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Sommer


In diesen Sommer wollten wir nach acht Jahren eigentlich mal wieder eine Urlaubsreise machen, doch etwa einen Monat vorher, erfuhr mein Mann, dass er leider in den Schulferien nur eine Woche Urlaub bekäme, da ein neues Projekt anlaufen sollte.
Bereits Wochen vor den Ferien hing uns unsere Tochter damit in den Ohren, den hässlichen Holzhaufen unter der Plane am Rande des Tannenwäldchens zu entfernen.
Doch wir erklärten ihr, das die einzige Woche, in der ihr Vater Urlaub hätte, nicht damit verbringen würden. Unsere Fünfzehnjährige hatte trotz allen, einfach kein Verständnis. Ständig mussten wir uns anhören, das sieht doch asozial aus. Damit wir endlich ein paar Tage Ruhe hatten, ließen wir sie in der zweiten Ferienwoche mit ihrer Freundin und deren Mutter für einige Tage nach Berlin fahren. Ihre Freundin, welche dort geboren wurde und ihre ersten zehn Jahre erlebte, zeigte ihr dann ihre Heimatstadt und erwies sich als tolle Fremdenführerin. Absolut begeistert kehrte sie zurück und bereitete einen netten Vorführabend ihrer aufgenommenen Bilder und erzählte fast zu jedem Bild eine kleine Anekdote.
Doch danach folgten für sie langweilige Ferien, weil sämtliche Freundinnen vereist waren.
Eine Woche Urlaub konnte unsere kleine Familie gemeinsam verbringen und etwas unternehmen. So unternahmen wir gemeinsam einige Tagestouren. Wohin die Fahrten gingen, wurde am Abend vorher demokratisch abgestimmt. Zum Glück spielte das Wetter einigermaßen mit und diese Woche verging leider im Flug.
Im Internet recherchierte sie, wie man einen Holzunterstand für Brennholz baut und präsentierte uns diesen laufend,sodass ich mich in der letzen Ferienwoche darauf einließ, den von ihrem verstorbenen Großvaters angelegten Holzhaufen aufzuräumen. Doch wohin sollten wir das Holz stapeln, ohne das wieder in dem kleinen Tannenwäldchen eine Plane die Idylle zerstörte.
Holzhaufen ist eigentlich untertrieben, denn beim Aufräumen kam so einiges zum Vorschein, unter anderem ein Gerüst, Deckenstützen, Bohnenstangen, Kunststoffrohre, kleinere Stahlmatten, Maschendrahtteile, ein Jägerzaun (Teilstücke), Steine, Dachpfannen und vieles mehr.
So machten wir zwei uns am Vormittag auf den Weg zum Baumarkt und suchten zuerst Bodenhülsen und imprägnierte Holzstützen. Nach längerem Suchen fanden wir diese dann auch in der Gartenabteilung. Wir packten alles auf einen Wagen und fuhren zum Zuschneideplatz, da drei der sechs Stützen gekürzt werden sollten. Als wir dort ankamen, erklärte uns der Mitarbeiter, er habe noch etwa eine viertel Stunde mit einem anderen Auftrag zu tun, dann könne er sich unserem Anliegen annehmen. So ließen wir den Wagen dort stehen und sahen uns ein wenig um, schließlich probierten wir die verschiedenen Hollywoodschaukeln aus und gaben unsere Meinungen kund. Mit der Zeit blieben wir nicht alleine, sondern noch einige Damen gesellten dazu und wir hielten einen kleinen Plausch. Nach zwanzig Minuten gingen wir langsam zum Zuschneideplatz und der Mitarbeiter des Baumarktes konnte uns bedienen. Als ich ihm erklärte er solle drei Holzstützen 10 cm kürzen, fragte er direkt im Gegenzug „1,90 m oder 1,80 m?“ Irritiert sah mich meine Tochter an. Ich antwortete ihm:
„1,80 m lang sollen 3 Stützen sein, wenn die Stützen 1,90 m lang sind und ich 10 cm abziehe bleiben nach Adam und Riese 1,80 m übrig.“ Aus den etwas knurrigen Mitarbeiter des Baumarkts kam ein Lächeln und er erwiderte: „Leider muss ich das Maß in die Maschine eingeben.“ „ Hätten Sie doch selbst 10 cm abziehen können und das Maß eingeben.“ „ Nee, denn ich weiß ja nicht, wie lang die Stützen sind.“ „Ersten steht dies auf dem angetackerten Schild , zweitens haben sie doch da einige Zollstöcke liegen. Was machen Sie denn, wenn eine Omi kommt und möchte etwas zugeschnitten bekommen?“, erwiderte ich. Mein Töchterchen bekam inzwischen fast einen Lachkrampf, weil er so verdutzt aus der Wäsche schaute.„Sie haben ja recht“, antwortete er und nahm sich den ersten Balken grinsend.Nachdem er die Balken gekürzt hatte, konnten wir endlich zur Kasse und nach Hause fahren, denn inzwischen war es sehr stickig geworden, da der Baumarkt keine Klimaanlage besaß. Auf dem Rückweg machten wir noch einen kleinen Schlenker und kaufen Lebensmittel und Getränke ein.
Kaum daheim angekommen, ging das Gezicke los, den die pubertierende junge Dame wollte sofort beginnen, ich musste aber erst einmal den Einkauf wegräumen. Ich bot ihr an, dass sie schon mal die Stützen und Bodenhülsen aus dem Auto in den Garten bringen könnte. Nach einigem Murren , sie sei doch kein Handlanger, machte sie sich an die Arbeit. Während sie dies erledigte, bereitete ich uns beiden einen kleinen Imbiss zu.
