Mitten in der Nacht klingelte der Wecker.
Nach einem kurzen Frühstück hüpfte unsere dreieinhalbjährige Tochter vor Freude um uns herum, dann ging unsere erste gemeinsame Familienreise los.
Zum Glück hatten wir alles am Vorabend in unserem Wagen verstaut, so dass wir nur noch Kleinigkeiten einpackten, dabei achteten wir darauf, bloß nicht den Schlafhasen vergessen.
Es dauerte keine Stunde und wir mussten die erste Rast einlegen, da schallte es bereits laut durchs Auto.
"Ich muss mal!"
Wir hatten Glück, der nächste Rastplatz war nicht weit entfernt.
"Wollen wir hoffen, dass wir jetzt nicht jede Stunde anhalten müssen, warum schläft sie nicht noch etwas", meinte mein Mann und wir atmeten den morgendlichen frischen Tannenduft des Bergischen Landes ein.
Kaum saßen wir im Auto, schoben wir ihre derzeit Lieblingskassette ein, damit sie langsam aber sicher einduselte und hoffentlich einschlief.
Pustekuchen!
Sie schlief nicht, entweder sang sie lautstark mit oder spielte mit ihren Püppchen oder rief entzückt, wenn sie etwas Besonderes entdeckte.
Nach weiteren fünf Stunden, immer mit der gleichen Kassette, konnten auch wir die Lieder "Im Kindergarten", "Wie schön, dass du geborenbist", "Ich kenn ein Haus, da schauen viele Kinder" raus auswendig mitsingen, erreichten wir
endlich unser Ziel, einen kleinen Ort in der Hosteinischen Schweiz.
Dort hatten wir eine kleine Ferienwohnung angemietet.
Ebenfalls hatten sich die Eltern meines Mannes sowie die Familie seines Bruders am frühen Morgen auf die Fahrt begeben. Alle hatten in dem Dorf und Umgebung eine Unterkunft gefunden.
Nach kurzer Zeit kannten wir alle Wirtsleute, denn die Familie meines Schwagers war auf einem Bauernhof untergekommen, meine Schwiegereltern in einer Pension mit angeschlossener Gastwirtschaft, in der man gut speisen
konnte.
Tage an der Ostsee mit Schwimmen, planschen und Muschelsuchen oder Besuche in Plön und Umgebung folgten.
Einige Tage später traf außerdem die Familie eines Freundes meines Schwagers ein und noch größer wurde die Gesellschaft, die die Seenplatte besichtigte und unsicher machte.
Da unser Treffpunkt immer der Bauernhof war, lernten wir selbstverständlich auch die Bewohner kennen, allesamt herzliche Leute: Jutta und Gert, selbstverständlich auch deren Kinder.
So fragte ich Jutta eines Tages. "Sag mal, hier wurden doch die Aufnahmen zum Immenhof gedreht, gibt es den Hof noch?"
Da die Serie aber an verschiedenen Stellen rund um Malente gedreht wurde, erklärte sie mir genau wo. Das Rosenhaus wäre gar nicht so weit. Ich nervte meinen Mann und wir unternahmen eine Tour dort hin. Teilweise kam man gar nicht direkt an die damaligen Drehorte, aber man konnte den einstigen Glanz noch erkennen, wenn auch meist aus der Ferne.
Dass viele Angler und Jagdinteressierte, wie mein Schwager und sein Freund auf dem Bauernhof Quartier bezogen, lag auf der Hand, denn die Eigentümer besaßen einen eigenen See und die Rechte zum Jagen. Zudem hielten sie neben der Getreidewirtschaft einige Kühe, fünf Schweine und Federvieh wie Enten, Hühner und ein paar Gänse. So richtig was für unsere Kleinen.
Selbstverständlich durften sie mit auf dem Trecker fahren und halfen sehr gerne beim Füttern der Tiere.
Einige Tage später erhielten wir eine Einladung zu einem Grillabend an See.
