„Ich wurzele hier schon seit vielen Jahren“, sagte der alte Baum zu den beiden jüngeren, die rechts und links neben ihm standen. Sie glaubten ihm das, weil er größer und kräftiger war als sie. Auch waren seine Äste und Zweige ausladender und verzweigter.
„Du hast sicherlich manchen Sturm erlebt“, meinte der eine voller Respekt.
„Das ist wohl wahr. Vor hundertfünfzig Jahren war ein Herbststurm so heftig, dass er mich fast aus dem Boden gerissen hätte, hätte ich ihm nicht verbissen Widerstand geleistet. Dass ich das vermochte, war meiner jugendlichen Kraft zu verdanken.“
„Vor hundertfünfzig Jahren“, sinnierte der andere Jüngere. „Seither hast du sicherlich auch viele Menschen des Weges gehen sehen.“
„Nicht nur das“, entgegnete der Ältere, „ich vernahm auch, wie sie sich liebten und bekämpften.“
„Warum bekämpften sie sich, wenn sie sich liebten? Das widerspricht sich doch.“ Die beiden Jüngeren begriffen das nicht.
„Das ist eine Besonderheit der Menschen, sich aus Liebe zu bekämpfen“, erklärte der Baum.
„Und davon hörtest du?“
„Jawohl. Diese Kämpfe vollzogen sich fern von mir. Als Baum war es mir nicht möglich, mich von der Richtigkeit des Gehörten zu überzeugen.“
„Das verstehen wir“, meinten die Jüngeren betrübt. „Wie aber konntest du hören, was weit entfernt vor sich ging? Trug es dir der Wind zu?“
„Im Laufe meiner Lebensjahre gingen viele Menschen an mir vorüber, ältere wie ich nun bin und jüngere wie ihr noch seid. Manchmal ließen sich einige von ihnen an meinem Stamm nieder und lehnten sich an ihn. Meistens wollten sie sich nach einem langen Fußmarsch etwas ausruhen. Waren es mehrere Wandersleute, dann unterhielten sich über dieses und jenes. Oft war die Liebe Inhalt ihrer Unterhaltung. Der eine klagte darüber, dass ihn die Freundin nicht mehr ausreichend liebe, eine andere, dass er sie verlassen habe. Das Thema Liebe ist so umfangreich, dass ich tagelang von den unterschiedlichen Aussagen der hier rastenden Menschen über sie sprechen könnte.“
Der alte Baum schwieg, um anzudeuten, dass er nicht gewillt sei, all die Gesprächsinhalte wiederzugeben. Das gefiel den beiden Jüngeren nicht. Ihre Neugier war entfacht. Der eine sagte, um den Alten zum Weitersprechen zu bewegen, dass er noch nichts über das Bekämpfen geäußert habe.
Der alte Baum, der seine achtbare Stellung bewahren wollte, setzte seine Ausführungen fort.
„Vor vielen Jahren, mir kommt es vor, als wäre es gestern gewesen, ließ sich bei mir ein Soldat nieder, der in einer bunten, aber sehr zerschlissenen Uniform steckte. Er wirkte abgekämpft, als hätte er viel gekämpft. Stöhnend ließ er sich ins Gras unter mir fallen. Er beabsichtigte zu schlafen. Die im Gras tätigen Ameisen ließen ihm aber keine Ruhe, weshalb er sich fluchend an meinen Stamm setzte. Just in diesem Moment kam ein Wanderer des Wegs, blieb stehen und fragte den Soldaten, was er hier tue. Er ruhe sich von einem Kampfgetümmel aus, dem er mit ramponierter Haut entkommen sei. Ob es nicht seine soldatische Pflicht sei, am weiteren Kampfgeschehen teilzunehmen, um den Gegner zu besiegen, gab sich der Fremde wie ein Befehlshaber. Der Gegner sei bereits besiegt, erklärte der Soldat. Dann solle er sich einem nächsten Gegner entgegenwerfen, verlangte der Zivilist.
