Wenn der Wind kräftig und böig über die Stoppelfelder fegt, weiß man, der Herbst ist da.
Während dieser Zeit wird in den Kindergärten und Grundschulen mit dem Basteln der Martinslaternen begonnen.
Mein Kind geht zwar jetzt nicht mehr mit der Laterne, dafür verkaufte sie jetzt die Martinslose in unserem Ortsteil, um das Brauchtum hochzuhalten.
Dabei sind in mir die Erinnerungen an diese Zeit hochgekommen.
Damals im zarten Alter von zweidreiviertel Jahren erlebte sie ihr erstes Martinsfest. Ich erzählte ihr die Martinsgeschichte in groben Zügen und sie war fasziniert.
In dieser Zeit wohnten wir in einer Kleinstadt mit verschiedenen Ortsteilen, der Martinszug wurde von der Dorfgemeinschaft für den Kindergarten und der ansässigen Grundschule organisiert.
In der Woche vor dem Martinszug bastelte ich gemeinsam mit ihr eine kleine Laterne.
Die Martinsfeier begann mit einem Gottesdienst in der Kirche. Schüler der Grundschule spielten die Geschichte von Martin während des Gottesdienstes vor.
Mit weit aufgerissen Augen und einem offenem Mund verfolgte sie das Spiel. Kurz vor Ende der Messe kam Martin herein und im Hintergrund schnatterten Gänse. Total verwundert schaute mich meine Kleine an. Nach dem Gottesdienst versammelten sich dann alle auf dem Platz vor der Kirche.
„Mama, wo ist das Pferd von Martin?“, fragte sie mich aufgeregt.
„Da vorne, er steigt gerade auf sein Pferd“, antwortete ich ihr.
„Ich kann St. Martin aber nicht sehen“, maulte sie herum. Da nahm ich sie auf den Arm. Es dauerte keine zwei Minuten, die Menschen drängten zurück, um eine Gasse zu bilden, damit der reitende St. Martin sich an die Spitze des Festzuges setzen konnte. Nachdem sich der Kindergarten und eine Musikgruppe hinter dem reitenden Martin eingereiht hatten, begann meine Kleine auf meinem Arm zu zappeln. Sie hatte die Gänse auf einem Bollerwagen erblickt.
„Ich will Gänse streicheln“, schrie sie mir ins Ohr.
„Nach dem Umzug darfst du zu den Gänsen“, antwortete ich ihr. Ich setzte sie ab, ließ sie aber nicht von der Hand, so sehr sie sich auch zerrte.
Die Musik setzte ein und der Zug setzte sich in Bewegung. Mit lauter, hingebungsvoller Stimme sang sie " St. Martin, St. Martin ...... " und hielt voller Stolz ihre selbst gebastelte Laterne.
Nach einiger Zeit bogen die Gänse aus dem Zug aus. Als wir dort vorbei kamen, gingen wir dort hin und sie durfte die Gänse streicheln. Der Zug zog weiter und da es inzwischen schon spät geworden war, machten wir uns auf den Heimweg.
Obwohl sie in einem kleinen Kindergarten (mit zwei Gruppen) mit Kindern aus fünfzehn Nationen besuchte, wurden die Brauchtümer den Kindern nahe gebracht. Alle Kinder bastelten dann im Oktober bis zum Martinstag,selbst ihre Laternen.
In ihrem ersten Kindergartenjahr bastelten sie eine Apfellaterne. Da die kleineren Kinder ja noch nicht so gut mit der Schere umgehen konnten, wurden die Vorlagen ausgeprickelt. Als meine Kleine nach Hause kam, musste ich auch mit ihr mehrere Laternen basteln, welche sie für sich, ihre Kuscheltiere und Püppchen mit unheimlicher Ausdauer bastelte.
Dabei sangen wir Martinslieder oder ich erzählte ihr Geschichten rund ums teilen.
So erzählte ich ihr auch folgende Geschichte, wer der eigentliche Autor ist (war), weiß ich nicht.
Einmal ging eine Kerze durch einen Tannenwald, sie wollte zum nächsten Dorf, denn viele Kerzen wollten sich dort treffen. Plötzlich blies der Wind kräftiger und ihr Licht erlosch. Lumi war sehr traurig, dass sie nun kein Licht mehr hatte. Nach einigen Schritten bemerkte sie einen Lichtschein hinter sich. Eine andere Kerze hatte den selben Weg zum Dorf eingeschlagen.
Sie verlangsamte ihre Schritte und als die andere Kerze bei ihr angekommen war, fragte Lumi sie: „Gibst du mir von deinem Licht etwas ab, damit ich wieder scheine?“
„Warum sollte ich dir etwas von meinem Licht abgeben, dann habe ich nicht so viel Licht“, entgegnete ihr die andere Kerze.
„Wenn du mir etwas Licht abgibst, dann scheinen wir doch hell in der Nacht“, versuchte Lumi zu erklären. Doch die andere Kerze war sich nicht sicher und hatte Angst, dass sie dann kein Licht mehr habe.
„Ich weiß nicht, dann verliere ich mein Licht“, antwortete die andere Kerze ängstlich und eilte mit großen Schritten weiter. Da begann Lumi zu weinen. Bereits nach einer Minute drehte sich die andere Kerze um, eilte zu Lumi und teilte mit Lumi. ihr Licht
Lumi freute sich sehr und tanzte um die andere Kerze.
Nun gingen die Beiden gemeinsam weiter und ihr Licht leuchtete so schön hell auf dem Weg im dunklen Wald.
In der Woche vor dem Martinstag holte ich sie wie immer mittags vom Kindergarten ab, noch auf dem Nachhauseweg begann sie aufgeregt und mit roten Wangen zu erzählen: " Mama, heute durfte ich den Martin spielen!"
