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Bruder Gabriel

Tief im Wald verborgen sind die Ruinen des einstigen Klosters Frauenweg. Gespenstisch ragen die steinernen Mauern mit den klaffenden Löchern, die einst buntverglaste Fenster beherbergten, aus dem Grün der Natur, die sich diese Ruine in den Jahrzehnten ihres Verfalls Stück für Stück zurückeroberte. Die Mönche lebten in dieser Abgeschiedenheit und nur selten kamen sie in den nächsten Ort um etwas für sich, bzw. ihren Orden zu kaufen. Mit dem Geld, das sie durch das Bierbrauen verdienten. Die einzigen Besucher des Klosters waren die Bierkutscher, die die Fässer abholten, damit der Ausschank in den Tavernen nicht versiegte.

Doch irgendwann bekam das Kloster nicht mehr genug Nachwuchs. Die Brüder wurden weniger und eines Tages entzog die Kirche dem Kloster die Daseinsberechtigung. Man verbrachte die wertvollen Güter aus Edelmetall oder Gemälde in andere Klöster, auf die die Mönche verteilt wurden und die steinernen Überreste der Klosteranlage fielen dem Verfall und dem Vergessen anheim.

 

„Dr. Ballard? Dr. Ballard!", rief Gerd Küster aufgeregt, „Schauen Sie mal hier!"

Dr. Ballard, ein Archäologe aus Großbritannien und der zu erwartende Kauz, der mit einer Fliege zum karierten Pullunder selbst im heißesten Sommer durch die Universät watschelte, kam zu Gerd Küster, der an einem Loch in der Wand der ehemaligen Klosterkirche stand. Die Grabungen an diesem längst vergessenen Kloster wurden nach langem Bitten von Dr. Ballard gewährt, auch wenn die Universität sich keinen großen Erfolg einer archäologischen Untersuchung des Klosters Frauenweg erhoffte. Dennoch bewilligten sie die Gelder und das Team um Dr. Ballard begann seine Grabungen in den alten, verfallenen Mauern. Keiner wusste wirklich, was es hier noch zu entdecken geben sollte, doch Dr. Ballard war ganz versessen darauf, hier zu buddeln und zu pinseln.

„Erstaunlich…", murmelte Dr. Ballard, als er bei Gerd Küster ankam und das Loch in der Wand betrachtete, welches mehr oder weniger unabsichtlich entstand, denn Gerd stupste aus Versehen eine schwere auf Rollen gelagerte Kiste an, die auf offensichtlich abschüssigem Boden plötzlich Fahrt gewann und gegen die Mauer stieß. Diese gab daraufhin nach und das marode Gemäuer, welches durch diesen Aufprall verschoben wurde, bröckelte und fiel in sich zusammen. Ein unerwarteter Fund, denn mit einem Durchgang dort, hätte niemand gerechnet. Zumindest besagten die alten Pläne des Klosters nicht, dass es hier einen solchen Durchgang geben sollte.

Dr. Ballard leuchtete mit einer starken Taschenlampe durch den sich langsam legenden Staub in den Durchgang und bestaunte die steinerne Wendeltreppe, die sich ihm dahinter offenbarte.

„Was ist jetzt auch das?", fragte Gerd Küster völlig perplex, kratzte sich am Hinterkopf und schaute zu Dr. Ballard.

„Lassen Sie es uns herausfinden", grinste dieser und zog sich eine Staubschutzmaske über, setzte sich einen Bauhelm auf, denn sicher ist sicher, und stieg vorsichtig die ersten Stufen der Wendeltreppe hinab.

Gerd schnappte sich ebenfalls Maske und Helm, bewaffnete sich mit einer Taschenlampe und eilte dem Doktor nach, hinab in die unbekannten Gefilde.

„Unglaublich!", rief Dr. Ballard aus, als er den Lichtkegel seiner Lampe umherschweifen ließ.

