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Teil 1 von 2




Augen, so grün wie die schönsten Wiesen. Lippen, so voll und rot. Haare, so braun wie Espenlaub im herbstlichen Fall. Alles, einfach alles an ihm faszinierte mich immer wieder aufs neue. Ich konnte meinen Blick nie von ihm abwenden, niemals woanders hinsehen oder mich ablenken wenn er in der Nähe war. Es war wie ein Fluch, zwar ein wunderschöner doch immer noch ein Fluch, den niemand brechen konnte. Deshalb versuchte ich es auch erst gar nicht, würde ich es doch nicht schaffen. Und folgte meiner inneren Begierde und beobachtete ihn, bis an jenen schicksalhaften Tag.

Wir hatten gerade eine weitere Stunde Englisch hinter uns gebracht, unser Lehrer schrieb uns noch die Hausaufgaben an die Tafel und alle machten sich zum Aufbruch bereit. Nur ich schrieb die Zeilen schnell ab, packte meine Sachen eher gemächlich und ließ meinen Blick schweifen. Bis er festhing und nirgends mehr hin konnte. Er saß noch auf seinem Stuhl und vor ihm stand dieses eine Mädchen, das Mädchen was ihn immer so ansah als würde sie ihn verschlingen wollen. Sie sprachen miteinander, sie lachte und automatisch fiel er mit in ihr Lachen ein, was so falsch und verlogen klang als das es jemals echt sein konnte. Unerklärlicherweise bildete sich ein Kloß in meinem Hals, der auch durch mehrmaliges Schlucken nicht verschwand. „Jonathan! Kommst du?“, wurde ich aus meinen Träumen gerissen und sah mich zu dem Sprecher um. Es war mein bester Freund Nicolas, der mir mit wedelnden Händen zeigen wollte das ich ihm gefälligst zu folgen hatte. Schnell räumte ich noch die restlichen Schulsachen in meine Tasche und hängte sie mir im losgehen um, als ich genau an ihm und ihr vorbeiging spürte ich einen Blick in meinem Nacken, doch achtete ich nicht weiter darauf, da ich so schnell es eben ging hier weg wollte.

Kaum bei Nicolas angekommen klopfte er mir freundschaftlich auf die Schulter und legte seinen Arm um sie, lachte lauter als wahrscheinlich beabsichtigt und meinte mit lachender Stimme: „Tobi meinte er schmeißt heut' ne Party! Alter, lass mal hingehen! Wird bestimmt voll geil!“, ein fettes Grinsen bildete sich auf seinen Zügen als ich leicht nickte und mich ebenfalls zu einem kleinen Lächeln zwang. Danach war mir zwar nicht zumute, aber ich konnte ihn ja wohl schlecht enttäuschen, was Partys anging war er nun mal ein Hengst. Wirklich, er schleppte mich immer dort hin und verschwand wenig später mit irgendeinem Typen oder irgendeiner Tusse, war es ihm doch egal welches Geschlecht sein nächster Partner hatte. Gut das er es noch nie ernsthaft bei mir versucht hatte, ich war ihm wohl einfach etwas zu wichtig, jedenfalls hoffte ich das einfach mal. Außerdem brauchte ich unbedingt ein wenig Ablenkung, so konnte das hier doch nicht weitergehen! Ich war doch gerade erst achtzehn Jahre alt geworden und hatte noch soviel vor mir, da sollte ich mich nicht in irgendeinen Typen verlieben und nicht mal ein wenig Sex haben. Und bevor hier irgendwer was sagt, ich bin auch nur ein Mann und hab auch nur meine Bedürfnisse, die schon seit einer Ewigkeit nicht gestillt wurden und meine Hand war jetzt auch nicht der Knüller. Hört sich zwar etwas schäbig an, war aber so.

Immer noch vor sich hin labernd und lachend ging Nico weiter und führte mich so, da ich ja immer noch praktisch in seinen Armen lag, nach draußen zu den Bussen, die uns glücklicherweise nach hause bringen würden. Da wir beide nebeneinander wohnten war es ganz praktisch, da wir in den selben Bus steigen mussten und uns so noch etwas unterhalten konnten. Den der mein Herz gestohlen hatte versuchte ich einfach mal aus meinen Gedanken zu blenden, Gott sei dank fuhr er nicht mit in unserem Bus und wohnte am anderen Ende der Stadt. Kaum an der Haltestelle angekommen fuhr auch schon unser Bus ein und freudig stiegen wir in eben diesen, setzten uns in gewohnter Manier nach ganz hinten, was ein paar Achtklässler dazu brachte sich aufzuregen. Darüber konnte ich nur seufzen und Nico schmunzeln, ja ich fragte mich wirklich gerade ob wir früher auch so bescheiden in unserem Denken gewesen waren und uns auch so dermaßen cool gefühlt hatten, ich hoffte ja mal ganz stark nicht, auch wenn Fotos und Aufnahmen von früher wohl das Gegenteil zeigen würden. Schrecklich, schrecklich. Aber auch nicht mehr zu ändern. Nico und ich, die wir zur Endstation fahren mussten, hatten uns in ein wenig sinniges Gespräch über Comics verloren und sinnierten gerade darüber wer besser war: Superman oder doch der Flash? Ich war ja der Meinung Flash, doch Nico konnte es nicht lassen und schwärmte von diesem durch trainierten Body, der ja eindeutig Superman zum Gewinner kürte, tja jedenfalls in seiner Vorstellung. Ich beharrte standhaft auf meinem Argument, dass Flash Superman schon einmal besiegt hatte, doch fiel mir leider die Heftnummer des Ganzen nicht ein, was Nico dazu brachte laut, „Betrug!“, zu schreien. Als sich dann mal wieder ein paar Mitinsassen zu uns umdrehten fing Nico an zu lachen, doch ich konnte nur seufzen. Es war wirklich immer wieder die Selbe Masche, jeden Tag wurden wir praktisch angestarrt weil wir entweder über Comics redeten oder man uns sowieso für total bekloppt hielt, da Nico immer wieder übernatürlich laut lachen musste. Wäre ich nicht schon an das Ganze gewohnt gewesen, mir wäre es wirklich total peinlich gewesen. Doch da der Kerl neben mir nun mal mein bester Freund war, konnte mir das nicht mehr peinlich sein. Wäre ja auch irgendwie komisch gewesen, ich war ja selbst nicht ganz normal im Kopf. Doch meiner Meinung nach besser als total normal und langweilig.