„Das freut mich und was hast du gemacht?" fragte ich neugierig.
„Ich hatte ein Steckenpferd und einen roten Umhang um und in der Hand hielt ich ein Schwert. Meike war der Bettler und hatte unter der Palme bei den Schildkröten gesessen. Da bin ich dann mit dem Pferd hingeritten und habe den Umhang geteilt. Dann bin ich ganz schnell wieder weg und hab mich gesetzt."
„Das hast du ganz toll gemacht", lobte ich sie.
„Es ging aber noch weiter", sprudelte es aus ihr heraus.
„Ja wie denn?", forderte ich sie auf.
„Ich habe den Umhang ausgezogen, und habe getan als würde ich beten, ich ging zur Küche, da saßen doch Wandara und Sarah und die gackerten. Sie waren doch die Gänse. dann kamen die Anderen und zerrten mich zurück in den Flur und setzten mir eine Mütze auf. Frau Ernst hat gesagt, das wäre eine Bischofsmütze, weil Mirco gefragt hat. Das war richtig schön heute und ich freue mich auf heute Abend."
„Das freut mich, das du so einen Spaß hattest", erwiderte ich ihr.
„Oh ja, jetzt muss ich aber alles erst mal Frau Binky alles erzählen.“
Inzwischen waren wir zu Hause angekommen, sie lief die Treppen hinauf und klingelte bei unserer Nachbarin, einer älteren Dame.
„Ich hole dich, wenn das Essen fertig ist" , sagte ich zu ihr und stieg weiter die Treppe hinauf. Ich hörte nur noch ihr aufgeregtes Stimmchen, wie sie ihr die Geschichte zu erzählen begann.
Am späten Nachmittag machten wir uns auf den Weg zum Kindergarten, dabei hüpfte sie aufgeregt neben mir her. Als wir dort ankamen, warteten die Kinder gespannt auf den St. Martin.
"Der St. Martin hat ja gar kein Pferd?", rief sie empört und kam mit ihrer Laterne, welche gefährlich schaukelte, angelaufen.
"Beim Kindergartenumzug ist nicht immer ein Pferd, das macht doch nichts, Hauptsache der St. Martin ist dabei, oder?", versuchte ich sie zu beruhigen. Sie dachte kurz nach und meinte:
"Dann ohne Pferd."
Die Kinder stellten sich hinter dem Martin auf und zwischen den beiden Gruppen begann eine Gruppe aus der Musikschule zu spielen. So zogen sie gemeinsam um den Block, einige der Anwohner hatten ihre Fenster mit Laternen oder mit Kerzen geschmückt.
Anschließend wurde das Martinsfeuer im Garten des Kindergarten entzündet. Um das Feuer herum versammelt, sangen alle Kinder und Eltern gemeinsam das Martinslied. St. Martin teilte jedem Kind einen Weckmann aus und die Kinder holten sich dazu einen Kakao.
Auf dem Heimweg meinte meine Tochter:
"Es war wunderschön, dass erzähle ich jetzt Papa".
In der Wilhelmstraße in Winkelshausen gab es eine kleine Bäckerei und die Menschen kauften dort gerne ihr Brot. Der alte Bäcker stand sehr oft selbst in seinem Geschäft, verkaufte sein Brot, dabei war er stets freundlich und machte viele kleine Späße. Stets war er für einen kurzen Plausch bereit, daher kauften die Leute aus Winkelshausen gerne bei ihm ein. Manche im Ort meinten, er habe einen leichten Tick, aber es waren nur wenige. Die Meisten fanden ihn sehr weise und menschenfreundlich. Irgendwann hörte er davon und meinte nur „Unsinn“.
Der alte Bäcker wusste, dass man Brot nicht nur zum Sattessen brauchen kann und dies gefällt den Leuten. Einige erfuhren dies erst bei dem alten Bäcker, genau wie der Klempner aus der Kanustraße, als er zufällig in die Bäckerei kam.
„Sie sehen so bedrückt aus“, sagte der alte Bäcker zum Klempner, während er ihm das gewünschte Brot über die Ladentheke reichte.
„Ich habe große Angst um meinen Sohn“, antwortete ihm der Klempner. „Er ist gestern die Treppe hinunter gefallen“. „Wie alt ist denn der Kleine“, fragte ihn der alte Bäcker. „Drei Jahre“, antwortete der Klempner.
Da nahm der alte Bäcker ein Stück vom Brot, das er auf der Ladentheke liegen hatte, brach zwei Stücke davon ab und reichte dem Klempner ein Stück. „Essen Sie mit mir“, sprach er zu dem Klempner, „ich will an Sie und ihren kleinen Sohn denken“.
Der Klempner hatte so etwas noch nie erlebt, verstand aber sofort, was der alte Bäcker meinte, als er ihm das Brot in die Hand gab.
Ihr Brotstück aßen beide, schwiegen und dachten an den kleinen Jungen.
Zuerst waren die beiden allein in der Bäckerei, dann kam aber eine Frau herein. Sie hatte ihre Einkäufe auf dem naheliegenden Markt erledigt und wollte nun noch Brot kaufen. Bevor sie ihren Wunsch äußern konnte, brach der alte Bäcker ein weiteres Stück Brot ab und reichte es ihr mit den Worten „Essen Sie mit uns. Der dreijährige Sohn dieses Herrn ist schwer verletzt, er ist eine Treppe hinunter gestürzt. Der Vater soll wissen, dass wir ihn nicht allein lassen.“
Die Frau nahm das Stück Brot und aß gemeinsam mit ihnen.
Texte: Schnief
Bildmaterialien: Schnief
Lektorat: Schnief
Tag der Veröffentlichung: 20.10.2013
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