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Im rosa Kleid

 Früher wurden, als ich noch jung und hübsch war, in meiner Familie die Geburtstage selten groß gefeiert, wenn überhaupt. Bei meinem damaligen Freund und heutigen Ehemann, ist dies eine ganz andere Sache. Sie feierten zu dieser Zeit nicht den Geburtstag, sondern den Namenstag mit der Familie. Dieses Fest wurde dann mit der ganzen Familie gefeiert. Doch diesen bestimmten Geburtstag wollte Willi, der Onkel meines Mannes, unbedingt bei einem Kostümball feiern.

Wir hatten Karnevalssonntag, mein jüngerer Bruder hatte gerade seinen Führerschein gemacht und wollte mit seiner Freundin zu einer Karnevalsfete. Da er aber noch kein eigenes Fahrzeug besaß, fragte er mich, ob ich ihm nicht meins leihen könne. Sozusagen als erweitertes Geburtstagsgeschenk, d er am gleichen Tag Geburtstag hat.

„Du hast wohl einen Knall, anschließend kann ich Bus fahren und du,  - du hattest mal einen Lappen“, antwortete ich ihm, zückte aber meine Geldbörse und entnahm zwanzig Deutsche Mark. Diese drückte ich dem armen Lehrling in die Hand: „Das ist sicherer, glaub‘ mir. Außerdem brauche ich selbst meinen Wagen.“

Mein Freund kam am Nachmittag zu uns, meine Familie saß zu dieser Zeit in der Küche und wir aßen ein verspätetes Mittagessen. Nach einer Weile fragte ich ihn, wie er sich denn heute Abend kostümiere. Er wüsste es noch nicht. Da mein Vater und seine damalige Frau Pfeiffi ebenso mitkommen wollten, machte Pfeiffi Vorschläge. Sie lief plötzlich hinaus und kam mit einem kurzen rosa Kleid aus den Anfängen der Siebziger sowie einer Perücke mit langen blonden Haaren zurück.

Wir grinsten!

 

Mein Freund zog sich in meinem Zimmer um. Als er zurückkam, sah er richtig zum Anbeißen aus.

„Man, siehst du geil aus“, rief mein Bruder, „schade, dass ich nicht heute Abend mit euch dort sein kann“, setzte er noch begeistert hinzu.

„In dem Fummel friere ich mir ja den Hintern ab“, meinte mein Freund.

„Bestimmt nicht, ich gebe dir noch eine Strumpfhose und draußen bist du ja nicht“, versuchte ich ihn zu beruhigen.

 

So gegen sechs Uhr fuhr er nochmals nach Hause. Wie verabredet, holten wir ihn und seinen Bruder um 19.30 Uhr ab. Meine Eltern und ich staunten und grinsten uns einen ab, als er aus der Haustür trat.

Anstatt seines Anoraks trug er einen alten Kunstpelzmantel mit Leopardenmuster und auf dem Kopf saß ein passender pelziger Hut über der blonden Perücke. Wahrlich eine Augenweide.

Ich musste mir so das Lachen verkneifen, sonst hätte er sich wahrscheinlich auf dem Absatz gedreht. Schnell stiegen die beiden ein und wir machten uns auf den Weg zum Saal, in dem der Ball und die Geburtstagsfeier von Willi stattfinden sollten.

Dort angekommen, trafen wir vor dem Gebäude weitere Familienmitglieder und auch Freunde.

Da ich an diesem Abend als Mann mit Hut, einem hellen blauen Jackett sowie einem roten Schlips bekleidet war, stolzierte er an meinem Arm untergehakt wie eine Primadonna in den Saal. Der Empfang war umwerfend.

Willi, der als Indianer verkleidet war, meinte: „Der erste Tanz gehört aber mir.“

Inzwischen waren alle eingetroffen, und da kein Motto vorgegeben war, saß ein bunt gemischter kostümierter Haufen im Saal: vom Pater über Matrosen, Hexen, Katzen, Chinesen, Cowboys bis hin zur Nonne. Die Stimmung wurde ausgelassener, nicht nur an unserem Tisch, sondern im ganzen Saal.

So dauerte es nicht lange und ein Typ kam an den Tisch und forderte meinen Freund zum Tanzen auf. Die anderen griemelten sich eins und schoben ihn mehr oder weniger zur Tanzfläche. Die zwei Herren tanzten vorzüglich zusammen. Ein Bild für die Götter. Jeder wollte führen. Zwei Männer halt!

Als er zurückkam, fragte ich ihn: „Na, wie war es?“

„Mann, der Typ glaubte doch tatsächlich, ich wäre eine Frau. Der sülzte mir die ganze Zeit Schmeicheleien ins Ohr“, gab er lachend zur Antwort und griff dabei betont männlich nach einem Kölsch.

„Sei froh, dass es kein langsames Lied war“, flachste ich.

Es wurde viel getanzt und natürlich ging es auch am Tisch hoch her. Im Untergeschoss war ein großes Büffet mit diversen Snacks aufgebaut, zudem gab es dort auch eine Theke, an die sich gerne die Nichttänzer zurückzogen. Im Laufe des Abends wurde mein Freund nochmals von diesem Herrn aufgefordert, plötzlich ließ er diesen mitten auf der Tanzfläche stehen. Kurz vor unserem Tisch hatte er meinen Freund eingeholt und tätschelte ihn an der Schulter herum.

Da drehte er sich um und schnauzte ihn an: „Mann, ich bin ein Kerl, verstanden!“

Der Typ stand nur noch da und starrte ihn mit riesigen weit aufgerissenen Augen an. Da die anderen natürlich alles mitbekommen hatten, wurde er sofort gefragt, was denn da auf der Tanzfläche wohl vorgefallen sei.

„Der Tünnes hat mich ins Föttche gekniffen!“ Nun musste er sich erst mal die liebliche Spötteleien über sich ergehen lassen. Ich zog ihn einfach hoch und tanzte mit ihm einige Runden.

Kurz danach zog das Korps einer Karnevalsgesellschaft ein. Sie begeisterten uns mit ihrem perfekten Gardetanz und natürlich war der berühmte „Stippeföttchen – Tanz“ für uns alle die Krönung. Selbstverständlich führte auch das Funke-Mariechen mit ihrem Jung ihren tollen Tanz auf. Im Anschluss schwärmten alle Funken aus und forderten zum Tanz auf.

Meinen Freund wollten sie auch auffordern, doch er sagte leicht angesäuselt, „Ich bin ne‘ Kerl, verstanden.“ - „Ich weiß, komm, ist doch zum Spaß“, ließ der Funke sich nicht abwimmeln.

So tanzte dieses ungleiche Paar mehr schwankend als im Takt, im Anschluss verschwanden sie hinunter an die Theke.

Kurz nach Mitternacht wurde noch eine Prämierung des schönsten Kostüms vorgenommen, er belegte tatsächlich den zweiten Platz und kam mit einer Flasche Schampus zum Tisch zurück.

Wir feierten noch lange, hatten unheimlichen Spaß und so gegen drei Uhr machten wir uns langsam aber sicher auf den Heimweg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: Schnief
Bildmaterialien: M.Schauten
Tag der Veröffentlichung: 08.02.2015

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