Cover

Warum fragen sich die netten Jungs

 

Vor lauter Freude, weil seine kleine Nervensäge, der sogenannte Azubi Emil Krönung sich eine Mandelentzündung zugezogen hatte und das Bett hütete, betrat Hauptkommissar von Hausverbot mit leichter Heiterkeit frühmorgens sein Büro. Als Erstes nahm er maßgetreu sechs Kaffeelöffel, füllte allerdings Wasser für zwölf Tassen ein und schaltete schlussendlich die Kaffeemaschine an. Anschließend drückte er den Knopf des Radios und summte sofort das Lied „Schön ist es auf der Welt zu sein“ mit.

Gerade als er sich an seinen Schreibtisch gesetzt hatte und seinen Computer hochfuhr, entdeckte er eine neue blaue Mappe, die achtlos auf seinem Schreibtisch geworfen wurde. Aus dieser Mappe quollen mehrere Bilder heraus. Er griff danach, öffnete die Mappe und entnahm die wenigen Bilder.

 

 In diesem Moment riss sein Kollege Kommissar Hinkelstein die Tür auf und noch im Türrahmen stehend sagte er:
„Morgen!“

Kommissars Hinkelstein erster Blick galt der Kaffeekanne, denn ein lieblicher Duft stieg in ihm die Nase, doch als er die schwach braune Brühe erblickte, kratze er sich an seinem wuscheligen Haarschopf.
„Man, ich habe dir doch extra einen Strichcode auf die Kanne gemalt“, erklärte er seinem Kollegen.
„Guten Morgen, oben oder unten?“, erwiderte von Hausverbot fragend.
„Wie oben oder unten?“
„Strichcode? Ich habe keinen gesehen.“
„Meine Güte - hier, damit du genau für sechs Löffel Kaffeepulver das Wasser einfüllst.“ Dabei zeigte er auf die Glaskanne.
„Ach das soll ein Strichcode sein, sieht eher wie kleine Wellen an einem kleinen Gewässer aus.“
Hinkelstein gab es auf, schnappte sich kurzerhand die Kanne und schüttete den Bodenseekaffee in den Ausguss und setzte Neuen auf.
„Sag mal, wer war eigentlich gestern an der Fundstelle und hat die Bilder aufgenommen?“, fragte von Hausverbot entsetzt, während er auf die blaue Mappe zeigte.
Hinkelstein nahm die Akte in die Hand, warf einen Blick auf die Handschrift und meinte anschließend:
„Kollege Dümpele und Emil Krönung. Leonora erzählte mir eben im Aufzug, beide haben sich aber heute krank gemeldet. Weshalb?.“
Wortlos reichte Hauptkommissar von Hausverbot die Bilder seinem Kollegen.

Hinkelstein nahm sie und begann sofort das erste Bild zu kommentieren:
„Also, ein Schuttabladeplatz mit lauter Gumminoppen, in sämtlichen Ampelfarben und …“
Doch von Hausverbot fiel ihm ins Wort.
„Wieso Ampelfarben?“
„Rot - gelb - grün!“
„Aha“
Bei nächsten Bild fing er an zu grinsen und meinte:
„Lila Kuh, ein schönes und nützliches Nutztier, aber die Schokolade schmeckt ja. Aber was der Streuer mit dem Nelkenpfeffer auf der Kuh soll, bin ich überfragt?“
Von Hausverbot zuckte mit den Schultern.
Das Grinsen wurde immer breiter bis er schließlich unter einem Glucksen weiter sprach:
„Sieht aus, als hätte jemand mit einer halben Billardkugel und einen Unterarmknochen Baseball gespielt!“
„Keine Ahnung, was sich der Junge mit diesen Bildern dachte. Ist jetzt endlich der Kaffee fertig?“
„Ja“, gluckste Hinkelstein noch immer, stand auf, goss zwei große Becher Kaffee ein.
Als er den Kaffeebecher ihm reichte, witzelte er:
„Vielleicht der Schatz der lieben Jungen!“

Wenige Minuten später hatte Hinkelstein ebenfalls seinen Rechner hochgefahren und begann seine eingegangenen Mails zu überprüfen.
„Ach du meine Güte, ich darf ja nicht Schei… sagen“, entfuhr es ihm plötzlich.

