Kriminalinspektor Rudolf Rasch war voll seelischer Schmerzen. Sein über alles geliebter Privat- und Begleithund Foxi war ermordet worden. Rasch war nahe daran, sich selbst zu entleiben. Tag und Nacht peinigte ihn das grausige Bild des getöteten Foxi. Leblos lag er, die Zunge weit aus dem Maul und alle Viere von sich gestreckt. Sein erst vor kurzem anoperierter Schwanz lag neben ihm, als gehörte er nicht ihm. Foxi war nicht in irgendeiner abgelegenen Kiesgrube abgelegt oder im dunklen Hausflur einer Ruine, nein, er lag im Vorgarten des bescheidenen Rasch-Hauses. Der Mörder wollte damit bekunden, dass er die ruchlose Tat aus Rache getan habe. Rache weshalb und wofür?
Foxi hatte sich nie als Kampfhund gebärdet, immer nur als wacher, aufmerksamer Vierbeiner, der seinem Herrn treu zur Seite lief. Als Drogenspürhund hatte er sich einen Namen gemacht und wurde wegen seiner diesbezüglichen Erfolge geehrt. Der Haschisch-Hasch-Orden war ihm verliehen worden. Vom Polizeipräsidenten persönlich. Allerdings nicht ohne dessen Hintersinn. Foxi sollte der Schäferhündin des Polizeipräsidenten Nachwuchs erzeugen. Doch das war wegen der unterschiedlichen Körpergröße nicht möglich. Der Polizeipräsident meinte, man könne Foxi hochheben, um ihm den Zeugungsakt leicht zu machen. Rudolf Rasch war nicht abgeneigt, auf diese Weise in verwandtschaftliche Nähe seines Chefs zu geraten. Foxi sah das anders. Nicht, dass es ihm Freude bereitet hätte, sexuell aktiv zu sein, doch hatte er etwas gegen die Hundedame des Polizeipräsidenten. Sie war arrogant. Sie glaubte sich als vornehmste, auch attraktivste Hündin der Stadt. Kein Köter war ihres Standes. Am allerwenigsten der drogenschnüffelnde Polizei-Pinscher Foxi, dessen Besitzer ein gewöhnlicher und auch hässlicher Mensch ist. Foxi ließ die Überhebliche spüren, wie wenig ihn deren Hochmut kratzte. Er strafte sie mit verächtlichem Bellen und Pupsen.
In Rudolf Raschs Trauer um Foxis Tod mischte sich das kriminalistisch notwendige Nachsinnen, wer der Täter sein könnte. Seine erste Vermutung galt dem Polizeipräsidenten. Nicht er persönlich wäre der Mörder, sondern ein durch ihn gedungener Handlanger. Als der Polizeipräsident aber sein tiefstes Bedauern über Foxis überraschenden Tod zum Ausdruck brachte und sogar einige Tränen des Mitempfindens vergoss, strich ihn Rasch aus der Täterliste. Ihn wunderte jedoch, dass an Foxis Beisetzung, an der alle Honoratioren der Stadt mit ihren Hunden zugegen waren, die Schäferhündin an der Seite des Polizeipräsidenten fehlte. Der hatte die hochnäsige Bella nicht zur Beileidsbekundung bewegen können. Um nicht in den Verdacht zu kommen, seine Trauer sei deshalb weniger inbrünstig als die der anderen Trauergäste, ließ der Polizeipräsident von zwei Streifenpolizisten Ehrensalut-Schüsse an Foxis Grab abfeuern. Die anwesenden Hunde waren darob so erschrocken, dass sie laut zu bellen begannen und somit die Ruhe stillen Gedenkens störten. Die Bulldogge des Senatsvorsitzenden riss sich von der Hand ihres Halters los und stob auf einen Hund zu, der lauter als die anderen bellte. Dem biss sie wütend in den Schwanz. Dessen Gebell wurde noch heftiger. Das stimulierte weitere vierbeinige Trauergäste, übereinander herzufallen. Die zweibeinigen Trauergäste wagten nicht, schlichtend einzugreifen. Die Angst vor Hundebissen war größer als der Mut, die Kläffer zur besinnlichen Andacht zurück zu bringen.
Ein besonders aggressives Tier biss sich an der Wade eines Salutschützen fest, woraufhin demselben schmerzhaft ein Schuss dem Körper und seiner Pistole entkam. Das Erschrecken nahm zu. Die Schar der Trauernden entfloh dem städtischen Gottesacker, gefolgt von den aus der Ruhe gebrachten Hunden. Den Kopf der Fliehenden bildete der Polizeipräsident.
