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Hier zuerst mal ein wenig Hintergrundwissen über die drei Hauptpersonen:

Lena

Lena hat einen Vater, der als Professor arbeitet und nie Zeit hat. Ein gemeinsamer Urlaub nach Ägypten findet also nie statt. Außerdem besitzt sie eine zahme Ratte. Sie ist in Manuel verliebt, den sie eines Nachmittages zum ersten Mal gesehen und sich mit ihm angefreundet hat.

Jasmin

Jasmin ist vor kurzem mit ihrer Mutter nach Berlin gezogen. Sie ist Lenas Cousine. Noch dazu ist sie wahnsinnig hübsch, weshalb sich Manuel in sie verliebt. Eines Tages beobachtet sie ein Verbrechen.

Manuel

Manuel hat eine Kleptomanie. Ein innerer Zwang der ihn stehlen lässt. Als er einmal von einem Kaufhausdetektiv ertappt wurde, konnte er gerade so noch fliehen und traf kurz darauf Jasmin und Lena.


“Schon wieder sind Menschen verschwunden!
Gestern, den 20.05.2011 fanden weitere Entführungen statt. Ganz Berlin ist geschockt- Geschockt?, ” stöhnte Lena, “warum können nicht mal Reporter richtig sprechen?!”
Jasmin schaute sie amüsiert an. Wie Lena sich über Dinge aufregte, die sie, Jasmin, nicht einmal bemerkt hätte. “Die Polizei ist ratlos.”, las Lena weiter, “Nach der Polizei gab es bei allen Fällen keine Anhaltspunkte am Tatort, abgesehen von einer Zickzacklinie an den Häusern der Opfer. Die Polizei bittet die Bewohner Berlins zur Aussage, falls sie verdächtige Personen beobachtet haben.”

Manuel sah Lena neugierig an: “Meinst du, das hat mit der Entführung des Mannes im hellgrauen Anzug zu tun? Du weißt schon, die, die Jasmin beobachtet hat.” Lena und Manuel schauten zu Boden. Siemwussten, dass Jasmin sich immer noch Vorwürfe machte, weil sie dem Mann nicht geholfen hatte. Dabei hätte sie nichts tun können! Man hätte sie wahrscheinlich nur ebenfalls entführt. Lena seufzte. Sie wusste allerdings auch, dass sich diese Gefühle erst mit der Zeit legen würden.

Manuel verschwand im Hauseingang. Er hatte gesagt, dass er noch etwas tun müsse. Jasmin schaute auf die Tür, als wünsche sie sich, dass er wieder zurück in Lenas Wohnung kommen würde. Lena spürte einen Stich im Bauch. Sie war eifersüchtig auf Jasmin. Sie wusste, dass jene hübscher war, als sie selbst und das Manuel sie mehr mochte. Lena fand Manuel zwar nicht so übel, aber sie wusste, dass sie keine Chance bei ihm hatte.

Manuel dachte nach...
Er wusste nicht, wo er hinwollte, er lief einfach. Eigentlich sollte er einkaufen gehen. Seine Mutter hatte ihm am Morgen einen Einkaufszettel in die Hand gedrückt. Doch Manuel wollte nicht einkaufen. Er wusste, dass sich dann nur wieder die Stimme in seinem Kopf melden würde. Die Stimme, die ihm befahl zu stehlen. Er hatte nicht nur davor Angst, sondern auch vor dem Kaufhausdetektiv mit der Narbe im Gesicht. Der hatte ihn beim letzten Mal nämlich erwischt und Manuel hatte nur mit viel Glück fliehen können. Bei dem Gedanken daran rannte er schneller...

Aus dem Augenwinkel sah er ein blaues Auto. Es fuhr viel zu schnell! Plötzlich schwenkte es ein und kam direkt auf Manuel zu. Er sprang zur Seite und rannte los: Er erinnerte sich daran, was Jasmin erzählt hatte: “Der Mann im Anzug wurde in ein blaues Auto gezerrt.” Beim Gedanken daran, rannte er schneller. Oh scheiße! Erst im letzten Moment sah er die Kante. Manuel strauchelte und verlor fast das Gleichgewicht. Er schaffte es gerade noch so nicht hinzufallen, aber er wurde langsamer und das Auto stand schon neben ihm.

