Cover

1.

„Verflucht noch mal! Schwing deinen Arsch hoch und sortiere endlich dein Leben! Willst du ewig auf dem Sofa sitzen und Chips in dich rein stopfen. Du wirst nie einen vernünftigen Mann bekommen wenn du dich weiter so fett frißt! Womit hab ich so eine Tochter nur verdient?“ Mit dieser Schimpftirade verschwand Elenas Mutter schnaufend in die Küche. Sie kam jeden Freitag vorbei, im Glauben das ihre Tochter ihr Leben nicht alleine bewältigen könnte. Egal was Elena tat, es war immer falsch. Der Haushalt war nicht ordentlich genug. Ihr Job ist ihrer Ansicht nach nur etwas für Leute die nichts anderes mehr gefunden haben. Das sie aktuell krank geschrieben ist wird nicht akzeptiert, da eine Depression ihrer Meinung nach keine Krankheit darstellt und Elenas letzten Freund hat sie ziemlich schnell und erfolgreich hinaus geekelt. Elena konnte ihn sogar verstehen wer so eine Schwiegermutter hat braucht keine Feinde mehr! In der Küche war ein scheppern und schimpfen zu hören. Das würde jetzt bestimmt zwei Stunden so weiter gehen. Leise stand sie auf um in ihre Thermohose zu schlüpfen. Die Zeit könnte sie genau so gut bei einem Winterspaziergang im Wald verbringen.„Wo willst du denn jetzt schon wieder hin. Kümmere dich lieber um deine Wohnung. So ein faules Pack! Das kann doch nicht war sein.“ Mit diesen Worten zog ihre Mutter auf und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. Elena traten die Tränen in die Augen als ihre Mutter sie grob an den Haaren in Richtung Küche schleifte. Sie kam ins straucheln und fiel auf die Knie als nur kurze Zeit später ein Putzlappen knapp ihren Kopf verfehlte und mit einem schmatzenden Geräusch an der weißen Küchenzeile Einschlug! „Dir faules Weib werd ich schon noch Beine machen. Nehm den Lappen und kümmere dich um das Bad. LOS!“ Langsam kam Elena auf die Beine, hob den Lappen auf und ging scheinbar Richtung Bad. Als sie das Geschirr in der Küche klappern hörte, schnappte sie sich ihre Schuhe und stürmte ohne weiter zu überlegen die Haustüre hinaus und das feuchte, nach Moder riechende Treppenhaus hinunter. „Komm sofort zurück, dass hören werde ich dir schon noch lernen! Schwing deinen fetten Arsch die Treppe hinauf … jetzt!“ Außer Atem kam sie im Erdgeschoss an und stellte erleichtert fest, dass keine weiteren Schritte im Treppenhaus zu hören waren. Elena setzte sich auf eine Treppenstufe und zog sich in Ruhe die Schuhe an. Wie konnte ihre Mutter nur so gemein sein? Schon als Kind wurde sie immer herum kommandiert. Nie war etwas gut genug. Je mehr sie versucht ihrer Mutter zu gefallen um so mehr wurde sie enttäuscht. Aber nichts desto trotz war sie nun einmal ihre Mutter und irgendwie hatte sie, sie auch trotz ihrer speziellen Art lieb. Nur eben im derzeitigen Augenblick wurde ihr die Luft zum Atmen genommen. Langsam und traurig ging sie zur Haustüre hinaus. Eisiger Wind schlug ihr entgegen und fuhr in jede Ritze ihres sonst so flauschigen Kapuzenpullis. „So ein Mist, ich hab die Jacke vergessen!“ Sie vergrub die Hände tief in das flauschige Futter der Pullovertaschen, zog die Kapuze üben den Kopf und ging in Richtung Stadtrand. Ein kleiner zugeschneiter Trampelpfad führte in den lichten von den Stadtbewohnern meist gut frequentierten und mit vielen Pfaden ausgetrampelten Wald. Heute jedoch war es ungewöhnlich still, leise und friedlich. Nur der ein oder andere Hundebesitzer ging eine kleine Runde spazieren. Die Hunde hatten viel Spaß im Schnee und wühlten sich mit Begeisterung durch das kalte weiß!

 

2.