Der Soldat erhob sich und schlug dem Wanderer die Faust ins Gesicht. Der fiel zu Boden, fasste an seine blutende Nase und jammerte: ‚Warum hast du mich geschlagen?‘
‚Weil du mein Gegner bist.‘
‚Ich bin dein Gegner nicht. Ich habe dich nicht zu feindlichem Verhalten veranlasst.‘
‚Du hast mich zur Teilnahme an einem Kampf aufgefordert, den es nicht geben wird, weil sich Sieger und Besiegte auf immerwährenden Frieden geeinigt haben.‘
„Also bekämpfen sich die Menschen nicht mehr“, resümierten die jüngeren Bäume.
Der Alte hierauf: „Die Aussage des Soldaten bezog sich nur auf den Kampf, an dem er teilnehmen musste. Seither gab es aber viele weitere Kämpfe.“
„Kündeten von ihnen andere Soldaten?“
„Nein, Flüchtlinge, die verhärmt an mir vorüberzogen.“
Die Horror-Geschichte vom Suppenkasper ist bekannt und wird von genervten Eltern gern genutzt, um dem eigenen Kind die Suppenessunlust auszutreiben. Auch den kleinen Franz Knapp traf die elterliche Empörung, als er zum x-ten Male den gefüllten Suppenteller von sich schob. Und das, obwohl ihm die Mutter immer eine andere, vor allem wohlschmeckende Suppe vorsetzte. Der Vater versuchte, den Sohn esslüstern zu machen, indem er mit der Zunge schnalzte, die Augen verzückt nach oben verdrehte und auch „Hmmm, wie köstlich!“ grunzte.
Die Mutter sprach gütigst auf ihn ein und verwies dabei auf Heidi Klum, der er bald ähnlich sehe. Der Vater ergänzte, dass selbst bei leisestem Windhauch seine Knochen klappern werden.
Franz blieb störrisch und murrte: „Suppe ist mir schnuppe!“
Seine Appetitlosigkeit galt aber nicht nur flüssiger Nahrung, sondern fand sich auch in der Ablehnung anderer Speisen. Selbst die von Kindern bevorzugte Pizza wies er von sich.
Eine eingehende ärztliche Untersuchung, der die Vermutung voranging, Franz hätte einen verkleinerten Magen oder gar keinen, bestätigte sich nicht. Auch psychologische Tests brachten keine Lösung des Problems. Ein ganz raffinierter Psychologe wollte glauben machen, Franz nehme an einem auf seine Person gezielten Hungerstreik teil. Warum, weshalb, wieso – das wusste er nicht.
Eines Tages erschien vor Knapps Haustür ein menschenähnliches Wesen und bat um Einlass. Sein Äußeres war schmuddelig, die ungekämmten Haare hingen ihm bis zu den Hüften, sein Gesicht nicht erkennbar, da von verfilztem Bartwuchs überwuchert. Jede andere Familie hätte dieses Wesen abgewiesen, nicht so die für ihre Herzensgüte bekannten Knapps. Selbst wenn sie mal knapp bei Kasse waren, spendeten sie noch. Der Fremde erbat keine Wegzehrung oder andere Mildtätigkeit, er wollte lediglich sich und sein Anliegen vorstellen. Knapps baten ihn herein.
Gleich zu Beginn des Gesprächs erfuhren sie, dass der Verwilderte einst ein zivilisierter, ordentlich gekleideter und gekämmter Mann war, der einem ehrbarem Beruf nachging.
Knapps zeigten sich von seinen Darlegungen beeindruckt. Als er davon sprach, dass er alle Speisen, die fleischfressende Menschen täglich einnehmen, ablehne, fand er Knapps erhöhte Aufmerksamkeit. Auch der kleine Franz, der zugegen war, spitzte die Ohren.
„Sie sind also Vegetarier“, vermutete Vater Knapp.
„Nein!“ kam die strikte Antwort. „Vegetarier finden sich meist am gleichen Tisch wie Nichtvegetarier. Eine Sippschaft also. Mir sind sie zuwider. Ich ernähre mich ausschließlich von Unkraut.“
„Äh! Wie widerlich“, entkam es Frau Knapp. Sie überkam Brechreiz.
Herr Knapp nahm es gefasster und meinte, dass diese Art der Nahrungsaufnahme zu Magenkrämpfen und Dünnschiss führe. Das zeige sich nur in der Anfangsphase, der Umstellung auf Unkrautverzehr, sagte der Fremde. Herr Knapp mutmaßte, dass diese Art der Sättigung erst zur Magerkeit und dann zum Tode führe. Den kleinen Franz überlief ein Schauer, weil er glaubte, er werde ebenfalls bald von Unkraut leben müssen, wenn er weiterhin Suppen und feste Nahrung verschmähe.
