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Vorwort



Vorwort:



Erstmal ein herzliches Willkommen an euch, meine lieben Leser. Wie ihr euch wahrscheinlich schon denken könnt ist das hier ein kleines Vorwort, welches ihr lesen solltet bevor ihr an die Story geht.
So, willkommen geheißen hab ich euch ja jetzt, kommen wir also zum wichtigen Teil dieses Geschreibsels.
Diese Geschichte hat homoerotischen Inhalt, solltet ihr das nicht mögen, dann solltet ihr gehen. Ich habe sie in der ersten Person geschrieben und es gibt zwei Sichtweisen. z.b ist der Prolog in der Sichtweise meines Protagonisten Maximilian geschrieben, das erste Kapitel in der Sichtweise seines Geliebten Gregor. Das wechselt sich immer wieder ab, doch ich werde das natürlich kennzeichnen.
In dieser Geschichte geht es um Schüler, die somit noch mitten in der Pubertät sind, Eifersüchteleien zwischen Jungs und den alltäglichen Problemen eines Teenagers in seiner Selbstfindungsphase.

Ich hoffe euch wird meine kleine Geschichte gefallen und ihr habt euch von diesem kleinen Vorwort (meinem Gelabber) nicht abschrecken lassen.
Wünsch euch was Schönes und viel Spaß beim lesen.

Prolog



Mein Leben

Prolog




Halb zehn Uhr morgens in Düsseldorf. Diesmal keine Zeit für Knoppers und auch keine Zeit für irgendeine Pause, diesmal gibt es nur eins und das gefällt mir ganz und gar nicht. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Maximilian Rotfink, nennt mich doch aber bitte Max, andere Abkürzungen kann ich leider nicht leiden, da ich meinen Vornamen liebe. Ja, ich bin keiner dieser Menschen die ihren Vornamen nicht ab können und gerne anders heißen würden, doch die Leute die sich so fühlen kann ich ebenfalls verstehen, wer möchte zum Beispiel gerne Rodriges heißen? Ich nicht. Was kann ich euch denn noch über mich sagen, was wichtig dafür wäre meinen Charakter kennenzulernen oder euch ein Bild von mir zu verschaffen? Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Es kommt wohl drauf an ob ihr euch, als Personen, die Mühe machen wollt mich kennenzulernen, denn wenn ich mich beschreiben müsste würdet ihr nichts hören, was euch gefallen würde. Und deshalb lasse ich es meist auch ganz weg, wie jetzt auch, freut euch doch. Aber ich bin von meinem eigentlichen Thema, meinem momentanen Leben, abgekommen. Wie gesagt, die Uhrzeit kennt ihr ja bereits und meinen Wohnort auch, was euch doch bestimmt noch fehlt ist ein bestimmter Ort. Nehmen wir doch eine Schule, ein Gymnasium um genau zu sein und fügen alles zusammen, doch egal wie schön das Bild jetzt in euren Köpfen aussehen mag, mir gefällt es nicht, ganz und gar nicht. Ich stehe hier hinter der Turnhalle und frage mich wie ich es in Teufelsnamen nur hierher geschafft habe, warum ich jetzt ausgerechnet hier stehen muss und nicht jemand anderes, wobei, ich vergaß euch zu sagen wer da vor mir steht und weshalb es doch gar nicht so abwegig ist dass ich ihm hinterher gelaufen bin, als er mich gefragt hat. Vor mir steht nämlich mein, bis dato, bester Freund. Nennt ihn einfach Neo, oder Neon, oder wie ihr ihn auch immer nennen wollt. Dass er in Wirklichkeit Gregor Braginski heißt, lassen wir mal beiseite, er ist nämlich einer dieser Menschen die ihren Vornamen nicht mögen, was die Frage: Warum zur Hölle heißt der Neo|n? Wohl erübrigt. Und ich habe es schon wieder getan, es tut mir wirklich leid aber das gehört wohl zu meinem Charakter, ich schweife ständig ab, meine Gedanken drehen sich mit einem Mal und ich höre nicht mehr zu, schweife wie hier vom Thema ab. Mir wurde mal von einem Beobachter mitgeteilt, dass ich wohl einen absolut leeren Ausdruck in den Augen bekommen würde, warum sich dann manche darüber wundern, dass ich ihnen mal wieder nicht zugehört habe verstehe ich deshalb auch nicht.

„Weißt du warum du hier bist?“

Würde ich wissen warum ich hier bin, würde ich wohl nicht so fragend schauen, doch das sage ich Gregor lieber mal nicht direkt ins Gesicht, sondern behalte es ganz diskret für mich. Ja, ich nenne ihn Gregor, darf ich, hab ihn gefragt und er hat ja gesagt, um ehrlich zu sein bin ich wohl der Einzige der ihn so nennen darf, mal abgesehen von seiner Mutter, seinem Vater und seinem großen Bruder. Meine Augen flattern über sein Gesicht, schweifen zu unserer Umgebung, in der ich wirklich niemanden sehen kann, dann wieder zurück in seine. Braun trifft auf Grau, wobei ich sagen muss, dass mir diese Farbe schon immer sehr gefallen hat.

„Nein.“

Kurz, knapp, einfach Max. So kann man wohl sagen, denn meine Antworten fallen meist so kurz und knapp aus. Jetzt könnte man wohl sagen ich würde mich nicht für und an Gesprächen interessieren, doch dann würde man falsch liegen. Es ist nicht so, dass ich mich nicht für Gespräche interessieren würde, ich trage nur nie gerne etwas zu ihnen bei, was unnütz erscheinen könnte. Gregor scheint es aber nicht zu stören, ist er es von mir doch auch gar nicht anders gewohnt. Sein Kopf legt sich schief und er blickt mir immer noch intensiv in die Augen, verstehen tue ich dadurch aber auch nicht viel mehr.

„Ich muss dir was sagen.“

Aha und weiter? Er bekommt von mir keine Antwort, hätte er eine erwartet müsste ich mir wohl auch einen anderen besten Freund suchen. Ich sehe ihn einfach nur weiter an und sage nichts, kein Ton verlässt meine Mundhöhle, nicht mal ein Zucken geht über meine Mundwinkel und geben ihm damit zu verstehen, dass ich zuhöre und er gerne fortfahren kann.

