Ich sitze.
Hier auf dem Boden.
Ich denke Unwahrheit, denke daran wie Wahrheit ist, denke, dass ich sie nie kennen werde.
Ich wünsche. Wünsche mir es würde wahre Unwahrheit, unwahre Wahrheit geben.
Aber,
ich weiß. Weiß was geschehen wird und das ist wahr.
Ich kenne Wahrheit, kenne mein Schicksal.
Ich will das es unwahr ist, unrichtig, unecht, erdichtet, erlogen, wahrheitswidrig.
Zeitverschwendung.
Es ist unausweichlich.
Eins
Die Nacht war hereingebrochen und Dunkelheit hatte sich über das Land gesenkt. Doch in einem schönen Haus in New York war ein Mädchen immer noch hellwach. In der einen Hand hielt es einen kunstvoll verzierten Füllhalter mit vergoldeter Feder. In der anderen ein kleines gebundenes Buch. Weinend saß es so auf einem großem Bett. Tränen fielen auf die Hand mit dem Füller, als sie sie hob um das Buch aufzuschlagen. Die Seiten waren unbeschrieben. Das rabenschwarze Haar fiel ihr in die Augen, als sie begann zu schreiben:
Liebes Tagebuch,
Heute ist etwas schreckliches passiert. Sue, sie... Ich kann es einfach nicht schreiben. Jetzt fange ich schon wieder an zu schluchzen. Ich kann einfach nicht anders. Seit Kindertagen sind wir beide beste Freundinnen. Sue und ich. Und jetzt, jetzt hat sie... sie hat sich einfach... umgebracht. Ich kann nicht glauben das sie das getan hat ohne sich zu verabschieden. Nicht mal ein Brief. Sie hat sich einfach aufgehängt. In ihrem Zimmer. Ich muss schon wieder weinen. Das tu ich schon seit heute Morgen. Ihre kleine Schwester hat sie gefunden, am Seil baumelnd und die kleine Mary ist doch erst vier. Wenn ich mir vorstelle wie das für sie gewesen sein muss, kann ich einfach nicht mehr aufhören zu heulen. Ich schluchze immer lauter. Dagegen kann ich nichts tun. Ich will schreien. Will aus diesem schrecklichem Alptraum erwachen. Warum? Warum Sue? Was hatte sie dazu bewegt dies zu tun? In der Schule hatte sie immer gute Noten, viele Freunde und auch mit ihrer Familie kam sie immer gut klar. Jetzt muss ich an die arme Mrs Havering denken die jetzt bestimmt verzweifelt nach der Antwort sucht wieso ihre Tochter sich das angetan hat. Ich habe lange nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich Sues Entschluss respektieren muss. Jeder Mensch hat das Recht sein Leben zu beenden. Schließlich hatte keiner gefragt ob man überhaupt auf diese Welt kommen will. Diese schmutzige, schreckliche Welt. Trotzdem stellt sich mir immer wieder die eine Frage nach dem wieso. Und während meine Tränen auf diese Seite tropfen schwöre ich mir ihn herauszufinden. Den Grund. Es wird schrecklich einsam werden ohne Sue. Ich leg mich jetzt schlafen. Zum einen weil ich nicht weiß was ich tun werde wenn ich mir noch länger den Kopf über diese Dinge zerbreche. Außerdem hat mich das Weinen erschöpft. Es wundert mich das ich noch nicht ausgedörrt bin, wie die Wüste.