Am Ende der Wendeltreppe fand sich ein wahres Labyrinth aus Gängen, die aus groben Stein geschichtet waren. „Davon ist nirgends was erwähnt. Doch muss das schon lange vor dem Kloster gebaut worden sein. Sehen Sie nur…"

Gerd Küster leuchtete die Wände dieser Gänge an, sah zum Teil Wurzelwerk der Bäume durchwachsen und tat so, als ob er verstünde, was den Doktor so fasziniert.

Man bewegte sich Zentimeterweise durch die Gänge, betrachtete sie neugierig, auch wenn sich jede Wand irgendwie glich, doch plötzlich stand Dr. Ballard vor einem Abschnitt der Wand, der nicht aus groben Stein ist. Hier wurde mit Ziegeln gemauert. Alles um sich herum vergessend, untersuchte er diese Stelle. „Sehen Sie sich das an, Gerd."

„Gemauert? Ist das oder war das vielleicht ein Durchgang?", fragte Gerd.

„Möglich. Wer weiß, was sich dahinter verbirgt? In den Aufzeichnungen ist von all diesen Gängen nichts erwähnt. Das muss einen Grund haben. Vielleicht ein alter Fluchtweg? Aber warum sollte man den zumauern?", sagte Dr. Ballard und kraulte sich das Kinn, wie er es immer tat, wenn er angestrengt nachdachte. „Lassen Sie es uns herausfinden!"

Damit gingen Gerd Küster und Dr. Ballard wieder nach oben in die ehemalige Klosterkirche, wo sie dem restlichen Team von ihrer Entdeckung berichteten. Thorsten Kälberer war im Grabungsteam der Mann für's Grobe, also der, der mit Presslufthammer und wenn es sein musste auch mit Sprengstoff zugange war, um anschließend den Archäologen mit ihren Pinseln und Spateln Platz zu machen. Thorsten holte einen Elektromeißel aus dem Wagen und ging damit Gerd und Dr. Ballard nach, die wieder nach unten in die neu entdecken Gänge stiegen. Während Dr. Ballard mit seinem Laptop eifrig Notizen machte, war Gerd damit beschäftigt möglichst viele Fotos zu schießen. Bevor Thorsten Kälberer sich ans Werk machte, sollte die Mauer so detailiert wie möglich erfasst und dokumentiert werden. Dann konnte es losgehen. Thorsten öffnete den Koffer, entnahm ihm den starken akkubetriebenen Elektromeißel, sah zu Dr. Ballard, der vor Aufregung schier in die Hose machte – zumindest trippelte er so rum, als müsse er gleich – und setzte das Eisen an eine der Fugen an. Der Lärm, den der Meißel in den Gängen machte, war unglaublich laut oder kam den Dreien nur so laut vor, weil alles in absoluter Stille lag und die Anspannung ihr übriges tat. Besonders viel Widerstand gab die Mauer nicht. Der Mörtel war alt, bröcklig und offenbar schon zur Zeit seiner Verwendung von niederer Qualität, sodass Thorsten Kälberer keine Mühe hatte, diese Wand aufzustemmen. Ziegelstein um Ziegelstein polterte zu Boden und mit jedem Einzelnen, wurden die Augen von Dr. Ballard größer, denn er erkannte dahinter eine Kammer, die er nie und nimmer vermutet hätte.

Es war auch keine Enttäuschung für Dr. Ballard, als er keine Schatzkammer entdeckte, sondern in ein fensterloses Gemach trat, wo sich ein Tisch, ein Bücherregal mit ein paar Büchern und Schriftrollen befand und eine kleine Schlafstätte, wo sich zur Überraschung aller in vermoderten Resten einer Mönchskutte ein menschliches Skelett fand.

„Was ist das hier?", fragte Gerd Küster, dem ein Schauer über den Rücken ging. „Wurde er etwa…."

„Zur Strafe eingemauert? Hmm… kann ich mir nicht vorstellen", murmelte Dr. Ballard. „Lasst uns den Fund dokumentieren. Wir holen erst einmal ein paar Lampen her und machen dann Fotos."