„Ich hab mich von Nina getrennt.“

Ich lasse mir das Ganze durch den Kopf gehen und als ich seine Worte endlich realisiere sehe ich ihn fragend an. Nina, die Nina die ihn Monate lang davon abgehalten hatte mit mir anstatt mit ihr etwas zu unternehmen, die Nina die bis eben noch seine feste Freundin war, die Nina von der er gesagt hatte er würde sie lieben. Und mit dieser Nina war jetzt Schluss? Ich glaube es nicht ganz, doch denke ich nicht, dass er mich anlügen würde, hat er ja auch keinen Grund zu.

„Wieso das?“

„Kein Bock mehr, sagt das se' eine Auszeit braucht, sich mit anderen Leuten treffen will. Drauf hab ich keinen Bock, also ist Schluss.“

„Hmm.“

„Ja, hmm.“

„Tut mir leid, scheint scheiße zu sein.“

Der längste Satz den ich heute gesagt habe und mal wieder richtet er sich an Gregor. Er tut mir wirklich leid, auch wenn ich Nina nie gemocht habe, ich meine sie hat wirklich dafür gesorgt, dass er lieber mit ihr als mit mir etwas unternommen hat, so als besten Freund hat mich das nun mal gestört. Und das weiß er auch, Gregor weiß dass ich Nina nicht mag, sie nie ab konnte, zum Glück lässt er mich jetzt wohl mit ihr in Ruhe.

„Hört sich nicht so an, aber scheiß drauf. Pause ist gleich vorbei, noch in die Cafeteria?“

Das er das Ganze einfach so abtut, ist nicht anders von ihm zu erwarten. Aber bevor ich mich wiederhole, von wegen hätte ich etwas anderes erwartet könne er sich einen neuen besten Freund suchen, bla. Gehe ich ihm lieber mal hinterher, denn er ist schon vorgegangen ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten. Kenne ich nicht anders und ist mir auch herzlich egal, also gehe ich ihm hinterher, schließe nach einem kurzen Sprint zu ihm auf und zusammen gehen wir dann Richtung Cafeteria. Dazu müssen wir mal wieder über den gesamten Hof gehen, was an sich ganz schön nervig sein kann. Man bedenke dass nicht nur unser Jahrgang, der an sich zwar auch nicht besser ist als die Kleinen, auf diesem Hof ihre Pausen verbringen, sondern auch die gesamte restliche Schule, eingeschlossen der Oberstufe und der anliegenden Grundschule. Somit wären das dreizehn Jahrgänge mit ungefähr 1170 Schülern, insgesamt. Hört sich viel an, ist es auch, doch unser Schulhof ist relativ groß und die 'Großen' bleiben meist sowieso in ihren Klassenräumen, was an unserer Schule ein Privileg der obersten drei Klassen ist. Ich gehöre zwar auch dazu, aber wegen einem bestimmten 'jemand' muss ich ja jede Pause rausgehen, was natürlich nicht viel weniger daran liegt, dass er eine Freundin in der unteren Stufe hat, oder hatte, egal. Jedenfalls sind wir jetzt auf dem Weg in die Cafeteria, müssen deshalb über den gesamten Hof laufen und das Gekreische der 'Kleinen' aushalten. Hier und dort stehen Leute die wir kennen, oder die uns kennen, da hinten heult eine 'Sextlerin' und ich lasse meinen Blick wieder mal schweifen. Drifte ab und nehme nichts mehr um mich herum wirklich wahr, das Einzige was ich noch merke ist der Weg den ich gehe, doch den kann ich in meinem Kopf soweit auswendig, dass ich nicht von ihm abkomme. In meinem Kopf entsteht ein Bild, ein Traumgebilde das nicht wahr ist und es niemals sein wird, ich liege in den Armen meines besten Freundes, lächle ihn an und er beginnt einen sanften Kuss.

„Ah! Pass doch auf!“

Kreischt es mir entgegen und ich werde wieder auf den Boden meines wirklichen Lebens zurückgeholt. Vor mir steht ein Mädchen mit roten Haaren, blauen Augen, wirklich krasser Kontrast und ich bin augenscheinlich direkt in sie rein gelaufen. Gregor ist stehengeblieben und grinst mich schief an, doch dieses eine Mal achte ich nicht auf ihn, was wirklich ein Wunder hoch zehn ist, denn ich achte immer auf ihn, egal was er gerade tut oder sagt. Doch mich hat das Mädchen vor mir so sehr abgelenkt, dass ich sein Grinsen nicht bemerke.

„Ist das deine echte Haarfarbe?“

„W-was?“

Völlig aus dem Zusammenhang gerissen sieht sie mich an und fängt mit einem Mal an zu lachen, ein schönes Lachen, doch für mich klingt es etwas zu hoch. Sie lächelt mich an und hält mir ihre Hand hin, die ich nach kurzem Zögern ergreife.

„Mein Name ist Isabelle, ja die ist echt.“

„Max, sieht krass geil aus.“

Man sollte mir meine Ausdrucksweise entschuldigen, ich kann ihre Haare einfach nicht anders beschreiben, jedenfalls nicht im Zusammenhang mit ihren blauen Augen. Blau, rot. Rot, blau. Schwarz, grau. Grau, schwarz. Wunderschönes Zusammenspiel der Farben. Innerlich vergleiche ich sie mir Gregor, doch sie haben nichts gemein, jedenfalls vom Aussehen her. Und genau der macht sich gerade bemerkbar. Isabelles Freundinnen sehen mich interessiert an, mein bester Freund legt mir eine Hand auf die Schulter.

„Lass mal beeilen, klingelt gl-“

Seine restlichen Worte gehen im Klingeln unter. Ich sehe Isabelle immer noch an, wende meinen Blick dann allerdings Gregor zu, der gerade auf Russisch darüber flucht, dass wir doch nicht in die Cafeteria gegangen sind. Woher ich weiß was er genau sagt? Ganz einfach, ich habe vor ein paar Jahren mal einen Russischgrundkurs gemacht. Viel bringen tut es mir allerdings auch nicht, ich verstehe gerade mal ein paar Wörter, wovon die meisten Beleidigungen oder Tiernamen sind. Weshalb ich mir die allerdings gemerkt habe, weiß ich auch nicht.

