?“, wollte er nun wissen, während er Struppi nun seinen Hundekuchen hinhielt, der vorsichtig danach schnappte. Im Anschluss biss er in ein mit Schokolade überzogenes Plätzchen.

„Doch, ich glaube es dir, aber so ganz allein?“

„Ich bin nicht allein! Oder ist Struppi niemand?“

„So ein junger Mann, ganz allein auf Reisen, ohne eine ältere Begleitung“, versuchte sie vorsichtig anzufragen.

„Ich bin schon sechs, gehe in die erste Klasse und deshalb bin ich schon groß und kann das!“, erklärte Max mit fester Stimme.

„Aha!“

 

 

Max ist inzwischen aufgestanden und schaute aus dem Fenster, inzwischen hatte sich die Landschaft verändert, sie fuhren durch Wälder, die schneebedeckten Tannen und Felder verzauberten Max.

„Wie im Märchenwald, Frau Holle hat ihn verwandelt“, rief er plötzlich, dass die Anwesenden im Abteil ebenso ihren Blick auf die Landschaft richteten.

„Ja du hast Recht!“, sagte die Dame, wollte schon weiter fragen, aber merkte, dass Max wie gebannt aus dem Fenster starrte.

Der Zug wurde langsamer, die Dame packte ihre Sachen zusammen und meinte zu dem Herrn ihr gegenüber.

„Bitte passen Sie auf, dass er in Engelskirchen aussteigt!“

 

Davon hatte Max in seiner Verzauberung nichts mitbekommen, erst als sie ihn an der Schulter anfasste und „Auf Wiedersehen, junger Mann“ sagte, drehte sich Max um. Ein verklärter Blick traf sie.

„Auf Wiedersehen“, meinte Max und setzte sich zu Struppi, den er liebevoll an sich drückte.

 

 

Nachdem die Dame den Zug verlassen hatte, holte sich Max aus seinem Rucksack seinen Walkman und setzte seine Kopfhörer auf. Er bemerkte gar nicht, dass er plötzlich laut mitsang:

 

„Alle Kinder träumen oft von einer heilen Welt

tragen in sich noch die Hoffnung, die für jeden zählt

Legen Euch voll Vertrauen ihr Herz in Eure Hand

drum behütet es mit viel Verstand.

 

Sie seh’n die Blumen blühen, die am Wege steh’n

öffnen ihre kleine Augen, um die Wunder all zu seh’n.

Schau’n die Vögel dort am Himmel, fliegen mit dem Wind

und beachten auf der Erde jedes andre Kind.

 

Alle Kinder, alle Kinder dieser Welt

haben Träume, haben Träume aufgestellt,

darum denk auch stets daran, was man zerstören kann

bei den Kindern, den Kindern dieser Welt.

 

Wie glücklich sind die Kinder, wenn sie nur Liebe spür’n.

Ihre Fröhlichkeit und Freude auch uns’re Herzen rühr’n,

ihr Lachen hellt die Dunkelheit an grauen Tagen auf,

denn sie lassen den Gefühlen immer freien Lauf.

 

Sie weinen ihren ganzen Kummer still in sich hinein.

Unterdrücken oft Enttäuschung, die niemand sehen kann.

Jedes böse Wort stiehlt ihnen Wärme fort,

Macht aus ihren Kinderaugen einen leeren Ort.

 

Alle Kinder, alle Kinder dieser Welt

haben Träume, haben Träume aufgestellt,

darum denk auch stets daran, was man zerstören kann

bei den Kindern, den Kindern dieser Welt.“

 

Es wurde ganz still im Zug, denn die Mitreisenden lauschten seiner hellen klaren Stimme, erst als er verstummte, begannen sie lautstark zu klatschen. Völlig irritiert schaute er auf. Der Herr neben ihm stupste ihn an.

„Junge, du musst aussteigen, der nächste Halt ist Engelskirchen.“

„Endlich und danke, das du es mir gesagt hast.“

Hastig packte Max seine Sachen in den Rucksack, zog seinen Anorak und die Mütze über.