Ganz in Gedanken und die Stille genießend ging Elena tiefer in den Wald. Es begann wieder zu schneien. Erst einzelne Flocken und schließlich wurde es ein immer dichter werdendes Schneetreiben. Sie sah auf und merkte erst jetzt wie sehr sie eigentlich fror. Panisch blickte sie sich um. Sie befand sich ein einem Teil des Waldes, der ihr gänzlich unbekannt war. Er war viel dichter, dunkler und einen Pfad gab es auch keinen mehr. Ihre Fußspuren begannen bereits im neu gefallenen Schnee zu verschwinden. Sie versuchte rasch ihren Spuren zurück zu folgen als sie ein rascheln im Gebüsch hörte. Erschrocken fuhr sie zusammen.Unsicher ob ihr zittern von der Kälte oder der aufsteigenden Angst kam. „Reiß dich zusammen, oder bist du jetzt nicht nur Fett sondern auch noch ein Feigling!“ Holte sie sich wieder in die Wirklichkeit zurück und konzentrierte sich auf die immer flacher werdenden Fußspuren vor ihr. Die Panik vor dem Erfrieren trieben ihr die Tränen in die Augen als sie einige Meter vor sich eine Bewegung war nahm. Mit verschwommenen Blick vor Erschöpfung taumelnd folgte sie der Bewegung. „Hilfe, können sie mich hören! Ich brauche Hilfe, hallo … !“ Immer schneller und schneller rannte sie der Bewegung hinter her. Mit den letzten Kraftreserven kam sie schließlich in einem Teil des Waldes der ihr bekannt vor kam. Ihr Körper war gefühlt zu einem Eisklumpen verschmolzen. Vor Erschöpfung ließ sich Elena auf die Knie fallen, der Schnee zwischen ihren Fingern fühlte sich merkwürdiger weiße gar nicht mehr so kalt an. Auch das Zittern hatte nach gelassen. „Nur fünf Minuten pause, nur kurz die Augen schließen!“ Ein bedrohliches knurren war hinter ihr zu hören. Langsam drehte sich Elena zu dem Geräusch um und sah einen riesigen Wolf nur knapp einen Meter von ihr entfernt im Schnee stehen.
Adrenalin schoss durch die Adern und brachte Elena einen Energieschub. Sie stand auf und lief so schnell sie nur konnte in die entgegen gesetzte Richtung. Weg, einfach nur weit weg! Sie stolperte über eine Wurzel und fiel der längs nach hin, rappelte sich wieder auf und lief weiter. Seltsamer weiße schien das Tier gar nicht an einer Verfolgung interessiert zu sein. Als Elena aufblickte erkannte sie den Waldrand und die ersten Straßenzüge ihrer kleinen Stadt. Die Tränen liefen ihr über die Wange als sie von seltsamen Blicken verfolgt nach Hause zu ihrer Wohnung stolperte.
Es dämmerte bereits als Elena dort eintraf. Die fünf Stockwerke waren eine Qual, Stufe für Stufe schleppte sie sich empor. Sie nahm den Notschlüssel unter der Fußmatte und stolperte in die Wohnung. Wie vermutet war ihre Mutter bereits gegangen. Elena ging ins Bad um sich eine heiße Badewanne einzulassen. „Wie kann man nur so dumm sein? Sich in eine solche Gefahr zu bringen! Seit wann gab es wieder Wölfe in der Gegend? Wahrscheinlich war es lediglich eine Sinnestäuschung. Halb erfroren war es vermutlich nur ein großer Hund der mich erschreckt hat.“
In die Arme und Beine begann langsam wieder leben einzukehren. Schmerzhaft rieb Elena sich mit einem Frotteehandtuch ab um den stechenden Schmerz etwas zu lindern. Wie jeden Abend nahm sie ihre Medikamente. Seit beinahe Jahrzehnten nahm sie diese Psychopharmaka bereits. Ihre Mutter hatte damals darauf bestanden und die Einnahme auch streng überwacht. Als sie in ihre eigene Wohnung gezogen war, hatte sie die Tabletten in die nächsten Ecke geworfen und versucht nicht mehr zu beachten. Nach kurzer Zeit bekam die unerklärliche Schmerzen, sie konnte sich auf nichts mehr konzentrieren war zitterig und bekam Schweißausbrüche. Als sie schließlich die Tabletten wieder einnahm waren die Symptome schnell verschwunden. Elena resignierte und nahm das Teufelszeug lieber als das es ihr wieder so schlecht ging. Langsam und vor Schmerz stöhnend lies sich Elena schließlich in die Badewanne gleiten. Nur langsam wurden ihre Glieder wieder warm.  

