Im Hof
Manche Leute gehen raus in den Hof, um den Müll weg zu bringen und werden getötet. Andere werden entführt, in Hausschlappen und Morgenmantel. Manche kommen wochenlang nicht wieder nach Hause. Wenn sie überleben und nach Hause kommen, dann liegen sie im Krankenhaus. Sehr, sehr lange. Manche für immer.
Manche Leute? Es sind Frauen, die in den Hof gehen, die Mülltonne öffnen, die Tüte hineinfallen lassen, sich umdrehen und in den Lauf einer Pistole gucken. Und sich panisch Fragen stellen: Diese Frau, diese kleine hässliche Frau mit der Pistole, wo kommt die plötzlich her? Warum habe ich nichts gehört? Ich hätte sie hören müssen. Warum richtet sie diese verdammte Pistole auf mich?
Die Kellertür steht offen. Die Kellertür, die zum Hinterhof hinausführt. In der Tür lehnt ein dicker Mann und raucht eine Zigarette. Der Mann lacht. "Mach sie alle", ruft er. "Heiz ihr ein bisschen ein, bring ihr Manieren bei". Die kleine hässliche Frau fuchtelt mit der Pistole und hält sie ihrem Opfer an die Nase. Auf die Nase, direkt darauf. So, dass es wehtut. "Wir nehmen dich jetzt mit", sagt sie. "Wir brauchen ein Auto, du hast ein Auto. Du wirst uns gehorchen".
Frauen, die entführt werden, sind manchmal Zufallsopfer. Verbrecher sind auf der Flucht und brauchen ein Auto, irgendein Auto. Sie brauchen eine Geisel. Wegen der Bullen, damit sie sich absichern können. Mit einem lebendigen menschlichen Körper.
Die kleine hässliche Frau hat Laufmaschen in ihrer Nylonstrumpfhose. Sie trägt eine Sonnenbrille und stinkt. Sie stinkt bestialisch.
Sie dreht dem Opfer den Arm auf den Rücken und stinkt. Bestialisch. Nach Fisch, Frittenfett, Schmieröl und irgendwie so wie der Müll, den das Opfer weg gebracht hat. Warum stink die so? Fragt sich die, die den Arm auf dem Rücken, mit der Pistole an der Schläfe von der kleinen Frau über den Hof getrieben wird. Der ganze Hof stinkt. Da wo die kleine Frau geht, da stinkt es und wenn sie weitergeht, bleibt der Gestank in der Luft stehen, als hätte sie tote Tiere dort abgelegt.
Die kleine Hässliche bringt die Große im Morgenmantel zur Kellertür. Sie tuschelt mit dem Dicken. Der hat die Hände in den Hosentaschen und beult die Taschen nach vorne. Dann lacht er fettig und spricht, säuselt, die Stimme ist schleimig. "Wir werden unsere Geschäfte machen", ölt er, "unsere Geschäfte und dann nehmen wir dich mit".
"Geschäfte", kreischt die Hässliche. "Haha, wir machen unsere Geschäfte"! Der Dicke lacht Tränen. "Ein Geschäft mehr", lacht er. "Noch ein Geschäft".
"Gib mir dein Auto", sagt die Hässliche, "wir fahren in den Osten. Wir werden erwartet. Wenn du Zicken machst, knall ich dich ab". Der Dicke lacht noch immer. "Hausschuhe" ölt er, "sieh dir die Schlampe an, gerade noch im Bett und mit Hausschuhen in den Hof und läuft mir direkt in die Arme. Betthäschen", stöhnt er. "Häschen, wir nehmen dich mit. Wenn uns die Bullen anhalten, gehst du drauf. Genau dann. Wir werden erwartet im Osten.
Es geht um viel Geld, soviel Geld, dass wir dich kaltmachen, wenn du schreist. Du gehst drauf! Betthäschen, die bist unsere Fahrkarte".
"Halts Maul Wülf", schreit die Hässliche, "Halts Maul! Das sind meine Geschäfte und das ist mein Geld. Die Schlampe wird uns den Rücken freihalten". "Betthäschen", stöhnt der Dicke, "Betthäschen, ich werde mir dir im Auto warten. Sind nicht meine Geschäfte". Er spuckt die Kippe in das Gesicht seines Opfers. "Die Geschäfte macht meine Frau". "Ich bin nicht deine Frau, du Schwein", schreit die Hässliche. "Wir sind Geschäftspartner, vergiss das nicht, Wülf, es geht um Geld"! "Dein Geld ist auch mein Geld", feixt der Dicke. "Das darfst du nicht vergessen, Sübine. Mein Geld, mein Anteil! Du bekommst das Auto und ich bekomme die Schlampe".
Ein Fenster geht auf. Ein Fenster zum Hof. Zwei Rothaarige beugen sich vor. "Wo sind die Drogen, ihr Ärsche", schreien sie. "Wie lange sollen wir noch warten".
Zwei Langhaarige, einer schwarz, einer braun, schieben sich an den Rothaarigen vorbei.
"Schlampe, Sübine", schreien sie. "Schlampe, wo bleibt das Koks. Wir haben dir Geld gegeben und du kriegst deinen Arsch nicht vom Hof. Du hast uns die Bullen auf den Hals gehetzt, vergiss das nicht. Wenn du dass jetzt nicht wieder gut machst, stecken wir dich Schlampe in den Knast".
Sübine, die kleine hässliche, drückt ihrem Opfer die Pistole in die Rippen. "Wir gehen", schreit sie. Das Opfer, die Hässliche und der Dicke gehen über den Hof. "Ich habe keinen Autoschlüssel dabei", sagt das Opfer.
Die Hässliche schlägt dem Opfer mir der Knarre auf die Unterlippe. Es blutet. Das Blut läuft dem Opfer den Hals hinunter.
"Dafür, das du Scheiße bist", schreit die Hässliche. "Dafür! Wülf, du bleibst mit der Schlampe hier, die ist hier neu, gerade ins Haus gezogen, kennt hier niemanden, die machen wir kalt. Du bleibst hier und ich gehe in die Wohnung und hole den Autoschlüssel".
Der Dicke lacht. "Betthäschen, du trägst ja noch Hausschuhe", säuselt er. "Häschen, auf eine wie dich habe ich mein Leben lang gewartet!"
Die Hässliche schlägt das Opfer mir der Hand ins Gesicht. Aufs Auge, wegen der Schmerzen. Augen sind empfindlich. "Hausschlüssel", schreit sie. "Her damit! Wo liegen die Autoschlüssel? Schnell, oder du krepierst hier. Schnell!"
Das Opfer hat die Knarre am Auge und beschreibt den Weg.
Die Hässliche kratz mit der Knarre am Auge des Opfers entlang. "Wülf, du behältst die Knarre. Mach die Schlampe kalt, irgendwann.
Jetzt brauchen wir sie noch, wegen der Bullen. Es geht um Geld. Die Schlampe wird uns helfen. Ich gehe hoch, hole die Schlüssel. Du bekommst die Votze. Deine Schlampe, für dich alleine".
"Am Haken, neben der Tür, hängen die Autoschlüssel", schluchzt das Opfer. Der Dicke beult seine Hosentaschen mit beiden Händen nach vorne aus und drückt die Hände zusammen. Er stöhnt. "Meine Eier brennen" seufzt er "Auf eine wie dich, habe ich ein Leben lang gewartet!" Das Fenster zum Hof geht zu.
Tag der Veröffentlichung: 12.01.2009
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Widmung:
Meinen Freunden, die mich zum Schreiben animiert haben.