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Das Labyrinth der Gedanken

„Was hast du? Warum setzt du dich?“, hörte ich Mike wie durch einen Schleier sagen, während ich mich einfach auf den, mit kalten großen Platten ausgelegten, Boden niederließ. 

„Wir haben es doch gleich geschafft“, meinte er aufmunternd und tätschelte meine Schulter. 

 

Ich dagegen starrte wie eine Wahnsinnige mit starren Blick in dieses schimmernde Grün hinaus. Es vergingen wohl einige Minuten, bis ich langsam aber sicher wieder zu mir kam. Mike beobachtete mich wohl die ganze Zeit, sagte aber kein Wort, bis er bemerkte, dass mein Blick wieder klarer wurde.

„Was war denn los? Komm erzähl, es schien dir ja wohl sehr wichtig sein?“, und zog mich zärtlich in seine Arme. Seine Wärme tat mir gut und als ich in seine hellblauen fragenden Augen schaute, fing ich an, wenn auch noch zögerlich, zu erzählen.

„Während wir jetzt durch das letzte Stück dieses elendigen Stollens gingen, erinnerte mich das an mich.“

„An was erinnerte dich das denn genauer?“ fragte er irgendwie verständnislos, aber doch interessiert.

„Dieser Tunnel, als wäre ich durch meinen Lebensweg gegangen.“

„Wieso?“

„Jetzt sind wir schon Stunden durch dieses Labyrinth gelaufen und mir kam es die ganze Zeit so vor, als wäre es nicht nur ein Weg.“

„Verstehe ich nicht, was möchtest du damit sagen“, wollte Mike nun doch genauer wissen.

„Meine Kindheit und Jugend hatte viele Schattenseiten, hatte aber genau wie diese Öffnungen, die wir die ganze Zeit bemerkten, auch Lichtblicke! Die ganze Zeit während unseres Herumirrens, kamen mir viele Erinnerungen an die verschiedensten Zeiten und gerade eben hatte ich so etwas wie einem Schnelldurchlauf meines ganzen bisherigen Lebens.“ 

„Aber das Leben hat uns doch wieder. Sieh, da vorne, wir kommen aus dieser Dunkelheit heraus.“

„Das meine ich doch gar nicht, du hast mich nicht verstanden“, versuchte ich ihm klarzumachen. 

„Was meinst du denn?“ 

„Ich sitze oder stehe jetzt hier, egal, was ich dir sagen wollte, ist …“, ich stockte, dabei schaute ich ihn fragend an, ob ich ihm meine Gedanken wirklich mitteilen sollte. Dabei blickte ich in seine warmen, wenn auch eisblauen Augen, die mich zärtlich betrachteten. 

„Komm schon“ munterte er mich abermals auf. Ich schluckte und schmiegte mich in seine Arme.

Langsam ließ die Anspannung nach und ich konnte weiter erzählen.

 

„Während wir durch die Stollen liefen, lief mein Leben wie ein Film ab, habe ich aber schon gesagt, egal. Als ich jetzt dieses geöffnete Tor mit dem vielen Grün erblickte und dem kleinen sehr hellen Strahl sah, kam es mir vor, als würde ich das letzte Stück Weg auf dieser Erde gehen. Gleich sagst du, du hast einen Knall, aber sei mal ehrlich, viele Jahre habe ich jetzt auf dem Buckel und jetzt hoffe ich, dass das Grün die Hoffnung für ein schönes Alter ist, denn der kleine helle Punkt, auf den ich eines Tages zugehe, war noch sehr klein.“

 

Es entstand eine kurze Stille, bis er mich hochzog und fröhlich rief:

„Komm lass uns gemeinsam die Hoffnung auf ein schönes Alter haben, denn wie sagtest du so treffend: der kleine helle Punkt ist noch sehr klein.“

 

Impressum

Texte: Schnief
Bildmaterialien: Manuela Schauten
Lektorat: Gitta Rübsaat
Tag der Veröffentlichung: 27.02.2016

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