3.

 

Ben sprintete im Eiltempo zurück ins Haus. Im alten Schuppen hatte er wie gewohnt seine Kleidung hinterlegt. Gott sei Dank war er allein, die meisten anderen waren wohl noch unterwegs. Nur ihr Alpha Vincent und die aktuell diensthabenden Wachen Kai und Adrian waren im Haus. Zügig ging er einen der Zahlreichen Gänge mit Holzvertäfelung entlang, tiefer in das alte Gemäuer, dass seit Jahrhunderten ihre Heimat darstellte. Das tief im Wald gelegene, alte Gutshaus aus dem 16. Jahrhundert war nicht vielen Menschen bekannt. Es lag einfach zu weit abgelegen und der eine holprige Waldweg lud nicht gerade zu einen Sonntagsausflug ein. Umgeben von einigen Sicherheitsfutures war es auch sichergestellt, das sich keine ungebetenen menschlichen Besucher auf das Gelände des süddeutschen Rudels verirrten. Lediglich gegen die lästigen Dämonen, die hin und wieder einfach auftauchten konnte man wenig machen. Ben klopfte höflich gegen Vinz Tür und wurde direkt herein beordert. „ Was kann ich für dich tun? Du bis aufgewühlt!“ Ben holte die Luft und lies schließlich die Bombe patzen. Er hatte keine Ahnung wie Vinz auf diese Nachrichten reagieren würde. „ Ich habe heute eine Junge Frau im Wald gesehen. Ich glaube sie ist ein Halbblut! Ihr ging es nicht gut, sie hatte sich anscheinend verirrt und wäre beinahe erfroren. Sie hat mich in Wolfsgestalt gesehen und hatte panische Angst. Ich glaube nicht das sie weiß was sie ist! Mir wäre es im dichten Schneesturm auch fast entgangen. Doch ihr Geruch ist unverkennbar.“ Ben ging vorsichtig einen Schritt zurück. Vinz ist ruhig, fast zu ruhig! „ VERFLUCHT! Wenn ich den Idiot erwische, der das verbrochen hat und dann nicht mal den Mumm hat das Problem aus der Welt zu schaffen oder dafür gerade zu stehen werde ich die Kehle raus reißen!“ Gedankenverloren ging er in dem düsteren Zimmer umher. „ Meinst du, du findest ihre Fährte wieder und kannst mich zu ihr führen?“ „ Ich denke schon, es ist ein ganz eigener Geruch! Wenn du ihn in der Nase hast wirst du wissen von was ich spreche.“ „ Gut wir gehen in in einer viertel Stunde los, ehe die Spur kalt wird. Nehm Kleidung mit! Wir werden in die Stadt besuchen!“ „Was hast du mit ihr vor? Du wirst sie doch nicht …!“ „ Vorerst nicht, ich muss mir aber ein Bild von der Lage machen. Es kann gefährlich für uns alle werden!“ Er verabschiedete sich von Vinz und ging nachdenklich Richtung Küche. Er hatte einen Bärenhunger, hoffentlich hatte Nabila gestern etwas vernünftiges eingekauft! Nabila war die gute Seele des Hauses und sorgte für Ordnung und immer einen gut gefüllten Kühlschrank. Nach einem kleinen Snack fand sich Ben in der Eingangshalle ein. Er hatte vorsichtshalber eines seiner Jagdmesser im Rucksack. Es dauerte sich lange bis er Vinz die Treppe herunter kommen hörte. Leise, anmutig und gefährlich wie das Raubtier das er war. Gemeinsam liefen sie durch den verschneiten Wald. Je näher sie der Stadt kamen, um so lichter und bewirtschafteter wurde er. Kleine Trampelpfade durchstreiften ihn und hinterließen Narben im Dickicht. Die Luft war kalt, es roch nach neuen Schnee und ganz leicht nach einem Femininen Duft den Ben so schnell nicht vergessen würde. Vinz sog tief die kühle Luft durch seine Nase. „ Du hast recht, ihr Duft ist unverkennbar. Aber auch einzigartig! Lass uns der Spur folgen wo sie uns hinführt.!“

4.

