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Es herrschte Krieg. Ein grausamer Krieg zwischen den Menschen aus dem Reich hinter dem Großen Berg, das unsere Druiden das Phönix-Imperium nannten, und unsereins. Mein Vater sowie auch meine Brüder sind ihm schon gefallen. Jedoch mich sollte das Gefecht um Macht nicht rühren, hätten die Männer aus dem Imperium es nicht gewagt, so weit in unser Land vorzudringen, dass sie meiner restlichen, geflohenen Familie, bestehend aus meiner schwangeren Mutter und meinen zwei jungen Schwestern, gefährlich werden könnten.
Es war Nacht. Es tobte ein eisig kalter, erbarmungsloser Schneesturm und nahm mir jegliche Sicht. Der dunkle Wald, der mich umgab, die schneebedeckten Bäume, all das ließ gespenstische Schatten wachsen. Das einzig Schöne an solchen Nächten, waren zum Einen der sternenklare Himmel, der immer-mal-wieder von grünen und blauen Lichtern durchbrochen wurde, und zum Anderem mein ausgeprägter, gut trainierter Gehör-Sinn. Umso besser hörte ich die schweren Schritte und gedämpfte Gespräche der Eindringlinge in der allumfassenden Stille. Beinahe wäre mir ein verächtliches Schnauben entflohen. Sie mussten ja sehr mutig sein, sich so laut im feindlichen Gebiet aufzuführen. Mutig oder selbstsicher. Vielleicht auch ziemlich dumm – schließlich waren es nur drei Männer und keine ganze Armee! Ich tippte also spontan auf Letzteres und folgte ihnen geräuschlos, versteckt mal hinter den Bäumen, mal im kniehohem Schnee. Ich war müde, ich folgte ihnen schon einige Zeit und was das Essen anging, haben dieser Krieg und der harte Winter ihr Bestes geleistet.
Plötzlich, unerwartet für mich und scheinbar auch für seine Gefährten, blieb der Erste, wahrscheinlich der Befehlshaber, abrupt stehen. Einige Augenblicke passierte nichts und ich hielt schon den Atem an, bei dem Gedanken, er habe mich gehört. Wenn dem so wäre... Mein Plan war sie nacheinander aus dem Hinterhalt zu töten. Ein Messerwurf nach dem anderen, doch dafür müsste ich versuchen sie zu trennen. Ich war schließlich auch keine Ein-Frau-Armee und auch nicht waghalsig. Gegen alle drei würde ich nicht ankommen.
Doch zu meiner Erleichterung schienen seine Begleiter ebenso ahnungslos wie ich zu sein. Sie tauschten hinter dem Rücken des Anführers einen Blick aus.
„Was ist los, Sir Grey?“ fragte schließlich der Mutigere.
Es blieb weiterhin still. Ein Wind kam auf und ich zitterte wie Espenlaub unter den vielen durchlöcherten Schichten meiner Kleidung – sie brachten nichts! Meine Füße wurden zwar noch von Hasenfell-Lagen warm gehalten, aber ich spürte schon, wie die Kälte auch dorthin kroch. In diesem Moment beneidete ich die Männer aus dem Imperium um ihre warmen, dicken Umhänge, die ihre Körper komplett einhüllten, um den Wolfspelz, der zusätzlich ihre Schultern, Brust und Rücken bedeckte, um ihre hohen, stabilen und Kälte abweisenden Stiefel und sogar um die pelzgefütterten Lederhandschuhe. Bei dem Gedanken an Wärme zitterte ich gleich noch mehr und musste mich zur Ruhe zwingen, als ich merkte, dass dieser Sir Grey endlich sprach.
„Kehren wir zurück!“
Dann folgten noch einige Sätze, zu schnell und undeutlich gesprochen, als dass ich sie verstehen konnte. Nur die Mimik des Sprechers offenbarte mir, dass es sich um eine verärgerte Erklärung handelte, wieso sie umkehren sollten. Dann drehte er sich nach diesen Worten unvermittelt um und lief direkt auf eine kleine Baumgruppe zu. Genau die Baumgruppe, hinter der ich mich versteckt hielt!