Unter Tränen, Isabelle
Sie legte sich auf das große, weiche Bett und ließ das kleine Buch, dass sie selber mit allem möglichen verziert hatte, nicht aus der Hand. Mit einem der weißen Spitzenkissen wischte Isabelle sich die Tränen vom Gesicht. Das schlimmste das sie sich vorstellen konnte war eingetreten. Doch sie hatte keine Kraft mehr weiter zu denken. Sie hob die Hand und löschte das kleine Leselicht über ihrem Bett. Dabei hatte sie keine Ahnung davon, dass jemand all ihre Bewegungen genau beobachtete. Draußen vor dem Fenster regte sich etwas. Etwas, dass in der dunklen Nacht nur schemenhaft zu erkennen war, doch man konnte es eindeutig als jemand einstufen. Wer auch immer es war schien es auf der alten Eiche nicht besonders gemütlich zu finden. Der Fremde kletterte von einem Ast auf den andern. Er dachte daran in das Zimmer des Mädchens zu gehen und sie zu trösten. Sein Bedürfnis danach war so stark, dass er all seine Willenskraft aufbringen musste um zu widerstehen. Er durfte jetzt nicht nachgeben. Wenn das Mädchen ihn so zum ersten Mal sah würde es ihm nie ganz vertrauen können. Zu Recht, dachte er grimmig. Man darf keinen Fremden vertrauen. Schon gar nicht wenn sie nachts auf einem Baum vor Fenstern lauern. Er lächelte.
Isabelle bekam von alldem nichts mit. Sie war in einen unruhigen Schlaf gesunken.
Am nächsten Tag fiel es Isabelle schwer aufzustehen. Sie hatte nicht gut schlafen können und war oft aufgeschreckt, weil sich Bilder von der schlaff am Seil baumelnden Sue einen Weg in ihr Träume gebahnt hatten. Ihr Kopf war bis zum bersten voll mit Gedanken, die wie wütende Insekten umher schwirrten, Gedanken über Sue. Schreckliche Gedanken. Gott sei Dank war heute erst Sonntag, sodass kein schrill piepender Wecker ihren Schlummer unterbrach. Sie war erst ziemlich spät aufgewacht, um 13:27 Uhr. Um diese Uhrzeit hatten ihr Eltern das Haus schon längst verlassen. Nur Ally müsste noch da sein. Die liebe, süße Ally, die bestimmt schon mit dem Schwanz wedelnd vor der Tür saß und darauf wartete das sie endlich aufstand und mit ihr spielte. Mit einem schrecklichem Gefühl stand Isabelle jetzt vor dem rundem Korbspiegel der an einer Wand ihres Zimmers hing und bürstete sich die leicht gelockten Haare. Immer wieder fuhr sie sich mit einer hölzernen Bürste durch die schier unendlichen Knoten. Verzweifelt gab sie auf, legte die Bürste weg und versuchte die Knoten mit den Fingern zu entwirren. Sie zerrte an den verknoteten Stellen und war kurz davor zur Schere zu greifen und sich die langen Haare kurz zu schneiden. Isabelle kam schließlich doch zu einem einigermaßen passablem Resultat, auch ohne Schere. Die weiße Kommode mit ihren Klamotten stand nur eine Armlänge entfernt da. Isabelle öffnete die oberste der drei Schubladen und durchwühlte sie, auf der Suche nach etwas zum anziehen. Sie entschied sich für eine schwarze Jeans und für ein weißes Print-Shirt auf dem vorne ein Engel gedruckt war. Sie hatte es letzten Monat als sie mit Sue und ein paar anderen Mädchen shoppen war gekauft. Sie hatte sich schon immer für Mythen, Fabelwesen und dergleichen interessiert. Als sie fertig angezogen die Zimmertür öffnete, sprang die süße Husky-Dame ihr sofort entgegen. Ally wusste, dass sie das Mädchen ganz für sich alleine hatte und das wollte sie ausnutzen. Isabelle begrüßte den heftig mit dem Schwanz wedelnden Hund mit einem leisen Seufzer. Wenn Ally es einmal auf etwas abgesehen hatte, in diesem Fall darauf das sie etwas mit ihr unternahm, lies sie nicht mehr locker. Sie folgte einem auf Schritt und Tritt, bis sie das bekam was sie wollte. Isabelle drängte sich an dem Tier vorbei in den Flur. Die Wand auf der Seite ihrer Tür war hellblau gestrichen. Wenn man nach links ging, kam man zum Zimmer ihrer Eltern. Nach rechts in das kleine weiß geflieste Bad und vor ihr lag die Treppe nach unten.
