Langhurst I
Wald
dazwischen
Weite
An
den Flanken
Berge
Als könnte sich
die Ebene verirren
und in den
Rhein fallen
Daher
der Heimat
schwimmen gelernt
vor dem Abschied
Langhurst II
Der Tag
hatte die Sonne
ins Wasser gelegt
Nach Mitternacht
legten wir uns dazu
Der Mond
schenkte Glanz
auf ihre Haut
mir ein Tuch
aus Lippen
ihn noch glänzender
zu machen
Im Spiegel
Ihre Augen
Der Schönste
Abschied nehmen so
von der Jugend
Alle Monde so
Alles Loslassen
Langhurst III
Kleine Schritte
nötig nur
zum Glück
Sich am Rockzipfel
der einfachen Dinge
festhalten
Der Sommer genügte
als Eintrittskarte
für den See
Die Wälder
Kinderzimmer
Fixstern
Der Vater
Lehrer mir
Der Erste
Der Beste
Wie groß dagegen
fallen sie heute
gelegentlich aus
meine Schritte
Langhurst IV
Autobahnausfahrt Offenburg
Gengenbach / Kinzigtal
Villingen - Schwenningen
Strasbourg - Süd
Fünf Minuten
nach der Ausfahrt
mein Elternhaus
ein Dreirad
die alte Schule
Sieben Minuten
nach der Ausfahrt
ein Friedhof
meine Mutter
mein Bruder
mein Großvater
All die Anderen
Alles so nah
und doch so weit
Langhurst V
kleine schritte
nötig wohl
zum schmerz
die entfernung
meiner schulbank
zum pult
die länge
eines rohrstocks
die alte frau
gegenüber
schlug die
katzenkinder tot
im kartoffelsack
an der mauer
des misthaufens
damals
bekamen
meine augen
die kälte
in´s blau
gestellt
langhurst VI
ein sommertag
sonntags
zwei kinder
drei und anderthalb jahre alt
spielen vor einer riesigen straßenwalze
damals wurde
acker an acker gereiht
mais an wald
gehen lernen an gehen müssen
flurbereinigung 1964
steht auf der rückseite
des alten fotos
ein paar jahre nur noch
dann habe ich
eine kleine schwester
keinen großvater mehr
und dieses bild gefunden
Langhurst VII
die welt, die große
sie war keine
nicht so wie es mir
die ungeduld versprach
damals als ich fortging
nun kehre
ich heim gelegentlich
kind kleiner leute
in die arme der geduld
gewachsen um keinen zentimeter
Langhurst VIII
am siebenundzwanstigsten tag
des zwölften monats
des einundsechstigsten jahres
im zwanzigsten jahrhundert
war ich das
dreiundfünfstigste kind
dem man bestätigte
daß es geboren worden war
der standesbeamte war abkömmlich
seine vertretetung schrieb dies nieder
vier tage bevor man mich
in die kirche trug
weiß nicht mehr
wer mich über das
taufbecken hielt
als ich schrie
weiß nur
ich schreie
weniger heute
schreibe mehr
und dies
nicht immer lesbar
Langhurst IX
nun ist also
die reihe an mir
die türe zu öffnen
meinen vater zu wecken
den menschen der mich
aus dem schlaf erweckte
so trage ich
wachsein heim
bis an den tisch
den er mir deckte
Edgar
der erste Mensch
der mir einen
silbernen Fisch
in die Hände legte
vorher wohl
oft genug
eingeschlafen
auf seinem Bauch
seiner Brust
die schon lange
die gleiche Farbe hat
der erste Mensch
der mich lehrte
Feuer zu entfachen
den Bäumen vorstellte
der erste Mensch
der meine Mutter
Frau nannte
der erste Mensch
der neben ihr
liegen wird
gleitet sein
glänzendes Leben
ihm aus den Händen
Traudel
Da liegt sie nun
die nie liegen wollte
nie liegen konnte
Einer fand sich
sie zu zwingen
Hat ihr aufgetragen
auf den Leib
die Leichenflecken
in grellen Farben
Ein wahrhaft
schlechter Maler
dieser Tod
Obwohl
der eine Pinselstrich
genügte
Spur
Auf die Ahnung
von Schnee hin
das Kind gerufen
in mir
Der Onkel
band die Schlitten
hinter den Traktor
die Welt vor uns
war weich und weiß
Mathias
war der Erste
der fiel
Bruder
kleiner, kleiner Bruder
dir gehörte keine Woche
auf dieser Welt
damals
als noch Schnee fiel
und wir Kinder
von ihr glaubten
sie wäre
weich und weiß
Darum Schnee
Beschwerlich
der Weg meiner Hebamme
zu dem neuen Leben
Die Alten im Dorf
sagen heute noch
man sah keinen
Unterschied mehr
zwischen Oben und Unten
Alles war Mitte
Alles war Eins
Seither
habe ich wohl
Schnee in mir
Seit diesem Tag
im Dezember
Keine
abgeschnittene Nabelschnur
machte ihn mir verloren
Texte: Copyright
für Texte
und Bilder
by Schneewanderer
Tag der Veröffentlichung: 13.10.2008
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Meinen Eltern gewidmet