Struppi setzte er vorsichtig auf den Fußboden und wollte sich schon auf den Weg zum Ausgang machen, da wurde er schon wieder an gestupst:

„Vergiss deine Handschuhe nicht!“

Max drehte sich nochmals um, schnappte sich seine Handschuhe und stopfte sie in seine Taschen.

 

Als Max mit Struppi den Bahnhof verlassen hatte, staunte er nicht schlecht, denn auf dem Platz empfing ihn ein Weihnachtsmarkt mit verlockenden Gerüchen. Er bekam sofort Appetit. So schlenderte er vorbei an den verschiedenen Ständen, die ihn einfach anzogen. Es schneite in dicken Flocken und Struppi versuchte sie zu fangen. An einem Bratwurststand holte Max ein Würstchen, das er mit Struppi teilte.

Beim nächsten Stand, an dem ihm leckere rote Bratäpfel ins Auge fielen und das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ, fragte er:

„Wo ist denn die Himmelspforte 2 - 6, bitte?“

„Ach, zum Christkind willst du?“

„Ja“

„Siehst du dahinten die Kirche, direkt rechts daneben“

„Danke“

Max drehte sich um und versuchte, um die vielen Stände in die Richtung zu kommen.

Plötzlich sah er aber keinen Kirchturm mehr, sondern war an einem kleinen Weiher angekommen, auf dem viele Menschen Schlittschuh liefen. Struppi zog und zog. Außerdem versuchte er ständig, sein Bein zu heben und Max war bedacht, das er das nicht tat.

„Komm Struppi, wir gehen da rüber, da kannst du mal!“

 

Langsam aber sicher begann es zu dämmern und die Beleuchtung des Weihnachtsmarktes verzauberte Max, doch er konnte dadurch die Kirche kaum noch erkennen.

„Weißte was Struppi, wir gehen nicht über den Markt, sondern drum herum, dann sind wir sicher schneller“, meinte Max plötzlich.

Da aber ab und zu plötzlich Häuser ihm im Weg standen, er diese umgehen wollte, landeten sie plötzlich ganz am Stadtrand und vor ihnen zeigte sich eine Winterlandschaft, die Max nur aus dem Fernsehen kannte. Er war sprachlos und dann hoppelte doch plötzlich ein weißer Schneehase an ihm vorbei. Struppi zog unerwartet an der Leine, das Max die lockere Leine aus der Hand rutschte. Struppi raste hinter dem Hasen hinterher.

„Struppi“, rief Max und versuchte durch den hohen Schnee hinterher zu rennen.

 

 

Immer tiefer in den Wald stapfte Max durch den tiefen Schnee, dabei rief er laufend nach Struppi.

Die Flocken wurden immer weniger, die schweren Schneewolken waren weiter gewandert und der Mond ließ die Landschaft verzaubert zurück.

Aus dem Nirgendwo erschien plötzlich Struppi und sprang an Max empor.

„Man Struppi, wo hast du dich herum getrieben, ich hatte solche Angst um dich“, brüllte Max ihn an. Struppi setzte sich vor ihn und blickte ihn mit seinen braunen Augen erwartungsvoll an, dabei wedelte er wild mit seiner Rute.

Überglücklich Struppi wieder zu haben, drückte und herzte er ihn liebevoll.

 

„So Struppi, jetzt müssten wir nur noch wissen, wo wir sind?“ fragte er ihn schließlich, dabei schaute er sich suchend um.

 

 

Zwischen den schwerbeladenen mit Schnee bedeckten Tannen entdeckte er ein Licht und machte sich mit Struppi auf dem Arm auf den Weg.

Mit der Zeit wurde ihm Struppi allerdings zu schwer und setzte ihn ab, doch die Leine behielt er fest in der Hand.

So erreichten sie gemeinsam nach einiger Zeit das Licht, besser gesagt die Laterne vor einem Gebäude, das wie eine riesige Scheune auf Max wirkte.

Max schaffte es die schwere Tür zur Seite zu schieben und beide schlüpften hinein.

Sie hatten ein wenig Glück, dass der Mond inzwischen hell durch ein Fenster das Innere der Scheune beleuchtete.

