Kathrin mochte diese Filme, in denen stets die weibliche Hauptperson plötzlich ihren Job und Wohnung verlor und dann bald ein besonders gut aussehender Millionär in ihr verkorkstes Leben trat.
Nun, sie arbeitete als Friseurin in einem kleinen Salon, in dem es außer ihr nur noch eine weitere Kollegin und die Chefin gab. Die Arbeit machte ihr Spaß und sie verstand sich ganz gut mit Susanne, der Chefin. Diese würde den Teufel tun, ihre zuverlässigste Kraft zu entlassen. Auch ihr kleines Wohnklo konnte sie sich gerade noch so leisten. Doch ablehnen würde Kathrin einen winzigen Nebenverdienst und vielleicht noch den Traummann obendrauf gewiss nicht. Während sie also darüber nachdachte, dass sich die Zeitungsannonce eigentlich recht vielversprechend las, tippte sie bereits die Nummer in ihr Handy ein.
Es störte sie letztlich nicht im Geringsten, dass ihr persönlicher Traumprinz keinen Chauffeur in einer schwarzen Limousine schickte, um sie abzuholen, sondern lieber gleich selbst in einem silbernen Porsche vorgefahren kam. Seine Erscheinung war beeindruckend. Der perfekt sitzende Anzug war bestimmt maßgeschneidert und wie viel er gekostet hatte, konnte sie nur erahnen. Seine dunkelbraunen Haare, sein vollkommenes, braun gebranntes Gesicht und seine sportliche Figur beseitigten sofort jeden Zweifel an ihrem Vorhaben.
In dem noblen Restaurant, in das er sie ausführte, fühlte Kathrin sich etwas unwohl. Das rührte wohl vor allem daher, dass sie glaubte, es gäbe keinen Gast, der sie nicht beobachtete. Hummer bestellte sie sich keinen, sicherheitshalber. Leider tat sie sich auch mit den gewählten Austern offensichtlich schwer.
Er bemerkte nichts davon oder überspielte sein Missfallen ausgezeichnet. Kathrin bekam in ihrem engen Kleid kaum Luft. Sie hatte einfach ein ehemaliges Faschingskostüm umfunktioniert. Was sie damals genau hatte darstellen wollen, wusste sie nicht. Ihre Mutter hatte gemeint, sie würde rumlaufen, wie Barbie auf’m Strich. Heute war Kathrin das völlig egal, schließlich saß ihr ein leibhaftiger Ken gegenüber. Das rote Kleidchen hatte einen Ausschnitt, an dem kein Mann vorbeischauen konnte und wollte sie vom Stuhl aufstehen, musste sie kräftig ziehen, damit nicht jeder gleich einen super Blick auf ihren Hintern und ihren rosa Stringtanga hatte. Nun überlegte sie, ob sie mit dem Fummel wirklich die richtige Wahl getroffen hatte.
Als sich unangenehmes Schweigen ankündigte, weil ihnen der Gesprächsstoff ausgegangen war, fischte Kathrin die Seite mit der Annonce aus ihrem Handtäschchen. „Wie kamst du denn auf diese ungewöhnliche Idee?“, fragte sie und las vor: „Ich, Marcel, 34 , smart, ledig und sehr reich, suche attraktive und junge weibliche Begleitperson zum Dinieren in einem Restaurant meiner Wahl. Sollte Dich eine Leiche im Keller nicht davon abhalten, mein Angebot anzunehmen, triff deine Wahl für gutes Essen und einen unvergesslichen Abend und du wirst dafür mit ¤ 10.000,- entlohnt werden.“
Er antwortete mit seiner sexy warmen Stimme: „Da sich keine Frau auf normalen Wege auf ein Date mit mir einlassen würde, hoffte ich so mehr Erfolg zu haben. Nach Maria gab es keine Frau mehr in meinem Leben. Wäre mein Angebot nicht so verlockend gewesen, hättest du über eine Leiche im Keller wohl nicht hinweg sehen können.“
Kathrin lächelte und merkte, dass sie rot wurde. „Ach, wer hat denn nicht eine oder mehrere solcher Leichen im Keller? Ich werde nicht von meinen Verflossenen erzählen, um uns den schönen Abend nicht zu verderben. Ich hätte mich auch für das Date mit dir entschieden ohne das Geld! Ein Mann wie du muss einer Frau keine Unsummen für eine Verabredung zahlen“, erwiderte Kathrin. Marcel zog die Augenbrauen hoch und wirkte reichlich verwirrt.
Von dem Mann und dem luxuriösen Ambiente betört, schwebte sie auf rosa Wölkchen, als er sich mit einem leidenschaftlichen Kuss verabschiedete. Verliebt schloss sie die Tür zu ihrem beschaulichen Zuhause auf und warf sich beschwingt auf ihr Bett. Sie schloss bewusst jeden Gedanken an den Umschlag mit dem Geld in ihrem Täschchen aus. Sie hatten sich schon für den nächsten Abend wieder verabredet.
Am nächsten Tag im Salon erzählte sie ihrer Kollegin und besten Freundin Janine, dass sie endlich ihrem Traummann begegnet war. „Kathrin, bau jetzt bloß keinen Scheiß! Versau es nicht wieder. Du bist zwar erst 27, aber so eine Chance kriegst du kein zweites Mal!“, schärfte sie ihr eindringlich ein.
