Es klingelt, zu welcher Stunde sei dahingestellt, ein letztes Stöhnen der Klasse, während sich ihre Angehörigen auf ihre Plätze setzen und zack!
Allesamt gleiten in den „Null-Bock“- Zustand, der für den Rest der Stunde anhalten wird.
Der Lehrer beginnt zu reden.
Beim Unterricht lässt sich meist folgende Prozentverteilung ermitteln:
50% hören zu. 20% arbeiten sogar mit! Und die restlichen 30% sind die allseits bekannten Klassendummis, die weder das eine noch das andere tun. Diejenigen beschäftigen sich von Anfang an mit dem Zeichnen von hässlichsten und größtmöglich misslungenen Lehrerkarikaturen. Glubschaugen, Giftzähne und Laserkanonen sind sehr beliebt. Übrigens sind die Laserkanonen in den Händen der Schüler.
Der Lehrer kennt diesen Zustand und ist aber noch durch die Motivation der Mitarbeitenden abgelenkt.
Die 50%, also die Zuhörer, merken nach weiteren 10 Minuten: „Das wird nichts mehr mit Spannung.“
So stellen sie sich die all stündliche Frage:
„Wie soll ich dir restliche Zeit totschlagen?“
Der Lehrer, dem die Lernmotivation aufgefallen ist, fragt sich das Selbe.
Zu seinem unauffälligen Entsetzen werden die Schüler unruhig, hören teilweise zu und bleiben aber trotzdem noch bei der Sache. Die mitarbeitenden 20% tragen nun schon etwas weniger enthusiastisch zum Unterricht bei, denken aber immer noch: „Die Stunde kriege ich schon irgendwie rum…“
Die 30 % sind mit ihren Karikaturen schon recht weit.
Noch lässt sich der Lehrer nichts anmerken.
Nach weiteren 10 Minuten haben sich die Prozentuale verändert. 30% hören zu, 10% arbeiten noch mit und die restlichen, die Klassendummis, sind auf ganze 60% gewachsen.
Die Zuhörenden hatten sich im Stillen gesagt: „Tu doch etwas! Sonst schläfst du gleich!“
Und sie taten letztendlich etwas. Die Neueinsteiger in Sachen Selbstunterhaltung greifen sich irgendwelche Papierschnipsel und schreiben dumme Sprüche darauf. Oder sie schreiben gleich Zettelchen, die dann durch sämtliche Bankreihen völlig durchorganisiert zu den am weitesten entfernten Kommunikationspartnern wandern. Leider sind jene Ansprechpartner meist vor einigen Unterrichtsstunden zuvor vom Lehrer auseinandergesetzt worden aus genau diesem Grunde.
Die anderen Neudummis schauen den Veterandummis beim Zeichnen zu. Die 10% der Mitarbeitenden denken sich: „Ich schaff diese Stunde! Ich muss!“
Der Lehrer denkt das gleiche.
Die Prozentverteilung nach 30 Minuten Unterricht ist wie folgt:
10% hören äußerst eingeschläfert und eigentlich doch nicht wirklich zu. 5% arbeiten noch mit und 85% sind zu Selbstunterhaltern mutiert.
Bei den 5% Mitarbeitenden handelt es sich eigentlich um nur eine einzige und immer selbe Person, die denkt: „Ich bin mal wieder der einzige intelligente hier. Alle anderen sind dumm.“
Die 10% Zuhörer machen sich über dessen Wichtigtuer-Verhalten leise lustig, schließlich ist er in diesem Fall das einzige Ziel. Fast. Es gibt natürlich noch den Lehrer, der nun völlig entnervt auf noch weitere 15 Minuten mit unerzogenen Bälgern blicken muss.
Das Zettelchenschreiben wird emsig fortgesetzt. Bei den Karikaturen wird nun schon an den Schattierungen gearbeitet.
Nach 40 Minuten ist die Denkleistung auf 0% gesunken und damit ist die Anzahl der Klassendeppen bei 100%. Der, der bis eben noch mitgearbeitet hat, ist seinen Hirninhalt nun vollständig losgeworden, hat aufgegeben und ist ebenfalls in den Gelangweilten-Zustand übergelaufen. Nun haben die letzten, die zugehört hatten, nichts mehr zum Lästern und sitzen ebenfalls extrem gelangweilt auf ihren harten Stühlen. Die Zettelschreiberei ergab in der Zeit 4 Verabredungen am Nachmittag. Nun hat man nichts mehr zu besprechen und sitzt auch herum. Die Karikaturen haben den letzten Schliff bekommen und deren Erschaffer haben auch nichts mehr zu tun.
Alle sitzen stumm da und kommen auf die hoffnungslose Idee, die Mitbetroffenen zu beobachten, um irgendetwas Spannendes noch zu sehen. Sie suchen sich jemanden aus und ertappen denjenigen gerade dabei, wie er sie beobachtet hatte. Rasche Blickrichtungswechsel und die Langeweile wird fortgesetzt.
Der Lehrer fragt irgendeine Frage, stellt fest, dass sich niemand meldet, nimmt irgendwen per Zufall oder weil er glaubt, er könnte zugehört haben ran, bekommt ein lasches „Keine Ahnung.“ zu hören und beantwortet seine Frage schließlich selbst. Er ist nun deprimiert und fragt sich, warum er gerade diesen Beruf ausüben wollte. Er redet sich die Sache schön und denkt daran, wie aufbauend es doch ist, jungen Menschen Wissen zu vermitteln. Beim Anblick der völlig demotivierten Klasse verpufft sein Gedanke geschwind. Dann wird ihm bewusst, dass das Ziel einer Schule den Schülern egal ist und redet weiter mit dem Gedanken, dass ihm eh keiner zuhört.
Seine Stimme wabert monoton durch den stickigen Raum. Die Schüler denken, gleich vor Langerweile sterben zu müssen. Schließlich starren alle völlig regungslos nur noch irgendwelche Dreckskörnchen auf dem Boden an.
Diesen absoluten Trancezustand, hervorgerufen durch die Lustlosigkeit beider Seiten, in dem absolut kein Wissen vermittelt werden kann, den nennt man Verdummung. Darum ist eine Schule ein ganzes Institut dafür.
Ein Institut für Volksverdummung.
Die letzten 5 Minuten der Stunde zeigen nur noch mehr die Motivation der Schüler. Plötzlich werden sie zappelig. Unruhige Blicke auf die Uhr, ob die eigene Armbanduhr oder die des Nachbarn. Alle, einschließlich der Lehrer, denken: „Gleich! Gleich!! Gleich geschafft!!!“
Es ist, als ob sie sich in eine Startposition begeben.
Der Startschuss dafür ist dann schließlich das erlösende Klingeln. Blitzschnell ist die Klasse aufgesprungen und hat schon halb die Sachen weggepackt. Ohrenbetäubend laut wird über dies oder jenes diskutiert und alle gehen letztendlich trampelnd aus dem Raum. Der Lehrer seufzt erleichtert und seufzt noch mal in Anbetracht der nächsten Unterrichtsstunde.
Nur eine kurze Pause, dann kommt der nächste Verdummungsschub…
Texte: copyright by Constanze Clauss
Tag der Veröffentlichung: 03.08.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Gewidmet allen, die sich angesprochen fühlen :)