„War schön dich kennenzulernen, ich bin in der zehnten, vielleicht sehen wir uns ja nochmal. Würd mich freuen, findest mich immer hier. Bye, bye!“

Sie grinst, dreht sich zu ihren Freundinnen die schon vor zur Tür gegangen sind und lässt mich und Gregor dann stehen. Ihre schönen Haare schwingen leicht umher und bevor sie durch die Tür geht dreht sie sich nochmal zu mir, lächelt und zwinkert mir zu.

„Scheint ja schon jetzt von deinem Charme überzeugt zu sein, lass uns reingehen, hab kein Bock bei der Eule zu spät zu kommen.“

Ich nicke kurz und belächele seine Aussage einfach nur, da ich nicht denke das er Recht hat. Zwar schien sie ganz nett zu sein, doch das war bestimmt nur auf mein Kommentar zu ihren Haaren bezogen, also nichts besonderes. Außerdem ist es mir wirklich egal ob sie von meinem angeblichen Charme überzeugt ist oder nicht, was interessiert mich denn so was? Genau, gar nichts, weshalb auch. Da würde es mich ja mehr interessieren wenn Gregor auf meinen Charme anspringen würde, tut er aber nicht. Mal wieder geht er vor und ich laufe ihm hinterher, nun ja ich laufe nicht wirklich sondern trotte eher hinter ihm her, aber das ist ja auch ganz egal. Falls ihr es schon gemerkt habt, mir ist sehr viel egal und das ist auch gut so, jedenfalls denke ich das. Meine Schritte tragen mich hinter Gregor her und wir treten in den Gebäudekomplex, in den auch schon Isabelle verschwunden ist, ein. Ohne uns umzusehen oder auch nur in irgendeiner Weise auf unsere Umgebung zu achten gehen wir zu den breiten Wendeltreppen und machen uns auf den Weg in den zweiten Stock, genau dort befindet sich unser Klassenraum, in dem wir jetzt zwei Stunden Deutsch haben werden, wie ich mich freue. Wirklich, wer mag Deutsch nicht?

Um ehrlich zu sein, ich. Es liegt nicht an dem Fach, auch nicht an meinen Klassenkameraden. Es liegt schlicht ergreifend daran, dass mein Deutschlehrer Herr Funke mich nicht ausstehen kann. Ich muss mich nicht einmal fragen warum, da es mir, wie so vieles auch, einfach egal ist. Soll er mich hassen, ich werde ihn sowieso ab nächstem Jahr nicht mehr haben und dann kann er wieder anfangen einen neuen Schüler zu hassen, an mich würde er ja nicht mehr herankommen. Das Einzige was mich an seinem Hass mir gegenüber stört ist, nein nicht seine schlechte Laune oder seine bösen Blicke, das Einzige was mich stört sind meine schlechten Noten. Ich sage euch, ich bin gut in Deutsch, allgemein bin ich ganz gut in der Schule, zwar jetzt kein Streber wie der Weber aus meiner Klasse, aber ich bin gut und man kann mir wirklich nicht erzählen das ich so schlecht sein würde, dass ich jedes Jahr eine glatte vier minus auf dem Zeugnis haben könnte. Aber hab ich vor etwas zu sagen, ich meine von wegen unberechtigte schlechte Noten weil mein Lehrer mich hasst? Nein, nicht im Geringsten. Das wäre mir um ehrlich zu sein viel zu stressig und Stress ist der Feind meiner vollen Haare. Kann ich somit nicht gebrauchen.

„Maximilian Rotfink! Ist mein Unterricht so langweilig, dass sie sich mal wieder in die weite Ferne träumen müssen? Das gibt eine Sechs und passen sie gefälligst auf wenn ich rede!“

Seufzen, das einzige was ich tun kann ist zu seufzen und meinen Lehrer neutral anzusehen, als würde mich seine kleine Rede nicht interessieren. Mich das leise Stöhnen meiner Mitschüler nicht stören und als würde ich die ganzen Blicke auf mir nicht spüren. Dem Penner, und nein dafür entschuldige ich mich nicht, da vorne werde ich doch nicht zeigen, dass mich sein dummes Gerede ein wenig aufregt. Der kann sich mit meinem neutralsten Blick den ich gerade hinbekomme zufriedengeben und wenn ihm das nicht passt kann er mir ja noch eine Sechs verpassen, interessiert mich doch nicht. Okay, gut, es interessiert mich schon. Ich meine natürlich meine Sechs und nicht sein Gerede, was sowieso nur an mir vorbeigerauscht ist. Ich kann es mir leider Gottes nicht leisten ständig mündliche Sechsen zu bekommen, meine Mutter hat sich in letzter Zeit schon oft genug über meine miserable Leistung in diesem Fach aufgeregt und langsam hält ihre Stirn das sicher nicht mehr aus, sie hat schon genug Falten für ihr Alter, da braucht sie meinetwegen nicht noch mehr zu bekommen.

Ich werde leicht von der rechten Seite angestupst und da der Funkturm, mein selbst erdachter Spitzname, egal ob er jetzt schlecht ist oder nicht, mich gerade nicht ansieht, wende ich meinen Blick meinem Sitznachbarn zu. Und wie es sich jetzt wahrscheinlich schon jeder denken kann ist das Gregor. Dieser sieht mich leicht bedröppelt an, schenkt mir dann ein aufmunterndes Grinsen und streicht mit seiner linken Hand leicht über meine Rechte. Ein leichtes Kribbeln geht von meiner Hand aus und fährt von dort durch meinen gesamten Körper, auf meinem Arm bildet sich eine leichte Gänsehaut, doch ich erwidere seinen Blick nur lächelnd und wende ihn der Tafel zu, nicht das man mir wieder vorwirft besseres zu tun zu haben als aufzupassen, was ich ja eigentlich sogar hätte. Ich könnte zum Beispiel meinen Sitznachbarn beobachten, aus den Augenwinkeln versteht sich. Er hat seinen Blick nach unten auf seinen Block gelegt, worauf er gerade anfängt zu schreiben, was ich allerdings nicht lesen kann. Wenig später habe ich auch schon seinen Block vor mir liegen und muss aufpassen, dass ich nicht bemerkt werde.