Ein Glatzkopf- Nein, DER Glatzkopf, von dem Jasmin erzählt hatte- stieg aus. Er gehörte zu den Entführern. Er kam auf Manuel zu und umfasste seine Handgelenke. Oh nein, dachte er, wenn ich jetzt versuche zu fliehen oder zu schreien, bricht er mir die Handgelenke. Der Glatzkopf grinste Manuel an und schubste ihn in den Wagen.

Am nächsten Tag ging Jasmin wieder zu Lena. Ohne das Lena irgendetwas sagen konnte fragte Jasmin sie: “Ist Manuel schon da?” Lena schüttelte den Kopf und erwiderte: “Hallo zurück, danke für die nette Begrüßung! Sorry, aber er ist noch nicht hier.” Jasmin guckte etwas enttäuscht. “Und? Steht schon etwas Neues über die Entführungen in der Zeitung?”, wollte sie schließlich wissen. “Glaub schon. Ich habe vorhin angefangen zu lesen, aber Romeo hat mich tierisch genervt. Er hat mich die ganze Zeit nach Futter angebettelt. Ich hab ihm was geholt und dann bist du gekommen”, antwortete Lena.

Jasmin verzog das Gesicht. Romeo war Lenas Ratte und sie schleppte die Ratte überall mit sich herum. Lena holte die Zeitung und setze sich auf einen Sessel.
Dann überflog sie den Text: “Schon wieder Leute verschwunden...bla bla bla...keine Anhaltspunkte... bla... Polizei ratlos. Das Gleiche wie gestern.”

Dann runzelte sie die Stirn. “Weißt du wie Manuel mit Nachnamen heißt? Bei den Vermissten steht nämlich ein Manuel Bauer. 13 Jahre alt.” Jasmin wurde weiß: “Das ist sein Name. Lena, das soll doch ein Witz sein, oder? Wenn, dann ist das nicht lustig!” Lena wurde ebenfalls bleich und meinte: “Lies doch selbst! Hier steht es doch.” Sie reichte ihr die Zeitung und guckte sie erschrocken an. Jasmin überflog die Seite und erwiderte den Blick.

Die beiden Mädchen saßen eine ganze Weile da und dachten nach. Dann meinte Lena langsam: “Wir müssen ihn suchen! Wer weiß, weshalb er entführt wurde. Wer weiß, was sie mit ihm machen!” Jasmin schluckte und nickte: “Wo fangen wir an? Ich meine wir haben keinen Anhaltspunkt. Du hast es doch in der Zeitung gelesen. Selbst die Polizei hat keinen Plan.” “Ich habe eine Idee, vielleicht weiß die Mutter etwas. Wir sollten uns auf jeden Fall den Tatort angucken!”, erwiderte Lena. Jasmin schüttelte den Kopf: “Wir wissen aber nicht wo Manuel entführt wurde. Wir sollten stattdessen mal sein Zuhause angucken!” Lena nickte zustimmend.

Die beiden Mädchen standen vor Manuels Haustür. Sie hatten seine Adresse im Telefonbuch gefunden. Lena klingelte und eine ältere Frau im Bademantel öffnete ihnen die Tür. Die Frau musterte sie misstrauisch, dann schnarrte nie. “Verschwindet, ihr Gören! Ich habe schon genug andere Probleme.” Sie wollte schon die Tür zuschlagen, aber Jasmin kam ihr zuvor: “ Sind sie Manuels Mutter? Ich bin seine Freundin.” Die Frau riss ihre Augen auf und ließ sie rein: “Oh wirklich? Das wusste ich nicht. Wenn ihr seine Freunde seid, wisst ihr bestimmt, dass er weg ist.” Die Frau führte sie ins Wohnzimmer und räumte eilig eine Ladung benutzter Taschentücher weg. Dann ging sie in die Küche und holte ihnen was zu trinken.

