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Die Wichtelin

Die Wichtelin

Die gesamte Wohnung roch nach Zimtsternen und Pfeffernüssen. Draußen war es bitterkalt, aber die Wohnung war kuschelig warm. Mein Wohnzimmer war festlich geschmückt und im Kaminofen glühten die Holzscheite. Gestern Nacht musste es unentwegt geschneit haben. Ich blickte aus dem Fenster und sah eine weiße, glitzernde Pracht. Zentimeterhoher Neuschnee wohin meine Augen blickten. Mei n Garten war eingeschneit. Der Weg zum Teich war nicht mehr erkennbar. Ich meinte, ein paar Spuren im Schnee zu sehen. Bestimmt stammten sie von meinem Kater, der in der Nacht im Garten gestromert hatte.

Mich hielt es nicht länger im Hause. Ich zog mir meine dicke Winterjacke und Handschuhe an. Schnell noch den Schal umgebunden und ich stand draußen. So schön die Gerüche der Vorweihnachtszeit in der Wohnung waren, es ging nichts über den Geruch, der mich draußen erwartete. Ich atmete tief durch. Meine Lungen füllten sich mit Schneeluft. Unberührt und betörend. Unbeschreiblich! Ein Geruch der Reinheit. Kein Parfüm der Welt könnte diesen Schneeduft ersetzen.

Es fing erneut an zu schneien und mein Herz pochte vor Freude. Ich lief den Weg zum Garten entlang und verfolgte die kleinen Spuren im Schnee. Bei näherem Hinsehen sah ich, dass es keine Pfoten Abdrucke waren, die mein Kater verursacht haben könnte. Es waren winzig kleine menschliche Fußspuren. Sehr viel kleiner als die von Kinderfüßen. Hinter dem Teich befand sich mein Gartenhaus und dort endeten die Spuren.

Mir wurde unheimlich zumute. Ich öffnete die Tür zum Gartenhaus. Dort standen die verwaisten Gartengerätschaften, die auf den Frühjahrseinsatz warteten und sonst nichts. Ein paar Windwehen mussten den Schnee durch einen Türspalt getrieben haben, denn hinter der Tür türmte sich ein kleiner Schneeberg auf. Er war unberührt und ohne Spuren.

Die nächsten Tage verbrachte ich damit, Weihnachtsvorbereitungen zu treffen und dachte nicht mehr an die seltsamen Spuren im Schnee.

Am Wochenende begann es wieder sehr kräftig zu schneien und am Sonntagmorgen entdeckte ich die kleinen Spuren im Garten wieder. Sie endeten abermals am Gartenhaus. Als ich die Tür öffnete, hörte ich ein Rascheln und meinte, ein leises Kichern zu vernehmen. Ich blieb starr stehen. Was war das? Vielleicht doch ein Tier, welches Schutz vor der Kälte suchte? Vorsichtig bewegte ich ein paar Harken beiseite. Nichts. Ich entdeckte nichts. Alles stand unverändert an seinem Platz. Als ich mich zur Tür umdrehte, vernahm ich wieder ein Rascheln. Mir sträubten sich die Nackenhaare und ich bemerkte eine Gänsehaut die Arme hochkriechend. Es muss sich ein Tier im Gartenhaus befinden. Vielleicht war es ein Igel. Ich ging zurück ins Haus und holte ein Schälchen mit Katzenfutter. Dieses stellte ich ins Gartenhaus.

Am nächsten Morgen sah ich die Spuren wieder, die am Gartenhaus endeten. Ich war gespannt, ob das Futter angerührt war. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, dass das Schälchen leer war. War da nicht eben ein Schatten, der hinter die ausrangierten Blumentöpfe huschte? Ich traute mich nicht, die Töpfe etwas weg zu bewegen. Wer auch immer hier Zuflucht vor der Kälte suchte, den wollte ich nicht erschrecken. Mein Gast war mir willkommen. Ich stellte nun täglich ein Schälchen mit Katzenfutter oder Grießbrei in das Gartenhaus. Die Speisen wurden dankbar angenommen und ich fand jeden Morgen ein leeres Schälchen vor.