Als der Fremde die verschiedenen Unkrautarten nannte, die zu seinem Speiseplan gehören, unter anderem auch Disteln, da wurde es dem jungen Franz Knapp schwarz vor Augen und er fiel in Ohnmacht.
So konnte er nicht hören, dass sich die Eltern von dem Fremden mit den Worten verabschiedeten: „Danke für die Nachbarschaftshilfe und die perfekte Verkleidung, Erwin. Wir hoffen, dass Franz zur Normalität zurückkehrt und Suppe sowie andere Speisen nun zu sich nimmt, weil ihm vor Unkraut graut.“
„Gern geschehen“, freute sich Nachbar Erwin. „Ihr habt mich in meinem Tun glaubwürdig unterstützt.“
Das freute auch Knapps. Franz aß von nun an mit Genuss, was auf den Tisch kam. Überkam ihn wieder einmal Unlust, dann dachte er rasch an Unkraut und sein Appetit kehrte zurück.
Rückblickend auf seine Kindheit schrieb mein Freund Harald Folgendes:
Immer wieder zieht es Menschen in den Zoo, in dem Tiere hinter Gittern sitzen, eingepfercht von scheinbaren ‚Tierfreunden‘. Auch uns, meine Eltern und mich, einen Jungen von 12 Jahren, zog es wieder mal dorthin. Meinen Vater drängt es zu den Affen, denen er sich verwandt fühlt, und meine Mutter zu den Elefanten, deren lange Rüssel es ihr angetan hatten. Mich treibt es zu den Erdmännchen, die so manierlich sitzen und ihr Geschlechtsteil vor den Blicken der Zoobesucher verbergen. Sie sind für mich die anständigsten Tiere, die Charakter zeigen, obwohl sie ihrer Freiheit beraubt sind.
Erstaunlich ist, dass fast alle eingekerkerten Tiere ihr eigentliches Zuhause außerhalb Deutschlands hatten, bevor sie dort mit raffinierten Methoden eingefangen und entführt wurden. Manche von ihnen sind allerdings im Zoo geboren. Sie fühlen sich hier geborgen, weil sie von keinen feindlichen Tieren bedroht werden und ihnen das Futter gereicht wird. Sie müssen sich um dieses also nicht selbst kümmern. Die Bundesrepublik Deutschland bietet ihnen Wohlstand und Sicherheit hinter schwedischen Gardinen oder deutschen Mauern, die ihnen die Flucht verwehren. So jedenfalls beschönigte der Zoodirektor unserer Kreisstadt das scheinbar gütige Tun der Bundesregierung, die sich auch für das Wohl und Wehe der Zootiere verantwortliche fühle. Damit bei diesen keine Bedenken aufkommen, ließ der Zoodirektor, der mit der Bundesregierung unter einer Decke steckt, seine Worte über große Lautsprecher im Zoo verbreiten. Bei den Affen fand er ungeteilte Zustimmung, was nicht wunderte.
Allen Zootieren suggerierte der Direktor, dass es deren Aufgabe sei, den Menschen, die vor Zeiten selbst noch Tiere waren, die Herkunft lebensnah bewusst zu machen. Der Löwe knurrte, dass die Menschen über einen größeren Freiraum verfügen als er. Seine eng bemessene Behausung lasse bei ihm keine Lust aufkommen, den Menschen zu gefallen.
„Du solltest sie zum Fressen gern haben“, witzelte das Kamel, das über einen größeren Freiraum, aber geringere Intelligenz verfügt.
„Typisch Kamel“, kommentierte das Nashorn und schnaubte erbost.
„Wir sollten eine Allianz bilden“, meinte ein Pinguin, „sie stärkt unseren Glauben auf eine Zukunft in Freiheit.“
Allgemeines Gelächter, auf das der Zoodirektor aufmerksam wurde, der in der Nähe eine Delegation japanischer Zoologen durch den Zoo führte. Eine nicht sehr groß gewachsene Japanerin fragte ihn: „Hi hu haha?“
„Haha hi hupsa“, antwortete er.