Mit einem dicken Kopf, Schüttelfrost und laufender Nase wachte Elena am nächsten Morgen auf, oder war es schon Mittag? Diese verfluchte Erkältung hatte sie sich mit ihrer Dummheit selbst eingebrockt und eigentlich war sie froh, dass nur eine Erkältung daraus geworden ist. Sie hätte jetzt auch als Tiefkühlsnack für wilde Tiere im Wald liegen können. Mühsam schleppte sie sich ins Bad um eine lange heiße Dusche zu genießen. Leider brachte sie nicht den gewünschten Erfolg. Frierend machte sich Elena mit einer dicken Decke bewaffnet und einer dampfenden Tasse heißem Tee auf dem Weg zum Sofa. Tief eingekuschelt dauerte es nicht lange bis sie in einen unruhigen Fieberschlaf viel. Als sie plötzlich einen Schlag auf ihrer Wange spürte. Ein Blick verriet, dass ihre Mutter in der Zwischenzeit gekommen sein musste. „ Du faules Miststück, dir werde ich schon noch zeigen was es heißt nicht auf seine Eltern zu hören!“ Mit diese Worten zog sie mit ihren Regenschirm auf und schlug zu. Elena rollte sich reflexartig so klein zusammen wie sie nur konnte. Die Schläge prasselten auf ihren Rücken und der Schulter nieder. Seit ihrer Kindheit wurde sie von ihrer Mutter regelmäßig verprügelt, bis heute hat sich daran nichts geändert. Ihren Vater hatte sie nie kennen gelernt. Das einzige was sie von ihrer Mutter zu hören bekam, dass er ein genau so großer Nichtsnutz war wie sie! Elena zog sich in ihr innerstes zurück und hoffte das es bald vorbei war. Nur ging es nicht so schnell vorbei wie gewöhnlich, grob riss ihre Mutter an den Haaren und schlug und trat weiter auf sie ein bis Sterne vor ihren inneren Auge tanzten und sie schließlich in eine dankbare Schwärze hinabglitt. Als Elena wieder zu sich kam, war die Sonne bereits hinter den Horizont verschwunden und die ersten Sterne zeigten das es eine kalte klare Nacht werden würde.
Sie lag neben den Sofa, die harten Holzdielen ihrer Wohnung machten die Situation nicht gemütlicher. Vorsichtig versuchte sie auf das Sofa zu kommen. Ihre Knochen fühlten sich an als wären sie einmal durchgeschüttelt und neu sortiert worden. Im Kopf drehte sich alles und ihr wurde prompt übel. Taumelnd kam sie auf die Beine, stütze sich an der Wand und den Türrahmen ab und stolperte Richtung Bad.Tränen liefen über ihre Wangen und die Stille wurde nur von einem leisen schluchzen unterbrochen. Elena stürzte zur Toilette um sich direkt darin zu übergeben. Kraftlos sackte sie gegen die Wand zwischen Badewanne und Klo. Irgendwann versiegten sie Tränen, so wie sie es immer taten. Ihr war kalt vom Fieber, oder war es ihre Mutlosigkeit sich endlich gegen ihre Mutter zu stellen. Sie fragte sich wieso sie ihr jemals einen Schlüssel für diese Wohnung gegeben hatte. Die Rippen schmerzten bei jedem Atemzug und in ihren Schädel brummte es wie in einem Bienenstock. Mühsam schleppte sie sich zu dem Spiegelschrank um einige Schmerzmittel einzuwerfen. Aber außer ihren Psychopillen und Schlafmittel war dort gähnende Leere. „So ein Mist!“ Ihr Blick fiel in den Spiegel und sie sah das Werk ihrer Mutter, diese hatte mal wieder ganze Arbeit geleistet. An ihrer Nase klebte noch verkrustetes Blut, die Wange zierte ein großer Bluterguss und an ihren restlichen Körper ging es sicher so weiter. Elena stieg vorsichtig in die Badewanne, lies sich dort in eine Ecke gekauert nieder und von dem kalten Wasser der Brause übergießen. Die schmerzen wurden dadurch etwas gelindert und ihre Lebensgeister kehrten langsam zurück. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte sie endlich die Kraft sicher aufzustehen. Langsam ging sie zu ihren Kleiderschrank um sich eine Jogginghose und ein weites verwaschenes Shirt zu angeln. Sie musste unbedingt zu einer Apotheke um sich Schmerzmittel und etwas gegen die Erkältung besorgen. Nachdem sie eine gefühlte Ewigkeit gebraucht hat sich zu bücken um die Schuhe anzuziehen, griff sie nach ihren weiten schwarzen Wintermantel und zog die Kapuze tief in ihr Gesicht. Im Schneckentempo hangelte sie sich Stufe für Stufe aus dem fünften Stock hinunter. Ihre Rippen schienen damit so gar nicht einverstanden zu sein. Mal davon abgesehen, dass ihr immer noch schwindelig war. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Elena nass geschwitzt unten an und musste erst mal eine Pause einlegen. Sie saß auf der untersten Treppenstufe, das Gesicht in die Hände vergraben und spielte mit dem Gedanken nie wieder zurück zu kehren. Aber wie würde ihre Mutter nur wieder meinen, „ faules und feiges Miststück!“ Irgendwie hatte ihre Mutter da auch recht. Sie war feige, zu feige um sich ihrer Mutter zu stellen und sie in ihre Schranken zu weißen. Langsam machte sie sich auf dem Weg zu nahegelegenen Apotheke um die Ecke. Irgendwie wurde sie dabei das Gefühl nicht los beobachtet zu werden, konnte jedoch niemanden erkennen. Glücklicher weiße hatte die Apotheke noch geöffnet und so kaufte sie eine ganze Tüte mit verschiedenen Medikamenten gegen Schmerzen, Fieber verstopfte Nasen und einiges mehr. Nachdem die bezahlt hatte ging sie zügig aus dem Laden in Richtung Heimat! Den Blick gen Boden gerichtet bemerkte sie die entgegenkommenden Personen zu Spät und stieß unsanft mit ihnen zusammen. Die Schmerzen flammten wieder auf, sie sog scharf Luft in ihre Lungen und wankte. Von starken Händen wurde sie aufgefangen und von einem Sturz bewahrt, als bei ihr abermals an diesem Tag das Licht ausging.