Jasmin flüsterte Lena zu: “Sie hat bestimmt die ganze Zeit geweint. Sie muss total fertig sein.” Lena nickte. Manuels Mutter kam mit 3 Gläsern zurück. Sie waren gefüllt mit Fanta. Dann schaute sie die Kinder erwartungsvoll an: “Was wollt ihr?” Lena sprach als erste: “Wir sind hier um etwas über Manuels Verschwinden herauszufinden. Können wir uns sein Zimmer angucken?” “In seinem Zimmer ist nichts, aber an der Hauswand wurde etwas angesprüht- eine Zickzacklinie.

Jasmin und Lena guckten sich an. “Können sie uns das Zeichen zeigen?”, fragten beide gleichzeitig. Die Frau nickte und führte sie in den winzigen Garten. Dort! Beide schauten sich die Hauswand an. Mit schwarzem Graffiti war eine Zickzacklinie an die Hauswand gesprüht worden. Die Kinder verabschiedeten sich voneinander und gingen nach Hause ohne etwas herausgefunden zu haben.

Lena lief in ihrem Zimmer auf und ab. Romeo saß auf ihrer Schulter und guckte sie mit seinen kleinen schwarzen Augen an. Sie beschloss etwas zu tun. Sie hielt es einfach nicht mehr aus. Sie brachte den Müll raus, wusch das Geschirr ab und holte die Post aus dem Briefkasten. Dabei entdeckte Lena einen Brief ohne Briefmarke. Sie öffnete ihn, da nicht einmal ein Empfänger angegeben war. Im Brief stand aus Zeitungsbuchstaben zusammengeklebt:
In zwei tagen mitternacht vor dem museum am blauen auto. bring deine freundin mit!
Lena keuchte auf, dann ergriff sie den Telefonhörer.

Am nächsten Tag wachte Lena mit einem unguten Gefühl auf: Die Schule fing wieder an. Schon beim Gedanken daran wurde ihr fast schlecht. Sie hasste die Schule, besonders das frühe Aufstehen. Mit dem Fahrrad fuhr sie los und kam 30 min später an ihrer Schule an. Sie betrat das Klassenzimmer. Fast alle saßen schon an ihrem Platz. Wie immer saß Lena alleine. Sie hatte nicht viele Freunde. Da flog die Tür des Klassenzimmers auf und Frau Meyer kam auf ihren hohen Absätzen hereinstolziert. Hinter ihr lief ein Mädchen, aber mehr konnte Lena nicht erkennen, da Johanna, die Größte in der Klasse, sich reckte um mehr von dem Mädchen zu sehen.

Frau Meyer fauchte: “Alle hinsetzen! Es ist Unterricht und ich kann nicht tolerieren, dass ihr in meinem Unterricht steht. Johanna verdrehte die Augen und setze sich. Da konnte Lena das Mädchen erkennen, es war Jasmin!

Frau Meyer sagte mit aufgesetztem Lächeln: “Das ist Jasmin Teichmann. Sie ist mit ihrer Mutter vor kurzem hierher gezogen. Begrüßt sie bitte freundlich.” Lena schmunzelte, “bitte” zu sagen fiel der Lehrerin sichtbar schwer. “Such dir einen Platz aus, Jasmin”, ergänzte Frau Meyer. Jasmin ließ ihren Blick über die Klasse schweifen, entdeckte Lena und kam freudestrahlend auf sie zu: “Ich hab schon gedacht, dass ich in der falschen Klasse bin. Du weißt schon, dass du doch nicht hier bist! Zum Glück hab ich mich geirrt. Was du mir gestern am Telefon erzählt hast macht mir echt Angst. Wir sollten die Polizei verständigen- auch wegen Manuel.” Lena schüttelte entschieden den Kopf: “Nein! Du weißt, dass die uns nicht glauben! Wären wir erwachsen, wäre das kein Problem, aber so.” “Morgen sollen wir uns mit den Entführern treffen. Sollen wir zum Museum gehen?”, fragte Jasmin. “Na klar!”, meinte Lena,” Wir können Manuel doch nicht im Stich lassen!”