Irgendwann wurden wir dann aus unserem äußerst interessanten Gespräch über Kohlköpfe gerissen, als die Endstation und damit unsere angekündigt wurde. Wie wir auf so einen Schwachsinn gekommen waren wusste ich selbst nicht mehr, aber das war ja auch egal, denn wieso, weshalb, warum, ich war am gewinnen. Wer weiß wobei man bei Kohlköpfen gewinnen konnte, aber das war ja auch mal wieder egal. Schließlich kamen wir an, unser Bus hielt und Nico entschied sich das Thema zu wechseln, was mit der Frage: „Würdest du mal mit mir schlafen?“, anfing und damit endete das ich mindestens tausendmal „Nein.“, sagen musste. Nicht schön, aber ich kannte das ja schon zu genüge. Leicht schmollend lief er einige Schritte vor mir und bog in unsere kleine Nebenstraße ein, was ich ihm wenig später gleichtat. Bis wir dann an unseren Häusern ankamen, vergingen nicht mal zwei Minuten und Nico hatte wieder angefangen darüber zu reden dass man doch mal versuchen könnte die alte Mrs. Follworth dazu zu bringen mal zu lachen. Mrs. Follworth war unsere Geschichtslehrerin und verstand wirklich nicht ein Fitzelchen Spaß, ich war ja der Meinung sie hätte sich ihre Gesichtsmuskeln so lange straffen lassen, bis sie sie einfach nicht mehr bewegen konnte, doch Nico war davon überzeugt es irgendwann zu schaffen und sie lachen würde. Tja, bis zu diesem Tag hatte es noch nicht funktioniert und Nico war fast jede Stunde wegen Störung des Unterrichts nach draußen geschickt worden. Und er tat mir nicht ein bisschen leid, man sollte sich halt nicht mit seiner Geschichtslehrerin ein Witzebattle liefern wollen.


Ein kleiner Zeitsprung




Mein Schlüssel steckte schneller als gedacht im Schlüsselloch und ebenso schnell schloss ich meine Haustür auf. Nico war vor wenigen Sekunden mit den Worten: „Lass dich ja nicht von Orks fressen!“, gegangen und in seinem Haus verschwunden. Schon alleine an seinen Worten merkte man das er ein völliger und durchgeknallter Computerfreak war, doch das störte mich nicht im Geringsten. Ich redete zwar nicht so viel und wie er, doch spielte ich fast die Selben Spiele und auch noch viel öfter und mehr als er. Meine Schritte trugen mich in mein Haus und mit meinem rechten Fuß stieß ich die Haustür wieder in ihre Angeln, was wohl lauter als beabsichtigt war, denn kaum hatte ich meine Schuhe ausgezogen trat mein kleiner Bruder auf den Flur und grinste mich etwas debil an. 'Nicht wundern Jo, das macht er doch immer.', schoss es mir noch durch die Gedanken als er auch schon auf mich zu gerannt kam und sich mit voller Wucht auf mich schmiss. Leicht, ich war es ja schon gewohnt, fing ich ihn auf und hob ihn hoch. Er war ja erst neun und ein wirkliches Fliegengewicht, wog vielleicht gerade mal 35 Kilo oder so und ich mit meinen 1,90m und 78 Kilos konnte ihn da ganz leicht hochheben und umhertragen. „Jo! Du bist wieder daha! Essen!“, lachte der Kleine vor sich hin und beharrte bei dem letzten Punkt auf eine schnelle und leckere Lieferung meinerseits. „Ist Collin schon da? Er wollte Lebensmittel mitbringen.“, fragte ich und trug meinen kleinen Bruder in die Küche. Collin war mein älterer Bruder, gerade 23 geworden und wohnte immer noch bei uns zuhause, weshalb er von meiner Mum den Einkaufsdienst auf gebrummt bekommen hatte. „Nee, der hat doch heute so ein Dingens, wie heißt's noch gleich… Werbungschirgendwas…“ - „Bewerbungsgespräch?“ - „Ja!“, lachte er und grinste mich nach seiner neusten Erkenntnis fröhlich an, worauf ich ihm einfach einen Kuss auf die Stirn geben musste und ihn auf einen Stuhl setze, wo er sich leicht angewidert guckend seine Stirn rieb. Jetzt musste ich wohl mal sehen was wir noch essbares hatten und sehen ob ich daraus etwas für Florian zaubern konnte. Ich öffnete den Kühlschrank und spähte hinein, wir hatten noch ein paar Eier und etwas Käse, Gewürze hatten wir auch zu genüge. „Flo, hast du Lust auf Omelett?“, meine Frage beantwortete sich durch seinen Magen von selbst. In diesem Moment würde er wohl alles essen, Hauptsache der Drache in seinem Magen würde nicht raus kommen. Diese kleine Geschichte mit dem Drachen der in ihm wohnte und sich immer dann bemerkbar machte wenn er Hunger hatte, hatte ich mir vor ein paar Jahren ausgedacht. Erst war er ja ganz Macholike nicht drauf eingegangen, als dann aber wenig später sein Magen zu Jaulen begonnen hatte kam er mit Tränen in den Augen zu mir angelaufen und heulte sich die Augen aus. Ich sollte ja etwas kochen, damit der Drache nicht raus kam, hatte er geschrien und ich konnte das nur mit einem Grinsen und kochen begleichen. Jetzt, ich denke mal 5 Jahre später glaubte er immer noch fest an meine Geschichte und ließ sich nicht abschütteln, bis man ihm etwas zu essen machte, was ich irgendwie süß fand.