Sie: „Aha!“
Die Japanerin hatte sich nach den Urhebern des Lachens erkundigt. Der Direktor verwies auf die Affen. Das stimmte nur teilweise. Als die Delegation die lachenden Tiere passiert hatte, meinte die Japanerin erstaunt, dass in diesem Zoo Lebensfreude und Frohsinn herrschen. Dem Zoodirektor gefiel dieses Urteil. Er festigte es mit dem Zusatz, dass kein Tier dieses Zoologischen Gartens mit den Menschen tauschen würde und wollte.
Mit dieser faustdicken Lüge versehen flogen die Japaner anderntags in die Heimat zurück. Wenig später prangte in der führenden japanischen Tageszeitung die Schlagzeile: 動物園での幸せなドイツの動物 – übersetzt: Deutsche Tiere froh im Zoo.
„Was sagst du dazu?“, fragte eine reife Gurke mit ausgewachsener Gurkenlänge die nebenhängende Nachbarin empört, die aufgrund ihrer Jugend noch unreif, geringlängig und unwissend war.
„Wozu soll ich was sagen?“, fragte die zurück.
„Dass ich von der Menschenfrau bald gepflückt und dann zu Gurkensalat geschnippelt werde.“
„Das ist doch prima“, freute sich die Junge, „so kommst du endlich unter Menschen.“
„Unters Messer, du Grünling. Das tut weh und nimmt mir das Leben“, klagte die Beklagenswerte.
„Warum eigentlich zu Gurkensalat?“, wollte die Unreife wissen. „Vielleicht dienst du einem anderen Zweck.“
„Du bist ja eine ganz Schlaue“, empörte sich die Ausgewachsene, „noch grün hinter den Ohren und schon Bescheid wissen wollen.“
Eine in der Nähe reifende Erdbeere gab ihren Senf dazu und sagte, dass sie, die Gepflückte, vielleicht nur geschält und dann mit aufgestreutem Salz gegessen werde.
„Auch dann bin ich hinüber.“
„Dieses Los wird uns allen zuteil“, wusste eine Stachelbeere, die an einem benachbarten Strauch zur Reife gelangte.
„Ihr Klugscheißer“, steigerte die lange Gurke ihre Empörung, „weder du Stachelbeere, noch du Erdbeere werdet zu Gurkensalat verarbeitet.“ Sie zwang sich zu einem höhnischen Lachen: „Das widerspräche dem üblichen Sprachgebrauch. Erdbeer- oder Stachelbeersalat gibt es nämlich nicht.“
„Ich werde ungeschält im Ganzen verzehrt“, gab sich die Erdbeere in verhaltenem Stolz.
„Ich auch“, meinte die Stachelbeere.
„Du wirst vorher rasiert“, verlieh die unreife Gurke der ernsten Unterhaltung etwas Humor. Der kam aber nicht wie beabsichtigt an. Am wenigsten bei der Stachelbeere. Die rächte sich mit der Bemerkung, dass auch sie, die noch jugendliche Gurke, in Bälde das gleiche Schicksal ereile. Die Erdbeere verstärkte den Gruselfaktor mit den Worten: „Für den menschlichen Verzehr besonders beliebt sind kleine, noch nicht voll ausgereifte Gürkchen.“
„Woher weißt du das?“ fragte das Gürkchen mit leichtem Zittern.
„Von der Menschenfrau, die täglich durch den Garten geht und vor sich hin spricht, was sie zu tun gedenkt.“
„Dann bin auch ich bald geliefert“, klagte das Gürkchen.
„Selbstverständlich“, betonte die reife Gurke mit grässlichem Fatalismus.
„Nicht, wenn ihr euch mir anvertraut“, hörten die Unterhaltenden eine Stimme, die weder gemüsig noch obstig klang. Aus einem Salatbeet trippelte ein Igel hervor.
„Wer bist du?“, wurde er einstimmig gefragt.