Am Abend des nächsten Tages gingen Jasmin und Lena in unauffälliger Kleidung zum Museum. Das war der Ort, wo der Mann im hellgrauen Anzug entführt worden war. Lena merkte, dass Jasmin sich unbehaglich fühlte. Sie zitterte und schluckte die ganze Zeit, als hätte sie einen dicken Kloß im Hals. Auch Lena zitterte, aber nicht aus Angst, sondern in freudiger Erwartung Manuel wiederzusehen. Es war erst halb elf, aber trotzdem spannte sie sich an, um notfalls wegrennen zu können. Sie wollte Manuel wiedersehen, doch insgeheim wusste sie, dass die Entführer ihn nicht ausliefern würden. Die beiden Mädchen hockten sich an einen Pfeiler und warteten. Es war keine angenehme Position, aber sie konnten jederzeit wegrennen.

Nach einer Stunde fuhr ein dunkles Auto vor. Die Kinder konnten die Farbe nicht genau erkennen, aber sie wussten, dass es das richtige Auto war. Wie viele dunkle Autos fuhren schon um Mitternacht auf dem Parkplatz des Pergamonmuseums herum. Jasmin und Lena schauten sich an und schlichen dann langsam zum Auto. Ungefähr 5m davor hielten sie an und lauschten. Zwei Männer stiegen aus dem Auto: Der Glatzkopf und ein anderer mit dunklen Haaren. Die beiden Männer standen im Scheinwerferlicht. Für sie war es unmöglich die beiden Mädchen zu sehen. Jasmin hatte ihre langen blonden Haare zudem unter einer dunklen Mütze versteckt.

Der Unbekannte fragte: “Glaubst du, dass die Gören blöd genug sind, um zu kommen? Selbst die müssen doch wissen, dass es eine Falle ist!” Der Glatzkopf schien wütend zu werden, denn er antwortete in bösartigem Tonfall: “Der Boss hat gesagt, dass es einen Versuch wert ist! Also halt die Klappe.” “Meinst du sie gehen zur Polizei? Sie wissen schon eine ganze Menge! Die haben sogar eine Entführung beobachtet und wenn sie das Museum mit uns in Verbindung bringen sind wir dran. Besonders wenn sie wüssten, dass im Lagerraum nicht nur Museumsstücke gelagert werden.”, erwiderte der Unbekannte.
“Weiß nicht! Aber die Polizei glaubt denen sowieso nicht.”, schrie der Glatzkopf schon fast. “Meinst du...”, fing der Unbekannte kleinlaut wieder an. Er beendete den Satz nicht, da der Glatzkopf ihm einen Blick zuwarf, der selbst Leichen hätte töten können. Dann lachte er lauthals gen Himmel. Er lachte so laut und schallend, dass es beiden Mädchen kalt den Rücken herunterlief. Jasmin und Lena hatten genug gehört. Sie verschwanden leise im Dunkeln.

Am nächsten Tag gingen sie wie immer in die Schule, auch wenn es ihnen schwer fiel still zu sitzen.

Nach der Schule gingen sie sofort ins Pergamonmuseum. Sie mussten nicht lange suchen. Am Ende des Museums war der Lagerraum. Lena probierte ihn zu öffnen, aber wie erwartet war er abgeschlossen.” Wir müssen an der Kasse fragen. Vielleicht geben die uns den Schlüssel.”, entschied Jasmin. “Quatsch! Da werden bestimmt wertvolle Stücke gelagert. Die lassen da keine Kinder rein”, antwortete Lena. “Ich werde versuchen die Tür aufzubrechen.” Lena schaute sich um, dann holte sie einen kleinen Draht aus ihrer Tasche und machte sich sofort an der Tür zu schaffen.