Mit meiner rechten Hand machte ich die Herdplatte an und mit meiner linken suchte ich nach dem Radioknopf, der das alte Ding anschalten sollte, was auch klappte. Kaum war es an, dröhnte Billy Joe Armstrong durch die Küche und forderte mich auf ihn Ende September zu wecken, was ich ihm mit Freuden erfüllt hätte. Nur war es gerade Oktober und der September längst vorbei, schade musste ich wohl auf nächstes Jahr warten. Die Pfanne fand ich wie immer an ihrem festen Platz im Küchenschrank und kaum war sie auf der Herdplatte, beförderte ich eine kleine Rührschüssel aus dem selben Schrank und holte meine Zutaten aus dem Kühlschrank. Die Eier wurden aufgeschlagen und mit einem kleinen Schuss Milch in die Rührschüssel gegeben, kurz darauf folgten die verschiedensten Gewürze und schon wurde alles mit einem Schneebesen vermengt. Florian saß sich immer noch aufgeregt den Bauch haltend, versuchte so seinen Drachen etwas zu beruhigen und redete sogar auf seinen Bauch ein. Ich bekam wegen der Lautstärke des Radios nicht viel mit, hörte nur Fetzen wie: „Drache“ - „Nicht raus kommen“ und „Wenn du drin bleibst bekommst du lecker Omelett!“. Bat er wirklich gerade seinen kleinen Drachen in seinem Bauch zu bleiben und bestach ihn mit meinem Omelett, was noch nicht mal angefangen war? Das war ja wirklich süß, genau diese Gedanken brachten ein leichtes Lächeln auf mein Gesicht.

Das Omelett war schneller fertig als gedacht und als ich es in der Pfanne noch mit ein paar Scheiben Käse garniert hatte, tischte ich es meinem kleinen Florian auf, reichte ihm noch Messer und Gabel und meinte ich würde in mein Zimmer gehen. Essen konnte ich jetzt nichts, waren meine Gedanken doch von dem einen auf den anderen Augenblick wieder bei ihm gelandet. Bei diesem Traum von einem Mann, bei Rudi. Mit vollem Namen hieß er zwar Rudolf, doch er ließ sich nicht gerne so nennen, was ich überhaupt nicht verstand. Jaja, viele verglichen ihn deshalb mit Rudolf dem Rentier, doch ich tat es nicht. Selbst wenn, das Rentier war doch total süß und außer der roten Nase hatte Rudolf doch ebenso süße Züge. Naja, ich würde es wohl nie verstehen wenn Leute ihre Vornamen nicht mochten, ich mochte meinen Namen. Jonathan war doch ein schöner Name, oder etwa nicht? Schnell schüttelte ich mit meinem Kopf und stieg die Treppen nach oben hoch, hinterließ einen völlig zufriedenen kleinen Jungen und ein etwas größeres Chaos, was mein lieber Bruder Collin nachher wegmachen konnte, so als kleine Strafe das er nicht einkaufen war. Zwar fand ich auch das ein Bewerbungsgespräch wichtiger war, aber er hatte heute genug Zeit um eben dies zu tun und hatte es nicht gemacht. Wahrscheinlich hatte er bis spät geschlafen und war gerade noch so pünktlich aufgestanden, dass er sich neue Klamotten anziehen und seine Zähne putzen konnte, hatte sich wahrscheinlich meinen letzten Joghurt gestohlen und war losgelaufen, um auch ja nicht den Bus zu verpassen, der bei uns leider nur alle halbe Stunde fuhr. Das hatte er jetzt davon und leid tat es mir auch nicht.

Oben angekommen streckte ich mich kurz und hörte das altbekannte Knacken meiner Knochen, wie ich das doch hasste, doch Gedanken daran zu verschwenden, war wie schon angedeutet reine Verschwendung meiner kostbaren Zeit. Ich musste noch meine Hausaufgaben machen, mein Zimmer einigermaßen aufräumen und mir ein Outfit für heute Abend raus suchen, kneifen ging ja schon mal nicht da mein nerviger Nachbar mich eingeladen hatte. Also machte ich mich mit schnellen Schritten auf in mein Zimmer, was zur letzten Tür rechts war. Meine Tür zierte eine schöne Aufschrift: Keep out! Ich sag nur old but gold, es hat zwar noch nie wirklich Menschen davon abgehalten in mein Zimmer zu stürmen, aber naja mir gefiel es halt. Ich öffnete meine Tür und trat in ein völliges Chaos, auch mein Zimmer genannt ein und verschwand augenblicklich in meinem ganzen Schrott. Die Tür fiel zu, ich bequemte mich zu meiner Anlage und schaltete sie an. Da mein Ipod an ihr angeschlossen war meinte Adam Grahn mir sagen zu müssen das er von dort unten meine Unterwäsche sehen konnte, was mich zum mit summen brachte. Ich stieg erst mal über meine ganzen Klamotten, Bücher und Schulsachen hinweg, auf dem Weg zu meinem Bett, auf dem fein säuberlich eine kleine Sammlung Comics lag, etwas weiter daneben ein kleiner weißer Teddybär, namentlich Sir Bubu von Hohenfels genannt, für Freunde auch nur Bubu. Falls sich jetzt jemand dazu herablässt und über mich lacht, weil ich als achtzehn jähriger junger Mann noch einen Stoffbären habe, halt die Klappe! Bubu ist nicht nur irgendein Bär, nein er ist ein waschechter Eisbär und ich habe ihn schon seit ich ganz klein bin, außerdem kann ich seit Jahren nicht ohne ihn schlafen, warum sollte ich ihn dann in einem Schrank verstauben lassen? Das klang für mich nicht sinnig und würde es wahrscheinlich auch nicht. Weshalb er einen Ehrenplatz in meinem Bett hatte, ganz oben auf meinem Kissen.