Als wieder Stille herrschte, befand sich nur noch Rudolf Rasch am Grab seines treuen Gefährten und selbiger in diesem. Der Kriminalinspektor konnte sich also ungestört wieder den Gedanken hingeben, wer seinem Hund das Leben genommen hatte.
Aus dieser Überlegung riss ihn eine Stimme, die fragte, ob er an die Auferstehung glaube. Überrascht antwortete Rudolf: „Nein!“
Das missfiel der Stimme. Sie gehörte einer Frau, die aus dem Schatten einer dickstämmigen Eiche an Rudolf trat. Er, dem weiblichen Geschlecht eher ab- als zugeneigt, machte aus dieser Haltung keinen Hehl, als er grob fragte: „Was suchen Sie hier?“
„Sie!“
„Das ist nicht der rechte Ort, mich sehen zu wollen“, blieb Rudolf wirsch, weil er voll Trauer um Foxi war.
„Sie sollten an die Auferstehung glauben. Sie lässt den Schmerz leichter ertragen“, sprach das Weib, das weniger Stadtfrau denn Pomeranze vom Lande schien. Ihr kopftuchumspannter Kopf, ihre einer Kartoffel ähnliche Nase und die reifen Äpfeln gleichenden Pausbacken ließen eine andere Zuordnung nicht zu. Auch war sie nicht städtisch geformt und gekleidet. Ihre untersetzte, dralle Figur steckte in wollenen Sachen, die der sommerlichen Jahreszeit unangemessen waren.
„Sind Sie dem Fegefeuer entwichen?“, fragte Rasch, bezugnehmend auf ihre roten Apfelbäckchen und ihre Auferstehungsfrage.
„Sie sollten meiner nicht spotten“, erwiderte das Weib.
„Ich spotte nicht ihrer, sondern stelle für meiner mich fest. Das gehört zu den Grundprinzipien meines Berufs. Ich bin Kriminalinspektor Rudolf Rasch und beweine den Tod meines Dienst- und Privathundes Foxi.“
„Ich sehe Sie nicht weinen, Herr Kriminalinspektor. Ihre Trauer ist also nicht innig genug.“
Die hat ja eine ganz lose Zunge, grummelte Rasch innerlich und erklärte äußerlich, dass es einem Manne nicht geziemt, wie ein Waschweib zu flennen.
Es sei keine Schwäche, wenn ein Mann Tränen der Trauer vergieße, meinte sie. Schon gar nicht, wenn sie wegen eines dahingegangenen lieben Tieres flössen.
Die redet aber geschwollen, stellte Rasch fest und bekam Zweifel, ob dieses Weib wirklich vom Lande sei. Vielleicht eine den Grünen zugetane Intellektuelle, die sich in Wolle gehüllt gefällt. Wie die meisten Grünen. Vielleicht aber, dieser Gedanke keimte als nächster in Rudolfs Hirn, ist sie eine russische Spionin. Aussehend wie eine Matroschka war sie einer biederen russischen Bäuerin sehr ähnlich. Barg sie unter ihrem gestricktem Kostüment eine Makarow oder gar eine Kalaschnikow? Dann wäre es ihr ein Leichtes, ihn, den für seine raschen Erfolge berühmten Rudolf Rasch zu liquidieren. Das Verscharren seiner Leiche wäre einfach und geschähe an Ort und Stelle. So fände er seine letzte Ruhe in unmittelbarer Nachbarschaft seines treuen Foxi. Er hätte das verdient. Sein Herrchen aber nicht schon jetzt.
Auch im Zustand tiefster Trauer muss ich herausfinden, wer sich hinter diesem Wollweib verbirgt, entschied Rasch. Zunächst will ich ganz konkret wissen, weshalb sie meine Nähe gesucht hat. Er fragte sie dies. Sie erwiderte, dass sie rein zufällig in seine Nähe geraten sei. Die Anhäufung von trauernden Menschen und Hunden hätte ihre Aufmerksamkeit erweckt. Sie sei auf dem Friedhof, um ihren in der Erde befindlichen Gatten zu besuchen. Sie tue das monatlich einmal, also zwölfmal je Jahr.
„Sie trachten mir also nicht nach dem Leben?“, fragte Rasch mit hörbarer Erleichterung.
„Um Gottes willen!“, sie die Hände über dem Kopftuch zusammenschlagend. „Ich habe noch nie ein Wesen getötet. Nicht mal eine Fliege. Weshalb also sollte ich Ihnen das Leben nehmen wollen?“
„Ist Ihr Gatte eines natürlichen Todes gestorben?“, ging Rasch auf Nummer Sicher.