5.

Ben und Vinz standen einige Meter neben der Apotheke in der die Frau eben verschwunden war. „ Sie ist schwach Ben! Ich weiß nicht ob sie für das Rudel taugt, da will ich von vornherein ehrlich zu dir sein.“ In diesem Moment ging die Türe des Ladens auf und die junge Frau kam mit einer Tüte und tief ins Gesicht gezogener Kapuze wieder heraus. Sie schien gar nicht auf ihre Umgebung zu achten und lief genau in Vinz Arme. Ein Laut des Erschreckens kam über ihre Lippen, sie sog tief Luft ein, ihre Augen weiteten. Sie krümmte sich vor Schmerz, hätte Vinz sie nicht gehalten, wäre sie auf den mit Schneematsch bedeckten Bürgersteig gelandet. Sie hatte ein schönes Gesicht, so ebenmäßig, nur wurde es gerade von einer blauen Wange verunstaltet. „Ben ruf Adrian, wir nehmen sie mit. Dann besteht nicht die Gefahr das sie der Humanmedizin in die Hände fällt! Sag ihm, Kai soll sich für einen Medizinischen Notfall bereit halten.“ Das lies sich Ben nicht zweimal sagen. Keine viertel Stunde später fuhr der SUV des Rudels vor. Vinz hatte das bewusstlose Mädchen neben Ben auf die Rückband verfrachtet und sprang auf den Beifahrersitz als der Wagen auch schon los bretterte. Ohne Allradantrieb wären sie bei der Strecke zum Haus glatt aufgeschmissen. Nach einer kurzen, holprigen Fahrt kam der Wagen schließlich zu stehen. Kai wartete schon an der Haustüre. „Was ist geschehen? Wer ist das?!“ Ben setzte an, aber Vinz kam ihn zu zuvor. „ Sie ist ein Halbblut, Ben hat sie gestern zufällig im Wald entdeckt. Es scheint nicht so, das ihr bewusst ist welches Geheimnis sie in sich trägt. Sie hat hohes Fieber und ist vermutlich verletzt.“ Mit diesen wenigen Informationen ging Kai voraus in Richtung Krankenzimmer. Kai war der Mediziner des Rudels und hatte eine eigene kleine Krankenstation für interne Notfälle. Ben trug das Mädchen zügig hinter Kai her. Sie stöhnte und schien langsam wieder zu sich zu kommen als sie sanft im Bett der Krankenstation abgelegt wurde. Geschäftig steckte Kai eine Infusion zusammen. Als er den Zugang in die Vene schieben wollte zog das Mädchen den Arm weg. Doch Kai lies keinen Widerspruch zu und hielt ihn einfach fest. „ Komm mein Mädchen, du schaffst das. Dann bekommst du etwas und kannst erst mal schlafen, alles ist gut!“ Sie atmete aufgeregt und versuchte krampfhaft gegen die festhaltende Hand anzukommen. Nachdem Kai den Zugang fixiert hatte, injizierte er direkt ein Beruhigungsmittel. Als ihre Muskeln erschlaffen und der Atem regelmäßig ging begann er sie mit zu verkabeln um ihre Vitalparameter zu überwachen. Ein leises und regelmäßiges piepen signalisierte, dass im Moment alle in Ordnung war. „Nun kann ich sie genauer untersuchen ohne das es für sie zu anstrengend wird.