Mein Blick glitt zu Seite nach links oben, wo meine Batmanuhr hing und mit einem klagendem Laut stellte ich fest das ich noch genau 5 Stunden Zeit hatte, bis mein ach so toller Nachbar kommen und mich mitschleppen würde. Selbst wenn ich nicht wollte, er hätte mich bestimmt in einen Sack gesteckt und über seine Schulter geworfen, auch wenn ich nicht daran glaube das er stark genug dafür wäre. Obwohl, meiner Meinung nach hätte er sich dann einfach mit Collin verbündet, der bestimmt angepisst sein musste wenn er das Chaos in der Küche sah. Wiedermal schüttelte ich nur meinen Kopf, entließ so meine wirklich langsam komisch nervenden Gedanken, aus ihm und machte mich ran alles etwas aufzuräumen. Meine Mum würde mich killen, wenn ich einfach so verschwinden und nicht mal aufräumen würde, da war sie sehr streng und auf Hausarrest hatte ich überhaupt keinen Bock. Ich fing also an die Klamotten auf meinem Boden in den Wäschekorb im Bad zu tragen, egal ob davon etwas ungetragen war, schmutzig war es auf dem Boden sowieso geworden und davon etwas tragen, nein danke. Nach fast zehn Minuten war das ganze hinter sich gebracht und ich machte mich daran den Müll in eine Tüte zu schaufeln und nach unten in die Küche zu bringen, später wenn ich gehen würde, würde ich sie mitnehmen… Oder auch nicht, so wie ich mich kannte vergaß ich es sicherlich. Florian war hoch in sein Zimmer verschwunden und hatte seinen Teller ordnungsgemäß in die Spüle geräumt, was mich zum lachen brachte, praktisch noch mehr Arbeit für Collin. Man sollte mein Verhalten nicht falsch verstehen, ich mag meinen großen Bruder wirklich sehr, doch so als Bruder muss man doch auch mal fies zueinander sein, so waren doch die Regeln und ich hatte vor mich an sie zu halten. Leise kichernd, was sich bei mir als Junge wohl ganz schön dumm anhörte, ging ich wieder nach oben und holte den Staubsauger aus dem Abstellraum. Bewaffnet fing ich an mein Zimmer zu saugen, nebenbei hatte ich mein Bett gemacht und meine Comics vorsichtig, sodass sie ja nichts vom Staub oder anderem Dreck abbekamen, in ihre verschiedensten Kisten in meinem Regal geräumt. Nachdem ich auch mit saugen fertig war, fiel mir auf das mein Zimmer gar nicht mal so dreckig gewesen war, halt nur etwas unordentlich.

Mir fiel fast ein Stein vom Herzen als ich endlich meinen Schreibtisch wieder sehen konnte, der war die letzten Wochen unter Bergen von Schulsachen und anderem Krimskrams verschollen und ich hatte ihn schon gesucht gehabt, nur halt nicht gefunden. Jetzt war mein Zimmer wieder passabel, der Boden war frei von Dreck und Klamotten, man konnte wie gesagt den Schreibtisch wieder sehen und mein Bett war auch gemacht. Mein Regal, das die ganze rechte Seite meines in dunkelgrün gestrichenem Zimmer einnahm, war sowieso immer aufgeräumt, nichts kam mir über meine Comic- und Spielsammlung. Das einzige was noch störte war mein Schrank, aus dem unglücklicherweise immer irgendwelche Klamotten gucken mussten, doch so war ich nun mal und mein chaotischer Schrank war ein Teil meiner Selbst, da konnte ich ihn doch nicht aufräumen! Jetzt brauchte ich erst mal eine Pause, doch mit einem weiteren Blick auf die Uhr kam ich zu dem Schluss das ich dafür überhaupt keine Zeit hatte. Aus den anfänglichen fünf Stunden waren drei geworden und ich schätzte mal für meine Hausaufgaben brauchte ich anderthalb, der Rest ging fürs Duschen und zurechtmachen drauf. Mit einem Seufzen erhob ich mich wieder von meinem Bett, auf dem ich es mir bei meinen Überlegungen gemütlich gemacht hatte, und setzte mich an meinen Schreibtisch, zückte meine danebenliegende Tasche und kramte mein Hausaufgabenheft raus. 'Aha, Mathe, Chemie und Geschichte also… Scheiße…', seufzte ich innerlich und ließ meinen Kopf auf die Tischplatte fallen, ich hatte ja mal überhaupt keine Lust auf Chemie und Geschichte. Mathe war ja noch ganz okay, aber in Chemie stieg ich schon seit der siebten Klasse nicht mehr durch und kam nur nie auf eine fünf auf dem Zeugnis, da ich mich sehr oft meldete, reden konnte man ja über wirklich alles, aber sich den ganzen Kram merken? Nee, musste nicht sein. Wofür sollte ich diesen ganzen Kram denn später gebrauchen? Mich würde bestimmt niemand fragen ob ich Einsteins Relativitätstheorie verstand, oder? Außerdem hatte ich vor meine gesamte Zukunft von Physik und Chemie fernzubleiben. Geschichte war wegen meiner Lehrerin zwar auch nicht so mein Fall, aber da kam man wenigstens mit einem guten Geschichtsbuch durch, was wir ja leider nicht besaßen. Deshalb hatte sich auch die gesamte Klasse ein anderes Buch gekauft, mit dem man wesentlich mehr anfangen konnte. Mit einem Seufzen machte ich mich dann erst an meine Matheaufgaben und dann folgte der Rest.