'Scheiß auf den, der ist nur sauer weil er mal wieder schlechten Sex hatte!'

'Glaub mir, der Funkturm ist mir scheiß egal. Woher willst du das denn wissen? oO'

'Hab da meine Quellen! :D'

'Deine Ma oder was?'

'Blitzmerker :D'

'Naja egal, was haben wir gleich nochmal?'

Er sieht von unserem Geschreibsel auf und zückt sein Hausaufgabenheft, was er nur deshalb noch besitzt da er einer von der vergesslichen Sorte ist, okay ich geb's zu, ich hab auch noch eins, aber egal. Ganz offensichtlich sieht er auf seinen Stundenplan und kritzelt wieder etwas. Ich nehme den Zettel entgegen, lasse ihn knapp unter meinem Block verschwinden, damit ihn der liebe Herr Funke auch nicht zu Gesicht bekommt und lese vor mich hin. Doch was da steht regt mich wieder auf.

'Bio, sag mal willst du nächste Pause runter zu dieser Isabelle gehen? Vorher natürlich in die Cafeteria!'

Ich grummele leicht vor mich hin und bringe es einfach nicht über mich etwas zu schreiben. Was kommt der mir denn jetzt mit Isabelle? Am liebsten würde ich ihm ja entgegen schreien, dass ich nichts von der will und er sich gefälligst damit abzufinden hat, auch wenn das jetzt etwas übertrieben klingt, doch glaubt mir ich kenne Gregor, wenn ich es ihm nicht auf die Stirn tätowiere nervt er mich mit ihr die nächsten zwanzig Jahre meines Lebens und darauf hab ich mal gar keinen Bock.

Als er merkt, dass ich ihm wohl nicht mehr antworte, legt er kurz seinen Kopf schief, doch sieht dann wieder zur Tafel. Ich tue es ihm gleich und versuche mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Doch da ich ja die letzten Minuten nicht aufgepasst habe, komme ich auch nicht mehr in den Stoff der Stunde rein. Ich sehe gerade vielleicht so aus als würde ich aufpassen, kennt man mich aber etwas besser sieht man dass ich gerade überhaupt keinen Plan von gar nichts habe. Und so kommt dann auch die nächste Stunde Deutsch zum Ende und wir können wieder in die Pause gehen. Zwar versuche ich so schnell es geht meine Sachen einzupacken und zu verschwinden, doch Gregor sieht mich nur komisch an, packt ebenfalls seine Sachen und hält mich dann an meinem rechten Arm zurück.

„Was hast du denn jetzt schon wieder?“

„Nichts, was soll denn sein?“

„Okay… Kommst du jetzt mit in die Cafe oder nicht?“

„Klar…“

Ich wollte zwar fliehen, aber wenn er mich so ansieht kann ich ihm nicht widersprechen. Ihr wollt wissen wie er guckt? Ganz einfach, er sieht mich mit einem skeptischen Blick aus seinen grauen Augen und leicht verzogenem Mund an. Glaubt mir, wärt ihr ihm so verfallen wie ich, ihr würdet ihm jetzt auch nicht widersprechen wollen, oder eher können. Nun ja, jedenfalls gehen wir jetzt in die Cafeteria und holen uns etwas zu Essen. In der Cafeteria ist es mal wieder super überfüllt, überall stehen Leute im Gang, an den Tischen ist auch fast alles besetzt und eine lange Schlange steht am Ausgabetresen. Mir entrinnt ein Seufzen und mit eher gemächlichem Gang gehe ich Gregor hinterher. Dieser ist auf dem Weg zum Ausgabetresen, steuert mal wieder so dass er sich durch alle durchmogelt und behauptet das er dies als 'Alter Hase' darf. Glaubt mir, wir gehören nicht zu den alten Hasen, dafür sind wir zwei Klassen zu weit unten. Wer jetzt gut in Mathe ist weiß dass wir in der elften Klasse sind, da es hier ja dreizehn Klassen gibt.

„Gott, hab ich Kohldampf… Auch was?“

„Nee, kein Hunger.“

Gregor zieht nur kurz seine Schultern hoch und wendet sich dann wieder der Auswahl auf dem Tresen zu, zieht seine Augenbrauen zusammen und entscheidet sich dann für ein belegtes Brötchen mit Käse. Ich mag es wirklich wenn er diese kleine Falte auf seiner Stirn hat, das sieht immer nachdenklich und süß aus, auch wenn man Gregor eher nicht süß nennen kann oder sollte. Dafür ist er zu groß, zu männlich und viel zu breit. Man könnte sagen er ist der typische Russe, soll jetzt nicht rassistisch klingen, doch ich kenne nur Russen die solch einen Körperbau haben, nicht das es mich stört. Zum Beispiel Gregors großer Bruder, Ivan auch ganz typisch, ist noch größer und etwas breiter. Doch beide sind nicht dick, nur muskulös. Ich beneide die beiden ein wenig, denn im Gegensatz dazu bin ich wirklich ein Würstchen. Ich bin nicht gerade sehr groß, ich weiß 1,74m ist eine normale Größe, aber ich wäre gerne etwas größer, dann bin ich auch nicht gerade muskulös, dafür bin ich ein viel zu fauler Mensch. Wie man sieht, könnte man also sagen dass ich im kompletten Gegensatz zu Gregor stehe.

Der bezahlt gerade sein Brötchen und kommt wieder auf mich zu, lächelt schief und geht auf einen der Tische zu, ich folge ihm natürlich. Dort setzen wir uns, er isst und ich träume mal wieder vor mich hin. Mein Kinn habe ich auf meiner rechten Hand abgestützt und mein Blick ist auf irgendwo hinter Gregor gerichtet. Ich bemerke nicht wirklich was passiert, meine Gedanken sind gerade ganz wo anders. Ich denke darüber nach was wohl heute alles noch passieren wird, ob ich vielleicht mal meine große Schwester Jacqueline anrufen soll oder ob Fabian, mein kleiner Bruder, heute wieder zum Fußball geht?

Gregor sieht mich an, ich bemerke es natürlich nicht, lächelt leicht und isst weiter. Ich seufze auf, richte meinen Blick auf unsere Umgebung und sehe wie zwei bekannte Gesichter auf unseren Tisch zukommen, na toll. Keine zwei Sekunden sind sie dann auch schon da und setzen sich.