„Selbstverständlich!“, schwang leichte Empörung in ihrer Antwort. „Weshalb fragen Sie so etwas Pietätloses?“
„Berufsbedingt.“
Noch war Rasch nicht gänzlich frei von Zweifeln, weshalb er die Matroschka aufforderte, den wollenen Rock zu lüften. Ihr verschlug es die Sprache. Für Rasch ein deutliches Zeichen dafür, dass sie etwas verbarg. Vielleicht eine Kalaschnikow; lang genug war der wollene Rock. Er reichte ihr fast bis an die Fußknöchel. Während sie sich um die Wiedererlangung ihrer Sprache bemühte, durchbohrte Rasch die Konturen ihres Unterleibs mit dem ihm eigenen Scharfblick. Wäre sie jünger und wohlgeformter, hätte ihr das sicherlich gefallen, so aber erboste sie Raschs frecher, frivoler Blick.
„Sie sind wohl nicht verheiratet?“, fragte sie streng.
„Ich war es“, er verdattert.
„Das sieht man!“, Ihre Kartoffelnase blähte sich zornig.
Rasch war überrascht, dass eine wildfremde Person von ihm wusste. Also doch eine Agentin. Er zog die Dienstpistole und richtete sie auf sie. Sie erschrak heftig und fand ihre Sprache wieder, zunächst als Schreckensruf und dann: „Wollen Sie mich töten?“
„Ich nicht Sie, sondern Sie mich!“
„Waaas?“
„Heben Sie sofort ihren Rock in die Höhe!“, Raschs wiederholter Befehl war Ergebnis eines ihm momentan gekommenen Verdachts, sie sei keine Sie, sondern eine Er. Eine Transe, die ihre Männlichkeit unter gestrickter Wolle verbirgt.
„Das ist der Unverfrorenheit zu viel, Sie Wollüstling!“ Sie hob den Wollrock nicht.
Rasch erstarrte. 'Wollüstling' war er noch nie genannt worden. Weshalb auch, war er doch Kriminalinspektor und strenger Sittenwächter hinzu. Ich werde sie erschießen, entschied Rasch, dann wird sich zeigen, was sie nicht zeigen will. Am sichersten wäre ein Genickschuss. Jedoch, so seine rasche Überlegung, wäre ein solcher zu verfänglich. Er müsste die verkleidete Attentäterin bitten, sich hinzuknien, um einen schmerzfreien Genickschuss zu empfangen. Den würde sie nicht wollen und rasch zur eigenen Waffe greifen. Mit andere Worten: Rasch wäre gerichtet, noch ehe er den nächsten Atemzug getan hätte. Attentäter und Terroristen sind im schnellen Umgang mit Waffen geübt und ziehen schneller als John Wayne.
Um ihrem vermeintlichen Tun zuvor zu kommen, steckte er die Pistole ein und griff zu seiner treffsichersten Waffe, seiner ausgeklügelten Fragestellung.
„Haben Sie als Säugling rosafarbene oder blaue Babykleidung getragen?“
„Das geht sie nichts an“, war ihre enttäuschende Antwort. Als freche Bemerkung fügte sie hinzu: „Ich frage Sie ja auch nicht, weshalb Sie ein so hässliches Gesicht haben.“
„Es war kein anderes verfügbar“, wich er geschickt aus.
„Statt sich weiterhin der Trauer um ihren verschiedenen Hund hinzugeben, werden sie anzüglich“, meinte sie erbost.
Was heißt anzüglich, dachte Rasch, ausziehen soll sie sich.
„Ich würde gern traurig sein“, parierte er elegant, „doch lässt mich ihre verdächtige Anwesenheit die Trauer nicht fortsetzen.“
„Verdächtige Anwesenheit?“, empörte sie sich. „Seit wann ist der Besuch beim heimgegangenen Gatten verdächtig? Ich verdächtige Sie ja auch nicht, Ihren Hund ermordet zu haben.“
Rasch durchfuhr es wie ein Blitz. Sie hatte vom ermordeten Hund gesprochen. Weshalb weiß sie, dass Foxi keines natürlichen Todes gestorben war. Sie schien etwas zu wissen. Entweder hatte sie Foxi auf dem Gewissen oder jemand, den sie kannte. Fragestellung Nummer 2 musste also gestellt werden.
„Liebten Sie ihren Gatten mehr als ihren Hund?“, wurde Rasch direkt, ausgehend von der Tatsache, dass jeder auf seine Sicherheit bedachte Mensch einen Hund besitzt.