„Endlich!“, stieß ich etwas zu laut, dafür aber unendlich erleichtert aus, als ich mit meinen gesamten Hausaufgaben fertig geworden war. Mathe ging sehr schnell, für Geschichte hatte ich mein Buch benutzt, doch bei meinen Chemieaufgaben, die ich vor mir hergeschoben hatte, wäre ich fast verzweifelt. Doch jetzt, mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest das es ganze anderthalb Stunden gedauert hatte, konnte ich mich redlich zufrieden zurücklegen und erst mal verschnaufen. Ich atmete leise ein und aus und genoss einfach die Stille in meinem Zimmer, die im Moment nur dadurch unterbrochen wurde, dass Adam Grahn mir sagte das er gut darin war, böse zu sein. Doch seinen, meiner Meinung nach einfach nur göttlichen Gesang, blendete ich im Moment aus und konzentrierte mich vollkommen auf meine Atmung. Gleich müsste ich anfangen mich zurecht zu machen, für die ach so tolle Party bei Tobias. Tobias, von uns aber nur Tobi genannt, war ein gemeinsamer Freund von mir und Nico. Er war im selbem Club Mitglied wie wir, dem Gamerclub, und fast genauso verrückt wie wir beide, naja fast halt. Er war einer der eher beliebten Kids, was wahrscheinlich an seinen häufigen und gefragten Partys lag und eher weniger an seinem Charakter, doch ich mochte ihn, genauso wie Nico ihn mochte. Da sein Lieblingsspiel, genau wie meines, Starcraft war, hatte er bei mir noch einen Pluspunkt. Mit einem leichten Lächeln sah ich mich nochmals um, mein Zimmer war aufgeräumt, mein kleiner Bruder mit Essen versorgt und meine Hausaufgaben waren auch gemacht, jetzt müsste ich mich nur noch anziehen und dann würde ich warten müssen bis Nico kam. Ich musste leise seufzen als ich mich erhob und zu meinem Kleiderschrank schlenderte, der immer noch offen war und aus dem immer noch ein Haufen Klamotten hervorschaute, meine Mutter würde es zwar nicht gut finden, aber man konnte ja nicht immer alles haben. Ich schaute etwas mürrisch in meinen Schrank, entschied mich kurz entschlossen für ein dunkelblaues Hemd und eine enge schwarze Hose, dann machte ich mich mit meinen Sachen auf ins Bad und duschte erst mal ausgiebig. Nach fast einer halben Stunde schlenderte ich angezogen und mit einem Handtuch im Nacken zurück in mein Zimmer und machte mich daran mich fertig zu machen, was aus Haare föhnen und anderem bestand.

Ich legte den Föhn beiseite und betrachtete mich nochmals im Spiegel, meine braunen Augen sahen mir leicht mürrisch entgegen und meine frisch geföhnten schwarzen Haare, die mir bis in den Nacken gingen, standen etwas wirr von meinem Kopf ab. Ich fuhr ein mal kurz durch sie hindurch, entschloss mich dann kurzerhand dazu sie mit etwas Haarwachs zu entwirren und zu stylen. Hier und dort zupfte ich etwas an ihnen, entwirrte sie so etwas, doch nahm ihnen nicht den normalen Look, was ein wenig an 'gerade-aufgestanden' erinnerte. Mit einem etwas freudigeren Ausdruck sah ich mich nochmals an, drehte mich kurz und betrachtete meine Klamotten. Die schwarze Hose saß etwas eng an meinen Beinen und betonte so meinen Hintern, das dunkelblaue Hemd war zugeknöpft, doch oben hatte ich zwei Knöpfe aufgelassen, sodass man meinen gesamten Hals und etwas meiner Brust sehen konnte. Um ehrlich zu sein gefiel ich mir ganz schön gut, was nicht eingebildet klingen sollte, es aber wahrscheinlich tat. Nochmals musste ich an diesem Abend seufzen und wusste, ich würde es noch öfter tun. Als ich nochmal alles gerichtet hatte, schloss ich kurz meine Augen, fuhr dann mit meinem Blick wieder zu meiner Uhr und sah das es bald soweit sein würde, auch wenn ich nicht glaubte das Nico pünktlich kommen würde. Er kam immer mit zehn bis zwanzig Minuten Verspätung, weshalb ich jetzt noch genau dreiunddreißig Minuten Zeit hatte. Was mich dazu brachte nach unten zu gehen und mal zu schauen ob mein toller großer Bruder schon anwesend war, etwas streiten würde mir jetzt bestimmt ganz gut tun und das würde er sich sicher gerne mit mir.

Teil 2 von 2


Als ich dann endlich unten angekommen war, merkte ich das das Licht aus war. Florian war in seinem Zimmer und da ich auch oben gewesen war, hatte es keinen Sinn das Licht anzulassen, meine Mutter hatte sich deswegen schon viel zu oft beschwert. Und immer dann ihren Arbeitsfrust an uns ausgelassen, was wiederum dazu führte das an ihrer Stirn diese hässlichen Falten entstanden und wir uns stritten. Seit ungefähr meinem dreizehnten Lebensjahr versuchte ich das Ganz zu reduzieren indem ich fast den gesamten Haushalt schmiss, was mir dann wiederum Frust brachte, doch man wollte sich ja nicht beschweren. Mit meiner rechten Hand fuhr ich die Wand entlang, bis ich den gewünschten und bekannten Lichtschalter fand und ihn umlegte. Sofort ging das Licht an, blendete mich kurz und gab mir den freien Blick über einen verlassenen Flur. Keine in irgendeine Ecke geworfene Tasche, kein Zigarettenqualm der aus der Küche kam, kein laufendes Radio was auf den Rocksender umgeschaltet wurden war. Kein Collin. Ich wusste es! Ich hätte es wissen müssen, Collin war noch nicht wieder zuhause! Mein Mund verzog sich leicht zornig, ließ auf meiner Stirn eine ebenso zornige Falte entstehen und mich mein Handy raus kramen lassen. Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Leise fluchte ich vor mich hin, nicht das Florian noch etwas davon mitbekam, und wählte die altbekannte Nummer meines stümperhaften großen Bruders. 'Der kann was erleben!', dachte ich noch, als das erste Tuten erklang.