„Na ihr zwei Hübschen?“ - „Jo“

Beide reden mal wieder gleichzeitig und grinsen uns etwas debil an. Gregor grüßt sie mit vollem Mund zurück, ich nicke nur. Darf ich vorstellen? Sebastian Stigler und sein bester Freund Jonathan Heuhause, beide sechzehn Jahre alt und gehen in unsere Parallelklasse. Wen wundert's, sie sind mit uns befreundet und das schon seit der Grundschule. Wir waren auch bis vor zwei Jahren in der selben Klasse, nur hat sich das System dann geändert und die Klassen wurden neu aufgeteilt, seitdem sind wir in Parallelklassen. Sebastian ist eher der Stille der beiden und Jonathan der Aufgeweckte und man kann ihn auch so nennen, er redet ohne Punkt und Komma, hört meiner Meinung nicht mal auf wenn er keine Luft mehr bekommt. Sebastian war mir um ehrlich zu sein schon immer lieber. Der lächelt mich auch gerade leicht an, was seinen Mund sich kräuseln lässt. Übrigens weiß er das mit der 'Gregor Sache', jedenfalls nennt er es so. Halt mein schwuler Freund, ja schwul, bin ich übrigens auch, falls man es nicht gemerkt hat.

„- und dann kam da auf einmal dieser riesen Typ, ich glaub Tom oder so heißt der, weißt du was der gemacht hat? Ich sags dir! Der hat versucht mit Sebi zu reden, einfach so, obwohl die sich gar nicht kennen und dann flirtet der ihn an! Stell dir mal vor!“

Ich schalte Jonathan wieder aus und konzentriere mich wieder auf Sebastian, dieser sieht seinen Freund nur belustigt an, als dieser mit Gestiken versucht seine Worte zu untermalen. Findet er wahrscheinlich süß, ich finde es nur nervig.

„Seb, alles klar mit dem Kranich?“

Er versteht sofort was ich meine und lächelt weiterhin, nickt dann mit einem Blick zur Seite. Unterm Tisch merke ich wie er mein Bein anstupst, diesmal verstehe ich seine Geste. Sie bedeutet soviel wie alles in Ordnung und bei dir? Tja, wie gesagt wir kennen uns lang genug und da er mein kleines Geheimnis auch kennt, haben wir uns eine kleine, eigene Zeichensprache ausgedacht, die wir jetzt verwenden wenn wir über Themen sprechen die die anderen beiden hier nichts angehen.

„Geht so, kennst das ja.“

„Hm, hm. Nachher.“

„Gut.“

Damit ist dann auch unser Gespräch beendet und wir wenden uns wieder den anderen Beiden neben uns zu, Jonathan redet immer noch angeregt und Gregor hört augenscheinlich zu, dass er uns aber aus dem Augenwinkel beobachtet hat wissen wir nicht.

Bald darauf läutet es auch schon wieder und wir gehen in unsere Klassen zurück, somit auch in unseren Unterricht und in zwei weitere Stunden quälen bis wir wieder nach hause dürfen.

Kapitel 1




Kapitel 1 |Gregor's Sicht|




Orangerote Locken tauchen in meinem Blickfeld auf, der kleinere Körper läuft an mir vorbei und schießt den Ball auf das angestrebte Tor. Der Torwart ist trotzdem schneller und hält ihn knapp auf, seine Mitspieler jubeln ihm zu, er grinst stolz, doch dem Rotgelockten entfährt nur ein grummelnder Laut. Seine braunen Augen funkeln mürrisch, doch nicht ein Wort verlässt seine Lippen. Er dreht sich um, sieht mich an und kommt auf mich zu. Seine Augen haben einen ärgerlichen Ausdruck angenommen, anders als sonst, wo dort nur Gleichgültigkeit oder Selbstbewusstsein ist. Ich sehe ihm entgegen, lächle breit, wie immer und gehe auf ihn zu.

„Mach dir nichts draus, das war trotzdem spitze!“

Ich bekomme wie immer keine wirkliche Antwort, nur etwas Gegrummeltes, was ich nicht verstehe, doch ich bin daran gewohnt, also macht es mir nichts mehr aus. Wenn ich da an früher denke… Früher habe ich wirklich gedacht, er würde mich nicht mögen, vielleicht sogar hassen, doch seine große Schwester hat mich früh genug aufgeklärt. Gemeint er wäre nun mal so, könne sich nicht ändern, auch wenn er mich sehr mögen würde. Klein wie ich war, habe ich ihn darauf angesprochen, er ist rot geworden und hat das erste Mal etwas richtiges zu mir gesagt. 'Ich mag dich, aber reden ist doof.'

„Hey, komm schon, Max, nicht aufregen, war doch super!“

Mein Blick gleitet von Maximilian, meinem besten Freund, auf den Neuankömmling, zu dem sich Max gerade gedreht hat, Sebastian Stigler. Auch ein guter Freund von uns, seid der Grundschule denke ich, aber Max hat sich schon immer besser mit ihm verstanden als ich. Ich bevorzuge da schon eher Jonathan, Sebastians besten Freund. Irgendwie komisch, aber achten tut darauf sowieso niemand. Etwas verwundert sehe ich Sebastian an, denn da er nicht in unserer Klasse ist hat er hier eigentlich nichts zu suchen. Hat er etwa schon Schulschluss, oder was?

„Was machst du eigentlich hier?“

„Frau Holle ist krank, deshalb ist Spanisch ausgefallen.“

„Und?“

Verstehen warum er dann zu uns kommt kann ich trotzdem nicht, ich meine das macht der doch sonst auch nie, weshalb jetzt? Doch anstatt ihm antwortet mir Maximilian, mit einem leichten Lächeln. Ich weiß nicht wieso, aber das sieht bei ihm irgendwie immer wieder auf's Neue niedlich aus… Gott, ich könnt mich für meine eigenen Gedanken schlagen!