“ Die Jungs standen alle im Türrahmen und wussten nicht so genau wie sie sich am besten verhalten sollten. Als Vinz das übernahm und alle zur Türe hinaus beförderte. „Habt ihr nichts zu tun? Ben du übernimmst mit Adrian die nächste Wache. Wir werden noch früh genug erfahren was Sache ist!“ Ben ging einige Schritte in Richtung Bett. „Ich möchte bei ihr bleiben! Ich kann jetzt nicht auf Wache, dass kann Christian übernehmen.“ Vinz hielt ihn am Arm fest. „NEIN! DU wirst mir jetzt gehorchen. Ich werde dir Bescheid geben wenn es etwas neues gibt!“ Dies schien Ben zu beruhigen und er ging widerwillig Adrian suchen. Als alle den Raum verlassen hatten und sich die Türe knarrend hinter ihnen geschlossen hatte drehte sich Vinz zu ihren neuen Gast um. Sie war ein hübsches kleines Ding. Brünettes Haar umrahmte ihr zartes Gesicht. Sie war keine der typischen Magermodels sonder hatte gut verteilte Proportionen. Aber Vinz war eh der Meinung an einer Frau muss ein bisschen was dran sein. „Was ist dein erster Eindruck, Kai? Bitte nehm eine Blutprobe! Ich möchte auf jeden Fall wissen wieso sie bisher anscheinend keine Verwandlung durchgemacht hat. Sie scheint nicht mal selbst von ihren Geheimnis zu wissen!“ Kai verschnitt kurzerhand ihre Kleidung, bis sie nur noch in Unterwäsche vor ihnen lag. Behutsam breitete er eine Decke über ihren Körper. „Sie hat einiges durch gemacht. Es sind viele Blutergüsse auf ihren Körper. Einige frisch, wie der am Auge, andere sind schon älter. Sie wurde eindeutig regelmäßig geschlagen. Ich weiß das es in einigen Rudeln üblich ist niedere Mitglieder zu misshandeln und wie eine Sklavin zu behandeln. Aber gesehen habe ich es bis jetzt noch nicht.“ „ Sie lebt in keinem Rudel. Für eine Verstoßene ist sie zu jung. Sie lebt einsam in einer diesen anonymen, heruntergekommenen Stadtwohnungen.“ „ Dann kann es ihr nicht gut gegangen sein, ich habe bis jetzt noch keinen Wolf gesehen der lange allein zurecht kam ohne Verrückt zu werden.“ Er tastete sie weiter ab und schlang schließlich einen breiten Verband fest um die Prellung ihres Brustkorbes. Er tastete über eine Beule an ihren Kopf und schloss nach einiger Zeit die Untersuchung mit einer Blutabnahme ab. „ Sie hat vermutlich einige gebrochene Rippen, viele Prellungen und eine Gehirnerschütterung. Außerdem hat sie Fieber und eine dicke Erkältung. Ich werde sie langsam aufwachen lassen und noch einige Zeit unter Kontrolle der Krankenstadtion lassen.“ „Gut, ich habe noch einige wichtige Dinge zu erledigen. Gib mit bitte Bescheid wenn du etwas neue weißt!“ Mit diesen Worten verließ Vinz den Raum und ging Richtung seines Büros davon.  