 

Als der Raum durch zahlreiche Lampen erhellt und fast alles von dem Wenigen, was sich in der Kammer fand im Laptop registriert war, stand Dr. Ballard an dem Tisch, wo sich auf einem Pergament ein in krakeliger Schrift schwer zu entziffernder Brief befand. Mit zu Schlitzen verengten Augen versuchte er zu lesen, was vermutlich die letzten Worte des Mönchs waren, dessen Überreste dort auf der Liege lagen.

 

Liebe Brüder, die ihr dies einmal lesen werdet.

Meine Mühen um ein gottgefälliges Leben scheiterten an den teuflischen Künsten der Weiber, die mich stets zur Unzucht verleiten wollten. Ihre Blicke trafen mich, egal wo ich auch war und selbst meine Kapuze konnte ihre verführerische Wirkung nicht von mir fernhalten. Diabolisch grinsten sie mich an, wollten mein Fleisch zur Sünde verführen und winkten mich zu sich, damit ich ihren vermaledeiten Hexereien erliege.

Doch mein Geist war stärker als ihre Magie und ich entwand mich ihrer. Meine Flucht ins Kloster verschaffte mir Erleichterung. Hier war ich unter Brüdern. Lebte mein Leben, wie es mir gefiel. Doch selbst hier im Kloster war ich nicht sicher vor weiblicher Verführung.

Es pochte an der Klosterpforte als ich Nachtwache hatte. An einem gewittrigen Abend stand vor dem Tor ein Weib, das mich ansah und um Herberge für die Nacht bat. Eine Frau! Hier im Kloster!

Nein, nun folgten sie mir auch hierhin in mein selbstgewähltes Exil, wo ich mich sicher fand. Doch der Teufel in Gestalt der Weiber kennt keine Gnade. Ja, ich tat so, als ob ich ihr Spiel nicht durchschaute, bat sie herein und in die Küche, wo ich ihr etwas Brot und Wasser gab. Als sie sich setzte und begierig diese Happen verschlang, griff ich ein Messer, trat hinter diesen Dämon und schnitt ihm die Kehle durch. Blut strömte aus ihrem Hals. Sie drehte sich um, schaute mich mit geweiteten Augen an. Die Augen des Teufels! Den ich austrieb!

Die sterbliche Hülle dieses unseligen Dämons packte ich mir auf die Schulter, trug den Körper nach draußen, wo ich im Mondenschein ein Grab aushob und das, was mal ein Mensch und der nun von dem Dämon der Lust befreit war, zur Ruhe bettete.

Am Tage drauf rief mich der Abt zu sich und schimpfte mich, dass ich einen Frevel beging. Er wusste ja nicht, welch teuflisches Wesen mich heimsuchte. Mir wurden allerhand Strafen, die ich zur Buße dulden musste, auferlegt und so beschloss ich, mich mehr als ohnehin schon von dieser Welt zu lösen, damit mir kein Sukkubus mehr erscheinen könne. Ich zog mich in die Gänge unter dem Kloster zurück, wo ich einge leere Kammern fand, von denen ich mir eine zu einer Klause herrichtete. Einen Tisch, einen Stuhl, ein Bett, ein Kruzifix unseres Herrn. Mehr brauche ich nicht.

Nun ist es endlich soweit. Den letzten Rest Mörtel rührte ich an und setzte den letzten Stein in die Mauer, die ich im Eingang zu meiner Kammer errichtete. Ein Wall gegen alle weibliche Begierde. Nie wieder wird mich einer dieser Dämonen ansehen und mit teuflisch verzerrter Fratze angrinsen. Nichts sieht und kommt hier herein… und ich nicht heraus!

Sollte mich einer meiner Brüder finden, so seid nicht traurig um mich, denn ich tat, was ich für mich entschied in reinem Gewissen und mit diesem trete ich vor meinen Herrn.

 

Gezeichnet Bruder Gabriel

Kloster Frauenweg, im Jahre des Herrn 1208"

 

 

Fassunglos starrten sich die Männer an, als Dr. Ballard den Inhalt dieses Briefes vorgelesen hatte. Gerd Küster war der erste, der Worte fand.