Alles war still. Sie war die einzige in dem Haus. Na ja fast. Natürlich war da auch noch Ally. Die kleine, süße, aufdringliche Ally, die jetzt immer noch mit dem Schwanz wedelnd vor ihr saß und mit erwartungsvollem Blick in ihre müden grauen Augen sah. Isabelle seufzte. Dann ging sie mit schlurfenden Schritten die Treppe nach unten. Die Hündin flitzte ihr praktisch auf den Hacken hinterher. Sie freute sich riesig darüber das sie nun endlich rausgehen würden, nachdem sie seit heute Morgen praktisch alleine gewesen war. Das Mädchen jedoch musste daran denken, wie es mit ihrer Freundin und Ally früher lange Spaziergänge gemacht hatte. Jetzt würde es anders sein. Irgendwie einsam. In Isabelle stieg etwas auf wie das Gefühl das man hat, wenn man gleich anfängt zu weinen, doch es gab keine Tränen mehr zu vergießen, alle waren schon verbraucht. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden etwas zu essen, zog das Mädchen sich schnell die Schuhe über die Füße und nahm sich die schwarze Jacke die über einem Stuhl hing. Dann verließ es das Haus. Gefolgt von einem freudig bellendem Husky.
~
Der Himmel war blau so weit er sehen konnte, was ganz schön weit war. Nur ab und an überquerte eine flauschige Schäfchenwolke den Teil des Himmels auf den er sah. Er trug eine Sonnenbrille, denn auch das wenige Licht das die Sonne zu ihm warf missfiel ihm. Es war verdammt öde den ganzen Tag nichts zu tun. Deshalb hatte er ja auch beschlossen ihr zu folgen, Isabelle. So hieß sie. Jetzt ging sie gerade durch den Central Park, führte den Hund spazieren. Er hasste Hunde nicht, aber mögen tat er sie auch nicht besonders. Für ihn waren sie nur viel zu weit vom Wolf entfernt. Erwachsen aussehende, zurückgebliebene Wolfswelpen. Worüber dachte er hier eigentlich nach? Er durfte sich nicht in anderen Sachen verlieren.
Wie ein ganz normales Mädchen, sah Isabelle jetzt aus, doch das war sie nicht. Sonst hätte Blake ihm nie den Weg hierher gezeigt, geradezu es ihm befohlen hierher zu kommen und das Mädchen zu ihm zu bringen. Eigentlich ließ er sich nur ungern etwas befehlen, egal von wem, aber in den letzten Wochen hatte er einiges an Ansehen verloren und jetzt war es Zeit etwas davon wieder zurück zu bekommen. Gedankenverloren betrachtete er Isabelle. Sie war etwas klein für ihre 16 Jahre und durchaus hübsch. Schwarze Haare, helle Haut, die Augen von einem einzigartigen Grauton. Aber da war noch etwas anderes. Etwas anderes das man nicht mit Worten beschreiben konnte. Er wusste einfach nicht wie. Nur am Rande beobachtete er die anderen Leute, die sich an diesem Sonntag auf den Straßen befanden, trotzdem registrierte er jede ihrer Bewegungen. Drei Männer, ganz in schwarz gingen über die Wiese. Er beachte sie nicht weiter und wollte sich wieder seinen Beobachtungen zu wenden, als ihm etwas auffiel. Einer der Männer, groß und kräftig, griff in die Tasche seines Mantels und holte einen kleinen, kugelförmigen Gegenstand heraus. Sein Blick war auf Isabelle gerichtet, als er den Mund öffnete und zu sprechen begann. Der Junge fluchte. Dann sprang er von der Bank auf der er gesessen hatte und rannte los.
~
Der Mann mit der Kugel, der große und kräftige, war sich nicht sicher ob das was er im Begriff war zu tun dessen entsprach, was sich sein Auftraggeber unter „Schaff das Mädchen aus dem Weg“ vorstellte. Aber er hatte auch noch andere Dinge zu tun. Was war überhaupt so toll an der Göre?