„Seb holt mich ab, wollten noch was bereden.“ - „Genau!“

Sebastian grinst, Maximilian verdreht, wegen der Unterbrechung, genervt die Augen und ich sehe beide an. Schön dass ich auch mal davon erfahre, so als besten Freund hat es mich natürlich gar nicht interessiert ob ich jetzt alleine nach hause darf oder nicht. Ach, das hab ich ja noch gar nicht erwähnt, Max und ich wohnen fast nebeneinander. Naja, was heißt nebeneinander, wir wohnen zwei Straßen von einander entfernt, haben aber trotzdem den selben Weg. Und selbstverständlich hab ich da gedacht wir würden wieder zusammen nach hause gehen, dass er andere Pläne haben könnte kam mir nicht einmal in den Sinn. Aber gut, kann ich ja auch nichts dran ändern.

„Herr Stigler, was machen sie denn hier? Setzen sie sich gefälligst, wenn sie schon zugucken müssen, aber lenken sie bitte nicht Herrn Rotfink und Herrn Braginski ab.“

Die Stimme unseres Sportlehrers, Herrn Abel, hallt uns vom anderen Ende der Halle entgegen und mit einem kurzen 'Hand heben' verzieht sich Sebastian auf die Bank. Max sieht ihm nach, wendet seinen Blick aber wieder auf mich. Ich lächle ihn an, doch er verdreht nur seine braunen Augen.

„Ach komm, lass uns weiterspielen!“

Noch bei meinen Worten dreht er sich um, wendet sich damit unseren Mitspielern zu, die wie wir nur dumm rumgestanden sind und ich versuche sie an zu herrschen sich endlich zu bewegen, da wir ja nicht nur zum Spaß hier sind. Das nächste Spiel wird angepfiffen, Max holt sich wieder den Ball und ich stehe nur in unserer Spielhälfte und tue rein gar nichts, Fußball ist einfach nichts für mich. Auch wenn man bei meinem Aussehen wohl das Gegenteil denken kann, denn im Gegensatz zu Max bin ich sehr kräftig gebaut, zwar kein Schrank wie mein großer Bruder, aber dennoch sehr stark und muskulös. Mein Vater nennt es russische Gene, ich nenne es Training. Doch trotzdem bin ich eine wirkliche Niete in Ballsport, was daran liegt das ich eher Kampfsport mache als anderes. Ich finde dieses ganze Spiel sowieso nur hirnlos, ich meine, zwanzig Männer die einem einzigen Ball hinterher hetzen und wie blöde versuchen ein Tor zu machen, was soll daran so toll sein? Nun ja, hier sind es nur neunzehn 'Männer', aber egal. Sebastian hat sich im Schneidersitz auf die Bank gesetzt und lacht mich gerade aus, er weiß zwar, dass ich eine echte Niete in Fußball bin, aber lachen kann er trotzdem. Ich schenke ihm nur einen genervten Blick, was ihn nicht dazu bringt sich zu beruhigen, viel lieber scheint er das Spiel zu verfolgen. Keine Ahnung weshalb, aber er scheint meiner Meinung nach viel zu viel auf dieses Spiel zu geben, ist in einem Fußballverein, geht zu jedem verdammten Spiel und hat sein Zimmer mit Postern der Spieler übersät. Obwohl ich ja denke, dass das andere Gründe als ihr Fußballspiel hat. Sebastian hat sich vor drei Jahren in unserem Freundeskreis geoutet, hat aber keinen wirklich gestört, nur Jonathan hat ein bis zwei Witze darüber gerissen, dass er sich nicht an ihn ran schmeißen soll. Muss man mit Humor nehmen, den Kleinen.

„Pass auf!“ - „Max schneller, du kannst das!“ - „Schieß doch!“

Meine Gruppe bricht in Gejubel aus und ich habe keinen Plan weshalb. Als ich mich umsehe, mit einem Blick der den meisten zeigt das ich nicht aufgepasst habe, merke ich aber schnell was abgeht. Max hat ein Tor geschossen und somit unserem Team zum 2:1 verholfen und da wir nur noch knappe zwei Minuten Spielzeit haben, haben wir wahrscheinlich gewonnen. Ich meine wer schafft schon ein Tor in zwei Minuten? Die Jungs werfen sich regelrecht auf ihn, was er mit einem Grummeln kommentiert und ich kann nicht anders als mir einen ab zu grinsen. So wie Max aussieht würde er den anderen aus unserer Gruppe gerne eine verpassen, vielleicht sogar zwei und sie von sich schubsen, doch dass wird ja gerade nicht zugelassen. Ich freue mich zwar auch, aber an sich verstehe ich die Begeisterung der anderen nicht wirklich, ich meine: Es ist nur ein Spiel. Gewinnen ist zwar toll und es fühlt sich schon geil an, aber ich für meinen Teil möchte mir darauf lieber nichts einbilden. Hab ja nicht mal etwas dazu beigetragen…

Bald darauf wird auch schon abgepfiffen und das Spiel, damit auch unsere Sportstunde ist vorbei. An dem Ergebnis hat sich nichts geändert, auch wenn Romanoff, ein Junge aus dem anderen Team, fast einen Ausgleich geschaffen hätte. Wäre Karsten Schreber nicht unser Torwart gewesen, der Gute spielt mit Sebastian im Verein, weshalb es auch niemanden verwundert hat als er den Ball einfach so gehalten hat und glaubt mir der kam schnell und hart. Da wir gewonnen haben, können sich die Jungs aus dem anderen Team von uns jetzt fertig machen lassen, ganz vorn dabei: Julian Schillig. Man könnte ihn Klassenclown/Rowdy nennen, tut aber keiner. Wir Jungs kennen uns jetzt schon alle seit der fünften Klasse, wenn nicht die meisten noch aus der Grundschule und naja, man gewöhnt sich halt an alles. Er ist ja nicht wirklich gemeingefährlich, doch gibt es kleine Prügeleien, man findet ihn immer entweder mitten im Gefecht oder danebenstehend. Im Moment macht er sich über die anderen Jungs lustig, sie haben halt verloren und müssen sich das jetzt antun. Mich kümmert es ja weniger, doch lache ich schon mit wenn jemand einen Witz macht. Max zieht sich derweil in aller Ruhe um, auch wenn Sebastian auf ihn wartet, scheint er es nicht gerade eilig zu haben. Falls sich jetzt jemand fragt, nein, wir duschen hier nicht. Auch wenn es Duschen gibt, glaubt mir sie sind auch sauber, aber wer weiß schon wer alles hier schon stand und geduscht hat, wer weiß was für Bakterien sich hier gesammelt haben, igitt, sag ich da nur. Ich bin in diesem Sinne auch nicht der Einzige der so denkt, keiner aus unserer Klasse würde sich freiwillig unter eine dieser Duschen stellen, ist doch aber auch widerlich, wenn man bedenkt wer da schon alles drin war. Ich bin gerade dabei mir mein Hemd zuzuknöpfen, als ich aus den Augenwinkeln wahrnehme wie sich Max durch seine Schulterlangen Locken fährt, eine seiner Strähnen kritisch betrachtet und dann sein Hemd fertig zuknöpft.