Nach der Stärkung ging es los. Als Erstes mussten die Abstände der Bodenhülsen festgelegt und ausgerichtet werden. Da kam mein Töchterchen mit einem kleinen Vorschlaghammer an, mit dem sie die 75 cm langen Hülsen einschlagen wollte. „Wie lange willst du den damit die Dinger in den Boden schlagen, etwa drei Wochen“, fragte ich lachend beim Anblick des Hammers. „Womit denn sonst, ich finde keinen Größeren?“ entgegnete sie mir leicht gereizt. „Hol dir mal den Schlüssel von Opas Raum, dort finden wir sicher einen vernünftigen Vorschlaghammer“, erwiderte ich ihr freundlich. Sofort lief sie los und fand einen schweren Vorschlaghammer. „Der ist aber sauschwer“, rief sie und schleppte ihn heran. Da wir auf den Kauf einer Einschlaghilfe verzichtet hatten, suchten wir zuerst nach einem passenden Holzstück, das wir in die Einschlaghülsen steckten und nun begann unsere mühselige Arbeit des Einschlagens. Wir wechselten uns ständig ab, denn der schwere Hammer ging uns kräftig in die Arme. Als wir fast alle sechs B-Hülsen auf eine Höhe geschlagen hatten. Nahmen wir eine Wasserwaage und richten alles auf eine Höhe, dazu konnten wir den kleineren Vorschlaghammer allerdings gut gebrauchen. Dann kam die Rückwand daran, indem wir die drei gekürzten Holzstützen in die Bodenhülsen steckten und die mit längeren Dachlatten und einer Diagonalen fixierten. Da wir die Hülsen ca 40 cm vor den Nachbarzaun eingeschlagen hatten, legten wir diese Wand auf den Rasen. Nach inzwischen fast anderthalb Stunden Arbeit legten wir eine kurze Pause ein und unsere neugierige Pauli (eines unserer Kaninchen) stattete uns einen Besuch ab. Trotz Hitze musste sie nachsehen, was wir so trieben. Nach kurzer Zeit verschwand sie aber zurück in die Garage und legte sich zu Schnuffel auf den kühlen Boden.
Wir suchten im Holzhaufen nach Brettern und Dachlatten, welche wir mit einem Fuchsschwanz auf die richtige Länge brachten. Nachdem wir genug Bretter hatten, dass die Wand vollständig war, begannen sie zu nageln. „Kannst du mir mal neue Nägel geben, habe keine mehr“, fragte sie mich. Ich suchte in Opas Raum nach Nägeln und fand einige Kartons. Als ich zurückkam, gab ich sie ihr und sagte: „Da muss unbedingt aufgeräumt werden. Übrigens, Winkel habe ich auch gefunden und ich habe noch einen Hammer mitgebracht, damit ich dir helfen kann.“ „Soll ich bei den breiteren Brettern zwei Nägel hineinschlagen?“, fragte sie mich. „ Ja, ist besser, am besten oben und unten“,antwortete ich ihr. Nachdem wir unzählige Nägel genagelt hatten und keinen Einzigen davon krumm, legten wir eine kleine Pause ein. Ich holte uns etwas Kühles zum Trinken. Plötzlich klingelte das Telefon, ich nahm ab und reichte gleich das Telefon weiter. „Ali“ sagte ich zu meiner Tochter und sie verschwand.
Nach etwa fünf Minuten kehrte sie zurück, und erklärte mir: „Ali kommt morgen, um Lilly abzuholen, sie kann heute nicht, sie muss erst noch helfen, aufzuräumen“. „Was denn aufräumen? Sie kommen doch gerade aus dem Urlaub“, fragte ich. „ Keine Ahnung“, knurrte sie, „jedenfalls kommt Ali morgen um 11 Uhr“. Wir stellten die Rückwand in die Bodenhülsen und die vorderen drei Stützen. Die Eckstützen setzen wir mithilfe einer Wasserwaage in die Senkrechte und fixierten sie. Als Fußpfetten benutzen wir zwei etwas dickere Balken. Diese wurden von oben erst mal genagelt, anschließend befestigten wir Winkel, diese wurden aber verschraubt. "Meine Güte, die gehen aber schwer hinein", nörgelte Stephie. "Soll ich dir Helfen", fragte ich. "Nee, das schaff ich schon", gab sie zur Antwort. Inzwischen kam Stephies Großmutter heran, um zu sehen, was wir dort so trieben. Da sie schnell unter Schwindel litt, holten wir ihr einen Gartenstuhl und sie setzte sich.
Wir alberten ein wenig herum, ohne aber weiter nach Latten und Bretter im großen Haufen zu suchen. „Igitt, da ist eine richtig fette Spinne, ekelhaft“, rief Stephie und ließ vor Schreck das Brett fallen. „Sie frisst dich gleich“, antwortete ich ihr lachend. Ich sägte inzwischen mit einem größeren Fuchsschwanz die Dachlatten für ein Seitenteil. „Wie viele muss ich noch sägen?“, fragte ich. „Woher soll ich das wissen?“, antwortete Stephie. „Indem du die Bretter der Rückwand von unten nach oben zählst und durch zwei teilst, dann haben wir die Anzahl, welche wir brauchen“, erwiderte ich. „31 durch 2 geht nicht“, war ihre Antwort. „Also Sechszehn! Gut dann suche noch drei Latten, dann haben wir die Latten fürs erste Seitenteil fertig.“ In diesem Moment kam mein Mann von der Arbeit und fragte uns: „Warum habt den nicht die Elektro- Säge genommen?“ „Wenn ich sie gefunden hätte. Wo du hast sie denn hingeräumt?“ „Ins Regal“. „Da ist keine Säge im Vorratskeller!“ „Im Spielzimmer“ „Da habe ich natürlich nicht gesucht.“ „Was machst du denn hier, Mama?“ fragte er seine Mutter und freute sich, dass sie dabei saß. Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. „Ich bin die Bauaufsicht!“ Nach einer kurzen Weile hielt er eine Wasserwaage an die Pfosten und an die Fußpfette und meinte: „Meine Güte, ihr habt sogar alles ins Lot gesetzt“. „Danke für dein Vertrauen, aber wir sind doch nicht blöd, und auf diesen Kommentar können wir verzichten“, zickte ich und Stephie ließ die Kinnlade hinunter fallen. „Wie gesagt, heute bleibt die Küche kalt. Ich fahre gleich zur Frittenbude, was möchtet ihr?“, fragte ich. Nachdem alle ihren Wunsch geäußert hatten, beschloss ich, dass für heute Schluss sei und das Werkzeug in die Garage sollte.
„Vergiss bitte nicht, Grünzeug zu pflücken, denk dran, Schnuffel hat auch Hunger, er kommt ja zur Zeit nicht heraus“ , bat ich Stephie. „Ich will mitfahren!“ „Nur wenn du Grünzeug hast“. Drei Minuten später stand sie mit einem Bund Grünzeug vor mir.