„Ich bin ein Igel und wohne hinter dem Komposthaufen.“
„Aha!“, ertönte es einstimmig, als wüsste man, was er für ein Lebewesen sei. Weil er wusste, dass sie es nicht wussten, stellte er kurz seinen Körperbau mit der Stachelhaut und seine Lebensweise vor. Als er geendet hatte, frohlockte die Stachelbeere, dass er ein naher Verwandter von ihr sei. Der Igel grinste und bestätigte das Verwandtschaftsverhältnis. Dann erläuterte er seine Absicht, wie er den Todgeweihten zu helfen gedenke. Jede Gurke und die Stachelbeere sollten sich zu Boden fallen lassen. Mit Hilfe seiner Stacheln werde er sie aufnehmen und hinter dem Komposthaufen in sicheren Schutz bringen.
Sofort fand er das ungeteilte Einverständnis der Vier. Während sich beide Gurken und die Stachelbeere um ihren Fall bemühten, piekte der Igel die leicht fassbare Erdbeere auf seine Stacheln, trug sie hinter den Komposthaufen und verspeiste sie genüsslich. Ihr Jammern wurde von den anderen nicht vernommen. Dann kehrte er zurück, nahm die am Boden liegende Stachelbeere auf und transportierte sie dorthin, wo er die Erdbeere verzehrt hatte. Ihr Wehgeschrei kommentierte er mit den Worten: „Verwandte habe ich zum Fressen gern.“
Obwohl die Gurken, vornehmlich die Längere, schwerer zu tragen waren, bewahrte sie das nicht vor der Fresslust des Igels. Der reifen Gurke, die er zum Schluss zwischen seine Zähnchen nahm, nahm er die Angst vor dem Dahinscheiden als Gurkensalat.
Von allen Wehen (denen werdender Mütter und Schneewehen) ist Heimweh das schlimmste Weh, zu dem sich ein Ach gesellt, sofern es nicht beseitigt wird.
Als Herr Popp, von dem hier die Rede sein wird, noch jung und unverbraucht war, war der Schlager ‚Heimweh‘, intoniert von Freddy Quinn, ein Ohrwurm. Er kroch auch in Popps Gehörgang, nistete sich dort ein und verwehrte wochenlang jedem anderen Hit den Zugang. Jeder Musikbox, die Popp erreichte, entlockte er diesen Song. Nicht immer zum Gefallen derer, die ihn mithören mussten. Einmal entging er deshalb nur knapp einer Schlägerei, die ihn tüchtig in Mitleidenschaft gezogen hätte. Andere wollten nämlich andere gängige Lieder hören. ‚Heimweh‘ hing ihnen zum Halse heraus. Denen gefiel der Rock and Roll und mit ihm King Elvis Presley. Auch Popp konnte sich diesem Musikgeschmack nicht entziehen und gewann ihn bald lieber als ‚Heimweh‘, das mehr und mehr zur Schnulze herabsank.
Popps Nachahmungstrieb konzentrierte sich nicht nur aufs hüftwackelnde Mitsingen der Presley-Songs, sondern auch auf Elvis‘ äußeres Erscheinungsbild. Von Kopf bis Fuß wollte er – ebenso wie die vielen anderen Fans – ihm von Kopf bis Fuß gleichen. Natürlich nicht in der Absicht, ihm im fernen Amerika zu gefallen, sondern den Girls, die die Tanzlokale bevölkerten, um beim Rock and Roll durch die Luft gewirbelt zu werden. Mit ihrer dem Pferdeschwanz nachempfunden Haartracht und ihren verführerischen Petticoat-Röckchen wirkten sie sehr begehrlich. Auch das unter dem Röckchen Befindliche schuf in Popps Phantasie Vorstellungen, die man in späterer Zeit – nicht damals schon – Poppen nannte. Wobei gesagt werden muss, dass nicht er, weil er so hieß, diesem Paarungsverhalten den Namen gab. Es lebten noch mehr Popps in Deutschland, auch solche, die aufgrund ihres hohen Alters nicht mehr poppfähig waren.
Als Popp beim Rock and Roll eine Tanzpartnerin zwischen die Beine geriet, heiratete er sie, um die Alimente-Zahlung zu umgehen. Der Sohn, der ihnen geboren ward, hatte große Ähnlichkeit mit Popp, weshalb seine Vaterschaft nicht in Frage gestellt wurde.
Es gab aber eine, die behauptete, unter ihrem Petticoat-Röckchen sei ebenfalls eine Popp-Frucht gereift. Weil Popp kein kämpferisch eingestellter
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 21.06.2016
ISBN: 978-3-7396-6149-0
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