Gerade in diesen düsteren Tagen stelle ich mir so manche Fragen, gab es wirklich ein Mensch, Buch, Film, Lied oder gar ein besonderes Ereignis, das mir meine Denkweise oder meine Lebenseinstellung veränderte?
Sicher gab es die in meinem Umfeld: Menschen, die an einer tödlichen Krankheit oder gar durch einen Unfall aus dem Leben gerissen wurden. Menschen, die sich bewusst mit aller Kraft für die positiven Dinge - wie Hilfe für Mensch und Tier einsetzten. Ebenso könnte ich viele Bücher, die ich gelesen habe oder Filme die ich sah, genauso Lieder, die mich schwer beeindruckten, benennen. Denn alle beeinflussten mich sicherlich in irgendeiner Form. Auch Ereignisse wie Naturkatastrophen, Krieg und Hungersnöte, die ich zwar selbst bisher nicht direkt erleben musste, aber sie beeinflussten ebenso meine Lebenseinstellung.
Doch all diese Ereignisse oder Gelesenes, wie auch Gesehenes und Gehörtes haben etwas mit diesen einfachen drei Worten „Glaube - Hoffnung - Liebe“ zu tun.
Dies versuche ich, am Beispiel des Films „Ist das Leben nicht schön“ zu erläutern.
Diesen Film hat fast jeder gesehen und wenn man sich ein wenig Gedanken darüber macht, wird deutlich, wie es einem im Leben ergehen kann. Es zeigten sich viele Parallelen zu meinem Leben. Zwar übe ich nicht den gleichen Beruf aus, ebenso wenig überkam mich vor lauter Verzweiflung der Gedanke, einen Sprung von einer Brücke zu versuchen.
Nein, mir geht es um die Person, die der Protagonist dort verkörperte. Jemand der sich stets um andere kümmert, dabei jedoch immer wieder seine eigenen Interessen und Wünsche zurück stellte.
Bereits in meiner Kindheit, nachdem sich meine Eltern trennten, habe ich mich jahrelang stets um andere gekümmert und sie umsorgt.
Wir Kinder wurden bei der Trennung unserer Eltern auseinander gerissen, doch mit meinem jüngeren Bruder blieb ich zusammen. Zeitweise lebten wir mit meinen Vater allein, der außerhalb arbeitete und nur am Wochenende und dienstags heim kam. Ich wurde unmerklich in die Rolle einer Mutter versetzt, musste bereits mit 13 Jahren Verantwortung übernehmen.
Irgendwie machte es zwar Spaß, aber wenn Lehrer mich ansprachen, weil mein Bruderherz mal wieder „Scheiße“ gebaut hatte und ich die ausbügeln durfte, hörte der Spaß auf. Wie es auch heute oft passiert, wurde mein Bruder später schon sehr früh Vater von zwei Kindern, er heiratete und ich half ihm, so gut es meine finanzielle Situation zuließ des Öfteren aus. Damit sie mal ausgehen konnten, übernahm ich wie selbstverständlich die Obhut der Kinder. Auch, als sie nach zwei Jahren mit Freunden einen günstigen dreiwöchigen Urlaub verleben konnten, übernahm ich beide Kinder, 11 Monate und 2 Jahre.
Mein Freund hatte großes Verständnis dafür, denn auch sein Bruder wurde auch sehr früh Vater. Nur auf seiner Seite waren Großeltern da, die sich um die Kleine liebevoll kümmerten.
Damit möchte ich nicht ausdrücken, dass mein Bruder all dies als selbstverständlich angesehen hatte, nein, das hat er nie und wenn er mir irgendwie helfen konnte, tat er es mit Freude oder macht es noch heutzutage.
Seine Ehe ging vor der Kommunion seines Ältesten, meinem Patenkind, in die Brüche. Da es bei uns Sitte war, dass die Paten die Kinder einkleideten, versorgte auch ich mein Patenkind mit der notwendigen Kleidung ein. Stolz wie Oscar trug er seinen Anzug, den er sich mit mir aussuchen durfte und verabschiedete sich liebevoll von mir nach der Messe. Eingeladen war ich nicht, sondern eiskalt vor der Kirche stehen gelassen. Die Feier hatte nur seine Mutter ausgerichtet, mein Bruder war mit seiner Freundin inzwischen gefahren.
Wie ich mich in diesem Moment fühlte, ich kann es nicht beschreiben.
Zwei Wochen später rief mich seine Exfrau an und bat auszuhelfen. Ich verneinte das erste Mal sicher nicht nur aus verletzten Stolz. Seitdem gab es keinerlei Kontakt mehr.
Die Kinder sah ich nur noch bei Festen meines Bruders. Das war sehr schmerzlich für mich, denn ich liebte die Kinder wie meine eigene Tochter.
Beruflich habe ich mich immer für die Firma engagiert, war stets zur Stelle, bis ich mir eines Tages verarscht vorkam.
Und da sind wir wieder beim Film, bei der Geschichtes dieses Filmes. So wie beim Protagonist im Film, allerdings auf eine andere Art, auch bei mir war kein Engel zugegen oder ich habe ihn nicht wahrgenommen.
Doch vielleicht war der Engel einfach in Form von einer lieben Freundin zugegen, die versuchte, mir beizustehen oder mich aufzubauen, mir half, mein Rückgrat zu stärken oder wie man es auch ausdrücken mag.
An diese sehr liebe Freundin muss ich oft denken, die mehr als unsanft aus dem Leben gerissen wurde. Eines ihrer Lieblingslieder wird immer in meiner Erinnerung bleiben, dieses Irische Segenslied, dass sie auch an unserem letzten gemeinsamen und gesprächsreichen Abend sang, bevor sie in ihr kleines Auto stieg.
Möge die Straße uns zusammenführen
und der Wind in deinem Rücken sein;
sanft falle Regen auf deine Felder
und warm auf dein Gesicht der Sonnenschein.
Führe die Straße, die du gehst
immer nur zu deinem Ziel bergab;
hab‘ wenn es kühl wird, warme Gedanken
und den vollen Mond in dunkler Nacht.
Hab unterm Kopf ein weiches Kissen,
habe Kleidung und das täglich Brot;
sei über vierzig Jahre im Himmel,
bevor der Teufel merkt, du bist schon tot.
Bis wir uns mal wiedersehen,
hoffe ich, dass Gott dich nicht verlässt;
er halte dich in seinen Händen,
doch drücke seine Faust dich nie zu fest.
Ihr Tod hat mich in ein Loch gerissen, es fehlten mir unsere Gespräche oder wie sagt man so schön, sie fehlte mir an allen Ecken. Mein Freund damals versuchte mich aufzumuntern und verwies mich auf unser Lied.
Jahre zogen ins Land, ich heiratete, bekam selbst ein Kind.
Diesem Kind versuchte ich fast alles zu bieten, worauf ich in meiner halben Kindheit verzichten musste. Meine Welt schien der Wind in meinem Rücken zu sein, der sanfte Regen fiel auf meine Felder und der Sonnenschein fiel warm auf mein Gesicht.
Texte: M.Schauten
Bildmaterialien: M.Schauten
Lektorat: Gitta Rübsaat
Tag der Veröffentlichung: 04.11.2016
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