Noch fünf Schritte machte der Drache bevor er sich mit einem lauten Poltern an Ort und Stelle niedersinken ließ und schwer schnaufend seinen gewaltigen, roten Kopf auf dem Boden ablegte. Seit nunmehr 6 Tagen war er ununterbrochen geflogen und gelaufen, je nach Wetterlage, doch jetzt hatte er es einfach satt! Es war ja nicht so als würde er das hier freiwillig tun. Seine Geliebte, die Prinzessin von Grigta, hatte auf diese Reise bestanden.
„Bring mir das Medaillon der ewigen Jugend, sonst kannst du deinen Drachenhort demnächst alleine sauber halten!“, hatte sie gerufen und ihn mit einem unerbittlichen Gesichtsaudruck vor seine eigene Höhle gesetzt.
So war er also widerwillig aufgebrochen. Vorbei an den Rittern des Königs, welcher im Übrigen noch nie mit der Beziehung zwischen ihm und seiner Tochter einverstanden gewesen war und ständig irgendwelche haarsträubenden Anschuldigungen über Prinzessinnenentführung in Umlauf brachte. Es gab sogar schon Dorfmusikanten, die gemeine Lügengeschichten wie: „roter böser Drache stiehlt Herz der Prinzessin“, verbreiteten. Aber nicht mit ihm!
Er hatte sie vor etwa 5 Jahren das erste Mal gesehen und seitdem war er schier blind vor Liebe. Sogleich sah er sie vor seinem inneren Auge: Ihre langen seidigen, blonden Haare und ihre reizende Stimme, die sich bei ihrem schnellen Redetempo ständig überschlägt. O ja, das war seine Prinzessin. Wehmütig stieß er seinen heißen Feueratem aus und wälzte sich träumerisch am Boden.
Er wusste noch genau wie er das erste Mal auf ihren Balkon geflogen war und sie kreischend geflohen. Zuerst war er traurig gewesen, aber bald darauf hatte er die Möglichkeit ihr seine Liebe zu beweisen. Tollpatschig wie sie war, hatte sie die Kontrolle über ihr Pferd verloren und war bei diesem wilden Ritt in einen reißenden Fluss gefallen. Tja und das war der Moment seines großen Auftritts. Blitzschnell war er ihr die Strömung hinab gefolgt und hatte sie dann dort mit seinen Klauen zu fassen bekommen. Die Arme hatte sich zunächst ängstlich befreien wollen, doch als sie ihren Blick auf den tief unter ihnen dahinschießenden Boden warf, entdeckte sie ihre Liebe fürs Fliegen und seitdem waren er und seine Prinzessin unzertrennlich.
Er würde sie niemals mehr hergeben, da konnte ihr Vater noch so wütend sein und noch so viele Prinzen zu ihrer Rettung schicken wie er wollte. Sie liebte ihn nämlich genauso stark wie er sie, wenn nicht sogar noch stärker. Ja, wenn er jetzt so darüber nachdachte, hatte sie schon seit einiger Zeit ständig über ihr Älterwerden geklagt und darüber, dass er als Drache ja ewig leben würde. Plötzlich ging ihm ein Licht auf und er sprang auf die Beine. Natürlich, sie wollte dieses Medaillon damit sie ewig zusammenbleiben konnten! Vor Freude peitschte sein Schwanz durch die Luft und zerschlug dabei die umstehenden Bäume. Endlich verstand er. Wie hatte er auch bisher vergessen können, sie war ja trotz allem nur ein Mensch. Sofort viel alle Müdigkeit von ihm ab und seine grünen Augen glänzte voll Freude und Begeisterung. Pah, warum denn ausruhen, er war immerhin ein Drache, das majestätischste Geschöpf was es gab. Wenn er ihr dieses Medaillon nicht besorgen konnte, dann wäre niemand dazu in der Lage.
Erwartungsvoll sammelte er seine Kraft und stemmte seine Beine in den Boden, um dann kraftvoll abzuspringen und seine riesigen Schwingen zu entfalten. Mit ein paar wenigen Flügelschlägen hatte er sich hoch in die Luft katapultiert und ließ sogleich sein furchteinflößendes Gebrüll hören, welches in diesem Fall aber eher ein liebevolles war. Es bedeutete: Warte auf mich, meine Prinzessin!
Texte: Juliane Schedler
Bildmaterialien: Bronwyn Coffeen
Lektorat: Maximilian Sonntag
Tag der Veröffentlichung: 14.03.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meinen Maxi