Und seine beiden Begleiter waren ihm auch keine sonderliche Hilfe. Alles was sie konnte, war doof rumzulabern. Die Sätze: „Willst du das wirklich tun?“ und „Ich würde das nicht tun“ schienen zu ihren Lieblingen zu gehören. Wütend, weil er sich mit so etwas abgeben musste, sprach er die Worte die er brauchte um die Mireno zu aktivieren, schnell und abgehackt. Der Arm mit der Kugel schnellte nach oben, während er das letzte Wort sprach und mit den Augen sein Ziel anvisierte. „Halt!“ Jemand sprang ihn von hinten an und warf ihn zu Boden. Aber die Mireno hatte seine Hand bereits verlassen und flog pfeilschnell auf ihr Ziel, Isabelle zu. „Nein!“ Es war der fremde Junge gewesen, der sich auf den Mann mit der Kugel gestürzt hatte und der jetzt so laut schrie wie er konnte: „Isabelle! Pass auf!“
~
Isabelle drehte sich erschrocken um. Jemand hatte nach ihr gerufen und irgendwas an diesem Ton in dem sie gerufen wurde, ließ Panik in ihr aufsteigen und ihr Herz schneller klopfen. „Warte Ally.“ Der Husky blieb stehen und Isabelle drehte sich um. Noch bevor sie etwas erkennen konnte flog sie nach hinten und krachte mit voller Wucht gegen einen nahestehenden Baum. Die raue Rinde und ein paar Äste die weit unten wuchsen durchlöcherten ihre Jacke und stachen in ihre Arme. Was zum Teufel war das gewesen? Die Hände die sie sich schützend vor das Gesicht gehalten hatte taten ihr furchtbar weh und ihre Augen waren verklebt, sodass sie sie nicht öffnen konnte. Sie blinzelte ein paar Mal aber nichts geschah. Dabei war sie sich sicher, dass ihre Lieder geöffnet waren. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Die brennenden Schnittwunden waren genauso so vergessen wie die Frage, was sie auf einmal gegen den Baum geschleudert hatte. Panisch rieb sie sich die Augen, schneller und schneller, was ihre Hände nur noch mehr schmerzen ließ. Aber das war egal. Alles blieb schwarz. Wieso? Etwas feuchtes berührte sie an der Wange und ließ sie aufschrecken. Weiches Fell drückte sich gegen sie. „Ally was ist passiert?“ Isabelle Stimme war leise und wimmernd. Sie drückte den Kopf gegen Allys weiches Fell und weinte. Sie war sich bewusst, dass irgendwo gar nicht weit weg von ihr jede menge Menschen sein mussten, denen es nicht mal in den Sinn kam ihr zu helfen. Was für Schweine! Aber auch das war egal. Sie konnte nichts mehr sehen. Sie konnte nicht weiter darüber nachdenken denn wie aus dem Nichts explodierte ein heftiger Schmerz in ihrem Kopf und ihre Umwelt verschwamm bis alles schwarz wurde und sie das Bewusstsein verlor.