Panik ergriff mich für den einen Augenblick, weil ich in dem Moment spürte, wie wertvoll mir mein Leben ist und dass ich in nächster Zeit nicht plante, es zu verlieren. Ich weiß nicht mehr, welche Geister mich ritten, aber das war die Sekunde, in der ich völlig unbedacht nach vorne stürzte und Sir Grey in meine Gewalt nahm. Ganz frei nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ .
Doch es war schon zu spät, um an meiner Tat zu zweifeln. Ab jetzt galt das Raubtiergesetz „Fressen oder gefressen werden“. Und so zwang ich den hochgewachsenen Mann mit einem zielsicherem Schlag in die Magengrube in die Knie und hielt ihm die kalte Klinge meines Jagdmessers an die Kehle. Wäre er nicht so überrascht gewesen, wäre er vielleicht auf die Idee gekommen sich zu wehren, so aber lag es an mir ihn bloß festzuhalten und aufmerksam seine Gefährten zu beobachten.
Diese blieben wie angewurzelt stehen. Der Ältere davon sah sich unauffällig um, um zu prüfen, ob ich alleine war oder nicht. Der Jüngere versuchte seine zitternde Hand auf den Griff seines Schwertes, das an einem Gürtel um seine Mitte hing, zu legen und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Deswegen entging ihm auch nicht, wie ich sogleich drohend die Klinge noch näher an den Hals meines Gefangenen rückte. Sogleich hob der jüngere Gefährte abwehrend die Hände in die Luft, um seine Unbewaffnetheit zu zeigen.
All dies verlief in einer beinahe schon unheimlichen Stille und plötzlich von einem Herzschlag auf den anderen packte Sir Grey meinen Oberarm. Er wirbelte herum und ohne darauf zu achten, dass das Messer ihm die Haut aufschlitzte, befreite er sich aus meinen Fängen.
So schnell, dass ich ihm kaum folgen konnte, zog er sein Schwert aus der Scheide und richtete es auf mich.
Regungslos blieb ich stehen und starrte den drei Männern entgegen.
„Eine Wilde? Barbarin?“, fragte der Jüngere und musterte mich noch einmal von oben bis unten.
Der Ältere tat ihm gleich und nickte zustimmend, bis ihm auffiel, dass der Anführer es ja nicht sehen konnte, denn sein Blick ruhte auf mir.
„Sieht ganz so aus. Glaubt Ihr sie ist alleine, Sir?“
Sir Grey schwieg kurz, bevor er – wieder einmal ganz überraschend für alle Anwesenden – einige feste Schritte auf mich zu machte. Ich hasste mich dafür, aber ich konnte nicht anders, als erschrocken zurückzuweichen. Immer wieder, bis ich schließlich hart gegen einen Baum stieß.
„Soll sie es uns selber sagen.“ antwortete der Ritter schlicht und blieb knapp einen Meter vor mir stehen. Die Tatsache, dass ich eigentlich immer noch mit meinem Jagdmesser bewaffnet war, machte ihm scheinbar rein gar nichts aus, was meinen Stolz kränkte. Die Druiden haben uns erzählt, dass die Männer hinter dem Großen Berg sich selbst höher schätzen als ihre Frauen, die unter anderem als dümmlich und schwach galten. Hierzulande herrschte faire Gleichheit. Aber der werte Herr vor mir traute mir offensichtlich nicht zu richtig mit einer Waffe umgehen zu können, um ihn ernsthaft zu verletzten, obwohl ich noch einige Sekunden davor dabei war ihm die Kehle zu durchtrennen!
Mit seiner Schwertspitze hob er mein Kinn hoch und zwang mich ihn anzusehen. Es verlangte meine ganze Zurückhaltung, um nicht noch einmal meinem Überlebenssinn freien Lauf zu lassen und mich auf den so provozierend selbstsicheren Anführer zu stürzen.
„Sie versteht unserer Sprache nicht, Sir“ meinte der Ältere vorsichtig und trat auch näher.
Anhand seiner Stimme habe ich sein Alter geschätzt, aber erst jetzt bei seinem Nähertreten wurde mir bewusst, wie alt der Mann eigentlich sein müsste. Sein Gesicht war von Narben überzogen und sein weißer Bart schien vereist zu sein von der Kälte in diesen nordischen Ländern. Auf einmal empfand ich doch gewisse Mitleid mit dem Mann. Welche herzlosen Menschen würden ihn in diesem Alter in den Krieg ziehen lassen?! Bei uns schätzte, ja sogar vergötterte, man die wenigen Menschen, die dieses Alter erreichten!
