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Herbst

 

Liebe Kinder, Freunde und Leser,

 

jedes Jahr, wenn ich an diese Jahreszeit den Herbst denke, kommen mir viele Gedanken und schwirren durch meine Hirnwindungen, doch was bedeuteten sie mir als Kind und jetzt im unheimlich reifen Alter?

 

Jedes Jahr zog der Herbst mit seiner Farbenpracht einher, obwohl ich diese Pracht als Kind wahrscheinlich gar nicht bewusst  wahr genommen habe. Zwar war ich begeistert, wenn sich die Bäume, deutlicher ausgedrückt Blätter,  in den verschiedensten Farben verfärbten.

Es begann eine Zeit, in der wir diese bunten Blätter sammelten, um sie zu trocknen und in Büchern pressten. Oft wurden aus diesen Blättern  Girlanden gebunden, die unsere Zimmer zierten.

 

Doch vorher da gab es ja die Erntezeit, als die vielen Obstsorten prall gefüllt an den Bäumen gereift hingen. Da spielte es keine Rolle, ob Apfel-, Birne- oder Pflaumenbaum, sie wurden von uns erstürmt und frohgelaunt saßen wir auf ihren Ästen, denn das Fallobst aufzusammen machte keinen Spaß und war stinklagweilig. Dagegen in den Bäumen herum zu klettern, eine Wucht!

So ergab es dann auch eines Tages, dass mein Bruderherz übermütig uns mit den nicht so schönen Obst, besser gesagt Äpfeln, bewarf. Doch sein Übermut bestrafte der liebe Gott sogleich, denn er fiel hinunter und prellte sich den Fuß und erhielt einen leichten Schlag am Hinterkopf, damit er da nächste Mal , sein Hirn einschaltete.

 

Landkinder, die in einem Dorf aufgewachsen sind, kannten natürlich noch die vielen Getreidegarben, die auf den abgemähten Feldern standen, eine idealer Platz um Verstecken zu spielen. Heutzutage dagegen fährt gleich hinter dem Mähdrescher ein Zweiter, der das Stroh zu riesigen Ballen presst. Aber selbst diese gestapelten Ballen nutzen heutzutage noch einige Kinder, um darauf herumzuturnen.

Zwar bin ich auf dem Land aufgewachsen, aber das bedeutet nicht, dass meine Eltern einen Nutzgarten oder einen Bauernhof besaßen, sondern wir wohnten in einer Neubausiedlung am Rande eines Dorfes.

In der ersten Zeit, als wir dort wohnten, bin ich oft noch zum Bauern gelaufen, bei dem man direkt die frisch gemolkene Milch holen konnte und gerade an stürmischen Tagen, durfte man die Gummistiefel nicht vergessen anzuziehen, denn eine befestigte Straße wurde erst einige Jahre später gebaut.

Da meine Eltern ja auch keinen Nutzgarten besaßen, brauchte ich nicht beim Einkochen von Bohnen, Rote Beete, Gurken oder sonstiges Gemüse helfen und ich habe es bis heute nicht getan, obwohl meine zukünftigen Schwiegereltern einen riesigen Nutzgarten besaßen. Dort gab es selbstverständlich auch Weißkohl und Wirsing. Dafür musste ich beim Einkellern der Kartoffeln und dem Stappeln von Kohle und Briketts helfen. Wie oft bin ich dabei durch Spinnweben gelaufen, die ich mir angeekelt aus den Gesicht wischte.

 

Für mich als Kind begann eine andere wunderschöne Zeit, die sich teilweise wiederholte, als mein Kind noch klein war, denn wir sammelten Kastanien und Eicheln, die wir mit Zahnstochern zu kleinen Kunstwerken in Form von Tieren und Menschen verwandelten.

Als die Kastanienzeit fast vorbei war und sich nicht nur ihre Blätter in den vielfältigsten Schattierungen verwandelt hatten, waren selbstverständlich die ordnungsliebenden Dorfbewohner auf ihre Entsorgung bedacht. Sie kehrten und kehrten, dass riesige Laubhaufen entstanden. Oft genug machten wir ihre mühselige Arbeit zunichte, denn gedankenlos und voller Freude, meinten wir uns gegenseitig damit zu bewerfen oder gar über uns regnen zu lassen. Noch heute kann ich mich an diesen Duft und das Kribbeln der fast verwelkten Blätter auf der Haut entsinnen.

Als dann der Wind an Stärke zunahm, kam die Zeit des Drachensteigens!