Zwei
„Nein nur noch ein bisschen schlafen“ Isabelle war genervt. Irgendjemand war doch tatsächlich dabei ihr das Kissen unter dem Kopf wegzuziehen. Was für eine Frechheit! Grimmig krallte sie ihre Finger in das weiche Daunenkissen und versuchte wieder einzuschlafen. Aber sie war jetzt nun einmal aufgewacht, da war das gar nicht so einfach. Sie seufzte. Immer noch zog wer an dem Kissen. Isabelle versuchte dies zu ignorieren und zog sich die Decke hoch bis zum Kinn. Irgendwie fühlte sich die Bettwäsche anders an. Nicht so rau wie die Blau geblümte die sie im Moment auf ihrem Bett hatte sondern irgendwie glatter. Sie schlug die Augen auf. Zwei stechend gelbe Augen die sich genau vor ihrem Gesicht befanden starrten neugierig zurück. Erschrocken schrie Isabelle auf. Die große schwarze Katze, zu der die gelben Augen gehörten, fauchte erschrocken und sprang mit gesträubtem Fell vom Bett. Auf einmal fiel Isabelle wieder ein was geschehen war. Sie war mit Ally im Park gewesen, als sie von irgendwas gegen einen Baum geschleudert wurde und danach nichts mehr sehen konnte. Aber jetzt schien mit ihren Augen alles wieder in Ordnung zu sein. Was ihr ein Rätsel war, genau wo zum Teufel sie hier war, denn diese blass grünen Wände gehörten eindeutig nicht zu ihrem Zimmer. So einen schlechten Geschmack würde sie im Leben nicht haben. Und wer nahm sich einfach das Recht sie ohne ihr Einverständnis irgendwohin zu verschleppen? Isabelle setzte sich ihm Bett auf. Irgendjemand hatte ihr Hose und Jacke ausgezogen sodass sie jetzt nur noch das T-shirt und ihre Unterwäsche trug. So konnte sie nicht rausgehen ohne zu wissen wer ihr alles begegnen konnte. Zum Glück sah sie ihre Sachen an einem der Bettpfosten hängen. Schnell zog sie sich an und schlich dann auf Socken durch die Tür. Die Katze huschte hinter ihr her und war schon um die nächste Ecke während Isabelle sich noch umsah. Nun ja, viel gab es nicht zu sehen. Es war halt ein ganz normales Haus, wenn auch sehr altmodisch eingerichtet. Die Tür zu ihrer Rechten war nur angelehnt und leise murmelnde Stimmen waren zu hören. Langsam schlich Isabelle auf Zehenspitzen weiter, bis sie genau vor der Tür aus dunklem Mahagoni stand, sodass sie durch den schmalen Spalt in den Raum dahinter sehen konnte. Soweit sie erkennen konnte saßen dort zwei Mädchen auf einem Sofa und sie unterhielten sich über..., Isabelle strengte ihre Ohren noch mehr an. „Nein deine Turnschuhe sind ja so was von hässlich, die würde ich im Leben nicht anziehen.“ Es war die kleinere mit den schulterlangen, blond gesträhnten Haaren die das sagte und dabei ihren goldenen High Heels liebevolle Blicke zuwarf. Isabelle konnte sie jetzt schon nicht leiden. Sie lehnte sich noch ein Stück vor und bekam fast einen Herzinfarkt, als jemand sie von hinten antippte. Ihre instabile Haltung gab sofort nach, sodass sie gegen die Tür fiel, die wie im Sturm aufschlug und gegen die Wand knallte. Jetzt lag sie auf dem Boden und kam sich ziemlich dämlich vor. Alles war still. Sie spürte, wie die Blicke der anderen sie musterten, was sollte sie nur tun? „Ich...ich ähh“ Gott wie erbärmlich! Jetzt fiel ihr nicht einmal mehr ein was sie sagen konnte, dabei war sie doch die die verschleppt worden war und die eine Erklärung verdiente.
