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Mutter

Wir schrieben das Jahr 2014, als ich diesen Brief im Juli schrieb, doch es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen

 

 

Liebe Mutter,

 

jetzt ist es schon ein Jahr her, dass du dich von den Deinen verabschiedet hast.

 

Sicher hast du von deiner Wolke mitbekommen, was sich so nach deinem Heimgang ereignete. Deine Beisetzung ist zwar etwas seltsam für deine vier älteren Kinder verlaufen, aber wir haben es den Anderen, die dem Herrn, der die Feieransprache hielt, diese seltsamen Angaben verziehen.

Innzwischen witzeln wir darüber und von ganz Weitem grüßen dich deine „Namenlosen“.

 

Trotz allem bin ich heute dankbar, dass ich dich kennen und lieben lernen durfte, auch wenn es nur die ersten neun Jahre meines Leben waren. Es waren wundervolle und liebevolle Jahre.

 

Je älter ich nun werde, desto mehr lässt mein Langzeitgedächtnis Erinnerungen zu, an die ich mich früher so gar nicht mehr erinnerte. Auf den alten Fotos zeigst du dich stets als eine glückliche Frau. Nie hast du unsere Streiche an unseren Vater weitergegeben, diese hast du stets mit uns selbst abgeklärt oder uns ermuntert, mit offenen Augen und frohen Herzen durchs Leben zu gehen.

 

Nach der Trennung von meinem Vater habe ich dich ja jahrelang nicht gesehen, erst später, als er auch langsam einsah und seine Narben etwas verheilt waren, dass seine Kinder auch die Mutter brauchen könnten, versuchte er, dass wir Kontakt mit dir aufnahmen.

So besuchte ich dich und deine neue Familie einmal.

Nachdem ich ein eigenes Auto besaß, kam ich öfters zu Besuch.

 

Einen Satz von dir habe ich bis heute nicht vergessen, den du mir damals sagtest, nachdem wir uns über Trennungen und Scheidungen unterhielten. Sicher erinnerst du ihn noch an diesen: „ Am Anfang steht die Neulust, aber bedenke, es kommt der Alltag.“

Diesen Satz blieb mir immer irgendwie gegenwärtig.

Aber ich muss dir gestehen, da du meinen Mann ja höchstens zweimal getroffen hast, bei uns ist dieses Thema noch nie aufgekommen, denn unserer Verliebtheit hat sich hoffentlich nicht nur für mich in eine tiefe Liebe und Verbundenheit gewandelt.

 

Eins jedoch habe ich nie verstanden, ihr habt so oft Freunde und auch die Kinder von deinem Mann ganz in der Nähe besucht, aber warum seid ihr nie bei uns vorbei gekommen. Du wusstest doch, dass ihr immer herzlich willkommen ward.

 

Selbst von deiner schweren Erkrankung habe ich erst über Dritte erfahren.

Meine Schwester hat ja extra ihre silberne Hochzeit um ein Jahr vorverlegt, damit wir uns alle noch einmal sehen. Ich habe mich sehr gefreut, dich nochmals gesehen und gesprochen zu haben, auch wenn es eigentlich nur beim Small Talk blieb.

Dabei erzähltest du mir, dass du deine Erfahrungen bei und von der Erkrankung aufgeschrieben hattest, leider sind diese Unterlagen bei meiner Nachfrage bei deinem Mann nicht mehr zu finden. Selbst unser Familienalbum ist leider verschwunden.

Ich weiß und hörte, dass du nie geklagt hattest, egal wie groß die Schmerzen waren und ich bin unheimlich dankbar meiner Halbschwester, ihrem Sohn, deinem Mann und deiner besten Freundin, welche dich bis zum Schluss gepflegt haben.

Was ich Dir nie zu Lebzeiten sagen konnte, ist, trotz deiner Abwesenheit habe ich dich immer im Herzen getragen und werde dies auch in Zukunft tun.

 

Deine Tochter

 

Impressum

Texte: Schnief
Bildmaterialien: Schnief
Tag der Veröffentlichung: 20.07.2014

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