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Freud und Leid

Nach einem stressigen, aber erfolgreichen Arbeitstag, welcher sich auch noch um eine Stunde verlängerte, machte ich es mir etwas gemütlich. Den Nachmittag wollte ich in harmonischer Ruhe verbringen, da unsere immer noch stark pubertierende Siebzehnjährige mit ihrem Deutschkurs eine Exkursion  unternommen hatte, ihre Rückkehr sollte erst am frühen Abend erfolgen.

 

So saß ich gemütlich auf unserer Terrasse, hatte antizipierend Telefon und Handy neben mir liegen und ich las ein wenig in einem Buch, welches über die im Universum herrschenden Metamorphosen von der Mimose, den Tischtennisarm und der Schilddrüsenunterfunktion bis hin zu der glorreichen Verwandlung des Schmetterlings berichtete.

 

Gerade wollte ich einen nicht rudimentären Kommentar verfassen, klingelte das Telefon.

„Hallo“, begrüßte ich den Anrufer, nachdem dich den Hörer abgenommen hatte.

„Hier ist Michaela Müller, sag mal, warst du heute schon beim Rewe einkaufen?“, sprach mich Michaela an und fragte in einem Atemzug.

„Nein, warum, gibt es etwas Besonderes?“, fragte ich sie neugierig.

„Als ich heute Morgen an der Käsetheke stand , entdeckte ich ein Plakat, auf dem dein Name riesengroß  und darunter unsere Straße. Ich erzählte der Verkäuferin, die kenne ich, das ist meine Nachbarin. Die Verkäuferin bat mich dann, ob ich dir Bescheid sagen könnte, denn du hättest keine Telefonnummer angegeben, nur eine E- mail Adresse. Du mögest doch mal vorbei kommen.“, erzählte sie mir aufgeregt.

„Weshalb steht den mein Name auf irgendwelchem Plakat, habe ich vielleicht irgendetwas Verbotenes getan?“, fragte ich sie neugierig.

„Stell dir vor, Du hast das orangene Fahrrad, das über der Kühltheke steht gewonnen!, rief sie mehr, als das sie sprach.

In diesem Moment fiel mir fast der Hörer aus der Hand und ich brauchte einige Sekunden, um das eben Vernommene zu verdauen.

„Glaube ich nicht!“, erwiderte ich ihr etwas ungläubig.

„Doch! -  Du möchtest dich doch bitte melden, es geht wohl um die Übergabe des Fahrrades. Sag mal, kommt ihr auch am Samstag zum Straßenfest?“, erklärte und fragte sie mich gleichzeitig.

„Leider nicht, wir sind auf einem Geburtstag eingeladen und können dort schlecht absagen. Aber wir wünschen euch viel Spaß. Danke dir auch für deinen Anruf, bis jetzt habe ich noch nie so etwas Großes gewonnen. Ich werde nachher zum Rewe fahren. Danke noch mal“, mit diesen Worten verabschiedete ich mich und legte auf.

 

Einige Zeit später mache ich mich auf den Weg zum Supermarkt, kaufte ein.

Größer ging es wohl nicht, dachte ich bei mir als ich zur Käsetheke kam und das DIN A2 große Plakat mit meinem Namen sah, dazu auch noch die Straße inklusiv der Hausnummer.

Nachdem ich Käse bestellt hatte und die Verkäuferin fertig war, gab ich mich zu erkennen.

Da der Geschäftsführer Herr Klein nicht mehr im Markt war, bat mich die Verkäuferin um meine Telefonnummer.  Ich hinterließ ihr sowohl meine Festnetz- und Handynummer. Herr Klein würde sich dann melden, um einen Termin zur Übergabe des Preises inklusiv eines Fototermins festzulegen.

 

Nach dem Einkauf brachte ich erst einmal, den mitgebrachten Käse zu unserem Öhmchen und erzählte ihr kurz von dem Gewinn.  Anschließend schrieb ich  eine SMS an meine Tochter.

 

Als mein Mann nach Hause kam, setzten wir uns gemeinsam auf die Terrasse und er erzählte mir erst einmal von seinem glorreichen Arbeitstag, wobei er sich über die schwierige Handhabung der rudimentären Arbeitsgeräte ausließ. Sein Kollege hätte zudem den halben Tag beim Arzt verbracht und kam mit der Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion zurück. Wir unterhielten uns noch eine Weile über das Thema.

„Möchtest du was Neues Wissen?“, fragte ich ihn, dabei versuchte ich nach einer Flasche Wasser zu angeln, die etwas weiter entfernt auf dem Boden stand.

„Was gibt es denn?“, erwiderte er mir und schob mir sein Glas herüber.