Mein Mann und unser Kind kannten bereits den See, denn Gert hatte dort eine Aalzucht. Als ich am späten Nachmittag zum ersten Mal den idyllisch gelegenen See erblickte, der eingebettet von leichten Hügeln umrandet von Schilf und angrenzenden Weiden lag, konnte ich auch die Schwärmerei meines Schwagers verstehen.
Direkt neben dem einfachen Holzsteg, an dem drei Ruderboote lagen, stand eine Hütte. Äußerlich sah sie mehr wie eine Bretterbude aus, als man aber eintrat, erblickte man einen einfach aber gemütlich eingerichteten Raum.
Ringsum waren einfache Bänke angebracht und in der Mitte ein riesiger Holztisch. An den Fenstern hatte Jutta Gardinen und bunte Vorhänge aufgehängt. Die Wände zierten unzählige Geweihe, die sie auch hätten sparen
können, sind halt nicht so mein Fall.
Nach und nach trudelten alle Pensionsgäste, die wir alle schon kannten, ein.
Gemeinsam wurde der Grill startklar, jeder hatte irgendwelche Salate oder Brot organisiert und mitgebracht.
Liegestühle, die wir in der Hütte fanden, wurden aufgestellt und man genoss die späten Sonnenstrahlen. Unsere Kinder waren beschäftigt, ein Boot mit Wasser anzustreichen. Die Herren vertrieben sich die Zeit entweder mit ihrem
Anglerlatein oder mit Schießübungen auf eine Dose.
Plötzlich rief unser Kind entzückt:
"Mama, guck mal, da steht ja eine Kuh im Wasser und badet!"
Gert hatte den Ruf mitbekommen und drehte sich in die Richtung und meinte nur noch Schitt!
Nun versuchten die Herren, die Kuh aus dem Wasser zu locken und wir hatten einen Heidenspaß.
Jo robbte auf allen Vieren Richtung Kuh, da es dort morastig war, Karl fuchtelte mit einem Ast herum, meinte wohl, damit könne er die Kuh auffordern umzukehren. Gert dagegen sprang ins Boot, warf den Motor an und
versuchte die Kuh von der Seeseite zur Umkehr zu bewegen. Die Kuh dagegen war eigensinnig und bewegte sich nicht, stattdessen muhte sie in einem fort.
Nach einigen Minuten nahm Gert schließlich ein Ruder und kurz vor der Nase der Kuh schlug er damit aufs Wasser.
Endlich bewegte sich die Kuh in Richtung festen Boden. Als sie endlich wieder auf der Weide stand liefen die Kinder zu dem Tier und wollten sie mit ihren ausgerissenen Grasbüscheln füttern, doch sie blieb stur und nahm
nichts an. Enttäuscht kehrten sie zurück.
Inzwischen war das Fleisch auf dem Grill fertig und gemeinsam versammelten wir uns in der Hütte. Die kleinen Sticheleien, über die herrlich anzusehende Rettungsaktion, die Kuh vom Eis zu holen, mussten die Herren über sich
ergehen lassen, nahmen es aber mit viel Humor.
Unvermittelt rief Jonas, ein vierjähriger Bub lautstark:
"Sveni, Dennis, da eine Wildgans, die hat ein Fisch im Maul!"
"Die hat kein Maul sondern einen Schnabel", belehrte ihn die zwölfjährige Nina.
Selbstverständlich mussten die Kinder hinauslaufen, quetschten sich zwischen uns hindurch und wir hielten geistesgewärtig unsere Gläser fest. Die Wildgans, die genüsslich ihren Fisch verspeisen wollte, nahm im Eiltempo
Reißaus. Schimpfend flog sie fort.
Wie war das noch mal mit dem Huhn und wo war das, wollte Nina plötzlich wissen.
"Du meinst wie die Oma dort ins Zimmer kam, ich war entsetzt", entgegnete ihr ihre Oma, während ich anfing zu grinsen. Ihre Oma hatte sich schon wieder Ricarda zugewandt und unterhielt sich mit ihr.
So brachte ich ihr die Geschichte in Erinnerung.