„Schon fertig?“

„Ja.“

Ich lächle ihn an, er tut es mir mit einem kleinen Mundwinkelzucken nach. Ich sehe ihm kurz in die Augen, lege mir dann mein Jackett um die Schultern und fange an zu grinsen. Um ehrlich zu sein, ich mag unsere Schuluniform, bestehend aus weißem Hemd, schwarzer Hose und rotem Jackett für die Jungs und schwarzem Rock, weißer Bluse und rotem Blazer für die Mädchen. Den Rest können wir wie wir wollen variieren, wie Max zum Beispiel mit einer schwarzen Krawatte und einem Batman Anstecker und ich mit einer roten Fliege und Lederarmbändern um meine beiden Arme. Jedem soll seine Individualität gewahr bleiben, sagt die Schulordnung alias unser Schulleiter.

„Bin dann mal weg.“

Max dreht sich um und will schon gehen, als ich ihm hinterher sprinte und neben ihm her gehe. Auch wenn wir heute nicht zusammen nach hause gehen, können wir ja trotzdem noch ein kleines Stück zusammen laufen, denke ich. Er sieht mich nur an, mit skeptischem Blick, doch verliert er sich bald darauf wieder in seinen Tagträumen und bekommt einen leicht verpeilten Ausdruck.Wir sind gerade mal aus der Turnhalle raus, als wir auch schon Sebastian wartend an der Mauer lehnen sehen. Ich weiß um ehrlich zu sein nicht was ich von ihm denken soll, einerseits ist er wirklich nett und da ich ihn schon seid Jahren kenne auch ein guter Freund von mir, aber andererseits kann ich nie sagen was in seinem Kopf vorgeht, er ist so undurchschaubar, jedenfalls für mich. Max und er scheinen aber irgendwie auf einer Wellenlänge zu sein, verstehen sich auch ohne Worte, ich dagegen brauche ein paar um zu verstehen was die beiden möchten. Mich nervt es etwas das mein bester Freund sich ganz ohne Worte mit ihm verständigen kann und die beiden sich fast noch besser verstehen als er mit mir, aber gesagt habe ich bis jetzt noch nie etwas. Würde doch auch etwas komisch kommen, wenn ich mich bei ihm darüber beschwere dass er sich mit einem anderen Jungen besser versteht als mit mir. Würde das nicht etwas, naja, schwul rüberkommen? Keine Ahnung, ehrlich.

„Da bist du ja, lass uns gehen.“

„Kay, bis dann Greg.“

Ich winke nur, gehe dann weiter ohne mich über meinen Vornamen aufzuregen. Eine Seltenheit so was, aber er darf das. Seit wir uns kennen nennt Max mich Gregor oder einfach nur Greg, bei jedem anderen würde ich ausflippen, wirklich ich mag meinen Vornamen nicht und alle außer meiner Familie dürfen mich nicht so nennen, außer Max. Ist halt mein bester Freund und hat somit Privilegien, die keiner sonst genießen darf. Ich fand es damals irgendwie niedlich als er mich gefragt hat ob er mich den so nennen darf, man sollte erwähnen dass ich kurz zuvor einem anderen Jungen deshalb eine gehauen habe, war halt noch klein. Ich habe gemeint, dass nur er das dürfte und niemand sonst, daraufhin hat er gestrahlt. Wir haben nie wieder über dieses Thema geredet, weshalb auch, mich stört es ja genauso wenig wie es ihn stört wenn ich ihn Maxi nenne. Bei ihm ist es wohl genau anders herum, er liebt seinen Vornamen, kann es deshalb auch nicht ab, wenn ihn jemand Maxi nennt oder ihm einen anderen Kosenamen gibt. Er regt sich dann immer so künstlich auf, ist immer wieder witzig mitanzusehen.

Ohne wirklich auf meinen Weg zu achten, ich gehe den schon verdammte zehn Jahre, weshalb sollte ich also aufpassen, mache ich mich auf den Weg zu den Bushaltestellen. Und sehe meinen Bus gerade vor meiner Nase wegfahren, scheiße. Ich habe mir, auch wenn ich schon verdammt lange mit diesen Bussen fahre, nie die Fahrtzeiten gemerkt. Dafür hatte ich bis jetzt immer Max, der die wirklich alle auswendig kann, eine Eigenart von ihm, sich Dinge merken die man nicht wirklich wahrnimmt, aber im Notfall braucht. Und man kann sagen, er merkt sich wirklich viel. Meine Füße tragen mich zu den Fahrplänen, vor denen gerade drei kleine Fünftklässlerinnen über irgendwas diskutieren. Als sie mich sehen, gehen sie ein paar Schritte weiter und fangen wieder an zu tuscheln. Ich achte nicht wirklich auf sie und sehe mir den Fahrplan an, als ich meinen gefunden habe muss ich unweigerlich anfangen zu seufzen. Noch ganze zehn Minuten muss ich warten, na toll. Darauf habe ich wirklich keine Lust, das blöde an der ganzen Sache ist ja auch noch, dass ich mit niemandem fahren kann. Max ist mit Sebastian unterwegs und der Einzige der noch mit mir fahren würde ist Jonathan, aber der hatte schon vor guten zwei Stunden Schulschluss und ist wahrscheinlich gleich nach hause gerannt, so wie ich ihn kenne jedenfalls. Der nimmt fast nie den Bus, der rennt meist gleich nach hause und das obwohl er fast zwanzig Minuten von unserer Schule entfernt wohnt. Ist halt immer auf Zack, der Kleine.

