Ferienfahrt ins Pitztal, dreiwöchige Ferienfahrt für Kinder von acht – vierzehn Jahren bot die katholische Kirche im Jahre 1973 an. Dort wurde mein Bruder, die beiden Kinder meines Vaters zweiter Frau und ich angemeldet.
Die Sommerferien begannen. Koffer wurden gepackt und pünktlich fuhren zwei Reisebusse um Zweiundzwanzig Uhr ab. Sicher waren die Fahrer froh, als endlich die letzten Pänz eingeschlafen sind, da es die ersten Stunden doch sehr lebhaft im Bus zuging. Nach einer Fahrtzeit von ungefähr zehn Stunden erreichten wir unser Ziel. Ziel ist gut gesagt, denn nachdem wir ausgestiegen sind, standen Mitarbeiter vom Hochzeigerhaus dort und überreichten jedem Kind ein Frühstückspaket. Während wir frühstückten, wurden unsere Koffer auf einen Unimok mit Anhänger umgeladen.
Wir saßen derweil im Gras, direkt neben einer Sesselliftanlage des Hochzeigers. Unsere Betreuer erklärten uns, jetzt machen wir unsere ersten Aufstieg zu unserem Ziel, dem Hochzeigerhaus.
Wir Kinder vom Flachland staunten, welchen Blick wir bereits von der Talstation hatten. Aber als wir beim zweitausendeinhundert Meter hoch gelegenem Hochsteigerhaus nach ungefähr zwei Stunden ankamen, waren wir von der Sicht in die Ferne so beeindruckt, dass wir mit offenen Mündern nur noch staunten.
Die Zimmereinteilung erfolgte durch die Betreuer Gruppenweise, zudem sollten Geschwisterkinder in einem Zimmer untergebracht werden, natürlich nach Geschlechtern getrennt. Somit wurde in meinem Zimmer die jüngere Tochter meines Vaters zweiter Frau einquartiert. Bereits nach zwei Tagen wechselte ich das Zimmer, unseren Zwist konnten die Betreuer länger nicht ertragen.
Seitdem wohnte ich (11) mit den Geschwistern Biene (11) und Tina (13) in einem mit Doppelbett und Einzelbett ausgestatteten Zimmer. Die Terrassentür führte auf einen umlaufenden Balkon, welcher über zwei Seiten des Gebäudes verlief. Im direkten Nachbarzimmer hatte sich der mitgereiste Pastor einquartiert.
Sicher musste er viele Streiche über sich ergehen lassen, leider haben diese Übeltäter nicht immer das richtige Zimmer erwischt und wir wurden des Nachts schon mal durch hereinfliegende mit wassergefüllten Luftballons aus unserem Schlaf unsanft gerissen.
Viele Tage vergingen mit Wanderungen, die sich täglich verlängerten, Besuchen auf Sennereien oder zum Gletschersee. An manchen Tagen blieben wir auch einfach in unserem Quartier und dort wurden Spiele veranstaltet oder die nähere Umgebung selbst erkundet. In den kleinen Heuhäuschen hatten wir unsere Verstecke, um in Ruhe zu lesen.
Eines Morgen wachte ich auf, und als ich auf den Balkon trat, rief ich nur noch: „Biene, Tina, kommt mal schnell! Ich stehe in einer Wolke, man das ist ja ……!“ Natürlich kamen sie sofort angelaufen und standen mit genauso aufgerissenen Augen wie ich auf dem Balkon. „Das glaubt uns niemand, aber das schreibe ich gleich nach Hause“, rief Tina und verschwand. Biene und ich liefen aber nach unten, um vor dem Gebäude durch die Wolken zu laufen. Erst nach einiger Zeit merkten wir, dass es recht kalt geworden ist. Wir liefen direkt zum Frühstück, denn anschließend sollte eine Gottesdienst stattfinden.
Neben dem Tresen hatten die Betreuer und der Pastor einen kleinen Altar aufgebaut. Während des Gottesdienstes begleiteten die Betreuer und die Wirtsleute unseren Gesang mit Gitarre, Akkordeon und einer Zitter. Obwohl wir fast alle auf dem BFußboden saßen, wurde es doch sehr feierlich.
Anschließend sangen wir noch gemeinsam Wanderlieder und Spaßlieder, dadurch merkten wir überhaupt nicht, dass das Wetter umgeschlagen hatte. Es regnete den ganzen Tag.
Leider wurde bekannt, dass Geld aus einem Zimmer entwendet wurde und das der Geschädigte nun keines mehr besaß. Dass sich der Täter nicht meldete, war den Betreuern selbstverständlich klar und da inzwischen fast alle Zimmer in einem katastrophalen Zustand befanden, beschlossen sie einen Wettbewerb. Das Beste gereinigte Zimmer sollte zehn Mark erhalten, der Zweite fünf Mark und der Dritte drei Mark. Nach dem Mittagessen sollte es losgehen, um sechszehn Uhr wollte die Jury die Zimmer begutachten. Alle verschwanden auf ihren Zimmern und legten los. Es dauerte keine Stunde und Tina schmiss Biene und mich hinaus, mit der Begründung „Wir wären unfähig zu putzen“. Wir schnappten uns ein Kartenspiel und liefen nach unten in die Wirtsstube.
Am Abend bei der Preisverleihung stellte sich heraus, dass der 1. Preis an ein Zimmer ging, welches zwar nicht gereinigt, aber die Bewohner stifteten ihren Preis an den Geschädigten. Den 2. Platz erreichte unser Zimmer, Tina hatte sogar die Sprungfedern geputzt. Biene und ich überreichten Tina das Geld und sie lud uns trotzdem zu einem Eis ein.
Als ich am nächsten Morgen erwachte und aus dem Fenster schaute, traute ich meinen Augen nicht. Wir hatten Juli, es war weiß. „Biene, Tina“, schrie ich, „Es ist weiß!“ Noch in unseren Schlappen und Schlafanzügen machten wir eine Schneeballschlacht auf dem Balkon. In kürzester Zeit zogen wir uns an, jeder hatte mindestens drei T-Shirts und zwei Strickjacken und die Regenjacke übergezogen. Dann rannten wir die Treppe hinunter, um uns ins Getümmel vor dem Haus zu werfen.
Nach einiger Zeit gingen wir wieder hinein, um unsere Postkarten zu schreiben.
Schnee mitten im Juli!
Wir verbrachten noch sehr viele schöne Tage dort und eine tiefe Freundschaft zwischen Biene und mir ist entstanden.
Texte: Schnief
Bildmaterialien: Google
Lektorat: Schnief
Tag der Veröffentlichung: 22.09.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Biene