Plötzlich schrie jemand: “Stopp, ihr kleinen Einbrecher.” Jasmin und Lena wurden stocksteif. Scheiße dachten beide gleichzeitig. Der Mann, der sich als Hausmeister herausstellte begleitete sie zum Eingang und sagte: “Verschwindet, klar? Ihr habt hier ab sofort Hausverbot! Wenn ich euch hier noch einmal erwische, rufe ich die Polizei und eure Eltern. Dann schlug er ihnen die Tür vor der Nase zu.

“Oh nein!”, jammerte Jasmin, “Wir werden Manuel nie finden, wenn wir nicht ins Museum kommen! Was sollen wir denn jetzt machen?” “Wir müssen ins Museum einbrechen..”, schlug Lena vor. “Was? Bist du verrückt geworden? Das ist ein Museum. Die werden immer gut bewacht.”, sagte Jasmin erschrocken. “Damit hast du vermutlich Recht, aber vielleicht gibt es noch einen anderen Eingang.”, sagte Lena. “Und woher willst du wissen, ob es einen gibt und wenn ja, wo der liegt?”, hakte Jasmin nach. “Ganz einfach. Die Bibliothek.”, antwortete Lena.

Es war nicht schwer ein Buch über das Pergamonmuseum zu finden. Auch einen Grundriss fanden sie, aber der zeigte nur einen Eingang: den Haupteingang. Nach drei Stunden sagte Jasmin: “Lena, ich gebe auf. Wir haben einen großen Stapel Bücher gelesen, aber nichts gefunden. Was hast du auch erwartet? In einem Buch steht kein geheimer Eingang, oder so! Heutzutage würden viele da einbrechen Besonders in ein Museum.” “Genau! Du hast Recht. Heutzutage schon, aber früher...Los Jasmin. Suchen wir ein paar ältere Bücher. Vielleicht steht da irgendetwas drin.” Schon beim dritten Buch wurden sie fündig. In einem alten Grundriss war ein Tunnelsystem von einem Museum zum anderem auf der Museumsinsel eingezeichnet. “Jasmin, ” sagte Lena feierlich, “Morgen gehen wir ins Museum!”

‚‚Schüler mit Schülerausweis zahlen 3,50¤ pro Person. ‘‘ Sagte die schwarzhaarige Frau an der Kasse des Museums und blickte zu Jasmin und Lena. ‚‚Zwei Schülerkarten bitte.‘‘ antwortete Lena und streckte der Frau an der Kasse einen Zehn-Euro Schein hin. ‚‚Ich lade dich ein, Cousinchen.‘‘ Nachdem die beiden ihre Karten in Empfang genommen hatten, machten sie sich äußerst aufgeregt und nervös auf den Weg ins Innere des Museums. Die beiden wurden immer wieder von anderen Besuchern angerempelt, da das Museum krachend voll war. ‚‚War ja am Tag des offenen Museums auch nicht anders zu erwarten.‘‘ Stellte Lena mit einem merkwürdigen Unterton in ihrer Stimme fest.

Langsam quetschten sich die beiden Mädchen durch die Menge. ‚‚Und jetzt,‘‘ meinte Jasmin fragend zu ihrer Cousine, ‚‚wo sollen wir uns verstecken, so dass uns niemand findet bis der Laden hier geschlossen hat?‘‘ Lena musste sich eingestehen, dass auch sie darauf noch keine Antwort hatte.

Manuel, ja Manuel hätte es bestimmt gewusst, da war sie sich sicher. Aber der war jetzt nicht hier bei ihnen. Er war irgendwo eingesperrt in diesem verdammten Museum. Jasmin und sie mussten seinen Entführern schnellstens auf die Schliche kommen. Nach einer viertel Stunde, die Lena und Jasmin jedoch wie eine halbe Ewigkeit vorkam, erreichten sie einen ruhigeren und abgelegenen Teil des Museums. Es war ein schmaler Gang, der nur spärlich beleuchtet war und geradewegs zu einer massiven Tür führte. Jasmin schaute sich ein wenig beklommen um. Waren sie wirklich alleine hier? Was, wenn sie hier unten erwischt wurden? Oder noch schlimmer, wenn plötzlich jemand die Treppe herunter kam? Was würde dann passieren? Lena ließ ihren Blick zu Jasmin schweifen. Dann ging sie leise und vorsichtig in Richtung Tür.