Max schaute sich ein wenig um und stellte fest, dass hier verschiedene Tiere in ihren Boxen lebten, eine Kuh, zwei Schweine mit ihren Ferkeln, sogar ein Pferd und ein Esel. Max streichelte die Tiere. In einer Ecke entdeckte er einen riesigen Haufen mit Heu und Stroh.

 

 

„Komm, Struppi, wir wärmen uns ein wenig auf, bevor wir uns zum Christkind aufmachen“, und

ließ er sich ins Heu fallen.

„Struppi, ich hab Hunger und Durst, du auch?“, dabei kramte er seine letzten Vorräte und seine Trinkflasche aus seinem Rucksack. Er teilte redlich mit Struppi.

Max kuschelte sich ins warme Heu, nahm Struppi in den Arm und streichelte ihn liebevoll.

Es dauerte keine paar Minuten und Max war tief und fest eingeschlafen.

 

Etwa eine Stunde später machte der Bauer das Licht im Stall an, denn er wollte nach seiner Kuh Koka schauen, die kurz vor dem Kalben stand, als er plötzlich den Klingelton eines Telefons hörte.

Der Bauer ging den Ton nach und fand den schlafenden Max, der seinen Struppi fest im Arm hielt. Nun wollte der Bauer Max wecken, aber Struppi knurrte ihn böse an. Der Bauer musste ein wenig grinsen, schnappte sich aber den Rucksack, da das Telefon aufgehört hatte zu klingeln.

 

Zum Glück war das Handy nicht gesperrt und er konnte die verzweifelte SMS - Nachricht lesen.

„Max, wo bist du?“

Kurzerhand antwortete er:

„Hier ist nicht Max, ich rufe Sie gleich an. Max geht es gut. Der Akku geht zur Neige.“

 

Bevor er den Stall verließ, legte er noch liebevoll eine warme Wolldecke über Max und verriegelte die Tür.

Im Anschluss führte er noch ein längeres Gespräch mit der Mutter von Max. Er erzählte ihr, was seine Mutter ihm heute von Ihrer Bahnfahrt erzählte und ebenso, dass er sich als Kind mal auf den Weg zum Nordpol gemacht habe.

 

 

In den frühen Morgenstunden, da wurde es plötzlich in dem Stall laut. Die Kuh fing an zu muhen und Max rieb sich verwundert die Augen. Er brauchte eine Weile, bis er begriff, wieso er nicht in seinem Bett, sondern in hier im Heu erwachte. Struppi leckte ihm übers Gesicht.

„Nicht jetzt Struppi“, doch er fing an zu lachen weil es kitzelte. Er sprang auf, dabei entdeckte er die Decke. Suchend schaute er sich nach seinem Rucksack um, denn er hatte Durst. So kramte er im Heu herum.

Schon wieder muhte die Kuh.

„Was ist denn hier los, woher kommt die Decke und warum schreit die Kuh so schrecklich“, stellte er sich selbst die Frage aber schaute dabei Struppi an, der aber nur mit seine Rute freudig wedelte.

Wieder muhte die Kuh.

„Komm, wir schauen mal, was die Kuh hat“, rief er Struppi zu und lief zu der Box in der die Kuh stand.

 

Der Mond fiel mit seinem hellen Licht durchs Fenster und leuchtete besonders den Stall der Kuh aus.

Als Max die Tür des Stalls geöffnet hatte, traute er seinen Augen nicht, denn aus dem Hinterteil der Kuh hingen zwei Beine.

„Wir müssen der Kuh helfen!“, rief Max und dachte kurz nach.

„Struppi, wir brauchen ein Seil, dann machen wir es wie beim Doktor und das liebe Vieh!“

Max durchsuchte im Eiltempo die Boxengasse. Er fand eins in der Nähe der Tür nach draußen. Als er es vom Haken herunter zog, betätigte er einen Lichtschalter und das Licht ging an. Struppi fing an freudig an zu bellen.

„Hör auf zu bellen, die Kuh kriegt ja noch mehr Angst, hilf mir lieber das Seil zur Kuh zu schleppen.“

 

Es dauerte nicht lange und Max hatte es geschafft das Seil um die Füße des Kalbes zu binden und dann zog er und zog.