Das Weihnachtsfest nahte. Ich bin ein Weihnachtsmensch und freute mich sehr auf das Fest. In der Nacht vor Heiligabend schneite es kräftiger als je zuvor. Im Hause war alles vorbereitet. Der Tannenbaum war geschmückt und mein Kater lag dösend vor dem Kamin. Ich öffnete noch kurz das Fenster im Wohnzimmer, um ein wenig Schneeluft herein zu lassen. Es war ganz still draußen, die Schneeflocken tanzten hin und her. Kurz bevor ich das Fenster schließen wollte, hörte ich lautes Gekicher. Dieses Kichern hatte ich doch schon einmal gehört. Woher kam es? Ich beugte mich vorsichtig aus dem Fenster, sah aber nichts. Ob ich mich verhört hatte? In dieser klaren Winternacht sah man die Sterne glitzern und funkeln. Der Vollmond tauchte den verschneiten Garten in ein bizarres bläuliches Licht.

Ich erblickte etwas und mir stockte der Atem.

Lediglich mit Hausanzug und Puschen bekleidet lief ich in meinen Garten hinaus. Was mich dort erwartete, war das Schönste, was ich jemals in meinem Leben gesehen habe.

Unter einem riesigen, offenen Schlossportal aus kristallklarem Eis standen große und wunderschöne Eisskulpturen. Elfen und Fabeltiere glitzerten um die Wette. In der Mitte zwischen zwei hohen Türmen tanzte eine Eiskönigin. Sie wirkte zerbrechlich und überirdisch schön. Die Königin drehte sich anmutig und grazil. Bei jeder Drehung vernahm ich ein leises Knacken und sie lächelte mich mit ihren wunderschönen Augen unentwegt an. Eine Spieluhr aus makellosem bläulich schimmernden Eis in einem verzauberten Glasgarten tanzte Pirouetten. Die Tiere und Fabelwesen um sie herum spendeten lautlosen Beifall. Kühl und erstarrt im Eise huldigten sie ihrer tanzenden Königin.

Schnee fiel in dicken Flocken vom Himmel und bettete meinen Garten in funkelnde Watte.

Ich stand einfach nur da. Tränen liefen mir die Wangen herunter. Ich spürte keine Kälte, sondern einfach nur Glück. Ergriffen konnte ich meinen Blick nicht von dieser malerischen Szenerie aus Eis abwenden.

Ein glucksendes Kichern neben mir riss mich jäh in die Wirklichkeit zurück. Ich schaute zur Seite und sah ein winziges puppenähnliches Wesen neben mir stehen. Ein schelmischer Blick aus dankbaren Äugelein traf mich. Das kleine Wesen trug eine rote Zipfelmütze und zupfte mich am Bein. Ich beugte mich tief herunter. Mit ganz hoher und fisteliger Stimme sprach sie mir ins Ohr „Dankeschön für die Herberge und das feine Essen. Ich habe Dir als Dank meine Freunde aus dem Eisland mitgebracht. Frohe und gesegnete Weihnachten für Dich“ Dann hob sie ihr winziges, rotes Röckchen hoch und lief in Richtung des nahe gelegenen Waldes. Kleine Glöckchen bimmelten an ihren Schühchen.

Ich schaute ihr nach, bis sie im Tannenwald verschwunden war. Schneeflocken tanzten unaufhörlich im bläulichen Licht und ich spürte meine Glieder langsam erstarren.

Kalt wie Eis.

Glückselig.

 

Leise rieselt der Schnee,

Still und starr liegt der See,

Weihnachtlich glänzet der Wald:

Freue Dich, Christkind kommt bald.

 

In den Herzen ist's warm,

Still schweigt Kummer und Harm,

Sorge des Lebens verhallt:

Freue Dich, Christkind kommt bald.

 

Bald ist heilige Nacht;

Chor der Engel erwacht;

Horch nur, wie lieblich es schallt:

Freue Dich, Christkind kommt bald.

 

© Ute Look

Impressum

Texte: Ute Look
Tag der Veröffentlichung: 22.12.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Märchen widme ich allen kleinen und großen Weihnachtsmenschlein auf dieser Welt.

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