An der Tür hing ein Schild. Darauf waren merkwürdige Zahlen und Buchstaben gemalt. War es vieleicht ein Code, oder noch besser, eine Geheimbotschaft? K E M 5018 vVv, las Jasmin leise vor. ‚‚Was das wohl heißen mag?‘‘ Flüsterte Lena ihrer Cousine fragend zu. ‚‚Und erst recht, dieses komische Zeichen dort, mit den drei Zacken. Wie drei Vs aneinander sieht es aus.‘‘ ‚‚Keine Ahnung was es bedeutet.‘‘ Meinte Jasmin schulterzuckend.

Und noch während sie darüber nachdachte, packte Lena die Neugier und ihre Hand griff die Türklinke. Langsam schwang die Tür auf und sie ging einen Schritt nach vorne. Und noch einen. Und dann noch einen. Und plötzlich war es um sie herum nur noch schwarz. Dann hörte Lena den Atem eines Menschen. Jasmin hatte sich nun auch getraut und war mittlerweile neben sie getreten. Langsam holte sie ihr Handy aus ihrer Hosentasche, schaltete es an und hielt das Display nach unten. So wurde der Raum zwar nicht wirklich heller, aber es war immerhin besser als gar nichts.

Die beiden Mädchen standen jetzt in der Mitte des Raumes, als beide ein klickendes Geräusch an dem Schlüsselloch vernahmen. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss und man konnte Schritte hören die sich langsam aber sicher entfernten. Jasmin war stocksteif und merkte, dass sie feuchte Hände hatte. Sie glaubte jedoch, dass es Lena ähnlich erging. Ein Blick auf ihr Handy sagte Jasmin, dass das Museum schon seit zwanzig Minuten geschlossen hatte.

Dann ein Rascheln. Lenas‘ Nerven waren nun zum zerreißen gespannt. Es saß definitiv noch jemand außer ihnen hier fest. Dann bewegte sich wieder etwas. Ein Klirren war die Folge. Es klang nach Glas. ‚‚Manuel?‘‘ Flüsterte Lena in den Raum hinein. ‚‚Manuel bist du das?‘‘
Nichts. Niemand antwortete.
Doch.

Ein unregelmäßiger und flacher Atem durchbrach die Stille. Lena tastete sich vorwärts. Dann stolperte sie über einen harten Gegenstand und fiel auf eine ihr nur allzu gut bekannte Person. ,,Manuel!‘‘ Rief sie erfreut und hätte sich im nächsten Augenblick gern selbst geschlagen. Verdammt! Warum musste sie immer so laut sein. Auch Manuel guckte sie entsetzt an und hielt seine Hand auf ihren Mund. Leider einen Moment zu spät.

Jasmin kam jetzt zu den beiden. Mit einem Taschenmesser zerschnitt sie nun Manuels festgebundene Hand- und Fußfesseln. Sobald er frei war, nahm er Jasmin das Messer aus der Hand, rappelte sich auf und ging in die andere Ecke des Raumes. War dort etwa noch jemand? Jasmin hörte das Geräusch von Fesseln, die zerschnitten wurden und erstaunt erblickte sie neben Manuel einen Mann. In einem hellgrauen Anzug. Mühselig stand er auf, wackelte im ersten Augenblick auf seinen Beinen ein wenig und fasst sich dann aber. ,,Schnell,‘‘ meinte er, ,,ich kenne einen Ausgang aus diesem Keller.‘‘

Gerade im richtigen Moment, denn schon konnten alle die Schritte hören und schnell und unweigerlich näher kamen. ,,Mir nach,‘‘ meinte der Mann in dem hellgrauen Anzug. Alle vier rannten nun quer durch den Raum bis sie schließlich zu einer schmalen Treppe kamen, die nach unten führte. Blitzschnell rannten sie die Treppe herunter und hatten jetzt eine Art Tunnel vor sich mit zwei Abzweigungen. Manuel rannte blindlings weiter in den linken Abzweig und so beschlossen auch die übrigen drei ihm zu folgen.