„Das Schweinchen freut sich, wenn du es so fleißig fütterst, also her mit dem Heiermann“, gab Hauptkommissar grinsend von sich.
„Erstens hab ich doch gar nicht Scheisse gesagt und zweitens, schau die die Bilder von der Spurensicherung an, es verschlägt dir die Sprache!“
„Nun hast du das Wort aber gesagt! - Also her mit dem Heiermann und das ohne Wenn und Aber“, dabei hielt er ihm die offene Handfläche fordernd hin.
Automatisch griff Hinkelstein in seine Hosentasche und Sekunden später zielte er, warf - und der Heiermann landete auf von Hausverbots Hand.
„Unsere Tiere und Helfer an den Binnengewässern werden dir danken“, meinte von Hausverbot, während er diesen ins Sparschwein steckte, dass die Form einer bunt gefleckte Kuh besaß.

Ebenso öffnete von Hausverbot seine Mails und öffnete die die Anlagen Aktenzeichen 721/01/04/16/2MV. Während er sich die Bilder betrachtete, beobachtete ihn Hinkelstein.
Es dauerte einige Minuten bis von Hausverbot die eingetretene Stille, bis auf das laufende Radio zerriss:
„Mein Gott! Was für ein Psychopath war hier am Werk gewesen?“
„Soll ich dir einen Pfefferminztee aufbrühen?“, fragte Hinkelstein leicht besorgt, denn das sonst immer etwas rosige Gesicht verlor immer mehr an Farbe. Jedoch bekam er vorerst keine Antwort. Von Hausverbot starrte wie gebannt auf die Bilder und sein Versuch seinen Kaffeebecher zu greifen, scheiterte und verlief ins Leere.
„Nein danke, keinen Tee“, als wäre er langsam aus einer Trance erwacht, antwortete von Hausverbot und fuhr gleich fort:
„Jetzt erst verstehe ich die seltsamen Bilder von Emil Krönung. Und kann sie richtig deuten. - Ach der arme Junge. Warum muss er in seiner gerade beginnenden Laufbahn solche Fälle zu sehen bekommen.“
„Der Schuttablageplatz mit den unzählig herumliegenden Gumminoppen war aber nicht der Tatort sein, sondern der nahe gelegene Schuppen. - Ja, Emil wird sich sicher nicht nur von seiner Mandelentzündung erholen müssen!“
„Da gebe ich dir recht, da knabbert er aber länger als ein paar Tage herum, das muss er erst richtig verdauen. Seine unseligen Bilder sind ihm hiermit verziehen.“

Beide warfen einen ersten raschen Blick auf den beigefügten kurzen Bericht. Es dauerte nicht lange, als von Hausverbot meinte;
„Ich muss mir selbst ein Bild von der Örtlichkeit machen. Also, schnapp Dir deine Jacke!“
„Lass mir noch zehn Minuten, damit ich den Bericht vom Heurigen noch an die Staatsanwältin weiterleite.“
„In Ordnung, muss sowieso noch vorher austreten. Wir treffen uns vor dem Aufzug“, entgegnete ihm von Hausverbot beim Hinausgehen.

Von Hausverbot steuerte den Wagen einen Feldweg entlang, links verlief parallel ein Graben und dahinter erstreckte sich ein bereits mit kniehohen Korn liegende Felder. Auf der rechten Seite wurde der Feldweg durch die tiefen herabhängenden Äste und Sträucher begrenzt. Von Hausverbot versuchte die tieferen Schlaglöcher so gut es ging zu umfahren und dabei nicht im Graben zu landen.
„Gab es keinen anderen Weg?“, wollte Hinkelstein wissen, dem diese Hoppelei etwas nervte, der mit dem Tippen einer Nachricht auf seinem Handy beschäftigt war.
„Das Navi führt.“
„Und Du hast mal wieder sämtliche Nebenstraßen eingegeben!“
Bevor ihm Hauptkommissar von Hausverbot antwortete, hielt er an und stellte den Motor aus.
„Wir sind da!“
„Was, hier in der Einöde?“
„Ja, und laut der Beschreibung, muss die Fundstelle dort drüben liegen“, während er auf den Wald zeigte.
„Klasse, jetzt robben wir noch durch den Wald.“
„Du kannst ja gehen, von Robben ist ja keine Rede, also mache dein Spielzeug aus und komm!“, mit diesen Worten öffnete von Hausverbort die Autotür.