„Struppi, zieh mit, gemeinsam geht’s besser“ Struppi gehorchte, nur zog er an Max seiner Jacke.

„Struppi, am Seil und nicht meine Jacke!“

Struppi gehorchte.

So zogen sie beide und das Gesicht von Max wurde immer röter vor lauter Kraftanstrengung.

Plötzlich ein weiterer Ruck, als würde noch jemand mitziehen. Max drehte sich um und schaute plötzlich in ein lachendes Gesicht.

„Weiter so, du machst das prima“, hörte er nur und Max zog, als würde es sein Leben bedeuten.

Keine Minute später war das Kälbchen geboren. Max ließ augenblicklich das Seil los und rannte zum kleinen Kälbchen.

„Nimm etwas Stroh und reibe ihm die Nase frei“, hörte er jemanden hinter sich sagen. In diesem Moment nahm er erst richtig den Mann wahr, aber er putzte dem Kleinem hingebungsvoll den Schleim von der Nase.

 

„Wer, wer sind sie?“, stotterte Max plötzlich.

„Ich bin Heiko und der Bauer hier vom Hof. Ja, und du bist Max, stimmt’s?“

„Ja, aber woher kennst du meinen Namen?“

„Ach Max, als ich gestern Abend meine Rund machte und nach unserer lieben Koka sah,“ dabei klopfte er der Kuh auf die Oberschenkel, „da fand ich dich schlafend im Heu und dein Handy klingelte.“

„Toll, wie spät ist es“, rief Max und versuchte auf seine Armbanduhr zu blicken.

„So gegen fünf Uhr in der Frühe“, teilte ihm Heiko mit.

„Dann hat Mama mich vermisst“, stellte Max bedrückt fest, „Und das gibt Ärger.“

„Deine Mutter weiß Bescheid, wo du bist. Ich habe ihr erklärt, dass du hier übernachtest.“

„Aber woher kanntest du ihre Nummer?“

„Ich habe dein Handy benutzt.“

„Ja , aber…?“

„Nichts aber, komm, Koka und dem Kleinen geht es jetzt gut und wir trinken einen Kaffee.“

„Ich mag aber keinen Kaffee.“

„Ich meinte ja auch für dich Kakao und für mich Kaffee. … Sag mal wie soll das Kleine heißen?

„Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“

Heiko schaute nach und meinte, „ Ein Mädchen“.

„Mondschein.“

„Warum?“

„Weil sie im Mondschein geboren ist.“

 

Wenige Minuten später liefen sie hinüber zum Bauernhaus, Struppi sprang vor Freude um sie herum.

 

 

Nachdem Max und Bauer Heiko sich die Hände gewaschen und die Küche betreten hatten, staunte Max nicht schlecht, denn um den Tisch erblickte er zwei Kinder, die ihm freudig entgegen winkten.

Sie forderten ihn auf, sich zu ihnen zusetzen.

Gerne nahm er Platz und schon bekam er einen großen heißen Becher Kakao von der Bäuerin gereicht.

„Greif zu und lass es dir schmecken“, forderte sie ihn auf.

Das ließ sich Max nicht zweimal sagen, doch als er bei Tisch Struppi etwas geben wollte, wurde er aufgefordert, dies nicht zu tun. „Dein Hund hat schon Futter bekommen, als du noch im Bad warst“,

klärte ihn die Bäuerin auf.

Während des Frühstücks erzählte Max, wie er im Stall gelandet war. Die anderen Kinder bekamen große Augen und Justus, der kleine Bruder von Marie meinte:

„Das hätte ich mich nicht getraut und schon gar nicht allein.“

„Ich war ja nicht allein, Struppi ist doch fast die ganze Zeit bei mir gewesen!“, erwiderte Max, doch seine Wangen waren ziemlich gerötet.

 

Nach dem Frühstück wollte Heiko Max zum Bahnhof bringen und ihn dort in den Zug nach Köln setzen, doch Max protestierte lautstark:

„Ich muss erst noch zum Christkind!“

„Max, deine Mutter wartet“, erklärte ihm Heiko.

„Ich sag Mama Bescheid, ich muss aber vorher zum Christkind“, beharrte Max und schaute sich nach seinem Rucksack um.