6.

Sie erwachte mit rasenden Kopfschmerzen und gleißend helles Licht blendete ihre Augen. Stöhnend rollte sie sich auf die Seite, was direkt mit einem Stechen in ihrem Brustkorb quittiert wurde . Erst nach einer gefühlten Ewigkeit war sie in der Lage ihre Augen zu öffnen. Sie befand sich in einem ihr unbekannten Raum. Er war mit allerlei Medizinischen Equipment ausgestattet. Aber viel freundlicher, wärmer und moderner, so als wäre sie in einer Privatklinik gelandet. Ihre Vermutung schien sich zu bestätigen, als sie einen regelmäßig piepsenden Monitor hinter sich entdeckte. Eine Bewegung links neben ihr lies sie zusammen zucken. Ein Mann mittleren Alters stand neben dem Bett. Er hatte eine wilde Strubbellockenfrisur, fast so als hätten seine braunen Haare einen eigenen Willen. Freundlich begrüßte er sie, „na Mädchen, wie geht es dir? Was machen die Schmerzen? Ich kann dir gerne etwas dagegen geben!“ Elena kniff die Augen zusammen „ Etwas gegen diese Kopfschmerzen wäre ein Traum!“ Ein verstehendes Lächeln stahl sich über seine Lippen als er etwas ihre Infusion spritze. „Wo bin ich? Eine teure Behandlung in ihrer Privatklinik kann ich mir vermutlich nicht leisten. „ Nachdem er die Spritze fachgerecht entsorgt hat meine er nur „ mach dir darüber keine Sorgen Mädel! Kannst du mir sagen was geschehen ist? Wer hat dich so zugerichtet?“ Elena drehte beschämt ihren Kopf beiseite. Sie schämte sich und wollte auf keinen Fall zugeben was Sache ist. „Ich bin ungeschickt, nichts weiter schlimmes. Manchmal stoße ich mich oder stolpere leicht. „ Mit einem schnellen Ruck drehte sich der Mann plötzlich um und kam ihr nun sehr nahe. Gefährlich leise meinte er schließlich „lüge niemals, glaube mir nicht jeder der dich durchschaut würde das tolerieren!“ Eingeschüchtert rutschte Elena in ihren Bett weiter nach hinten. Was war das? Bis jetzt hatte sie ihr ganzes Leben noch jeden etwas vormachen können. Was war das für ein Mensch, dass er sie so schnell durchschaute. Nach einer weile drehte er sich um und ging Richtung Türe. „ Ruhe dich etwas aus! Ich schaue bald wieder nach dir. Du hast doch sicher Hunger!“ Als die Türe zu fiel war das Geräusch eines Schlüssels zu hören. Was war hier los? Jetzt war sie sich sicher, irgend etwas lief hier gewaltig schief. „HALLO?“ Es kam keine Antwort. So vorsichtig wie es ihre Schmerzen zuließen versuchte sie sich aufzusetzen. Trotzdem dauerte es eine gefühlte Ewigkeit bis sie endlich saß und die Schmerzen soweit vergangen waren, dass sie keine Sternchen mehr sah. Ihr Blick ging zu dem Monitor neben ihren Bett. Wie zur Hölle schaltet man das Teil ohne Alarm auszulösen ab? Schließlich drückte sie auf gut Glück einige Knöpfe und der Bildschirm wurde schwarz. Sie zog die die Elektroden ab und prüfte vorsichtig, ob ihre Beine sie trugen. Schritt für Schritt ging sie zum Fenster. Es war ein Park ähnliches Anwesen zu sehen, dass in der Ferne in einen dunklen Wald überging. Sie befand sich im ersten Stock eines recht noblen Hauses. Den rollenden Infusionsständer als Stütze nutzend wankte sie langsam Richtung Türe. Ihr Gehör hatte sie nicht getäuscht, sie war hier eingeschlossen. Wer weiß bei wem sie gelandet war? In einem der Schubläden fand sie das Zubehör für eine Infusion, aber was war eine zehn Zentimeter lange Nadel schon für eine tolle Waffe? Die Medikamente und wer weiß was noch alles waren anscheinend in dem ziemlich massiv wirkenden Holzschrank, der mit einem Codeschloss abgesperrt war. „ MIST!“ Frustriert lies sie sich wieder auf dem Bett nieder. Die Kopfschmerzen waren noch als dumpfer pochender Begleiter spürbar. Ihre Hände zitterten und sie fühlte sich miserable. Mit einem Ruck zog sie die Infusion aus ihren Handrücken. Das Blut floss über ihre Finger und tropfte auf das weiße Bettlaken. Hektisch presste sie die Decke darauf und wartete bis die Blutung aufgehört hatte. Voller plötzlich aufkommender Wut schleuderte sie den Infusionsbeutel quer durch den Raum. Er blieb in einer Ecke liegen und bildete eine Pfütze. Ein Kissen und das Trinkglas flogen gleich hinter her. Es zerbrach in tausend Scherben die sich im Raum verteilten. „LAST MICH HIER RAUS!“ Völlig mit der Situation überfordert lies sich Elena in der Nische zwischen der Wand und dem massiven Schrank zu Boden gleiten, Tränen liefen über ihre Wange und wollten einfach nicht trocknen. Diese völlige Stille, das eingesperrt sein in dem kleinen Raum, die Kopfschmerzen und diese unwirkliche Situation,gepaart mit jeglichem Verlust des Zeitgefühls trieben Elena an den Rande des Wahnsinns.

