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"Ähm... ja. - Also.", sagte Jonas, und Cora seufzte. Nun geriet er auch noch ins Stottern. Nun, vermutlich war er einfach genauso nervös wie sie. Wer war das nicht, in der Stunde, in der man sich das Ja-Wort geben wollte?

"Wir müssen ja nicht gleich da hinein", erwiederte sie entschlossen, um ihnen beiden etwas den Druck von den Schultern zu nehmen. "Wenn du noch nicht genügend mental vorbereitet bist, dann können unsere Gäste genausogut noch etwas warten. Sie laufen uns schon nicht weg. Wir könnten... " Cora überlegte, während sie sich mit einer Hand an der Mauer abstützte und nachdenklich gen Himmel blickte. "Wir könnten uns zum Beispiel eine Pizza backen und erst einmal zu Abend essen. Dann können wir unsere Entscheidung noch mal in Ruhe besprechen."

Doch Jonas schüttelte wild den Kopf. "Nein, nein, wir haben uns den Zeitpunkt schon gut ausgesucht. Jetzt oder nie. Ich... ich frage mich nur, was sie sagen werden, das ist alles."

Cora blickte ihn fragend an. "Sagen... ? Wozu?" Sie blickte sich um. "Wogegen könnten sie etwas haben?" Sie hörte ihn seufzen und wandte sich wieder ihrem Verlobten zu.

Jonas stand immer noch vor dem Gebäude, in dem er seine Verwandten und Freunde wusste, und starrte - nun zum Glück nicht mehr verbissen, sondern fast belustigt - in den Eingang. "Na ja... deine äußerliche Erscheinung zum Beispiel - nur um einen Anfang zu machen", erwiederte er mit einem schiefen Grinsen.

Cora sah an sich hinunter. Was war denn falsch an ihren Jeans und dem warmen Wollpullover? Immerhin war es Winter. Sie hielt sich eine lange, schwarze Haarsträhne vor das Gesicht. Spliss hatte sie auch nicht. Vielleicht war er doch noch nicht bereit, sofort zu heiraten.

"Wir könnten uns vorher einen Film ansehen", schlug sie vor. "Ich habe da diesen Horrorstreifen zu Hause liegen, den habe ich mir noch nicht angesehen..."

Abermals schüttelte Jonas den Kopf. "Nein, Cora."

Sie schien ihn nicht gehört zu haben. "Ich wollte ihn mir eigentlich ansehen, wenn wir von der Hochzeitsreise wieder zurückkommen, aber jetzt wäre es auch okay."

Jonas starrte sie entsetzt an. "Um Himmels Willen, nein", rief er entsetzt. "Ich könnte mich kurz vor unserer Hochzeit niemals auf einen Film konzentrieren. Du etwa?!" Er brauchte nicht ihren verwunderten Blick aufzufangen, um die Antwort zu kennen. Cora brachte so leicht nichts aus der Fassung.

"Ha! Ich weiß was!" Cora schnippte mit den Fingern und beugte sich vergnügt vor. "Wir könnten auch zuerst auf die Hochzeitsreise gehen und hinterher erst heiraten! Die Berge werden uns auch nicht weglaufen. - Wir müssten das Ganze natürlich um zwei Wochen verschieben, aber es wird schon keiner was dagegen haben - oder?"

"Weißt du - so langsam glaube ich, dass du hier diejenige bist, die kalte Füße bekommt."

Das endlich brachte Jonas ans Ziel - nun war es an Cora, entrüstet den Kopf zu schütteln. "I wo - mir ist jedes Datum recht. Wir hätten es auch völlig spontan machen können. Aber wie du sagtest - dieser Zeitpunkt ist einfach sehr günstig."

Jonas nickte entschlossen. Wenigstens hatte ihn dieser kleine Schlagabtausch von den letzten Resten seiner Nervosität befreit. "Alles klar - bringen wir's hinter uns."

Cora kicherte amüsiert und zog ihren Schlüsselbund aus der Tasche. "Du tust ja gerade so, als stünde dir eine Operation bevor. Bin ich wirklich so schlimm?"

"Sogar noch viel schlimmer. Sonst stünde ich schließlich jetzt nicht hier neben dir, oder?"

"Wohl wahr", erwiederte sie, eine Spur ernster als zuvor, und betrat vor ihm das Gebäude.


"Einmal hergehört, ihr Säufer und Pappnasen!"

Einmal im Haus drinnen, hatte Cora keine Zeit versäumt und den Fernseher abgestellt, was ihr zahlreiche Protestrufe von beiden Familien einbrachte, und sich einen Stuhl geschnappt.
Nun stand sie mitten im Raum auf ihrem improvisierten Podest, von dem aus sie wie ein Feldherr in die Runde hinabblickte. Jonas stand etwas verlegen daneben. So wie sie getraute er sich dann doch nicht, aufzutreten.