„Was soll denn diese blöde Frage?“, fragte die Gefragte in spürbarer Absicht, sie nicht erschöpfend beantworten zu wollen. Teilerschöpfend fügte sie hinzu: „Ich hatte einen Gatten und keinen Hund, Herr Kriminalinspektor. Wir hatten auch nie die Absicht, einen haben zu wollen. Der hätte bei Vollmond gejault, woraufhin mein Gatte vor Schreck vom Dach gefallen wäre.“
„Vom Dach?“, Rasch sah einen möglichen Mittäter. Vom Dach in die Erde. Ihr Gatte war also der gemutmaßte Jemand. Beruflich ein Dachdecker und nebenberuflich ein Mörder. Zunächst zieht er Erkundigungen vom Dach her ein und wühlt dann unter der Erde weiter. Ausbau eines unterirdischen Ganges. Nicht neu, aber raffiniert. Raffiniert deshalb, weil der geschaffene Gang unter dem Friedhof entlangführt. Wohin soll er führen? Zu meinem Wohnhaus natürlich, konstatierte Rasch. Allerdings, erwog er zweifelnd, weshalb solcher Umweg. Einleuchtend stieß er seinen Zeigefinger gegen die Stirn. Der Gang endet hier auf dem Friedhof. In Nähe des Foxi-Grabes, das er oft besuchen wird. Der totgesagte Gatte ist also nicht tot, sondern quicklebendig und kommt bei Vollmond - einem Maulwurf gleich -, jaulend aus der Erde, um … -
Rudolfs Gedanken verhedderten sich.
„Warum bei Vollmond?“, fragte er sinnend vor sich hin.
„Weil er mondsüchtig war“, antwortete die Fremde.
„Deshalb hat er gejault?“
„Er doch nicht. Ein Hund hätte gejault, wenn ein solcher vorhanden gewesen wäre.“
„Auf dem Dach?“
„Nein!!! Auf der Erde!“
„Sie sagten, Ihr Mann sei unter der Erde.“ Rasch konkretisierte geschickt die Fragestellung.
„Stimmt, da ist er.“
„Was tut er dort?“
„Er ruht!“
„Er ruht sich aus, ist wohl richtig. Die Grabungen strengen ihn an.“
„Sagen Sie mal, Herr Inspektor, ist bei Ihnen – mit Verlaub gefragt - eine Schraube locker?“
„Nun werden Sie mal nicht frech, Sie … Sie ...“, Rasch suchte nach einer treffsicheren Beleidigung.
„Spucken Sie's ruhig aus, Herr Inspektor. Dann werde ich Sie wegen Missbrauch des Amtstons verklagen.“
Die ist ja ein ganz durchtriebenes Luder, gärte es in Rasch. Hat die große Schnauze, weil ihr Gatte in der Nähe auf der Lauer liegt. Von dem lasse ich mich nicht schrecken. Ich bin schon mit ganz anderen Typen fertig geworden.
„Ihnen fällt eine gemeine Beleidigung wohl nicht ein?“, unterbrach die Knollennasige Raschs zielgerichtete Überlegung.
„Sie werden viel Schlimmeres als eine Beleidigung erleben“, bedeutete er ihr.
„So? Was denn?“, fragte sie spöttisch.
„Ihre Inhaftierung! Ihr grabender Gatte kommt ebenfalls hinter Gitter.“
„Sie Leichenschänder!“, fauchte sie. „Keine Achtung vor einem Toten. Störung der Totenruhe gehört wohl auch zu ihren Berufsobliegenheiten, Herr Inspektor?“
„Versuchen Sie nicht, ihre Hände in Unschuld zu waschen, Frau … Wie heißen Sie eigentlich?“
„Asch, Annerose Asch, Herr Inspektor. Und Sie?“
„Rasch, Rudolf Rasch. Er ist weithin bekannt.“
„Mir ist er nicht bekannt“, bekannte sie.
Das erstaunte ihn, doch sagte er es nicht. Vielleicht war auch das gelogen. Wenn er nach allen Seiten hin erfolgreich ermitteln wollte, müsste er sich bedeckt halten.
„Ich komme auf die Frage zurück, weshalb Sie wissen, dass mein Foxi ermordet wurde“, trieb er sie in die Enge.
„Die Antwort ist ganz einfach, Herr Ratsch...“
„Rasch, Frau Arsch...“
„Asch, Herr Inspektor, Asch. Wenn ein Kriminalist dem Tod eines Wesens nachspürt, dann nicht, weil es auf natürliche Weise verstorben ist. Ihn treibt der Verdacht, es sei ermordet worden. So denken Sie auch hinsichtlich Ihres Hundes Foxi. Woher nehmen Sie die Gewissheit, er sei ermordet worden? Vielleicht ist er auf natürliche Weise ums Leben gekommen.“
Rasch erklärte, wie er Foxi leblos vorgefunden hatte. Ein eindeutiges Zeichen für kaltblütigen Mord. Als Vorstufe zu seiner brutalen Beseitigung.