Heiko sah Max in die Augen und als ob er seine Gedanken lesen könnte, reichte er ihm sein Handy.

„Hier ich habe es über Nacht geladen.“

„Danke“, murmelte Max verlegen und fing gleich an zu telefonieren.

„Mama, ich kann noch nicht kommen, das Christkind ist erst um zehn Uhr da. Ich muss was wissen und das ist ganz wichtig“, fing Max aufgeregt in Telefon zusagen, dabei wirbelte er mit dem Kopf, und konnte ebenso wenig still sitzen. Schließlich reichte er Heiko das Telefon und Tränen standen in seinen Augen.

Heiko nahm das Telefon und verließ den Raum.

 

Einige Minuten später kam er wieder herein und meinte ganz beiläufig.

„Max und Marie, wollt ihr mir helfen die Tiere zu füttern?“

Selbstverständlich wollten sie und mit großer Freude und Elan machten sie sich ans Werk, besonders als Heiko Max gesagt hatte, dass er erst zum Christkind könne.

 

Kurz bevor Heiko sich mit Max und Struppi auf den Weg machen wollten, klingelte es an der Tür. Die Kinder liefen und öffneten. Max war erstaunt, als er die Dame mit dem bunten Poncho erblickte.

Die Kinder vom Hof riefen:

„Guten Morgen Oma, erzählst du uns von dem Weihnachtsmarkt, den du besucht hast?“

„Ja gleich, und da ist ja unser kleiner Weltreisender, bin ich froh, dass es dir gut geht“, lachend streichelte sie allen Kindern über die Köpfe.

 

Schließlich setzte Heiko sich mit den zwei Weltenbummlern ins Auto und fuhr ins nahegelegene Engelskirchen.

 

 

Da standen sie nun vor dem Eingang, direkt neben dem Postgebäude, es hetzten dick vermummte Menschen rasch an ihnen vorbei. Der am gestrigen Tag so schillernde und einladende Weihnachtsmarkt war still und die Stände hatten noch nicht geöffnet.

Das interessierte Max zu diesem Zeitpunkt aber auch nicht. Vor lauter Ungeduld hüpfte er von einen auf das andere Bein, dass auch Struppi unruhig wurde.

Dann endlich wurde die Tür geöffnet und Max stürmte hinein, dabei zog er Struppi an der Leine mit.

 

Ein hell erleuchteter Raum empfing ihn und leise lief im Hintergrund Weihnachtsmusik. Überall glitzerte und funkelte es, dass Max abrupt stehenblieb.

Kinder, die hinter ihm hineinströmten, schoben ihn einfach weiter, bis er schließlich zu einem Herrn kam. Dieser Mann ließ die Kinder sich in einer Reihe aufstellen.

Auf einer kleinen Anhöhe saß das Christkind wie auf einem Thron, der mit rotgoldenen Kissen gepolstert war. Seine großen Flügel schimmerten in einem goldfarbenen Ton. Auch das Kleidchen, welches es trug, blinkte golden mit silbernen Sternen.

 

 

Ein wenig ehrfürchtig, aber nicht ängstlich trat Max mit Struppi, den er auf dem Arm trug, an das Christkind heran.

„Hallo, mein lieber blondgelockter Junge, welchen Wunsch kann ich dir erfüllen?“ fragte schließlich das Christkind.

„Hallo Christkind, also ich hab da mal eine Frage?“ antwortete Max.

„Du hast keinen Wunsch, den ich dir erfüllen soll?“, wiederholte sie wie mechanisch ihre Frage.

„Christkind, du hast mir auf meinen Wunschzettel geantwortet, aber meinen größten Wunsch hast du nicht beantwortet“, versuchte Max zu erklären.