Da mir stehen zu dumm ist setze ich mich auf eine der unzähligen Bänke, lege meine Tasche neben mir ab und fahre mir einmal kurz durch meine Haare. Sie sind nicht gerade lang, gehen mir gerade mal bis zu dem Anfang meiner Ohren, stehen auch sonst zu allen Seiten ab, und sind schwarz, einfach nur schwarz. Eine wirkliche Seltenheit bei uns Russen und ja, ich darf so reden, bin ja schließlich einer. Mein Bruder zum Beispiel hat goldblonde kurze Haare, mein Vater ebenso, nur meine Mutter hat hellbraune Haare. Damit habe ich schon mal nichts mit ihnen gemein, was mich aber weniger stört, dafür sehe ich meinem Opa sehr ähnlich. Oder sah ihm ähnlich, wie man's nimmt.

Schneller als gedacht vergehen die zehn Minuten und ich kann endlich nach hause fahren, ich hätte es nicht länger neben diesen gackernden kleinen Mädchen ausgehalten. Ich mag kleine Kinder zwar, aber man hält es trotzdem nicht in der Nähe von diesen Gören aus, nicht mal wenn man der kinderliebste Mensch auf der gesamten Welt wäre. Schnell verziehe ich mich nach hinten, nachdem ich dem Busfahrer, der so aussieht als wäre er schon den gesamten Tag unterwegs, meine Fahrkarte gezeigt habe. Die Zeit im Bus vergeht wie im Flug und das obwohl ich vergessen habe meinen Mp3-Player einzupacken. Muss ich diesmal wohl auf Stanfour verzichten, schade, aber nicht zu ändern. Mein Blick ist die ganze Zeit nach draußen gerichtet und ich sehe den Passanten dabei zu wie sie von einem Ort zum Anderen gelangen. Dabei verliere ich meine gesamte Anspannung, nach Sport doch kein Wunder, und entspanne etwas. Meine Augen schließen sich kurzzeitig und ein Seufzer entfährt mir. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass eine Fahrt ohne Max so langweilig werden würde.

Nach fast zwanzig Minuten Fahrt steige ich am Mittelstadtring aus und mache mich auf den Weg zu meinem Zuhause, einem kleinen aber gemütlichem Haus in der Rotlandstraße. Weiß der Geier warum sie so heißt und man kann mir glauben wenn ich sage, dass es mich nicht im Geringsten interessiert, Max hat es sich aber mal zur Aufgabe gemacht etwas über die Straßennamen in ganz Düsseldorf zu lernen, scheint sein Tick mal wieder durchzuscheinen. Nun ja, lange Rede kurzer Sinn, keine fünf Minuten bin ich zuhause angekommen, gerade dabei meinen Schlüssel raus zu kramen, als mir auch schon mein großer Bruder die Tür öffnet. Er sieht mich mit einem geradezu verschwörerischem Blick an und ich blicke nicht durch, ich meine was hat der denn jetzt?

„Babushka ist da, lauf lieber schnell nach oben bevor sie dich-“ - „Gregor! U vas byli nakonets! Grüß deine Oma.“

Ich bekomme Panik, sehe zu Ivan und weiß, ich hab keine Chance mehr, bin verloren, game over Gregor. Na toll. Mir entfährt zum wiederholten Male an diesem Tag ein Seufzen, mir entgleitet im Flur meine Tasche, mein Jackett werfe ich achtlos darauf und meine Füße tragen mich den Weg zu unserem Wohnzimmer, in dem meine Mutter und meine Oma sitzen. Ich umarme meine Mutter kurz, gebe ihr einen Kuss auf die Wange und knie mich dann vor meine Oma. Man fragt sich jetzt sicher weshalb? Ganz einfach, mir wurde seid ich ganz klein war schon beigebracht den älteren Menschen mit Respekt zu begegnen. Alle müssen sich vor meine Oma knien, bis sie einem erlaubt sich aufzusetzen. Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange und spüre wie sie mir durchs Haar fährt, scheint sie an ihren toten Ehemann zu erinnern.

„Schön das du da bist, Babushka.“

„Spasibo Gregor, steh doch bitte auf und setz dich.“

Ihre Stimme klingt wie immer, wenn sie mit mir spricht, gebrochen und wärmer als bei anderen. Das liegt wohl daran, dass ich aussehe wie ihr verstorbener Mann und ihr damit eine Freude mache. Sie vermisst ihn wirklich sehr und seit seinem Tod kommt sie immer öfter um mich zu sehen, nur um nochmals in das selbe Gesicht zu sehen. Mit einem Lächeln auf den Lippen stehe ich auf und setze mich neben meine Mutter auf die hellgrüne Couch.

„Wie war die Schule, mein Süßer?“

„Wie immer Matʹ. Der Stoff ist in letzter Zeit sehr einfach und ich komme gut mit.“

„Schön, schön.“

Mit einem Lächeln, das nur eine Mutter zustande bringen kann, sieht sie mich an und ich kann nicht anders als es zu erwidern. Sie gibt mir noch einen kleinen Kuss auf die Stirn, als auch mein Bruder wieder zu uns stößt und ein Gespräch mit unserer Großmutter anfängt. Ich höre nur mit halben Ohr zu, obwohl ich wohl aufpassen sollte, egal. Meine Gedanken sind gerade ganz wo anders, in den Wolken könnte man sagen und ich komme mir langsam so vor als würde ich Charaktereigenschaften von Max übernehmen, gruselig. Den gesamten Nachmittag verbringe ich mit meiner Familie, Gesprächen über den nächsten Urlaub in Russland und als dann mein Vater nach hause kommt, merke ich erst dass es schon halb sieben ist, ich sollte wohl langsam mal meine Hausaufgaben machen. Widerwillig erhebe ich mich, gebe meiner Oma noch einen Kuss auf die Wange und gehe dann in mein Zimmer.

Oben angekommen frage ich mich noch kurz was Max und Sebastian wohl gemacht haben und setze mich dann mit einem weiteren Seufzen an meine Hausaufgaben.

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Texte: Alle Rechte liegen bei mir
Bildmaterialien: Alle Rechte liegen bei mir
Tag der Veröffentlichung: 21.11.2012

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