Keine zwei Minuten später merkten sie, dass sie am Tatort angekommen waren, überall lagen Noppen in den Regenbogenfarben herum.
„Sag mal, welcher Trottel hat denn solche PVC-Bahnen auseinander geschnitten, um diese Noppen einzeln zu erhalten, der muss ja nicht ganz koscher sein?“, fragte Hinkelstein, als er diese Masse erblickte.
„Ich nehme an, dass sind Abfallstücke, die wieder recycelt werden sollten, da vorn stehen noch zwei schwarze Säcke, die scheinbar nicht auseinander gerissen wurden. Ist aber nur eine Vermutung, da Return aufgedruckt ist“, erwiderte von Hausverbot.
„Na, hier recycelt es sich aber nicht!“
„Bestimmt nicht, nur entledigt hat er sich vom Sondermüll, und ich hoffe wir können auch gleich noch den Verursacher dieser Umweltverschmutzung dingfest machen“, ereiferte sich von Hausverbot.
„Dann träum mal weiter!“
„Ich träume nicht, aber meist vergessen solche Begnadeten etwas“, erwiderte von Hausverbot, dabei blickte er sich um und entdeckte zwischen Tannen eine Holzhütte, die eher einer Bretterbude glich.
Ohne Umwege ging er schnellen Schrittes darauf zu. Inzwischen hatte auch Hinkelstein diese Bretterbude entdeckt und folgte ihm.
Hauptkommissar von Hausverbot entfernte die Versiegelung, als er plötzlich von hinten in die Kniekehlen gestoßen wurde. Kommissar Hinkelstein war auf den feuchten Plastiknoppen ausgerutscht und fiel gegen seinen Kollegen. Von Hausverbot knickte zusammen und fiel rücklings auf seinen Kollegen.
„Weich biste wenigsten gelandet!“, meinte Hinkelstein.
„Wenigstens das!“

„Könntest aber mal abnehmen“, nach Luft japste Hinkelstein und versuchte sich wegzudrehen. Dabei ließ er einen Brüller los:
„Au! Scheiße, die Dinger sind extrem scharfkantig!“
Von Hausverbot hievte sich vorsichtig hoch. Als er stand, blickte er seinen Kollegen an und fragte:
„Geht’s oder soll ich eine Ambulanz rufen?“
„Geht schon“, während Hinkelstein seine Hand mit Hilfe eines Taschentuchs verband.

Von Hausverbot öffnete die hölzerne Tür, ein bestialischer Gestank und ein Schwarm von Schmeißfliegen schlug ihm entgegen, dass er unwillkürlich drei Schritte rückwärts trat.
„Was ist, warum gehst du nicht hinein?“, wollte Hinkelstein gerade fragen, doch als er dem den gewaltigen Schwarm erblickte, stockte auch ihm der Atem, stattdessen rief er:
„Was ist das?“

„Keine Ahnung, lass sich die Viecher erst mal verziehen.“

Sie warteten ein paar Minuten ab, währenddessen zog von Hausverbot aus seiner Jackentasche Pflaster und klebte eins auf die Wunde, welche sich Hinkelstein an der Hand zugezogen hatte.

In der Bretterbude fanden sie nach dem Eintreten überall auf dem Boden verstreut größere und kleine Stücke der Noppen, an der gegenüberliegende Wand des Eingangs war ein Pfosten mit einer Kette angebracht, an der immer noch eine Handschelle baumelte. Einer inneren Eingebung folgend schob Hinkelstein unterhalb des Pfosten Noppenstücke zur Seite und entdeckte einen Haufen von sich windenden Maden.

„Ach du Scheisse“, entfuhr es ihm, „Der Wahnsinnige wollte sicher gehen, dass nichts übrig bleibt!“

„Komm, ich hab genug gesehen, lass uns mal den endgültigen Bericht der Spurensicherung ansehen“, forderte ihn von Hausverbot auf, nachdem ihm ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter lief.