Den nächsten Morgen ließen wir langsam angehen und um kurz vor elf Uhr stand Ali vor der Tür. Nach der Knuddelei mit ihrem Kaninchen Lilly, das jetzt bereits mal wieder fast drei Wochen Urlaub bei uns machte, bauten die beiden weiter, obwohl es wunderbares Wetter zum Schwimmen war, beide hatten aber keine Lust aufs Freibad. Sie befestigten sie die zugeschnittenen Dachlatten, indem sie immer eine Latte als Abstandhalter einsetzten. Ali erzählte von ihrem Urlaub und Stephie von ihren Erlebnissen aus Berlin. Unsere linken Nachbarn kamen heraus und staunten nicht schlecht, was die beiden dort anstellten. Stephies Onkel Will meinte, die Rückwand benötigt aber einen Schutz und suchte nach einer Wetterschutzfarbe. Er fand noch einen halben Eimer weiß, eine Dose grün und eine Dose dunkelbraun, fast schwarz. Währenddessen schnitt ich, inzwischen natürlich mit der Elektrosäge, Dachlatten und breitere Bretter für die Dachdeckung und das zweite Seitenteil zu. Nachdem Sie das zweite Seitenteil, breitere Bretter überlappend befestigt hatten. Begannen sie mit den Anstreicharbeiten. Die ganze Zeit über lachten und scherzten wir. Meine Warnung, dass die Farbe nicht mehr aus der Kleidung ginge, ignorierten beide, mit der Quittung, das jede einige Farbflecke an der Kleidung hatte. Als sie dann mit dem Dach begannen wurde es richtig lustig. Ich saß im Gartenstuhl und schaute ihnen zu, wie sie die netten Kommentare von Will über sich ergehen lassen mussten, der ihnen ständig vorschreiben wollte, wie sie die Sache anzugehen hatten. Langsam aber sicher, ging er ihnen auf die Nerven. Ich bat ihm, er solle sie in Ruhe lassen, sie wüßten bereits, das sie die Schrauben am besten herein bekommen, wenn sie vorbohrten.

