Sabine Bruns, Jahrgang 1962, reitet seit ihrem 14 Lebensjahr und hat in dieser Zeit viele vor allem junge Pferde ausgebildet.
1998 absolvierte sie als eine der ersten Studentinnen in Deutschland die Ausbildung zur Tierphysiotherapeutin.
Sabine Bruns verfügt zum Zeitpunkt der Erscheinung dieses Buches über rund 30 Jahre Reiterfahrung, 10 Jahre Praxiserfahrung als Tierphysiotherapeutin und 20 Jahre Praxiserfahrung als Dozentin in der Erwachsenenbildung.
Diese Kombination von beruflicher Erfahrung und Fachwissen haben es ihr ermöglicht, das Konzept PHYSIO-RIDING® als eine neue tierphysiotherapeutisch geprägte Reitlehre so zu formulieren, dass jeder Leser das medizinische Fachwissen versteht und dabei seine eigene Persönlichkeit und die Persönlichkeit seines Pferdes berücksichtigt und verstanden fühlt.
Dieses Buch hilft jedem weiter, der harmonisch und schön reiten möchte.
Die gedruckte Version des Handbuch Reiten erschien im Jahre 2009.
Laut FN (Deutsche Reiterliche Vereinigung - Internetseite www.pferd-aktuell.de, „Zahlen, Daten, Fakten 2008“) betreiben 1,24 Mio. Menschen in Deutschland regelmäßig Pferdesport.
In der Deutschen Reiterliche Vereinigung sind über 750.000 Reiter als Mitglieder registriert, und es werden pro Jahr über 81.000 Jahreslizenzen für den Turniersport ausgegeben.
In den Prüfungen der Kategorie C starten zwischen 40.000 bis 50.000 junge Reiter pro Jahr.
Im Internet kann man in einem Informationspaket der Landwirtschaftskammer Baden- Württemberg folgende Zahlen nachlesen: Das durchschnittliche Schlachtalter von Pferden am Münchener Schlachthof soll in 1984 bei 8,5 Jahren gelegen haben. Hauptabgangsursachen waren Lahmheiten gefolgt von Atemwegserkrankungen. Auch diese Information ist hier zu finden: „Die Schadensursachenstatistik der Vereinigten Tierversicherung Gesellschaft a.G. Wiesbaden, der Jahre 1984 – 1994 besagt, dass 46,8 – 55,9 % der Nutzungsausfälle bei Pferden durch Erkrankungen des Bewegungsapparates entsteht. (Quelle: www.landwirtschaft-mir.baden-wuertemberg.de „PDF Arbeitsteam Pferdehaltung“)
Nur wenige Reitpferde werden gesund alt, die meisten Pferde erkranken durch ihre Nutzung als Reitpferd bereits in jungen Jahren. Oft ist die schlechte Ausbildung des Reiters der Hauptgrund für die gesundheitlichen Probleme des Pferdes.
Im Bereich Ausbildung von Pferd und Reiter muss eine grundlegende Neu-Orientierung stattfinden, damit in Zukunft alle Reiter die Chance haben, wirklich gut reiten zu lernen, und damit alle Reitpferde die Chance haben, gesund alt zu werden.
Die in Deutschland benutzte „klassische Reitlehre“ wurde von Reitern entwickelt, die selber gut reiten konnten und aufschrieben, wie sie auf den Pferden agierten.
Während in anderen Bereichen des Lebens alte Lehren immer wieder neu erprobt und weiter entwickelt werden, blieb die sogenannte „klassische“ Reitlehre irgendwann bestehen, sie wurde nicht mehr weiter entwickelt. Noch heute wird danach unterrichtet.
Aber:
1. Die alten Reitmeister haben damals dokumentiert, wie sie sich auf ihren Pferden verhalten haben, damit diese so agierten, wie sie es von ihnen verlangten. Aus rein anatomischer Sicht muss man heute einige Dinge korrigieren, denn wir verfügen zwischenzeitlich über Wissen, das die alten Meister damals nicht haben konnten.
2. Die alten Meister benutzten Fachbegriffe, die sehr häufig missverständlich waren und auch heute noch falsch verstanden werden.
3. Früher wurden Pferde ausgebildet, um zuverlässige Transportmittel und Statussymbole zu sein. Hier war die unbedingt zuverlässige Kontrolle absolut notwendig. Da „Tierschutz“ im heutigen Sinne damals ein Fremdwort war, hatte man keine Hemmungen, sich massiver mechanischer Mittel zu bedienen.
4. Wir kennen heute sehr viele Fakten über das Verhalten, die natürlichen Instinkte und die Körperfunktionen des Lebewesens Pferd, die in seiner Ausbildung unbedingt berücksichtigt werden müssen.
5. Die Erziehung und die Ausbildung des Hundes hat sich in den letzten 100 Jahren massiv verändert, weil der Mensch dazu gelernt hat. Die Erziehung und die Ausbildung des Pferdes hat sich in den letzten 100 Jahren nicht geändert, weil der Mensch die „klassische Lehre“ nicht in Frage stellen will.
Warum ist das so?
Weil 30.000 neu geborene Fohlen (laut FN in 2007 eingetragen) in jedem Jahr ein großer Wirtschaftsfaktor sind?
Weil laut FN 300.000 Menschen ihren Lebensunterhalt direkt oder indirekt durch den Pferdesport verdienen? (Ob hier wohl auch Tierärzte, Pferdehändler und Pferdeschlachter mit gerechnet wurden…)
Weil man sonst zugeben müsste, in den letzten Jahren einen falschen Weg gegangen zu sein?
Weil sonst Turniererfolge weniger vom „Pferdematerial“ und mehr vom Können abhängig sein könnten?
Statt darüber nachzudenken, ob Reitlehren anders formuliert werden müssen, erfinden Reiter lieber diverse Hilfs- bzw. Zwangsmittel, um Pferde unterdrücken zu können.
Zahlreiche Gebisse mit Hebelwirkung oder Druck auf Genick und Nasenrücken, unterschiedlichste Zügel- und Sporenarten sowie ausgefeilte Ausbindemöglichkeiten wurden und werden erfunden, um das Pferd mit mechanischen Mitteln in eine Haltung zu zwingen, die es eigentlich auf natürliche Art und Weise entwickeln sollte und auch könnte – wenn der Reiter das Pferd daran nicht hindern würde.
In allen anderen Tierausbildungsbereichen hat in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden:
In den Zoos versucht man, Tiere so artgerecht wie möglich zu halten und sie geistig zu fordern. Bei der Hundeausbildung baut man auf natürliche Kommunikation und natürliche Verhaltensweisen.
Bei der Ausbildung des Pferdes beruft man sich auf die „klassische Lehren“ und bleibt bei den veralteten Methoden, die oft auf Zwang statt auf Kommunikation basieren.
Es wird höchste Zeit, die Ausbildung von Reiter und Pferd tiergerecht zu modernisieren. Das Konzept PHYSIO-RIDING® als Symbiose aus Tierphysiotherapie und Reitlehre trägt dazu bei.
In diesem Buch werden die Erkenntnisse über das Verhalten und die Instinkte des Pferdes mit den anatomischen Gegebenheiten von Mensch und Pferd in Einklang gebracht. Dadurch wird die Ausbildung des Pferdes so einfach und nachvollziehbar, dass jeder Reiter sie erfassen und erlernen kann.
Bild oben: Denke und fühlen statt militärischer Drill beim Abteilungsreiten: Sitzen lernen beim PHYSIO-RIDING®. Katja hebt Sams rechtes Vorderbein an und dehnt damit den Musculus latissimus dorsi (Breiter Rückenmuskel). Christina demonstriert, was durch die Dehnung in Sams Rücken mit ihrem Becken passiert.
Viele Reiter denken, dass sich das Konzept PHYSIO-RIDING® hauptsächlich mit dem Dressurreiten beschäftigt. PHYSIO-RIDING® ist aber für jede Reitweise geeignet.
Bei dem Konzept PHYSIO-RIDING® geht es in erster Linie um gesundes Reiten für Pferd und Mensch. Und weil alle Pferde auf der Welt die gleichen anatomischen und psychischen Voraussetzungen mitbringen, kann es auch nur eine allgemein gültige Reitweise geben.
Die sogenannte „klassische“ Lehre nimmt für sich in Anspruch, die einzige gesunde Ausbildungsform zu sein. Deshalb nehmen wir häufig Bezug zu dieser Lehre.
Alle abgewandelten Formen wie Spanisches Reiten, Westernreiten usw. „funktionieren“ im Endeffekt gleich, da es sich immer um ein Pferd handelt, mit dem der Reiter glücklich werden möchte, und mit dem er kommunizieren möchte.
Das PHYSIO-RIDING® kann also als eine gesunde Grundausbildung bezeichnet werden, mit der der Reiter dann verschiedene Wege beschreiten kann.
Bild oben: Sabine erklärt die Beckenbewegungen des Menschen während des Reitens.
Eignet sich PHYSIO-RIDING® für den Leistungssport?
Viele Reiter denken beim ersten Kontakt mit dem Konzept PHYSIO-RIDING®, dass sie alle Turnierambitionen aufgeben müssen, wenn sie danach arbeiten wollen.
Das PHYSIO-RIDING® Konzept ist aber im Gegenteil besonders für den Leistungssport geeignet.
PHYSIO-RIDING® Pferde sind kräftig, stolz und bewegungsfreudig. Sie beherrschen schnell vielfältigste Aufgabenstellungen der verschiedenen Turnierdisziplinen, z. B. schwere Dressurlektionen.
Wenn Turnierreiter also mit diesem Konzept in den Wettbewerb gehen wollen, sprechen all diese Tatsachen dafür. Voraussetzung und absolute Bedingung ist dabei allerdings, dass das physische und psychische Wohlergehen des Pferdes immer an erster Stelle steht.
PHYSIO-RIDING® - Pferde sind selbstsicher, mutig, gelassen und intelligent.
Die Stufen der PHYSIO-RIDING Ausbildungsskala:
1. Stufe:
Psychische und physische Gelassenheit von Reiter UND Pferd
2. Stufe:
Körperliche Fitness von Reiter UND Pferd
3. Stufe:
Pferd und Reiter als Einheit, Ausbalancieren im Gleichgewicht
4. Stufe:
Gemeinsam Schwung entwickeln
5. Stufe:
Genießen und Freuen
Angestrebter Ausbildungsweg – Die Stufen der Ausbildung
(Ausbildungsskala des PHYSIO-RIDING®)
In der alten „klassischen“ Reitlehre wird eine Ausbildungsskala vorgegeben,nach der Pferde seit Jahrhunderten ausgebildet werden. Eine ähnlich strukturierte Ausbildung empfiehlt auch das PHYSIO-RIDING®. Aufgrund neuer Erkenntnisse gibt es jedoch grundlegende Änderungen zur alten Ausbildungsskala.
Die wichtigsten Unterschiede:
Die Ausbildungsskala der „klassischen“ Lehre bezieht sich nur auf das Pferd.
PHYSIO-RIDING® bietet eine Ausbildungsskala für Pferd und Reiter, denn Reiten kann grundsätzlich nur funktionieren, wenn beide die entsprechenden Ausbildungsstufen erreichen.
Die Ausbildungsskala der „klassischen“ Lehre bezieht sich nur auf die Ausbildung des Pferdes, während ein Reiter darauf sitzt. Beim PHYSIO-RIDING® ist es selbstverständlich, dass das Pferd auf das Reiten sinnvoll vorbereitet wird, bevor der Reiter aufsitzt.
Übergreifend gelten folgende Grundsätze:
Die Stufen der Ausbildung gelten als langfristiges Ausbildungsziel, gleichzeitig aber auch als kurzfristiges Ziel für die tägliche Arbeit und jede einzelne Reitstunde.
Dieser Ausbildungsweg gilt gleichermaßen und gemeinsam für Reiter und Pferd. Wenn z. B. an einem Tag das Pferd Stufe 1 sicher erreicht, aber der Reiter psychisch nicht losgelassen ist, gilt diese Stufe als insgesamt nicht erreicht, und Stufe 2 kann nicht anvisiert werden.
Im Optimalfall arbeitet ein erfahrener Reiter mit einem jungen Pferd und ein junger Reiter mit einem erfahrenen Pferd. Keine Stufe der Ausbildung kann übersprungen werden. Das Erreichen einer Stufe ist nur möglich, wenn die darunter liegenden Stufen als sicheres Fundament bei Pferd und Reiter vorhanden sind. Erst nachdem Stufe 1 sicher erreicht wurde, kann Stufe 2 angestrebt werden. Mit Stufe 3 kann nur begonnen werden, wenn Stufe 2 sicher erreicht wurde, usw. Dies gilt im Hinblick auf den Ausbildungsweg genauso wie für die tägliche Arbeit mit dem Pferd.
Es werden alle Pferde als „jung“ bezeichnet, die nicht ausgebildet sind oder die nicht korrekt ausgebildet wurden. Also gilt auch das ältere, aber verrittene Pferd beim PHYSIO-RIDING® als jung. Ebenso wird jeder Reitanfänger oder Reitumschüler als jung bezeichnet, der sich im Sinne des PHYSIO-RIDING® am Anfang der Ausbildung befindet.
Tierschutz und die Freude am gegenseitigen Miteinander von Mensch und Tier sind unabdingbare Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung dieses Konzeptes.
Ziele des Leistungssportes dürfen nie das Risiko beinhalten, dass Pferd oder Reiter gesundheitlichen Schaden nehmen.
Dieses Konzept setzt voraus, dass das Pferd artgerecht gehalten wird. Das bedeutet vor allem, dass es täglich genügend freie Bewegung in einer funktionierenden sozialen Gemeinschaft hat und dass es gesund gefüttert wird.
Sobald ein Mensch oder ein Tier unter Stress gerät, reagiert sein Körper. Drohende Gefahr, Angst vor Überforderung oder Schmerz und Signalüberflutung sind beispielsweise Faktoren, die Stress auslösen.
Im medizinischen Humanbereich sind Stress und seine eventuell krank machenden Auswirkungen längst bekannt; in der Ausbildung von Pferd und Reiter wird die Problematik Stress oft ignoriert.
Die Begegnung zwischen zwei Geschöpfen, von denen das eine (das Pferd) bei aggressivem Verhalten für das andere (den Menschen) massiv gefährlich werden kann, provoziert automatisch Unsicherheit beim Menschen, die sich je nach seinem Charakter anders zeigt.
Der natürliche Instinkt, den Körper bei Gefahr zu schützen, funktioniert beim Menschen genauso wie beim Tier. Unterschiede zeigen sich in den Reaktionen der einzelnen Menschen.
Nur wenn der Geist gelassen ist, können die Muskeln des Körpers gesund und Kraft sparend arbeiten. Dies gilt für Tier und Mensch gleichermaßen.
Gelassenheit bedeutet für den Reiter einen entspannten Sitz auf einem entspannten Pferd, harmonisches Mitschwingen in der Bewegung und dadurch bedingt eine gesunde Muskeltätigkeit seines Pferdes.
Die Mechanismen sehen so aus:
Stress verursacht diesen Teufelskreis:
Der Reiter hat Angst - Das Pferd will flüchten - der Reiter klammert sich fest - das Pferd spannt Muskeln abwehrend an - Der Reiter bekommt noch mehr Angst.... usw.
Gelassenheit verursacht diesen schönen Kreis:
Der Reiter ist gelassen - das Pferd kann sich entspannen - alle Muskeln können geschmeidig und weich arbeiten - Der Reiter kann gut sitzen - das Pferd fühlt sich wohl....
Die ersten Übungseinheiten im 2. Teil dieses Buches haben den Sinn, Pferd und Mensch die Gelegenheit zu geben, sich gegenseitig kennen zu lernen, die jeweiligen Reaktionen abschätzen zu können, Angst zu verlieren und sich zu mögen.
Die Stufe 1 gilt als erreicht, wenn Pferd und Mensch gelassen, guten Mutes
und fröhlich neue Ziele anvisieren können.
Das normal entwickelte junge Pferd ist nicht kräftig genug, um ein zusätzliches Gewicht (den Reiter) zu tragen. Werden die Muskeln des Pferdes auf die zusätzliche Belastung durch das Reitergewicht nicht vorbereitet und gestärkt, bekommt das Pferd bereits nach wenigen Minuten unter dem Sattel Rückenschmerzen. Dadurch ergeben sich negative Auswirkungen auf eine Reihe von Muskeln und Muskelketten. Das Pferd spannt Muskeln abwehrend an, wodurch sein Rücken nicht elastisch schwingen und der Reiter nicht harmonisch sitzen kann. Gutes Reiten wird von Anfang an verhindert.
Menschen, die zu Reitern werden wollen, sollten ebenfalls vor dem ersten Aufsteigen prüfen, ob sie
a) gelenkig genug sind, um sich der Rückenbewegung des Pferdes anpassen zu können, und
b) genügend Kondition haben, um in ihrem Körper den Spannungszustand bestimmter Muskeln erzeugen und halten können, der für einen ausbalancierten Sitz nötig ist, während sich das Pferd bewegt.
Ist der Mensch nicht in der Lage, sich möglichst unauffällig in die Pferdebewegung einzufühlen und sich ihr anzupassen, behindert er das Pferd in seiner Muskelarbeit. Es reagiert mit Muskelanspannung, und gutes Reiten kann nicht stattfinden.
Verkrampfter Reiter = Verkrampftes Pferd
Die Übungen der Stufe 2 dienen deshalb dazu, dass Pferd und Mensch sich körperlich auf das Reiten vorbereiten können.
Diese Stufe bildet den größten Unterschied zur herkömmlichen Ausbildungsskala der alten klassischen Reitlehre. Die alten Meister lehrten: Auf die Stufen Losgelassenheit, Takt und Anlehnung folgt die Entwicklung von Schwung, woraus sich dann Tragkraft und Versammlung erarbeiten lassen.
Im Rahmen unseres Konzeptes PHYSIO-RIDING® stellen wir fest, dass ein Reiter nur auf einem Pferd, das sich trägt und Schubkraft aus der Hinterhand entwickelt, sitzen kann. Und nur wenn der Reiter sitzen kann, kann das Pferd gesund das Reitergewicht tragen, ohne die Vorhand zu überlasten. Nur dann kann es Schwung entwickeln.
Die Ausbildung nach der alten Lehre bedeutet leider oft, dass das Pferd vorwärts geschickt („gejagt“) wird, wobei der Reiter „leichttrabend“ vor allem die Vorhand belastet.
Möglicherweise bedient man sich dieser Methode entweder, weil auch unkommunikative Pferde wehrlos sind, wenn man sie ordentlich vorwärts schickt. Sie können ja weder bocken noch steigen, wenn sie rennen müssen. Oder der Reiter spürt, dass das Pferd noch nicht ausbalanciert mit seiner Last auf dem Rücken auf dem Hufschlag vorwärts gehen kann und nutzt die Geschwindigkeit, um dem Pferd das Gewicht erträglich zu machen – alles immer auf Kosten einer zu starken Vorhandbelastung.
Da wir beim PHYSIO-RIDING® mit dem Pferd grundsätzlich kommunikativ arbeiten, müssen wir keine Furcht vor angstbedingtem Ungehorsam haben und können auf sinnloses, übertriebenes Vorwärtstreiben verzichten.
Junge Pferde werden im Schritt geritten, damit sie in Ruhe lernen, sich unter dem Reiter auszubalancieren, die Anlehnung für sich sinnvoll zu nutzen und die Hinterhand Kraft sparend tragend und schiebend einzusetzen.
Beim ersten Antraben ist das Pferd dann schon in der Lage, korrekt im Gleichgewicht und geradegerichtet (siehe hierzu Erläuterungen im Kapitel 2) - also versammelt - vorwärts zu treten. Dies wird in der alten Lehre erst ganz am Ende der Ausbildungsskala erwartet.
Anmerkung
Der Begriff Anlehnung gilt beim PHYSIO-RIDING nicht als Ausbildungsstufe, da wir die Anlehnung lediglich als Hilfestellung während der gesamten Ausbildung betrachten, nicht aber als direkt anzustrebendes Ziel.
In der alten klassischen Lehre wird die Anlehnung ausdrücklich als Ausbildungsziel genannt. Das hat zur Folge, dass die meisten Reiter versuchen, durch Handeinwirkung oder Hilfszügel den Hals des Pferdes herunterzuzwingen. Sie glauben, damit am Ausbildungsziel „Anlehnung“ zu arbeiten.
Beim PHYSIO-RIDING® steht die Hand des Reiters dem Pferd in jeder Ausbildungsstufe zur Verfügung, damit es sich immer dann dort abstützen (anlehnen) kann, wenn es sich nicht allein ausbalancieren kann oder sein Gleichgewicht zu verlieren droht. Ziel ist es dann, dass das Pferd sich von der Hand abstößt, wenn es die Anlehnung nicht braucht.
Bild oben: Mogli lehnt sich am Gebiss an, wenn er sich hierdurch beim Tritte verlängern besser ausbalancieren kann und stößt sich ab, wenn er keine Hilfe zum Ausbalancieren braucht:Bild unten.
Gesunder Schwung bedeutet immer, dass die Hinterbeine des Pferdes den Körper nach vorn schieben. Hierfür muss das Pferd seine Lendenwirbelsäule aufwölben, damit das Becken abkippen kann und die Hinterbeine möglichst weit unter den Körper treten. Außerdem muss es bereits „geradegerichtet“ sein.
Nur wenn das Pferd unter dem Reiter nicht am „sich biegen können“ gehindert wird, können die Hinterbeine direkt unter dem Reiter auffußen. Nur so ist die Entwicklung von gesundem Schwung und der Tragkraft für die Versammlung möglich, was in den folgenden Kapiteln noch ausgiebig erläutert wird.
Schwung zu entwickeln bedeutet, den Raumgriff zu vergrößern, ohne den natürlichen Takt der Bewegung zu zerstören. Das Tempo der Fortbewegung hat also viel weniger mit der Entwicklung von Schwung zu tun, als viele Reiter glauben.
Anmerkung: Verlag: BookRix GmbH & Co. KG Texte: Sabine Bruns Alle Rechte vorbehalten
In der Ausbildungsskala der „Klassischen
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Bildmaterialien: Sabine Bruns
Lektorat: Sabine Bruns
Tag der Veröffentlichung: 13.02.2013
ISBN: 978-3-7309-1120-4