„Deinen größten Wunsch?“

„Ja.“

„Und was ist dein größter Wunsch?“

„Das habe ich dir doch geschrieben.“

„Ich beantworte doch immer alle Wunschzettel und …“

„Aber du hast nichts zu meinem größten Wunsch geschrieben?“

„Und was ist dein größter Wunsch? Es ist mir entfallen…“

„Das weißt du nicht mehr, ich habe doch geschrieben, dass ich mir wünsche, dass mein Papa mehr mit mir spielt und für mich da ist.“

„Das habe ich auch an deinen Papa weiter geleitet.“

„Wirklich?“

„Ja!“

„Und was hat Papa gesagt?“

Inzwischen wurde das Christkind nervös, es schaute an die Decke und dann sagte es in einem himmlischen Ton:

„Dein Papa versucht es, mehr für Dich da zu sein und mit dir zu spielen!“

„Und er muss auch nicht mehr so viel Zeit auf der Autobahn verbringen?“

„Mein lieber Junge, dein Papa hat dich sicher sehr lieb und er versucht es garantiert, das hat er mir versprochen!“

„Ehrlich?“

„Ja!“

„Ich danke dir herzlich“, rief Max voller Freude aus, sprang auf und wollte das Christkind umarmen, aber es saß zu hoch auf seinem Thron.

Plötzlich hörte er eine tiefe Stimme:

„Das nächste Kind!“

Max lief zu Heiko, der an der Tür gewartet hatte.

„Papa versucht es, hat das Christkind gesagt.“

„Das ist doch toll!“

 

 

Da noch Zeit bis zur Abfahrt des Zuges war, schlenderten Max mit Struppi an der Leine und Heiko noch ein wenig über den Weihnachtsmarkt, bei dem sich langsam die Stände öffneten. Die Weihnachtsmusik setzte ein und plötzlich begann Max mit seiner klaren Stimme laut mitzusingen, dass es Heiko die Sprache verschlug:

„Rumms, do kütt d`r Weihnachtsmann

Dörch de Pief jerötsch,

hä hät ene lange Baart

un en euude Flötsch.

Rumms, do kütt da Weihnachtsmann

Durch de Pief jerötsch, ha brängk e hölzern Schöckelpääd,

nä, is dat e Jlöck …“

 

Beim Abschied am Bahnhof versprach Heiko Max, dass er gut auf Mondschein dem Kälbchen achten werde und dass er und seine Familie immer willkommen seien.

 

Während der Rückfahrt bewunderte Max wieder die wunderschöne schneebedeckte Landschaft, holte sich seinen Walkman aus dem Rucksack und hörte Musik.

Doch bei seinem Lieblingslied war er ganz in seinen Gedanken gefangen und merkte überhaupt nicht, dass er laut sang;

„ … Ach weiß de Papp, ich mööch esu qään

Ne riesige Karton

en ganz buntem Geschenkpapier

met Schleifcher drömeröm.

Un jedes Mol, wenn ich et well,

dann maach ich da bloß op,

erus küss do, dann spillen mir,

stelle alles, stelle alles op de Kopp …“

 

Die Mitreisenden im Zug dankten es ihm mit einem kleinen Applaus, bei dem er errötete und sich am liebsten hinter Struppi versteckt hätte.

 

Nach fast einer Stunde als der Zug schließlich im Hauptbahnhof einlief und Max mit Struppi ausstieg, da traute er seinen Augen nicht. Da wurde er freudig und ohne jegliche Schelte von seiner Mutter empfangen.

Gemeinsam fuhren sie die restliche Bahnstrecke mit dem Eifelexpress, doch als Max ausstieg, prallte er mit Herrn Wunder zusammen.

„Na Max, hast du alles gut in Engelkirchen erledigt?“, wurde er von ihm gefragt.

Und da begann Max begeistert an zu erzählen, dass seine Mutter und Frau Wunder nur noch mit dem Kopf schüttelten.

 

 

 

 

Liedtexte von

  • Christa Drmota, Traumwelt der Kinder
  • G. Krutwig, Ne riesije Karton
  • D. Joel/ S. Weidemann, Rumms, do kütt d`r Weihnachtsmann

 

 

 

Impressum

Texte: Text : Schnief, Textteil aus dem Liedtext "Ne rieije Karton" von G. Krutwig; Liedtext " Traumwelt der Kinder" von C. Drmota
Bildmaterialien: Manuela Schauten
Lektorat: Gitta Rübsaat
Tag der Veröffentlichung: 13.11.2016

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