„Stell dir vor, ich habe ein Hollandrad beim Rewe gewonnen“, erzählte ich ihm in einem lachendem Tonfall.

„Echt, toll …  und wo ist es?“, fragte er mich skeptisch.

Daraufhin erzählte ich ihm den Verlauf des Nachmittags und wunderte mich, dass ihm seine Mutter noch nichts erzählt hatte, denn nach der Arbeit kehrte er stets auf seinem Heimweg zu einem kleinen Plausch bei seiner Mutter ein.

„Sie wollte sicher nichts verraten, um dir die Freude zu lassen, es mir zu erzählen“., meinte er, als ich ihn daraufhin ansprach.

Ich zeigte ihm im Internet die Werbung und Verlosung, welche die Käsefirma mit dem Supermarkt machte.

„Wie viele Gänge hat denn das Rad und weißt du welche Marke?“, bohrte er weiter.

„Ich glaube es hat keine Gänge oder siehst du einen Kabel, der nach hinten führt“, entgegnete ich ihm.

„Eigentlich müsste ich ja das Rad bekommen, schließlich esse ich ja immer den Käse“, stellte er plötzlich grinsend fest.

„Klar doch! Und wer fährt einkaufen, stellt sich in die Schlange an der Käsetheke.

Jetzt habe ich sicher Zwei, die das Rad schon in Besitz nehmen wollen, obwohl ich es noch gar nicht habe“, antwortete ich ihm und schaute dabei in Richtung Garage. Dabei entdeckte ich unser Kaninchen Schnuffel, unsere kleine Mimose, wie er hingebungsvoll sich putzte.

„Was hältst du davon, wir räumen das Rad erst mal in den Keller, wenn mal ein Rad defekt ist, haben wir eins in Reserve“, schlug er mir vor.

„Mal sehen“, gab ich ihm zur Antwort und mein Handy piepste.

Mein Mann ging hinein und ich sah mir die Nachricht auf dem Handy an. In etwas mehr als einer Stunde sollte unsere himmlische Ruhe vorbei sein. Ich hatte noch etwas Zeit, bevor ich mit dem Abendessen beginnen musste.

Meinen Gedanken ließ ich dabei freien Lauf und meinen Augen blieben an den von meiner Tochter gesäten Naturblumen hängen, dort hatten sich nicht nur Weiße und Gelbe Schmetterlinge niedergelassen sondern Einer mit ganz vielen Farben. Dieser Schmetterling zog mich magisch an. Bis ich allerdings meine Kamera geholt hatte, war er bereits weitergeflogen.

 

Mein Essen war fast fertig, als ich die Hoftür zuschlagen hörte. In einer guten Stimmung kam unsere Tochter herein und begann sofort einiges von ihrer Exkursion zu erzählen.

„Mama, was gibt es eigentlich zu essen, ich hab Hunger“, fragte mich sie mich zwischendurch, ihre Augen sprühten vor lauter Aufregung.

„Gefüllte Paprika mit Püree“, antwortete ich ihr, drückte ihr dabei das Besteck in die Hand, damit sie es auf den Tisch legen konnte.

„Gott sei Dank, ich dachte schon, wieder was, das ich nicht mag“, antwortete sie mir erleichtert.

„Ich dachte, ihr ward zum Schluss in einem Biergarten, hast du denn nichts gegessen?  Ich habe dir doch extra Geld mitgegeben“, hinterfragte ich.

„Nee, ich habe nur was getrunken und Herr Bleich hat uns jedem ein Getränk ausgegeben. Ich habe mir in Köln ein paar Brezeln gekauft“, erklärte sie mir und setzte sich an den Tisch.    

Während des Essen erzählte sie davon,  wie ihr Lehrer Herr Bleich sie von Bahnsteig zu Bahnsteig jagte, damit sie ihre Bahnen bekamen, denn sie verbrachten nicht nur den Tag  in Köln, dort besuchten sie zwei Museen und dann fuhren sie noch ins Siebengebirge, dort besichtigten sie noch eine Ruine und wanderten ein Stück. Erst auf der Rücktour sind sie dann in einem Biergarten eingekehrt. Vom Siebengebirge erfuhren wir am meisten, also schlossen wir daraus, dass wir Glück hatten und nicht unbedingt wieder in den nächsten Ferien diese Museen besichtigen zu besuchen haben.

Plötzlich fiel ihr wieder die SMS ein, welche ich ihr geschickt habe.

