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Topmoddells

 Anstatt mit ihren Kandidatinnen nach Florida oder Australien zu reisen, wählte Heidis Fernsehsendung „Germanys Next Topmodel“ zur Abwechslung das wunderschöne Sibirien als Ziel aus. Trotz eisiger Temperaturen sollten die Mädels eine Mantel-Kollektion von Tilitu an einem von verschneiten Wäldern umsäumten, zugefrorenen See präsentieren.
„Wer hat sich nur diesen Mist ausgedacht?“, schimpfte die achtzehnjährige Silvie vor sich hin. „Seit meiner Kindheit träume ich davon, auf dem Cover der Cosmopolitan zu stehen. Schön, braun gebrannt und mit einem Hauch von Stoff auf der Haut. Jetzt ende ich in dieser vor Verdammnis stinkenden Einöde und später womöglich als Karteileiche in irgendeinem Archiv!“
Über das perfekt gestylte Gesicht lief ihr der Angstschweiß. Sie sollte doch tatsächlich mit fünfzehn Zentimeter hohen High Heels über die vereisten Steine des Pfades, der hinunter zum See führte, einen Walk machen.

 

In diesem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher als einen Zauberstab, wie Harry Potter einen hatte, herbei. Mit dem ließen sich die Steine bestimmt in trockenes Herbstlaub verwandeln. Doch egal wie oft sie auch leise „Accio Zauberstab“ murmelte, es kam keiner angeflogen.
Die ersten Meter absolvierte sie noch graziös und mit Haltung, dann jedoch kam sie ins Trudeln. Um nicht in die Verlegenheit zu geraten, vor all den Zuschauern auf ihrem Hintern zu landen, begann sie leicht zu hüpfen. Aber leider rutschte sie dabei weg, fing sich jedoch sogleich wieder und kam zwar zusammengekauert aber auf ihren Füßen in der Hocke zum Stillstand.

 Vor Schreck erstarrt hörte sie von Weitem Heidis lustige Stimme:

„Häschen in der Grube saß und schlief,
saß und schlief,
armes Häschen bist du krank?
Dass du nicht mehr hüpfen kannst.
Häschen hüpf, Häschen hüpf!“

 

In diesem Augenblick dachte Silvie nur noch an den Vers von Hoffmann von Fallersleben:


Liebe Sonne,
scheine wieder,
schein die düstren Wolken nieder!
Komm mit deinem goldnen Strahl
wieder über Berg und Tal!
Trockne ab auf allen Wegen
überall den alten Regen!
Liebe Sonne, lass dich sehn,
dass wir können spielen gehen!

 

Irgendwie erwachte sie aus ihrer Erstarrung und es gelang ihr, den Walk zu Ende zu bringen.

 


Am Entscheidungstag fragte sie die Jury, was ihr bei Heidis Gesang durch den Kopf gegangen war. „Es war ein Vers von Hoffmann von Fallersleben. Daran habe ich gedacht“, antwortete Silvie und rezitierte diesen. Die Reaktion der Jury kam prompt: „Die Sonne wird dir ganz sicher scheinen.“
Mit diesen Worten wurde sie in die nächste Runde geschickt.

Impressum

Texte: Schnief
Bildmaterialien: Hintergrund: F.Kolja Lenz@pixelio.de Gesicht: Tim Reckmann@pixelio.de,bearbeitet vonSusymah
Lektorat: Susymah
Tag der Veröffentlichung: 04.09.2013

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