Nachdem sie wieder die Tür verschlossen und versiegelt hatten, bemerkte von Hausverbot, dass sich das kleine Fenster rechts neben der Tür nur von außen zu öffnen ließ. Die anderen Fenster waren alle mit Brettern mehrfach verbarrikadiert.

 „Was haben die Beiden getan, dass der Täter ihnen solch eine Qual bereitete“, fragte sich Hinkelstein laut, als er endlich wieder im Wagen saß.

„Ich weiß es nicht, lass uns erstmal einige Informationen der Opfer sammeln“, entgegnete er ihm.


Kaum das sie das Büro betreten hatten klingelte das Telefon. Kommissar Hinkelstein hob ab und reichte den Hörer mit den Worten weiter: „Lena.“
Einige Sekunden später hörte er seinen Kollegen liebevoll seiner Enkelin sagen:
„Heute lieber nicht, geh lieber mit Mayor in den Park, dort habt ihr sicher mehr Spaß!“
Lena ließ wohl nicht locker, denn kurze Zeit später hörte er nur noch, bevor von Hausverbot auflegte:
„Heute geht es wirklich nicht und liebe Grüße an die Mama.“

Während sein Kollege mit seinem Enkelkind telefonierte, ließ Kommissar Hinkelstein seinen Rechner hochfahren, er hoffte, dass der endgültige Bericht der Spurensicherung eingetroffen sei. Sein Blick schweifte durch den Raum und er stellte fest, dass ihre Grünpflanze, dessen Namen er sich nicht merken konnte, die Blätter hängen ließ, daher beschloss er, sie zu tränken und stellte im Anschluss direkt noch die Kaffeemaschine und das Radio an.

 Er drehte sich um, weil plötzlich die Stimme von Hausverbot anschwoll:

„Was ist das denn für ein Bericht, so ein Unsinn?“
„Wie Unsinn!“
„Schau ihn dir doch mal an, noch nicht mal Namen der Opfer!“
„Und sonst?“
„Nichts sonst, Ihre Bilder sind genauso aussageunfähig wie Emils!“
„Kann ich mir nicht vorstellen!“
„Sieh es Dir doch an“, ereiferte sich von Hausverbot, er erhob sich, zog seine Jacke aus und hängte sie ordentlich an einen Haken.
„Soll ich dir einen Tee aufbrühen?“, fragte Hinkelstein erschrocken.

„Nein, ich hab es doch nicht am Magen! Was mich aufregt, ist der Unsinn den sie fabrizierten. Das einzige vernünftige Foto ist von den Opfern, haben sie es schon durchlaufen lassen?“
Hinkelstein wollte ihm antworten aber von Hausverbot sprach einfach weiter:
„Was soll das Foto mit der Billardkugel und dem Knochen? Oder das Schokoladenpapier mit dem Pfefferstreuer? Kein Foto vom Tatort und der Bericht, in keinem Punkt aussagekräftig!“

Während Hauptkommissar von Hausverbot sich weiter aufregte, hatte sich Hinkelstein die Bilder von Emil Krönung genommen und betrachtete intensiv das Bild der Opfer.

 Er stutzte, dabei streifte sein Blick durch den Raum, bis er am Kalender hängen blieb. Plötzlich fing er lauthals an zu lachen und glucksend rief er von Hinkelstein zu:

„Sieh Dir die Opfer ganz genau an!“
Von Hausverbot blickte seinen Kollegen verständnislos an, nahm aber das Bild und betrachtete das Bild. Nachdem einige Minuten verstrichen waren und von Hausverbot immer noch still das Bild betrachtete, wollte Hinkelstein gerade etwas sagen, da öffnete sich leise und vorsichtig die Tür und Emil Krönung betrat mit einem Kuchen den Raum. Dabei zeigte er auf den riesigen Kalender,  der neben dem Fenster an der Wand hing und rief mit lauter Stimme:

 

„April, April!“

 

 

 

 

Impressum

Texte: Schnief
Bildmaterialien: Manuela Schauten
Tag der Veröffentlichung: 22.06.2016

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /