Er hatte versagt.
Er hatte als Diener des Herrn und als Wächter der Menschheit versagt.
Der Geist der Menschheit wandelte durch das Himmelsfirmament und betrachtete die Erde, die einst unantastbare Würde besaß.
Sein Herr schuf sie, in einer Perfektion der Unordnung und in allen Facetten der natürlichen Schönheit. Doch dann, als das Gesamtbild in perfekter Harmonie war, beging er den größten Fehler, rein aus seiner Selbstverherrlichung.
Er schuf ein Wesen nach seinem Vorbild, das über sein Werk wachen sollte.
Lange liebte er die Menschen. Er schuf für sie den Geist der Menschheit, der ihnen bei ihrer Entwicklung helfen sollte. Der Geist brachte ihnen das Feuer, flößte ihnen Gedanken ein, Nutztiere zu hüten, Werkzeug zu schaffen und Kultur zu entwickeln. Der Geist umsorgte sie, wie eine Mutter ihre Kinder.
Doch schnell wurde klar, dass des Herrn Ebenbilder nicht als Hüter der Welt würdig waren. Sie respektierten etwas nicht, was das Wichtigste ihres Planeten ist. Das Leben.
Statt die Welt zu hüten, machten sie sie sich untertan.
Schon früh begannen sie, das Leben zu schänden, zu missbrauchen und sie allein ihrer Ignoranz wegen wahllos und sinnlos zu töten. Sie zeigten, dass sie selbst vor der Ermordung ihresgleichen nicht zurückschreckten.
Der Herr war erzürnt, weil er erkannte, dass der Mensch ihn selbst darstellte. Sie zeigten ihm seine Arroganz, seine Erbarmungslosigkeit und Fähigkeit zu Hassen.
Bald verlor er das Interesse daran, das Leben in Ehre und Würde zu halten und er machte aus der Erde einen Spielball allein zu seiner Belustigung.
Er gab dem Geist den Auftrag, einigen wenigen der Menschen ein göttliches Bewusstsein einzuflößen, auf dass sie es unter ihrem jeweiligen Volke verbreiten mögen. Der Herr erfreute sich an dieser Aufmerksamkeit, die ihm beigezollt wurde, sah aber keinen Nutzen für sich darin, den verzweifelten Bitten seiner Ebenbilder nachzukommen.
Der Herr gab sich als mehrere Gottheiten aus, stellte sich für jedes erleuchtete Volk anders dar und führte sie so in die Irre.
Aus Verwirrung ob der verschiedenen Ansichten und Uneinigkeit, wurde bald Missgunst und schließlich Hass. Die Menschen mordeten, ohne zu wissen, dass es einzig und allein ihn gab, unter dessen vermeintlich barmherzigen Obhut sie sich zu befinden gedachten.
Sie töteten aber nicht nur aus Irrglauben. Mit fortschreitender Entwicklung, brach mehr und mehr Habgier, Eifersucht und Machtbesessenheit durch und sie vergifteten ihre Umwelt, um sich selbst zu bereichern, ohne zu merken, dass sie ihre eigene Existenz bedrohten und dabei zu Grunde gehen würden.
Der Sinn des Lebens war schon lange verloren gegangen.
Sie wurden blind für die Göttlichkeit der Erde und ihrer selbst.
Lange hatte der Geist der Menschheit versucht, ihr Bewusstsein in Liebe und Dankbarkeit gegenüber allem, was die Welt ihnen bot, zu tränken. Sie erkannten jedoch nicht, dass sie mit den einfachsten Dingen des Lebens am glücklichsten gewesen wären.
Ebenfalls versagte die Hoffnung, auf das die Erde vielleicht wieder ein friedlicher Ort werden könnte, doch es gab zu viel abgrundtiefe Boshaftigkeit.
Stets erinnerte der Geist sie an die Würde des Lebens, doch der hohe Wissensgrad, ohne den sie seliger hätten leben können war zu hoch, sodass sie nirgends mehr an Wunder glaubten.
Mit ihm schufen sie sogar Waffen, die die Grenzen der Lebensfeindlichkeit und -verachtung buchstäblich sprengten.
So nahmen die Dinge und die Taten der Menschheit ihren Lauf, geboren aus den Schwächen ihres Schöpfers, ohne dass der Geist sie daran zu hindern vermochte.
Das einstige Meisterwerk des Herrn war zerstört und der Allmächtige wandte sich davon ab.
Texte: copyright by Constanze Clauss
Tag der Veröffentlichung: 03.08.2011
Alle Rechte vorbehalten