Janine gab der Freundin ihre Schere mit, angeblich könnte mit diesem Glücksbringer gar nichts schief gehen.
Das schreckliche Kleid war Schnee von gestern. Ein weißes Top mit Spaghettiträgern, eine blaue Jeans, die zumindest einen Knackpopo zauberte und schmale Schuhe mit relativ hohem Pfennigabsatz, taten es auch. Die Schere steckte sie in eine passende weiße Handtasche.
Diesmal fuhren Sie zu seiner Villa. Überraschend zeigte ihr Marcel lieber erst seinen eigenen Weinkeller, auf den er merklich stolz war.
Kathrin bekam ihre eigene Weinprobe in trauter Zweisamkeit und interessierte sich dabei nicht für die einzelnen Besonderheiten der Weine, jedoch mundete ihr ein Glas besser als das andere.
Kathrin entdeckte zufällig eine alte Holztür in einer staubigen Ecke. „Welche guten Tropften..., Tropfen versteckst du denn dahinter?“, wollte sie beschwipst wissen und wankte in Richtung der vermeintlichen Schatzkammer. Marcel riss sie unsanft am Arm zurück. „Aua“, beklagte sich Kathrin enttäuscht. „Entschuldige bitte. Maria, meine tote Frau war total vernarrt in diesen Weinkeller und … und dort hebe ich den Wein auf, den sie so liebte. Verstehst du Kathrin? Bevor das Schicksal Maria und mich zusammen brachte, war ich ein absoluter Verlierer. Ich hielt mich mit Aushilfsjobs über Wasser, war ständig pleite und die Frauen, die sich für mich interessierten, waren zwar hübsch, allerdings fehlte es ihnen an Intelligenz“, klärte er sie eilends auf.
„Oh, tut, tut mir leid“, stotterte Kathrin erschrocken. Marcel beruhigte sie: „Nein, ist in Ordnung. Wir haben uns sehr geliebt und nie hätte ich gedacht, dass sie das was wir hatten, eines Tages wie faules Obst wegwerfen würde. Ja, sie war einige Jahre älter als ich, doch habe ich ihre Gunst und ihre Erfahrung immer geachtet. Wir waren glücklich in unserer Ehe und ich behandelte sogar ihre wunderlichen Freundinnen mit Respekt. Ich achtete ihre Wünsche und kam ihnen geflissentlich nach. Irgendwann bekam sie Wind von meinen kleinen Gefälligkeiten und regte sich furchtbar auf. Ich hätte sie betrogen und sie wollte keine meiner Erklärungen hören, dass ich mit den anderen nur Sex hatte und sie die Einzige war die ich liebte. Und … Der Wein lockert anscheinend meine Zunge. Verzeih mir mein Gerede!“
Kathrin hörte längst nicht mehr zu, der Wein setzte ihr erheblich zu. Sie schlief fast im Stehen ein. Marcel öffnete den Knopf und den Reißverschluss ihrer Jeans, öffnete gleichfalls den Reißverschluss seiner Hose und hob sie hoch, dass sie mit dem Rücken an der kühlen Wand lehnte. Kathrin ließ ihn gewähren und erlebte doch nichts davon bewusst.
Langsam kam sie wieder zu sich. Marcel war weg und sie hockte auf dem kalten Boden. Ihr Kopf lag auf ihren Knien. Unsicher tastete sie nach ihrer Handtasche, rappelte sich benommen auf und rief heißer nach Marcel. Sie war wackelig auf den Beinen und musste sich abstützten. Erstaunt stellte sie fest, dass sie sich an dem Riegel der versteckten Tür festhielt. Es war kein Schloss daran und Kathrins Neugier war übermächtig. Die morsche Tür gab knackend und knarzend nach und sie starrte in eine Vorratskammer, in die kaum Licht drang. Es dauerte eine Weile, bis sich Kathrins Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Das Blut gefror ihr jäh in den Adern.
Auf Kopfhöhe waren Regale angebracht auf denen Marcel tatsächlich verstaubte Weinflaschen gelagert hatte. Außerdem hatte er hier noch etwas anderes gelagert.
Da lag eine Frau. Ihrem Kleidungsstil nach, war sie mittleren Alters und ihrer grausigen Gestalt sowie dem bestialischen Gestank nach zu urteilen, mausetot. „Ein Verrückter! Ein Mörder! Konnte ich ja lesen! Leiche im Keller … Oh Gott, was …“, schoss es Kathrin in den Sinn und sie fühlte eine Hand auf ihrer rechten Schulter. Schlagartig war Kathrin bei klarem Verstand und jeder Muskel war zum Bersten gespannt. Langsam öffnete sie ihre Handtasche.
Danach ging alles so schnell, dass sie sich später beim besten Willen nicht an alles erinnern konnte. Sie war jedenfalls blitzartig und vom Adrenalin gestärkt herumgewirbelt und Marcels perfektes Gesicht war schmerzverzehrt gewesen und er hatte seine kräftigen Hände um ihren Hals gelegt und versucht, sie zu erwürgen. Kathrin hatte mehrfach zugestochen, offenbar oft genug.
Man fand in dem Weinkeller die skelettierte Leiche einer Frau, deren Tod ein paar Jahre zurücklag und den Leichnam eines Mannes, in dessen Brust eine Schere steckte.
Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 12.08.2010
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Widmung:
Mein Beitrag zur 21. Runde des Bookrix Wortspiels