„Deine Haare sind schrecklich!“ Bitte? Was sollte das denn jetzt? Ohne aufzusehen wusste Isabelle, dass es sich um “High Heel“ handelte die etwas an ihren Haaren auszusetzen hatte. Blöde Kuh! Isabelle stand auf und drehte sich um. Vor ihr stand ein Junge mit schwarzen Haaren, die selbst unter dem hellen Licht der Deckenbeleuchtung kein bisschen glänzten, was sie wie aus weichem Samt wirken ließ. „Ich denke ich muss dir was erklären.“ Er musterte “High Heel“ mit einem zurechtweisendem Blick. „Isabelle ist bestimmt durstig, meinst du nicht auch Jas?“ “High Heel“ schnaubte und rauschte dann aus dem Raum. Isabelle hatte keine Ahnung was sie jetzt machen sollte, aber sie war tatsächlich etwas durstig. „Danke“, sagte sie, obwohl es offensichtlich war das Jas von alleine nie auf die Idee gekommen wäre ihr etwas zu trinken zu holen. „Natürlich. Jas macht das doch immer wieder gern. NICHT WAHR JAS?“ Der Junge rief das letzte laut genug, dass Jas es auch hören musste. Von irgendwoher ertönte ein aufmüpfiges Schnauben. Der Junge lachte kurz. „Ich bin Ray. Die blonde heißt Jas, wie du wahrscheinlich schon gehört hast, und das hier ist Mandy.“ Ray deutete auf das Mädchen das noch auf dem Sofa saß. Mandy lächelte Isabelle an, dann klopfte sie mit der Hand auf den Platz neben sich. Isabelle zögerte einen kurzen Moment, dann ging sie zu ihr und ließ sich auf das weiche Polster sinken. „Kann mir jetzt Mal jemand sagen wo ich hier bin?“ Isabelle sah von Mandy zu Ray der an die Wand gelehnt dastand und wieder zurück. Jas kam mit mehreren Gläsern auf einem silbernem Tablett in den Raum. „Du bist in unserem Haus. Sei lieber froh darüber, dass du noch ganz bist.“ Sie stellte das Tablett auf dem kleinen Holzbeistelltisch ab und setzte sich dann in einen der Sessel die links von der Couch standen. Isabelle ließ sich nicht abschrecken.
„Geht das auch noch etwas genauer?“ Sie beugte sich vor, nahm eines der braun gefüllten Gläser und schnupperte vorsichtig daran.
„Das ist nur Cola“, versicherte Mandy ihr. Jas warf Isabelle einen giftigen Blick zu und zischte:
„Sei dir da Mal nicht zu sicher.“
Isabelle stellte das Glas wieder ab. Doch als sie Jasses triumphierenden Gesichtsausdruck sah, schnappte sie sich wieder das Glas und trank es in einem Zug aus. Lecker. Ganz normale Cola. Zumindest schmeckte es so. Fröhlich grinste sie Jas zu, die richtig wütend aussah.
„Hey, jetzt hört Mal auf euch wie Kleinkinder zu benehmen.“ Ray sah erst Isabelle dann Jas und wieder Isabelle an, an der sein Blick hängen blieb. „Isabelle“, begann er, doch sie unterbrach ihn: „Wo ist Ally?“ Es war ihr erst eben gerade eingefallen, dass sie nichts mehr von dem Hund gesehen hatte. „Ally?“ Fragend verzog Ray das Gesicht. „Der Husky.“, erklärte sie. „Achso. Eric ist mit ihm rausgegangen. Er dürfte aber auch bald wieder hier sein.“ „Ihm? ER ist eine SIE! OKAY?“ Isabelle konnte es einfach nicht leiden, wenn jemand Ally als er bezeichnete. Ray schien das zu belustigen. Eine winzige Sekunde lang zuckte es um seine Mundwinkel, dann begann er wieder zu sprechen: „Isabelle, wir haben dich hier hergebracht, weil du anscheinend aus irgend einem Grund wichtig bist. Und Blake mir befohlen hat dich zu ihm zu bringen.“ Was sollte das bedeuten? Einen Moment überlegte sie zu fragen was das heißen sollte, aber stattdessen fragte sie: „Wer ist Blake?“ Diesmal war es Mandy die antwortete. „Blake ist so etwas wie der der ganz oben steht, so etwas wie ein König, für Leute von unserer...Art.“ Von unserer Art? Was sollte das jetzt wieder bedeuten? Auf ein Mal wollte Isabelle nur noch weg von hier. „Das ist ja alles schön und gut“, begann sie. „aber wenn es euch nichts ausmacht würde ich jetzt gerne nach Hause gehen.“ Sie sah zu Ray.