Lena, die jetzt als letztes lief, gab Manuel zu verstehen, dass sie jetzt auch noch Wachhunde auf dem Hals hatten. Das hatte zur Folge, dass Manuel das Tempo noch steigerte und die Mädchen und der Mann im hellgrauen Anzug die größte Mühe hatten ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Nach ungefähr einhundertundfünfzig Metern, wie Jasmin schätzte, erreichten sie eine Tür mitten im Gang. Manuel rüttelte an der Türklinke, doch es war nichts zu machen. Die Tür war fest verschlossen. ,,Mist!‘‘ Fluchte er. ,,Scheiße, wir sitzen in der Falle!‘‘ Das kam von Lena.

Grinsend holte Jasmin jetzt einen Dietrich aus ihrer Tasche und gab ihn Manuel. Schon nach kurzer Zeit hatte Manuel das Schloss geknackt und es drang lautes Stimmengewirr an ihr Ohr. Sie fanden sich jetzt in dem ebenfalls völlig überfüllten Pergamon-Museum wieder!

Statt sich jedoch unter die Leute zu mischen, ging Jasmin jetzt zielstrebig in Richtung Ausgang. Die anderen folgten ihr. Dabei stießen sie gegen zahlreiche Leute und erreichten dann nach langer Zeit den Ausgang. Lena hielt es für das Beste, über die Friedensbrücke davon zu sprinten und in die nächste S-Bahn zu springen. Der Mann mit dem grauen Anzug fand es besser, nach der Überquerung der Brücke zum Alexanderplatz zu laufen, sich ein ruhiges Plätzchen unter Menschen zu suchen und erst einmal alles zu besprechen. Gesagt, getan.

In einem kleinen Café am Alexanderplatz lud der Mann mit dem grauen Anzug alle zu einem Getränk ein und stellte sich als Martin Neumann vor. Er schlug vor, dass er und Manuel den Mädchen die ganze Geschichte erzählen. Von Anfang an.

Manuel begann. ,,Zuerst wurde ich auf offener Straße bedroht. Ich sollte in den blauen Wagen einsteigen. Der eine Typ hatte eine Waffe, also machte ich besser was er sagte. Anschließend wurde ich gefesselt. Die Typen meinten, wenn ich schreien sollte, konnte ich mir wohl vorstellen was mir dann blühte. Und sie sagten, ich habe nur bekommen was ich ohnehin verdiene‘‘. Er machte eine kurze Pause um an seiner Cola zu nippen. ,,Wenn ihr mich fragt, die haben eindeutig einen an der Waffel.‘‘ ,,Und Sie nennen sich die Gekrönten.‘‘ Ergänzte Herr Neumann. ,,Eine gefährliche Sekte, vermute ich mal.‘‘

Lenas Gehirn arbeitete jetzt auf Hochtouren. Gekrönt, Krone… Woher kam ihr das so bekannt vor? Sie überlegte fieberhaft. Und dann fiel es ihr ein. Natürlich, jenes Zeichen, dass die Polizei am Tatort vorgefunden hatte, sah aus wie eine umgedrehte Krone. ,,Aber das Beste kommt noch,‘‘ meinte Manuel, ,,der Haupttäter dieser Verbrechen ist der Kaufhausdetektiv.‘‘ ,,Was?‘‘ Jasmin war erschüttert. ,,Aber woher kennst du eigentlich den Kaufhausdetektiv?‘‘

Mit dieser Frage hatte Manuel nicht gerechnet. ,,Na ja, weißt du Jasmin, es gibt so eine Art inneren Zwang der dich dazu verführt, Sachen einfach mitgehen zu lassen. Diesen Zwang nennt man Kleptomanie und ich… .‘‘ Weiter kam Manuel nicht. Seine Stimme versagte ihm den Dienst und er schaute Jasmin betreten an.