Damals wurde nicht ins Geschäft gelaufen, nein wir Kinder bastelten ein Drachen selber. Ich kann mich auch noch genau an einen besonderen wunderschönen Dachen erinnern, er hatte eine rote Farbe, ich hatte ihm riesige Augen und einen lachenden Mund aufgeklebt. Damit er besser flog, besaß er einen langen Schweif der aus bunten Blättern bestand, die zu Schmetterlingen geformt waren.

 

Das im Herbst die Jagdzeit begann oder die Weinlese stattfand, erfuhr ich erst später, zumal meine Eltern weder Jäger waren, noch wohnten wir in der Nähe von Weinbergen. So aß ich meinen ersten Zwiebelkuchen und probierte den Federweißer oder den Apfelmost erst im Erwachsenenalter. Dass besondere Weintrauben erst Frost mitbekommen müssen oder das Rosenkohl besonders nach der ersten Frostperiode am besten schmeckt, all dies erfuhr ich erst dann. Genauso erkannte ich auch erst die Gefahr, welche Nebelbänke oder Nebelschwaden auslösen konnten, denn wie oft nutzten wir diese beim Versteck spielen.

Als Kinder interessierten uns mehr die Zugvögel, wenn sie in ihren Formationen über uns hinweg zogen, um sich auf ihren Weg ins Winterquartier zu machen. Wir sammelten mit den Eichhörnchen Nüsse um die Wette, wer schaffte es, einen größeren Wintervorrat anzuschaffen?

Das ein Murmeltier Winterschlaf hält, das erzählte uns eines Tage der Großvater, aber da ich in Natura nie einen sah, interessierte er mich wenig, dafür verteilten wir lieber Laufhaufen, damit der Igel ein schönes Winterquartier bekam.

 

In die Gottesdienste zum Erntedankfest brachten viele Familien gefüllte Körbe mit Obst und Gemüse, damit diese Speisen gesegnet wurden. Sie dankten für die reichliche Ernte.

 

Als Kind erfuhr ich vom heiligen Martin, der durch die Mantelteilung dem Beispiel des Samariters folgte. Selbstverständlich wurden unsere Laternen von uns selbst gebastelt und oft wurden sie durch unser gepresstes Laub, das wir getrocknet hatten verschönert. Nach dem Martinsumzug erhielt jeden Kind einen Weck und Kakao zum Trinken, die Erwachsenen tranken dagegen Punsch aus einem Rumtopf. Gänsebraten gab bei uns bis heutigen Tag noch nicht am Martinstag.

Vor dem Martinsfest gab es aber noch weitere Feiertage, den Reformationstag und die stillen Feiertage Allerheiligen und Allerseelen, an denen wir an unsere Verstorbenen denken und ihnen ein Lichtermeer auf ihren Gräbern entzünden. Halloween wurde in meiner Kindheit zwar in Amerika gefeiert, doch heutzutage ziehen die Kinder von Haus zu Haus.

 

Fast hätte ich den Weltspartag vergessen, der aber für mich sehr schnell seinen Reiz verlor, als ich bemerkte, wie Kinder bevorzugt Geschenke erhielten, nur weil der Schalterbeamte die Eltern kannte. Ich konnte ja an fast jeden Tag mein Sparbuch auffüllen und nicht nach einer langen Wartezeit einen billigen Bleistift zu erhalten, während andere mit Mäppchen oder sonstigen hinaus gingen.

 

Da ich ja in einen zweigeteilten Land aufgewachsen bin, doch auf westlichen Seite , habe ich die Bestrebungen auf der anderen Seite doch mehr oder weniger nur aus den Medien entnehmen können. Aber dass sich nach dem Mauerfall, wieder ein vereintes Deutschland gibt und  langsam ein Europa zu bilden  begann, davon war ich begeistert und dem ich hoffnungsvoll entgegen blickte.

So bleibt mir nur die Hoffnung, dass es wird eines Tages gelingen wird und die Menschen in Frieden gemeinsam leben und sich gegenseitig respektieren, dazu enzünde ich gern ein Licht.

 

Eure Schnief

 

 

PS.  Da ich Wanderungen nicht besonders mag, aber trotzdem gerne durch Wälder streife, owohl ich nicht jeden Baum oder Strauch mit Namen kenne, habe ich niemals Pilze gesammelt, es wäre sicherlich euer Tod, ich kann sie nicht unterscheiden, außer ich kaufe sie im Geschäft.  

  Ach Gott, die Fledermäuse habe ich vergessen, aber die Flattern doch ständig am späten Abend und gerade im September kann man sie an lauen Abenden bewundern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: Schnief
Bildmaterialien: Schnief
Tag der Veröffentlichung: 10.07.2016

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