Tut. Tut. Tut. Klick! „Hallöchen, mit wem hab ich denn jetz' das Vergnügen?“, schwall mir die gedämpfte Stimme meines großen Bruders entgegen, was mich einerseits erleichterte da er doch nicht gestorben war und einerseits so wütend machte und ich ihm fast als Antwort entgegen schrie. „Was heißt hier hallöchen? Wo bist du Col, was bist du noch nicht zuhause?“ - „Jona? Bist du's?“ - „Nee, weißte! Wer denn sonst, sei froh das Mum noch nicht zuhause ist und beweg deinen fetten Arsch hierher!“, auf mein Geschrei war es dann erst mal still, doch nach einiger Zeit konnte ich meinen großen Bruder seufzen hören, danach war Funkstille. Er hatte aufgelegt. Einfach aufgelegt und jetzt wusste ich nicht ob ich heulen oder irgendwas zerstören sollte, was fiel diesem Idioten eigentlich ein? Ich geriet so in Rage das ich nicht hörte wie es an der Tür klingelte und mein kleiner Bruder nach dem wahrscheinlich dritten Klingeln nach unten kam und mich komisch ansah, als es dann aber wieder klingelte machte er die Tür auf und jemand trat ein. Was ich aber alles nicht mitbekam. Florian zupfte an meiner Hose, wollte mich wohl wieder etwas beruhigen, was natürlich nicht klappte. Dann legten sich auf einmal zwei Arme um meinen Hals und ich wurde fast erdrückt. Wer hätt's gedacht, da hing mir wirklich ein kleines Nico um den Hals und knuddelte mich auf's Äußerste. „Jooo. Was ist loooos?“, fragte er leicht gedehnt und drückte mich noch fester an sich. Mir entrann nur ein Grummeln und ich versuchte ihn leicht wegzuschieben, doch wie es aussah wollte er mich nicht loslassen, weshalb ich es dabei beließ und nur weiter vor mich hin grummelte.

Nach einigen Minuten des Schweigens haute er mir mit einem Mal auf den Kopf und sah mich tadelnd von der Seite an, da er mich ja immer noch umarmte. Ich seufzte leicht und begann dann zu erzählen. „Col ist immer noch nicht zuhause und als ich ihn dann angerufen hab klang er so total fröhlich! Ich meine was soll das? Ich mach mir hier Sorgen und er vergnügt sich irgendwo oder wie? Was ist denn wenn ihm was passiert wäre und niemand wissen würde wo er ist? Außerdem war er nicht einkaufen und Flo kann ich hier auch nicht alleine lassen, weshalb ich vielleicht nicht mitkommen kann und wenn der nicht mal bald auftaucht macht sich meine Mum auch noch Sorgen und dann bekommt er Är-“, ich hörte schon gar nicht mehr auf zu reden und als meine Stimme immer mehr in Rage geriet, das wiederum von Nico bemerkt wurde, hielt er mir einfach meinen Mund zu. Ich murmelte noch etwas gegen seine Hand, verstummte dann aber recht schnell und er sah mich mit einem Lächeln an. Jetzt ließ er mich sogar los und grinste mir feix ins Gesicht. „Keine Sorge, der kommt bestimmt gleich. Kennt's ihn doch.“ und nur durch diese aufmunternden Worte waren meine Sorgen und meine Wut wie weggeblasen und es bildete sich ebenfalls ein Lächeln auf meinen Lippen. Was er nicht alles konnte… Nur so kleine Worte brachten mich schon zur Ruhe, er hatte wirklich schon immer gewusst wie er mich hätte aufmuntern sollen. Genau deshalb war er ja auch mein bester Freund und ich war richtig stolz ihn zu haben, auch wenn er wirklich manchmal nerven konnte, aber daran dachte ich in diesem Moment gar nicht.

Eine knappe halbe Stunde später tauchte Collin endlich auf, was ich als erstes bemerkte da ich nicht wie die anderen im Wohnzimmer saß, sondern gerade dabei war uns Tee zu machen. Ich hörte wie der Schlüssel eingesteckt wurde und ging leicht wütend auf den Flur, wartete bis die Tür endgültig offen war und fing gleich an meinen großen Bruder anzuschnauzen. „Warum bist du erst jetzt hier? Warum warst du nicht einkaufen, was wäre passiert wenn wir nichts mehr zu essen gehabt hätten hä? Du wärst dann Schuld daran wenn Flo verhungert wäre! Was hast du überhau-“ - „Das Bewerbungsgespräch war ein Erfolg, ich hab jetzt offiziell eine Arbeit. Bin dann mit Mark was trinken gegangen und hab's vergessen, sorry.“, unterbrach er mich einfach und grinste schief. Ich verstand erst nicht warum, doch als mir dann seine Worte durch den Kopf gingen und ich realisierte was er gerade gesagt hatte fiel ich ihm um den Hals und fing an zu lachen. Meine anfängliche Wut war vergessen und ich beglückwünschte ihn erst mal ausgiebig, was die beiden anderen anlockte. Florian hängte sich gleich um den Hals seines großen Bruders und Nicolas lächelte ihm breit zu, er war in seiner Gegenwart immer etwas distanziert, was ich nicht verstehen konnte. Ich hatte ihn vor Jahren mal darauf angesprochen, doch er meinte nur, dass das an fehlendem Kennen liegen würde und obwohl ich es ihm nicht wirklich abkaufte ließ ich ihn fortan damit in Ruhe. Wenn er es mir nicht erklären wollte, konnte ich ihn ja nicht dazu zwingen. Collins Lachen brachte mich dazu aus meinen Gedanken aufzusehen. „Habt ihr heute noch was vor oder warum ist der Rotschopf hier?“, mit Rotschopf meinte er Nico. Collin nannte ihn jetzt seit drei Jahren so und es schien niemanden zu stören, ich wäre bei so einer Bezeichnung wahrscheinlich ausgerastet, nur hatte ich ja keine roten Haare. Und das witzige war, Nico auch nicht, jedenfalls nicht mehr. Er hatte da so einen Tick, fast jedes halbe Jahr, genau zu seinem Friseurbesuch, färbte er sich die Haare neu, eine lange Zeit aber hatte er rote Haare gehabt, doch im Moment waren sie dunkelbraun, eine eher langweilige Farbe, weshalb er sie auch demnächst wieder ändern wollte. Die nächste Farbe sollte wieder feuerrot sein. „Keine Sorge wir sind gleich wieder weg, gehen noch auf ne Party bei Tobias. Sag Mum Bescheid ja?“ - „Ach die weiß noch nichts? Hast du aufgeräumt, nicht dass sie ausrastet.“ - „Ja, klar. Sagst du's ihr jetzt?“ - „Sicher doch, macht euch ma los. Flo wir gehen jetzt feiern!“ und mit diesen Worten war unser Gespräch beendet, Collin und Florian gingen 'feiern', was hier wohl hieß sie tranken Orangensaft um die Wette, oder so und ich nahm mir meine Jacke. Nico und ich riefen noch „Auf Wiederschauen!“ und waren dann auch schon verschwunden.