Jasmin, dachte er. Jasmin, das Mädchen, das die Diebe hasst. Herr Neumann war ein Mitwissender. Er ist der Sekte auf die Schliche gekommen und wollte sich bei ihnen als Maulwurf einklinken. Es hat nicht ganz geklappt wie man sieht.‘‘

,,Damit müssen wir sofort zur Polizei gehen.‘‘ rief Jasmin erschrocken aus. Lena war schon voller Tatendrang und im Begriff aufzuspringen, also Manuel sie erst einmal beruhigte und sagte, dass sie wieder herunter kommen sollte und vielleicht zuerst ihr Mineralwasser austrank. Nachdem Herr Neumann gezahlt hatte, verließen sie das Café und machten sich auf den Weg zum nächsten Polizeipräsidium. Ein freundlicher Beamter kam ihnen dort entgegen und bat sie, sich erst einmal zu setzen und ihm ganz ruhig ihre Geschichte zu erzählen.

Manuel fing an und erzählte die ganze Geschichte, wie er im Kaufhaus eine Haarspange gestohlen hatte, wie er ertappt wurde und wie er dann davon rannte. Jasmin machte weiter. Sie erzählte von der Entführung, was sie beobachtet hatten und auch Herr Neumann erzählte seinen Teil. Manuel ergänzte, dass er Kleptomanie habe und ganz gern etwas dagegen machen würde und wen er der Tat beschuldigte.

Nachdem alle fertig waren schauten sie den Beamten fragend an. ,,Wir werden den ganzen Aussagen erst einmal nachgehen müssen und das hier eben Gesagte überprüfen. Auch werden wir den hier genannten Kaufhausdetektiv verhören müssen. Mehr können wir vorerst nicht für euch tun.‘‘ ,,Jetzt heißt es wohl erst mal auf das Ergebnis warten.‘‘ Meinte Lena. Die drei Freunde machten sich auf den Weg nach Hause.

,,Hier, sieh mal in der Zeitung Lena.‘‘ Lena eilte die Treppe herunter in das Wohnzimmer zu ihrer Mutter. ,,Was ist denn los?‘‘ Fragte sie. ,,Kidnappenden Kaufhausdetektiv gefasst‘‘ las ihre Mutter vor. Das gibt’s ja gar nicht, dachte sich Lena im Stillen und schnappte sich die Tageszeitung. ,,Was steht denn da noch, Lena?‘‘ fragte ihre Mutter sie. ,,Es handelt sich bei diesem Verbrechen wohl um Entführung. Die Täter sind eine eingeschworene Sekte. Der Haupttäter ist ein Kaufhausdetektiv, mit.‘‘ Lena konnte es kaum fassen. Das war ja wirklich komisch. Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. Sie nahm den Hörer ab.

,,Manuel Bauer hier. Bist du am Apparat Lena? Also ich mach es kurz, meine Mutter hat mich jetzt bei einem Therapeuten angemeldet, ich tue jetzt was gegen meine Kleptomanie. Gut, oder? Treffen wir uns nachher alle zu dritt um drei bei der Eisdiele? Sag bitte Jasmin Bescheid. Also bis dann. Tschüss.‘‘

Wenigstens einer der sich kümmert, dachte Lena. Dabei fiel ihr Blick auf einen Ausdruck, der auf dem Küchentisch lag. Es war eine Beschreibung über eine Hotelsuite am Roten Meer. Inklusive Flug und Vollpension. Oh man, dachte Lena, vielleicht war ja der Urlaub nach Ägypten näher als sie gedacht hatte. Wäre auf jeden Fall toll. Nachher würde sie sich also mit ihrer Cousine und einem ehemaligen Dieb in der Eisdiele treffen. Wenn das mal nichts Gutes war!


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.10.2011

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Widmung:
Gewidmet meiner Familie, meinen Freunden und allen anderen die mich unterstützt haben.

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