Cora wartete, bis es einigermaßen ruhig geworden war, und fügte dann hinzu: "Wir wollen nämlich heiraten. Und da hier gerade alle versammelt sind..." Der Satz hing unvollendet in der Luft, und Cora wartete auf die Reaktionen. Die fielen zunächst verhalten aus.

"Das heißt, ihr verlobt euch?", fragte jemand aus der hinteren Ecke, Jonas' Vater, wie sie erkannte.

"Ist doch nichts Neues," bemerkte jemand anderes wegwerfend. "Dass ihr beide irgendwann heiratet, ist doch klar. Und jetzt mach gefälligst den Fernseher wieder an, es ist gleich zwölf!"

Zustimmendes Gemurmel, da und dort ein Kichern.

Cora richtete sich auf ihrem Stuhl zu ihrer vollen Höhe auf und blickte - einschüchternd, wie sie hoffte - auf die Versammlung hinunter. "Ich sprach nicht von 'irgendwann'", giftete sie. "Ich sagte, wir wollen heiraten. Jetzt. Worauf sollen wir denn noch warten?!"

Diesmal fielen die Reaktionen schon farbiger aus. Es gab Gelächter und vereinzelt Jubel, aber auch Spott.

"Wo habt ihr denn den Pfarrer versteckt, wenn ich fragen darf? Hast du den in der Hosentasche?"

"Nein, nein, den zaubern sie selbstverständlich her!"

"Wenn ich gewusst hätte, dass ich nicht zu einer Sylvesterparty sondern zu einer Hochzeit komme, hätte ich mir was Anderes angezogen!"

"Klasse, nicht nur kommen sie viel zu spät, jetzt wollen sie auch noch mal eben so heiraten!"

Geduldig warteten Cora und Jonas, bis der Lärmpegel wieder soweit sank, dass Cora weiterreden konnte. Doch bevor es soweit war, hörte Cora ein verhaltenes Kichern zu ihrer Rechten. Mit hochgezogenen Augenbrauen warf sie ihrer jüngeren Schwester, die da mit verschränkten Armen an der Wand lehnte, einen fragenden Blick zu.

Ihre Schwester zuckte leicht die Schultern. "Verrat mir doch bitte, wie das gehen soll?"

"Wie das gehen soll?!" Coras Gesicht hellte sich auf. Endlich hatte jemand die richtige Frage gestellt. Inzwischen hatte sich auch Jonas auf einen Stuhl neben sie gestellt, und da es im Raum wieder leise genug geworden war, dass jeder sie verstehen konnte, fuhr sie fort: "Na, ganz einfach natürlich!"

Strahlend wandte sie sich Jonas zu, der inzwischen genauso breit grinste wie sie, und zwitscherte fröhlich: "Also, Jonas, willst du... in guten und in schlechten Zeiten... äh..." hier brach sie nachdenklich ab und krauste die Stirn, bevor sie weiterredete. "Na... du weißt schon. Der ganze Rest und so weiter. Äh. Also, willst du?"

Wäre es Jonas möglich gewesen, hätte er noch breiter gegrinst. "Na klar. Und du?"

"Blöde Frage, findest du nicht? Und damit erkläre ich uns zu Mann und Frau! - So, ich glaube, wir dürfen uns jetzt endlich küssen, oder wie ging das noch mal weiter?"

Ihr unfreiwilliges Publikum spottete, lachte, lästerte und jubelte, je nach Mentalität, weiter, doch die beiden kümmerte das nicht mehr, als sie sich auf ihren Stühlen umarmten.

"Siehst du", sagte Cora zu Jonas, als sie einen Moment später von ihrer Bühne stiegen, weil die Stühle zurückverlangt wurden. "Schon vorbei. Und deswegen bist du nervös gewesen."

Coras Schwester kam zu ihnen geschlendert. "Musstet ihr eigentlich so einen blöden Auftritt hinlegen?" Sie rollte mit den Augen. "Hättet ihr nicht einfach richtig heiraten können?"

Jonas blinzelte. "Haben wir doch."

"Eben", bestätigte Cora. "Es waren doch alle da. Meine Familie, Jonas' Familie, und sogar unsere Freunde. Ich wusste doch, dass die Sylvesternacht perfekt ist, vor allem seitdem wir alle immer zusammen feiern."

Jonas nickte. "Wir wollen gerne für den Rest unseres Lebens zusammenbleiben, und jetzt haben wir es offiziell bekanntgegeben. Alle, die es irgendwie betrifft, wissen es." Er zeigte auf Cora. "Mehr hält sie nicht für nötig.", fügte er lapidar hinzu, als wolle er sagen: Das ist alles ihre Schuld.

Coras Schwester schmunzelte. "Na, dann viel Glück."

"Werden wir haben", strahlte Cora, während die Uhr hinter ihnen Zwölf schlug und die ganze Gesellschaft ihre Sektgläser hob, um nicht nur auf das neue Jahr, sondern auch auf das junge Paar anzustoßen. "So, und morgen geht's auf Hochzeitsreise."


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Tag der Veröffentlichung: 14.05.2009

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