„Mama, als ich erzählte, dass du das Hollandrad vom Rewe gewonnen hatte, meinte Ali, das könntest du ihr ja schenken, sie hat ja kein Hollandrad, ich habe sie gefragt ob sie keine anderen Probleme habe, da hat sie geantwortet. Warum nicht, du hättest doch ein anderes Rad.“

„Ali hat doch ein gutes Fahrrad, wozu braucht sie denn jetzt ein Hollandrad?“, warf ich kurz ein.

„Weil ich eins habe, deshalb, außerdem bekomme ich ja das Rad. Damit fahre ich dann zur Schule. Wo ist denn überhaupt das Rad, hast es noch nicht abgeholt. Ich will es morgen den Anderen zeigen“, fuhr sie mit roten Wangen  weiter fort.

„Das Fahrrad kommt in den Keller“, sprach mein Mann dazwischen.

„Wieso in den Keller, was soll es denn da? Ich will damit morgen zur Schule fahren!“, widersprach sie ihm empört.

„Erstens habe ich es noch gar nicht und was ich mit dem Rad mache, weiß ich auch nicht“, mischte ich mich ein.

Aber zu spät, jetzt ging es erst richtig los. Die Wortfetzen flogen!

Ich verzog mich in die Küche und machte den Abwasch, danach verzog ich mich auf die Terrasse. Wie verwandelt gebar sich meine Tochter, egal was ich auch beim hinaus gehen sagte, es sprühte das Gift aus ihr heraus und mein Mann machte auch noch mit.

Etwa eine halbe Stunde später kam meine Tochter hinaus und meinte zu mir:

„Ich dachte, ich bekäme das Fahrrad, was soll es denn im Keller, schau dir doch mal mein Fahrrad an. Es hat schon einige Lackspuren, nur weil die Vollidioten es umwerfen. Du bist gemein!   - Ich dachte“

„Ich habe nie gesagt dass du das Fahrrad bekommst, falls ich es gewinne darfst du damit fahren, habe ich immer gesagt. Außerdem wirst du die Erste sein, die damit fährt“, widersprach ich ihr erst fest und dann etwas lockerer.

„Klar, fahr ich als Erstes damit, wir fahren hin und ich darf nach Hause fahren, oder?“, muffelte sie herum.

„Du kann auch das FotoShooting übernehmen , darfst dabei so richtig Posen. Vielleicht wirst du ja entdeckt. Gibt doch ein viel besseres Foto, so eine Knackige als eine alte Schrulle wie ich“, endet ich lachend.

„Lass dich selbst ablichten, dafür habe ich keine Lust, du hörst doch sowieso auf Papa, ihr seid euch doch einig“, giftete sie mich immer noch wütend an und verschwand.

 

Plötzlich stand mein Mann auf der Terrasse und machte sich eine Zigarette an.

„Danke für den netten Abend, ihr zwei seid Giftzwerge und sprüht zur Zeit euer Gift ins Universum. Ich weiß noch nicht was ich mit dem Rad mache, vielleicht setze ich es ins Internet oder ich, ach, ich werde mir noch was überlegen“, zickte ich ihn leicht an, „Jetzt hat sie auch keine Lust das Foto zu übernehmen, danke.“

„Nichts zu danken, ich habe es ja nur gut gemeint, was ist wenn wieder Eins einen Defekt hat“, verteidigte er sich mehr als klein kariert..

„Dann flicke ich es wie üblich oder bringe es in die Werkstatt“, widersprach ich ihm.

„Meine Güte, ich habe es doch nur gut gemeint“, versuchte er sich zu verteidigen.

„Ich weiß, aber du weißt auch, wie sie zur Zeit drauf ist, lass sie erst mal etwas abschalten, die letzten Wochen hatten es in sich. Ihre Gefühle fahren zur Zeit Achterbahn und Ihre Verwandlungen  innerhalb von Sekunden müsstest du doch auch mitbekommen haben“, gab ich ihm zu bedenken.

„Ja du hast recht, ich leg mich, muss morgen sehr früh aufstehen und es wird ein harter Tag werden“, verabschiedete er sich und machte sich auf den Weg.

 

Nachdem die Sendung beendet war, welche sich meine Tochter in der Zwischenzeit sich angesehen hatte, kam sie heraus, lief zum Trampolin, hüpfte ein wenig darauf herum und kam anschließend zu mir, um mich zu drücken.

„Entschuldige, das ich dich anmotzte“, entfuhr es ihr, bevor sie mir ein Küsschen auf die Wange drückte.

Ich nahm sie behutsam in die Arme und war glücklich, dass sie wieder im Moment zu sich gefunden hatte.

 

 

Fortsetzung die Übergabe folgt

Impressum

Texte: Schnief
Bildmaterialien: Schnief
Tag der Veröffentlichung: 06.07.2014

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