Um genau 20:56 Uhr kamen wir an Tobias' Haus an, da wir uns an den öffentlichen Verkehrsmitteln bedienen mussten brauchten wir fast eine ganze Stunde um ans andere Ende der Stadt zu kommen, wo Tobi wohnte. Nico war schon richtig hibbelig und freute sich wie sonst was, meinte er würde sein Glück mal bei Devon, einem Jungen aus unserer Klasse, versuchen, ich hingegen war ganz ruhig und dachte darüber nach was ich die Zeit ohne ihn machen sollte, denn ich wusste er würde bei Devon keine Chance haben, der war nämlich stockhetero und hatte eine Freundin, doch auch mein Kommentar dazu konnte Nico nicht von seinem Plan, ihn heute Abend noch flachzulegen, abbringen. Natürlich war es mir nicht egal wenn er eine Abfuhr bekam, doch naja, was sollte ich dazu schon sagen? Meine Meinung war doch eh nicht so wichtig und mal zu sehen wie er eine Absage bekam, war schon ganz schön witzig. Das hört sich ganz schön gehässig an, mir tut es aber trotzdem nicht leid. „Darf ich zugucken, wenn er dir seinen Drink ins Gesicht schüttet?“, fragte ich scherzeshalber und erntete nur einen bösen Blick. Wir klopften an die Tür, von drinnen kam uns schon gedämpfte Musik entgegen und warteten bis man uns öffnete. Tobias machte auf, sah uns mit einem breiten Grinsen an und fiel uns fast in die Arme, der hatte wohl schon mächtig einen an der Kante. „Meine Güte, ich dachte schon ihr kommt gar nicht mehr!“, lachte er uns an als er seine Arme um Nicos Schultern schlang und versuchte ihm einen Kuss auf den Mund zu geben. Ich schmunzelte leicht und Tobi musste sich mit Nicos Wange begnügen, dann wurden wir reingelassen. Ich wurde Gott sei dank nicht abgeschlabbert und bekam nur eine leichte Umarmung, was mich freute und gleichzeitig irgendwie traurig machte, war ich nicht gut genug oder was? Scherzeshalber, ich war heute wirklich dazu aufgelegt, fragte ich nach und bekam dann auch meinen Kuss, allerdings direkt auf den Mund, soweit wollte ich es dann aber doch nicht treiben. Tobi grinste schief, Nico lachte sich einen ab und ich lief rot an. Als Tobias dann auch noch vor anderen Partygästen, wir waren gerade im Wohnzimmer angekommen, meinte sagen zu müssen was für ein guter Küsser ich doch sei, wurde ich knallrot. Es wurde mal wieder auf meine Kosten gelacht und nach meinem anfänglichen Schmollen stieg ich mit ein, wollte ja auch kein Spaßverderber sein. Tobias verabschiedete sich von uns, da es wieder geklingelt hatte und Nico hielt Ausschau nach Devon, den er wenig später an der Bar und in Begleitung seiner Freundin entdeckte, was ihn aber nicht abschreckte. Ich lief ihm dann einfach mal mit ein wenig Abstand hinterher und versuchte mein Grinsen zu verbergen, wenn er ihm heute wirklich noch was entgegen schütten würde, wollte ich das unbedingt sehen. Doch meine Aufmerksamkeit wurde durch eine Hand an meiner Schulter abgelenkt. Ich versuchte immer noch mein Grinsen zu verstecken, doch als ich dem entgegen sah der mich von Nicos Anbaggerversuch abgelenkt hatte wurde mein Grinsen nur einen Deut breiter. „Mann, Mann Jona. Lässt du dich heut' sogar von Tobs abschlabbern?“ - „Aber sicher doch, es war ja auch so gewollt, du.“, wir beide mussten lachen. „Was machst du hier Jar?“ - „Es heißt Jared und das weißt du~“, flötete er mir entgegen und kam einen Schritt näher. Darf ich vorstellen? Jared, mein Exfreund, oder mein erster Freund? Egal, jedenfalls ein super Typ mit dem ich mal zusammen war, guten Sex hatte und noch gut verstehe. „Ja ja, ist schon klar. Sag schon, was machst'e hier?“ - „Feiern? Tob's hat mich eingeladen, haben uns Vorgestern bei Netto getroffen.“ - „Ach und da musst du gleich zusagen, hast als Studi ja auch gar keine andere Möglichkeit, wa?“, man bedenke dass Jared 4 Jahre älter war als wir alle hier und in meinen Augen bestimmt besseres zu tun hätte, als mit für ihn kleinen Kindern zu feiern, ich zählte mich jetzt einfach mal nicht mit dazu. „Wollt dich und Nico mal wiedersehen. Schlimm?“ - „Nö“