7.

 Kai schloss die Türe vorsichtshalber ab, man kann nie wissen. Er wusste nicht so recht was er von ihr halten sollte. „Mal sehen was das Blutbild über dich verrät, meine kleine!“ Er ging einige Räume weiter in sein Büro, betätigte den Kaffeeautomat und schob eine kleine Espressotasse darunter um sich schließlich in dem alten Leder Chefsessel nieder zu lassen. Genüsslich nippte er an der dampfenden Tasse und sah in Gedanken versunken aus dem Fenster. Nachdem er den letzen tropfen Espresso aus seiner Tasse geleert hatte, machte er sich über seinen Mailaccount. Dort war tatsächlich eine neue Mail von Sinlab und somit die Blutergebnisse von unserem Gast! Er überflog kurz die Ergebnisse und rief dann Vincent hinzu. Dieser staunte nicht schlecht über das Ergebnis, aber auch das Wissen darüber und die Macht, die damit verbunden war. „Lass uns zu ihr gehen und alles besprechen. Sie möchte sicher auch Antworten haben.“ „Soll ich Ben auch informieren?“ „Nein, das werde ich selbst übernehmen wenn die Zeit reif ist!“ Schon von weitem war das zerspringen von Glas zu hören. Kai und Vincent beeilten sich zur Krankenstation zu kommen, solange noch etwas davon übrig ist. Lust auf ein hysterisches Frauenzimmer hatte aber trotzdem niemand und sie öffneten die Türe mit einen gegenseitigen Blick der Vorsicht ausdrückte, unwissend was sie dahinter erwarten würde. Langsam schwang sie auf und Vincent schlüpfte voran in den Raum. Schließlich hatte Kai nicht die Kampferfahrung wie es Vincent hatte und so ein verrückt gewordenes Weib sollte nicht unterschätzt werden. Er sah sie sofort und auch, dass aktuell keine Gefahr mehr von ihr ausging. Langsam lies er seinen Blick über das Chaos im Raum gleiten um sich schließlich vor dem Häufchen Elend in der Ecke nieder zu lassen. Er versuchte sich klein zu machen um weniger Bedrohlich auf sie zu wirken. Sie zitterte wie Espenlaub und versuchte weiter von ihm zurück zu weichen. Sein Wolf registrierte diese Geste mit Genugtuung. „Von uns musst du keinen Angst haben! Wie ist dein Name? Mich kannst du Vincent nennen!“ Ihre Mimik zeigte ein Wechselspiel der Gefühle. Von Neugierde, über Furcht bis hin zu Verwirrung konnte Vinc alles erkennen. „Ich heiße Elena! Was mache ich hier und was ist geschehen?“ War Elenas leise Stimme zu vernehmen. 

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Tag der Veröffentlichung: 22.01.2017

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