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Unvergessen der 6. Dezember 1999

"Wo ist sie denn jetzt schon wieder", dachte ich und sah sofort zu den Puppenwagen, die keine zwei Meter entfernt zum Verkauf in Reih standen. Nein, dort war sie nicht, also schaute ich unter dem Tisch mit den Strumpfhosen nach. Auch dort fand ich sie nicht. Als wieder hochkomme, sehe ich sie gerade mit einem Bobby Car um einen Ständer fahren. Schnell drehte ich mich um, lief um den Stand herum, um meine fast dreijährige Tochter bei ihrer Fahrt durchs Kaufhaus zu stoppen. Im letzten Augenblick erwischte ich sie noch, bevor sie mit einem Affenzahn um die nächste Ecke schoss.

„Nicht schon wieder“, sagte ich zu ihr, „und heute schon gar nicht.“

„Mama, lass mich los, ich will ein Bobby Car“, ruft sie empört. Ich bücke mich und nehme sie auf den Arm.

„Nein, du hast eins zu Hause“, versuchte ich ruhig zu sagen, schnappte mir im Vorübergehen die zwei Strumpfhosen und ging mit ihr zur Kasse.

„Aber keine Feuerwehr“, widersprach sie. Nachdem ich gezahlt hatte, setzte ich sie ab, ließ aber ihre Hand nicht los. Aus Erfahrung wusste ich, dass sich mein Töchterchen sofort wieder den nächsten Bobby-Car oder einen Puppenwagen schnappte und damit zwischen den Ständern und Warentischen verschwand. Sie zerrte und protestierte. Ich kniete mich und fragte sie: „Weißt du, wer heute Abend kommen könnte?“

„Der Nikolaus, der bringt mir sicher was“, antwortete sie mir freudig.

Auf einmal konnten wir in Ruhe das Kaufhaus verlassen.

 

Am späten Nachmittag fuhren wir zu ihrem Patenonkel, er hatte mit seiner Frau zwei Kinder im Alter von viereinhalb Jahren und zwölf Jahren. Das Wohnzimmer war festlich geschmückt und die kleinen Kinder spielten. Die Omas und Opas saßen am Tisch und erzählten sich etwas. Wenn es die beiden Kleinen zu doll trieben, drehte sich ein Opa um und meinte, ihr denkt auch an den Hans Muff.

„Wer ist Hans Muff“, fragte unsere Stephie.

„Er kommt mit dem Nikolaus und steckt die unartigen Kinder in einen Sack“, antwortet ihr Opa.

„Wie sieht er denn aus?“, fragte sie weiter, „und was macht er mit den Kindern?“

„Er nimmt sie mit!“, gab er leicht grinsend zur Antwort.

„Nee, glaube ich nicht“, erwiderte sie und versteckte sich hinter der Gardine.

Gerade in diesem Moment läutete es an der Haustür. Unsere Stephie mit war so neugierig und öffnete die Wohnzimmertür, dabei erblickte sie den Nikolaus.

Gerade als sie ihm guten Abend wünschen wollte, erblickte sie einen schwarzen wuscheligen Mann mit einem riesigen Sack auf dem Rücken. Sie schrie auf und flüchte in meine Arme.

„Mama, Hilfe, Mama“, schluchzte sie und kletterte auf meinen Schoss. Neugierig wie sie war, lugte sie aber trotzdem unter meinen Armen den Nikolaus an.

Der Nikolaus ließ erst einmal ein Lied singen, dabei taute sie wieder auf. Als Erstes rief er dann ihre viereinhalbjährige Cousine auf. Er stellte ihr einige Fragen, weshalb sie denn nicht ihr Fleisch esse, oder kocht die Mama nicht gut. Sie antwortete ihm, dass die Mama sehr gut kocht, es schmeckt ihr aber kein Fleisch. Da versuchte er ihr zu erklären, das Fleisch wichtig für ihr Wachstum wäre. Sie solle sich auch nicht ständig mit ihrer Schwester zanken. Danach durfte sie sich wieder setzen. Nun rief er Stephie zu sich. Langsam, aber nicht ohne meine Hand loszulassen, ging sie zu ihm.

„Na, du kleine Raserin, begrüßte er sie, was habe ich denn unartiges von dir gesehen, als ich vom Himmel herunterblickte?“

„Soll ich dir mein Lieblingsgedicht mal sagen“, erwiderte sie und begann es zu erzählen. Nachdem sie geendet hatte, sagte Ihre Cousine plötzlich, ich kann auch ein Gedicht und sagte es auf.

„Das waren sehr schöne Gedichte, die ihr mir vorgetragen habt und das auch mit solch einer tollen Betonung“, lobte der Nikolaus die beiden.

„Stephie, trotzdem darfst du aber nicht im Kaufhaus mit den Bobby-Cars und den Puppenwagen einfach herumfahren.“

Er holte Luft und fragte sie, ob sie ihm verspreche, das sie nicht mehr mit den Bobby Cars im Kaufhaus wegfährt. Sie schaute ihn an und versprach es ihm grinsend. In diesem Moment bewegte der Hans Muff seine Rute hinter dem Nikolaus. Innerhalb einer Sekunde war Stephie auf meinem Schoss geklettert und krallte ihre Ärmchen um meinen Hals.

„Hans Muff, gib Ruhe, hier gibt es doch eigentlich nur artige Kinder“, sagte der Nikolaus laut. Nun rief er die Zwölfjährige und sprach mit ihr. Anschließend verteilte er die Gaben, dabei taute Stephie wieder auf, als sie feststellte, dass die Nikolaustüten aus dem Sack vom Hans Muff kamen.

Nachdem gemeinsam ein Lied gesungen wurde, verabschiedete sich der Nikolaus.

 

Beim Herausgehen lief Stephie ihm nach, hob ihm seinen Rock hoch. Dies merkte er natürlich und fragte sie, warum sie das mache.

„Ich will doch nur sehen, ob du auch Beine hast,“ erklärte sie ihm aufgeregt und rannte sofort zu mir.

„Mama, er hat keine Stiefel,  auf den Bildern hat er aber Stiefel an.“

„Er hat sie sicher bei seinen Rentieren gelassen, damit er den Boden nicht schmutzig macht“, versuchte ich zu erklären und sie gab sich damit zufrieden und untersuchte aufgeregt ihre Tüte.

 

 

 

Impressum

Texte: Schnief
Bildmaterialien: Schnief
Tag der Veröffentlichung: 28.12.2012

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