„Sie ziehen ihre Schlüsse sehr voreilig, Herr Rasch. Der Tod ihres Hundes kann auch auf andere Weise eingetreten sein.“
„So? Auf welche denn?“, frohlockte er. Jetzt würde sie sich offenbaren.
„Er erstickte.“
„Erstickte? Sie scherzen. Woran soll er erstickt sein?“
„An einem Knochen.“
„An einem Knochen“, äffte er nach. „Foxi verabscheute Knochen, weil er als Polizeihund leichte Kost zu sich nahm, um leichtfüßig zu sein.“
„Was fraß er denn?“
„Er fraß nicht, sondern speiste“, stellte Rasch richtig und weiter: „Was er speiste, geht Sie nichts an. Was soll ihre Frage eigentlich? Führe ich die Ermittlung oder Sie?“
„Wir könnten sie gemeinsam führen“, erklärte sie so selbstverständlich, als gehöre sie dem Morddezernat an.
Rasch glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Die Person trieb es auf die Spitze. Wollte sie ihn verhöhnen oder den Polizeiapparat lächerlich machen? Eine völlig neue Vorgehensweise der Unterwelt. Die Gangster bieten sich als Polizeihelfer an. Rasch durchschaute den plumpen Trick.
Verwischen der Spuren. Erwecken des Eindrucks, ein Unschuldslamm zu sein. In Wirklichkeit aber, die polizeiliche Ermittlungstätigkeit zu bremsen oder fehlzuleiten.
Ich wäre Ihnen eine wichtige Hilfe, Herr Kriminalinspektor“, setzte Frau Asch glaubwürdig fort.
Ich sollte so tun, als wäre mir ihre Unterstützung genehm, überlegte Rasch. So gelänge ich problemlos an den oder die Täter sowie das Tatmotiv. So dumm, wie diese Frau glaubt, bin ich nicht. Mich führt sie nicht hinters Licht. Auch ihr scheinbar toter Gatte nicht. Das Komplott der Beiden, auch mich aus der Welt zu schaffen, wird ihnen misslingen. Schließlich heiße ich Rudolf Rasch und nicht Foxi.
„Sie sagen ja nichts, Herr Inspektor“, brachte sie sich in Erinnerung.
„Nach reiflicher Überlegung bin ich zum Entschluss gekommen, Sie in die Ermittlungstätigkeit einzubeziehen, Frau Asch. Doch nur unter der Bedingung, mich nicht dauernd durch dämliche Fragen zu belästigen.“
„Dämlich werden sie nicht sein. Ihre Antworten könnten es sein, Herr Rasch. Um ihr Interesse an meinen Fähigkeiten zu wecken, bitte ich Sie, mir zu folgen.“
„Aber gern“, zeigte er sich sofort bereit, weil er glaubte, sie werde ihn schnurstracks zum als Grab getarnten Schlupfloch ihres Gatten führen. Während sie dahingingen, wollte er wissen, wie ihr Gatte heiße. Das werde er auf seinem Grabstein lesen, sagte sie.
Nach einigen Metern standen sie vor einer nur wenige Zentimeter umfassenden Grabstelle mit schlichtem Stein.
„Das ist sein Grab“, sagte sie schweren Herzens.
Rasch las: August Asch.
„Geburts- und Sterbedatum fehlen“, bemerkte er kritisch.
„Er wollte, dass es fehle“, bemühte sie sich, noch bedrückter zu sein.
„Alles klar“, stellte Rasch fest. August Asch war nicht tot. Das Fehlen dieser Personalien war ein weiterer fauler Trick des Gaunerpärchens Asch. Rasch umging die gewonnene Erkenntnis und näherte sich dem neuen Tatbestand geschickt von hinten.
„August ist wohl als Kind verstorben“, meinte er verschmitzt.
„Als Kind? Er war mit mir verheiratet.“ Witwe Asch fühlte sich nicht ernst genommen.
„Nun gut“, schürfte Rasch forensisch weiter, „wenn er nicht Kind war, weshalb ist seine Grabstätte dann so klein? Als erwachsene Leiche fände er in ihr keinen Platz.“
„Was heißt 'fände'?
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 27.07.2015
ISBN: 978-3-7396-0725-2
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