"Damals, Sina und du, ihr ward gerade fünf Jahre alt, als wir einen Kurztrip an die Nordsee machten. Dort hatten wir ein Quartier bei einer älteren Omi gefunden. Sina und du, ihr beiden habt vielleicht blöd aus der Wäsche geschaut".
"Wieso?", wollte sie jetzt wissen.
"Wir saßen gerade alle am Frühstückstisch und ihr hattet Euch in diesem Moment die frischen Eier geköpft. Oma goss gerade Opa eine Tasse Kaffee ein, als diese Omi, mit einer seltsamen Schürze, einem Beil und einem Huhn in jeder Hand, die sie einfach am Hals gepackt hatte durchs Zimmer schlurfte. Euch fielen fast die Augen aus und Oma traf die Tasse nicht mehr. Eure Gesichter, die starr vor Schreck waren, ein Bild für die Götter!"
"Kann ich mir vorstellen", meinte sie grinsend.
"Und dann noch Sinas ungläubige Frage Was macht die mit dem Huhn?"
"Ja, was wohl? Und welchen Bären habt ihr uns aufgebunden?", wollte sie nun wissen.
"Keinen, Opa hat zu euch gesagt, heute gibts Hühnersuppe!"
"Man, war das fies."
"Aber die Wahrheit. "
Nachdem alle satt waren, meinte Gert:
"Lasst uns mal die Reusen überprüfen."
Sofort waren die Angler in ihrem Element, erzählten von ihren Fängen und die Fische wurden immer größer, während sie die Boote klarmachten.
"Ich will mit", rief Tim, der etwa Sechsjährige und ein ebenso begeisterter Angler war.
"Ich auch!", schallte es plötzlich von den anderen Kindern.
Sie kamen alle ins mittlere Boot, denn sie bildeten eine kleine Kette. Vorneweg im Boot, zog Gert sie nun rund um den See, dabei holten sie die an Bojen befestigten Reusen hoch. Begeisterung hörte man am Anfang zu jeden Fang, denn die Kinder durften die Reusen öffnen und als dann die Aale herauskamen, gab es ein Gezeter und Geschrei. Dieses Geschrei hörte aber nach der fünften Reuse langsam aber sicher auf.
Wir dagegen hatten es uns, nachdem wir die Hütte einigermaßen wieder in Ordnung gebracht hatten, im
Liegestuhl gemütlich gemacht und schauten von ihnen aus der Ferne bei ihrer Arbeit zu.
Plötzlich wieder Geschrei und wir sahen gerade wie Jo einen Bauchplatscher ins Wasser machte.
Und da stand er nun, mitten im See.
"Wie? Der kann stehen?", fragte Ricarda die Jutta.
"Der See ist an seiner tiefsten Stelle gerade mal 1,60 m tief", gab Jutta Auskunft.
"Aha, na, dann kann er ja nicht ertrinken."
Kurze Zeit später legten sie wieder an und mein dreieinhalbjähriges Töchterchen erzählte mir ganz aufgeregt, wieso Jo im Wasser gelandet ist.
"Tim hat die Reuse halb über den Rand des Bootes ausgekippt und die Aale schlängelten sich nur noch über den Boden, ich habe sofort meine Beine hochgezogen. Als die raus flutschten, wollte einer wieder zurück ins Wasser
und Jo wollte ihn fangen. Das Boot schaukelte und plötzlich lag er im Wasser. Mama, das hat vielleicht gespritzt!"
Ich nahm sie liebevoll in den Arm und meinte: "Siehste, wie wichtig es ist, auch schwimmen zu können."
"Mama, Jo konnte doch stehen, der brauchte nicht zu schwimmen."
Langsam aber sicher wurde es dunkel, die Männer verfrachteten die gefangenen Aale noch in den Wagen und fuhren gemeinsam zur Lagerhalle. Wir anderen packten unsere Sachen und machten uns langsam auf zu unseren Quartieren.
Texte: Schnief
Bildmaterialien: Manuela Schauten
Tag der Veröffentlichung: 11.08.2015
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