Nachdem das Dach fertig war, holte ich große Eis-Portionen für die Zwei und sie verschwanden zur Hängematte in den Tannen. Während ich die Gerätschaften wieder an Ort und Stelle brachte, begannen sie bereits mit der Umstapelung der Holzscheite.

Als am späten Nachmittag Alis Vater kam, um Lilly abzuholen, sprach er beiden ein großes Lob aus und meinte, sie bräuchten auch einen Holzunterstand.
Als mein Mann endlich Feierabend hatte, fand er den Holzunterstand sehr gut gelungen, leider würde der Unterstand aber nicht reichen, um das ganze Holz aufzunehmen. Somit fuhren Stephie und ich wieder am nächsten zum Baumarkt und kauften nochmals Stützen und Bodenhülsen sowie Holzschutzfarbe und Dachpappe.
Gegen Mittag begannen ich wiederum mit dem Einschlagen der Bodenhülsen, währenddessen suchte Stephie nach geeigneten Hölzern, diese schnitt ich anschließend jetzt natürlich mit der Elektrosäge. Inzwischen war auch Ali wieder da und die beiden nagelten um die Wette, dass ich mit dem Zuschneiden nicht mehr nachkam. Als sie Rückwand fertig hatten, wurde sie zuerst auf dem Boden liegend angestrichen. Das Einsetzen der Rückwand erwies sich diesmal leichter, da wir zu dritt waren. Inzwischen hatte ich die Leisten und Bretter für die Seitenteile zugeschnitten. Bei Gejohle und Gesang befestigten Stephie und Ali die Seitenteile. Während der Pausen wollten sie auf dem Trampolin herumhüpfen, doch nachdem ihre nackten Beine auf das Netz kamen, war das Geschrei groß, denn sie hatten vergessen, dass dieses die ganze Zeit über in der Sonne gestanden hatte, statt dessen mussten die Kanichen genuddelt werden, obwohl diese lieber ihre Ruhe bei der Hitze gehabt hätten. Nach der fünften Apfelschorle legten sie mir die Herausgesuchten vier Schalbretter als Dach auf die sogenannten Sparren (Dachlatten) um festzustellen, um wie viel zwei der Schalbretter zu kürzen seien und zeichneten sie an. Nachdem ich die Bretter zugeschnitten hatte, bohrten und schraubten die beiden wiederum die Wette. Nun fehlte nur noch die Dachpappe. Nachdem wir das Handwerkszeug an Ort und stelle brachten, warfen sich die Mädels auf Sofa und spielten Wii. Am nächsten Vormittag brachte ich dann noch die Dachpappe auf und mein Mann verschraubte Dachwinkel, damit sich bei einem Sturm  nichts löste. Den Samstag verbrachten wir mit dem Umräumen des Holzes. Freunde und Bekannte durften sich in den nächsten Tagen Holz abholen, welches wir nicht in die Unterstände bekamen.

Soviel wie ich an diesen Tagen gelacht habe, kann ich keinem sagen, dieses Durchhaltevermögen, welches die beiden an den Tag legten und dies bei einer Hitze von über 30 Grad war sensationell.

Impressum

Texte: schnief
Bildmaterialien: schnief
Tag der Veröffentlichung: 06.09.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
gemeinsame Tage für Ali und Stephie

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