„Sie versteht uns sehr wohl, meine Herren.“ erwiderte Sir Grey daraufhin „Fällt Euch etwa nicht auf, wie aufmerksam sie unserem Gespräch folgt? Also, antworte, Weib, bevor ich dich ersteche!“
Ich konnte mir ein verächtliches Schnauben nicht verkneifen, dann sah ich zum ersten Mal dem Anführer fest in die Augen. Sie waren dunkelbraun, ja beinahe schwarz. Vielleicht lag es an der Kälte, dass mir eine Gänsehaut den Rücken hoch kroch, oder aber daran, dass ich dachte, in zwei schwarze Löcher zu blicken.
„Bevor du mich erstechen, also?“ gab ich zurück, sobald ich die fremdländischen Wörter in meinem Kopf zu einem Satz gebildet hatte. Ich trat ohne auf die Schwertspitze zu achten auf ihn zu „So tu es!“
Eine Sekunde lang bemerkte ich tatsächlich Überraschung in seinem Blick aufblitzen und auch sein Schwert zuckte in seiner Hand. Doch dann fasste er sich wieder.
„Ich werde dir deinen Wunsch mit Freuden erfüllen, nachdem du mir zwei Fragen beantwortet hast und zwar...“
„Ich nicht werden antworten!“ unterbrach ich ihn und schlüpfte blitzschnell unter seinem Schwert hindurch. Bevor er reagieren konnte tauchte ich urplötzlich direkt vor ihm wieder auf und hielt ihm abermals mein Jagdmesser an die Kehle. Doch er war schnell wieder beisammen und so spürte ich den Druck seines Schwertes in meinem Nacken, bevor ich ihn hätte ernsthaft verletzten können.
Nicht einmal meinen Triumph und Überlegenheit konnte ich auskosten, denn als er mit der freien Hand meine Taille umfasste, wurde mir schlagartig bewusst, dass ich mich selber in die Falle geritten habe. Ich versuchte einen Schritt nach hinten zu weichen, doch wie erwartet hielt er mich fest genug, dass ich mich kaum bewegen konnte. Auch sein Schwert, der wie eine zweite Hand meinen Nacken umfasste, steigerte meine Fluchtmöglichkeiten nicht gerade. Ich grub die scharfe Klinge meines Messers tiefer in seine Haut und spürte sofort im Gegenzug seine Klinge fester an meinem Genick.
So verweilten wir einige Sekunden regungslos. Wären die Waffen nicht gewesen, hätte die Szenerie durchaus romantisch aussehen können – zwei Liebende, mitten in einer schneebedeckten Landschaft, genährt ausschließlich durch die Wärme ihrer Körper...Und da kam mir schließlich die Idee!
Und es war, als hätte er meine Gedanken gelesen, denn bevor bevor ich sie in die Tat umsetzten konnte, tat er es.
Seine Lippen landeten in seiner, wie ich feststellen musste, typisch überraschenden Manier auf meinen. Und ich zeigte unwillkürlich genau die Reaktion, die ich von ihm erwartet hätte und die ihm zum Verhängnis werden müsste. Stattdessen war ich jetzt die Leidtragende, der das Messer in der Hand zuckte und sogar die Knie weich wurden.
Am Wenigsten von Allem hatte ich erwartet, dass er mich so – mit den Waffen einer Frau – schlagen würde, doch genau das tat er. Und während ich noch verzweifelt gegen den Drang den Mund zu öffnen und ihm Einlass zu verschaffen ankämpfte, hörte ich noch im letzten Moment knisternde Schritte auf dem Schnee hinter mir. Doch auch die Tatsache, dass ich bemerkte, dass der Jüngere von Greys Untergebenen nicht mehr zu sehen war, half nicht dem, aus dem Nichts kommenden, Schlag auf den Hinterkopf zu entkommen.
Augenblicklich verschlang mich vollkommene Dunkelheit.

Impressum

Texte: © Cover von ~freaky665; © Brushes (Map) von Smaragdscherben; © Idee & Text von Hannah Moon
Tag der Veröffentlichung: 25.06.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Danke an alle, die mir bei dem Cover, der Bearbeitung, der Innengestaltung und etc. geholfen haben! Ich werde es Euch nicht vergessen!

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