Vor langer Zeit lebten die Menschen auf dem Land in kleinen Dörfern, auf fast jedem Kirchturm zeigte ihnen der Wetterhahn an, aus welcher Richtung der Wind blies. Neuigkeiten erfuhren sie am Markttag, wenn die fahrenden Händler kamen, um ihre Waren anzupreisen. Oft wurden sie von Gauklern und Musikanten begleitet. Wenn die Musikanten ihre Musik erklingen ließen, begannen die Leute auf dem Marktplatz zu tanzen.
Eines Tages erzählte ein Händler:
„In Oberdorf haben sie einen neuen Wetterhahn, der ist ganz bunt und leuchtet von weitem in den schönsten Farben, eurer dagegen sieht schäbig und verbraucht aus.“
Die Leute schauten hinauf zu ihrem Kirchturm, kurz darauf entstand ein großes Gezeter.
„Stimmt, du hast recht, unser Wettchen sieht wirklich verbraucht und schäbig aus“, rief die Frau des Steinmetzes. Andere stimmten ein und es entstand ein lautstarker Tumult.
Gemeinsam liefen sie zu ihrem Bürgermeister und forderten rufend:
„Wir wollen einen Neuen. Einen schönen Bunten, der noch schöner leuchtet!“
Der Bürgermeister dachte nach und als er noch von seiner Frau angefeindet wurde, verkündete er, dass er einen Neuen beim Schmied in Auftrag gegeben hat.
Einige Tage später hatte der Schmied einen Neuen angefertigt, so dass sie beim nächsten Markttag mit ihrem neuen, bunten Wetterhahn angaben, ihrer sei viel schöner und die Farben leuchten viel weiter, als der Hahn vom Oberdorf.
Die ersten Tage tanzte der neue Wetterhahn fröhlich umher, doch dann mussten die Leute aus dem Dorf ärgerlich feststellen, dass beim morgendlichen Blick aus dem Haus, er ihnen gar nicht die richtige Himmelsrichtung anzeigte. Wut entbrannt riefen die die Leute zu ihrem Hahn auf dem Kirchturm hinauf, er solle sich gefälligst bewegen. Doch dieser rief ihnen scheinheilig entgegen:
„Was? Ich soll mich drehen, nein, dann werde ich schmutzig.“
Entsetzen stand in ihren Gesichtern und sie liefen schnurstracks zum Bürgermeister und wollten ihren alten zurück. Der rief nach dem Schmied und sagte ihm, er solle Wettchen, den alten Wetterhahn wieder anbringen. So lief der Schmied geschwind um Wettchen zu holen, den er einfach hinters Haus geworfen hatte, jedoch fand er ihn nicht mehr.
Wettchen war sehr traurig, dass die Nachkommen seines Erbauers ihn einfach von seinem Sockel geholt hatten, obwohl er ihnen stets gute Dienste geleistet hatte.
„Hier will ich nicht bleiben“, sagte er zu sich und hatte sich auf die Wanderschaft gemacht, dabei hüpfte er von Fußstapfen zu Fußstapfen, welche auf dem morastigen Weg ihm ein wenig Halt gaben, bis er schließlich erschöpft umfiel.
Dort fand ihn Rupert, der abseits vom Dorf lebte. Er hob ihn auf und meinte zu ihm:
„Komm Wettchen, ich werde dich auf meine Hütte stellen, damit du mir in Zukunft das Wetter anzeigst.“
Wettchen war begeistert und rief:
„Ich werde dir immer die richtige Richtung anzeigen!“
Daheim angekommen meinte Rupert noch zum Wettchen:
„Den Rost werde ich noch entfernen und dann male ich dich an, damit du strahlst wie einst.“
„Oh ja, nimm bitte weiß!“
„Nein. Golden sollst du erstrahlen!“
Einen Tag später, stellte Rupert ihn im neuen Gewand auf sein Dach. Wettchen dankte es ihm, indem er ihm stets die richtige Richtung anzeigte, aus der der Wind blies.
Nach einiger Zeit hatte sich im Dorf herumgesprochen, dass Ruperts Hütte einen goldenen Hahn zierte, der wie ihr altes Wettchen aussah und stets die richtige Windrichtung zeigte.
Viele dachten, was waren wir dumm. Daher schickten die Leute vom Dorf den Metzger, damit der den alten Rupert dazu bringe, den Wetterhahn abzutreten. Doch Rupert ließ nicht mit sich verhandeln, so sehr es auch der Metzger versuchte, sondern meinte:
„Jetzt haben ihr einen Neuen, hübsch und eitel, der nichts taugt, ich aber habe einen Goldenen, der mir das Richtige zeigt."
Texte: Schnief
Bildmaterialien: Kostenloses Bild bearbeitet
Tag der Veröffentlichung: 20.10.2015
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