„Er hat sich selbst eingemauert?", fragte er sich den Nacken reibend.

„Ja, wie es aussieht", nickte Dr. Ballard zustimmend, „Er verbrachte wohl die Zeit im Wahn von Dämonen verfolgt zu sein. Nicht ungewöhnlich zur damaligen Zeit. Viele zogen sich in Klöster zurück deswegen. Aber sich dann so der Welt zu entziehen ist, gelinde gesagt, radikal."

„Gelinde gesagt", stimmte Thorsten Kälberer zu.

„Im Grunde eine traurige Geschichte. Den Wahn erkannte wohl keiner und so nahm das Unglück seinen Lauf", sagte Dr. Ballard und schaute zu dem Skelett.

Lesetipp: Jenny Holmes und das Vermächtnis der indischen Lampe

 

 

 

Eigentlich sollte es für Meisterdetektivin Jenny Holmes ein angenehmer Besuch zum Nachmittagstee auf Lemonshire werden. Doch als die Gärtnerin in einem Moment der Unachtsamkeit ein Gebüsch ummähte, kam alles anders. Denn die Leiche, die in diesem Gebüsch versteckt war, war eine alte Freundin von Jenny und deren Verschwinden zugleich der einzige ungelöste Fall in ihrer langen Karriere. Für die Meisterdetektivin stand fest, dass sie den Fall übernehmen und endlich lösen würde.

 

Zusammen mit ihrer Nichte Avery, die sie spontan besucht und Inspektor Guby von Scotland Yard macht sich die Meisterdetektivin auf die Suche nach dem Täter.

 

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Lesetipp: Blood on the Fields

 

 

Nach den vielen Abenteuern, die die Meisterdetektivin in England erlebte, braucht Jenny Holmes Abwechslung und beschließt, die Einladung ihrer Schwester, sie in den Vereinigten Staaten von Amerika zu besuchen, anzunehmen. Jenny schließt mit ihrem alten Leben in der Baker Street komplett ab und nimmt sich vor, künftig in der Neuen Welt zu leben.

Nach der strapaziösen Überfahrt und der unendlich lange erscheinenden Zugfahrt in die Südstaaten, schließt die Meisterdetektivin ihre Schwester Jane und ihre Nichte Avery überglücklich in die Arme. Auch die Bekanntschaft mit dem gutaussehenden Frank lässt Jenny längst verloren geglaubte Gefühle spüren.

Doch das Glück scheint nicht von langer Dauer, denn das Leben in den Südstaaten war anders, als Jenny Holmes das erwartete...

 

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Lesetipp: Das Geheimnis vom Seifenblasenplanet

 

 

Es gibt den bis jetzt verborgenen, wenn auch sehr eigenartigen sowie schillernden Seifenblasenplaneten schon sehr lange. Dr. Rimor von der internationalen Weltraumwarte (iWw) entdeckte ein, wie er glaubte, sich bewegendes „Wurmloch“ und schlug Alarm. Die Lunaria-Galaxie schickte ihr Raumschiff zu einem Erkundungsflug los, bei dem sich herausstellte, dass es kein Wurmloch ist, sondern ein Planet, der wie seine Bewohner gerettet werden muss. Zusätzlich bleibt es noch durch ihr außergewöhnliches und sehr gut behütetes Geheimnis spannend.

 

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Lesetipp: Götterdämmerung

 

 

Wenn die Menschheit kurz vor dem Aus steht, ihren Untergang vor Augen hat, sollten sie dann nicht in Frieden und Harmonie leben? Sollten die wenige verblieben nicht versuchen gemeinsam die Kraft zu finden sich gegen die Bedrohung zu erheben? Ja, sollten sie und doch wählen sie wie sooft einen anderen Weg, den Weg der Unterdrückung und der Vernichtung.

 

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Impressum

Texte: Fizzy Lemon
Bildmaterialien: pixabay
Cover: Fizzy Lemon
Tag der Veröffentlichung: 18.09.2023

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