„Oh doch“, sagte dieser. „es macht uns sehr wohl etwas aus.“ Irgendwie war Isabelle erschrocken. Sie hätte nicht gedacht, dass er ihr so antworten würde.
„Wirst du mich davon abhalten zu gehen?“
„Vielleicht“ Seine blauen Augen fixierten ihre grauen. Einen Augenblick war es so, als könnte Isabelle durch Rays Augen hindurch sehen. Durch die Augen und in seine Gedanken. Und dann sah sie ein Bild. Aber es war nicht bloß irgendein Bild. Es war sie, wie sie ihm Park spazieren ging.
Es war ihr, als träfe sie ein Stoß mitten in ihrem Kopf und die Szene verschwand. Isabelle sah hastig weg und stolperte einen Schritt nach hinten. Hatte sie sich das nur eingebildet? Eine Sekunde lang glaubte sie in Rays Augen so etwas wie Erstaunen gesehen zu haben. Nur eine Sekunde, in der sie sich sicher wurde, dass sie es sich nicht eingebildet hatte, dann war alles wieder wie vorher.
Sie überlegte gerade was das alles zu bedeuten hatte, als es klingelte. Das Geräusch kam wie von weit her. „Das muss Eric sein.“ Es klang als wollte Ray nur eine Entschuldigung haben um aus diesem Raum zu kommen. Aber genau konnte Isabelle es nicht wissen. Wie lange kannte sie ihn und Mandy und Jas? Etwas mehr als eine Stunde? Es stellte sich heraus das es tatsächlich Eric war, der mit Ally vom spazieren gehen kam. Doch Isabelle würdigte ihm keines Blickes. Sie fragte nicht wieso irgendein Fremder mit ihrem Hund spazieren gegangen war. Sie fragte nicht ob sie gehen durfte. Sie sagte überhaupt nichts mehr und lief einfach an den anderen vorbei nach draußen. Vorbei an all den Fremden die ihr doch nicht so fremd schienen wie sie sollten. Und vorbei an Ray, der sie ohne jedes Wort gehen ließ.
Drei
Isabelles Mom und ihr Dad gingen am Abend zum Essen, während Isabelle mit Ally zu Hause blieb. Nachdem die Haustür ins Schloss fiel und ihre Eltern verschwanden machte sie sich eine Pizza. Hawaii. Ihre Lieblingssorte. Es war still. Sehr still. Isabelle setzte sich mit einem Stück Pizza in der Hand ins Wohnzimmer. Sie schaltete den Fernseher ein. Das Bild erhellte das im Dämmerlicht stehende Wohnzimmer. Irgendeine Doku über Fische. Isabelle verzog das Gesicht. Umschalten. Irgendein Horrorfilm. Immer noch nicht das was sie sich vorgestellt hatte aber allemal besser als eine Fisch Doku. Ally lag schlafend auf ihrer Decke. Plötzlich klopfte es an der Haustür. Was so spät? Wer erwartete um diese Uhrzeit das er hereingelassen werden würde? Langsam legte Isabelle die Pizza aus der Hand und ging bis zu dem Durchbruch zwischen Wohnzimmer und Flur. Dabei war ihr nicht ganz wohl. Die großen Fenster die von der Decke bis zum Boden reichten und die bei Tageslicht so wundervoll vorkamen, waren nun eher eine Falle. Draußen war es stockdunkel. Jeder der vor diesen Fenstern stand konnte hereinschauen und alles sehen. Er brauchte nur ums Haus zu gehen... Aus dem Fernseher ertönte schaurige Musik. Isabelle fröstelte. Aber sie musste die Tür öffnen. Vielleicht waren es ja einfach nur ihre Eltern die etwas vergessenes holen wollten? Sie glaubte nicht daran. Hätten sie es gekonnt dann hätten ihre Zehennägel sich in den Boden gebohrt. Genau jetzt. In dem Augenblick als Isabelle einfach weiter ging obwohl alles an ihr sich dagegen sträubte.
Tag der Veröffentlichung: 29.12.2010
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