Mir dröhnte es in den Ohren, es wurde davon gesungen dass man alles löschen sollte, nicht auf sie reinfallen sollte, sich nicht blenden lassen sollte und ich hörte zu. Mittlerweile war ich mit Jared an die Bar gegangen, vor nicht mal fünf Minuten hatte es Nico wirklich geschafft Devon abzuschleppen, auf den Ausdruck seiner Freundin konnten wir beide nur lachen. Im Vorbeigehen hatte uns Nico noch vielsagend zugezwinkert, ich sollte heute also nicht mehr auf ihn warten. „Hat er also sein nächstes Opfer gefunden.“, meinte Jared und nippte an seinem Bier, ich konnte nur zustimmend und immer noch grinsend nicken. Jareds Blick heftete sich auf mich und dieser nahm einen ernsteren Schein an, ich erwiderte seinen Blick. „Wo ist er?“ - „Wen meinst du?“ - „Den Kleinen für den du mich verlassen hast.“ - „Keine Ahnung…“, ja ich hatte ihn verlassen, weil ich mich in Rudolf verliebt hatte, schrecklich ich weiß. Doch Jared schien es zu verstehen, warum er jetzt fragte wusste ich aber auch nicht. Automatisch ließ ich meinen Blick über die Menge schweifen, hier und dort tanzten ein paar, andere standen an der Seite oder saßen wie wir an der Bar, tranken Bier und anderes alkoholisches Zeugs. Jareds Blick glitt ebenso wie meiner durch die Menge, doch meiner blieb bei einer bestimmten Person stehen. Da stand er, Rudolf, der Typ der mich nie eines Blickes würdigte, der Typ wegen dem ich Jared verlassen hatte, der Typ in den ich unsterblich verliebt war. „Der da also…“, murmelte es neben mir und ich konnte nur Nicken. Mit einem Mal trank Jared seinen Drink, in den er im Übrigen gerade gemurmelt hatte, komplett aus, grinste mich schief an. „Wir tanzen jetzt!“, verkündete er mir, ließ mich gerade noch so meinen eigenen Drink abstellen und zog mich zur Tanzfläche. Auf meine Proteste reagierte er erst gar nicht.

Ich wurde in die direkte Mitte gezogen, dort drehte sich Jared zu mir um und blickte mir mit seinen hellblauen Augen entgegen. Ich musste mal wieder bemerken was für schöne Augen er doch hatte, von seinem restlichen Aussehen mal abgesehen, was auch nicht schlecht war. Seine Haare hatte er in gewohnter Manier nach oben gegelt und mit einer Menge Haarspray befestigt, was auch nicht weiter schlimm war, er trug nämlich einen Irokesen. Diesmal in pink, was zu seinem Shirt mit schwarzem Aufdruck passte. Dazu trug er eine, wie ich bemerkte, äußerst enge schwarze Hose, seine Schuhe konnte ich in diesem Licht nicht erkennen. Das Lied wechselte, der Beat wurde schneller und er fing an mich anzutanzen. Kam näher auf mich zu und bewegte sich in einem mir unbekannten Takt, der trotzdem zu dem Lied passte. Er legte seine Hände an meine Hüften und fuhr an ihnen empor, wieder nach unten und meine Proteste erstarben. Was sollte ich denn auch machen, er würde nicht aufhören ehe ich nicht mindestens einmal mit ihm getanzt hätte, außerdem was sollte ich schon dagegen haben? Er war ein guter Tänzer und ein bisschen Spaß konnte ich mir ja auch mal gönnen. Meine Arme legten sich fast schon automatisch locker in seinen Nacken, zogen ihn somit noch etwas näher an mich, meine Hüften ließ ich mit seinem Rhythmus kreisen. Er grinste mich schief an, sein Blick deutete hinter mich und in diesem Moment drehte er mich in seinen Armen, zog mich noch näher und unsere Unterleiber berührten sich, was mich leicht erröten ließ. Ich spürte seinen Mund an meinem Ohr und er fing an in es hinein zu flüstern, wobei sein warmer Atem meinen Nacken streifte. „Ei, ei, ei was seh ich da. Da ist aber einer ganz schön eifersüchtig~“, provokativ streifte er mit seinem Mund meinen Hals entlang und ich schaute mich mit leicht verklärtem Blick um. Seine grünen Augen trafen direkt in meine, direkt in mein Herz und ließen es still stehen. Er hatte einen so bitteren Ausdruck, gemischt mit Wut und Zweifel. Ich verstand nicht ganz, doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte wurde ich wieder umgedreht und blickte wieder in Jareds blaue Augen. „Dein Prinz kommt gleich um dich zu retten, versuch überrascht auszusehen, okay?“, ich konnte nur Nicken, wie so oft in seiner Gegenwart.

Wir tanzten dieses Lied noch zu Ende, doch Jared machte keine Anstalten mich loszulassen, stattdessen fuhr sein Mund wieder zu meinem Ohr und hauchte ein „Da kommt er auch schon.“, hinein. Sein Blick war auf etwas hinter mich gerichtet und ich spürte schon fast wie sich sein Mund zu einem Grinsen verzog, er dieses aber noch gerade so an meinem Hals verstecken konnte. Etwas verwirrt lächelte ich leicht, doch verstand ich immer noch nicht. Heute würde ich sagen, dass ich etwas geahnt haben sollte, doch ich tat es nicht, in keinster Weise. Ich war nur verwirrt und wurde noch verwirrter als sich wiedermal an diesem Abend eine Hand auf meine Schulter legte, ich umgedreht und fast von Jared weggerissen wurde. Jared lachte leicht, ich konnte es in seinen Augen sehen, doch für andere sah es wahrscheinlich so aus als würde er sich darüber ärgern, von mir weggerissen worden zu sein. Er echauffierte sich natürlich gleich, um den Schein zu wahren, doch wurde er nicht beachtet. Mir gegenüber standen tiefe grüne Seen, die mich offen anblickten, doch den kleinen Teil Wut in ihnen konnte ich trotzdem sehen. Der Mund meines Gegenübers verzog sich zu einem kleinen Lächeln und zum ersten Mal sprach mich seine, in meinen Augen melodische, Stimme direkt an. „Willst du tanzen?“, und mit diesen Worten sollte ein neuer Abschnitt in meinem Leben beginnen. Heute danke ich Jared immer noch dafür, dass er sich so dreist benommen und mir somit geholfen hatte. Mir durch seine Aktion etwas geschenkt hatte, was ich immer noch, auch nach fünf Jahren, noch besaß. Er es mir ermöglicht hatte demjenigen näher zu kommen, den ich immer noch liebe.


Ende?

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Tag der Veröffentlichung: 15.11.2012

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