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Ein Jahr ist es nun seit unserem ersten Chat her, und ich bereue nichts von alledem was ich geschrieben habe. Nicht seine Stimme zu hören, sein Aussehen zu bewundern. Ich hätte diesen Kontakt abgebrochen, würde er mir nicht immer so schöne Zitate überbringen. Ja, er war ein Chameur. Ein sehr geübter scheinbar. Aber es wirkte, als sei er der Einzige, der mich verstand, der mich so hinnahm wie ich war. Mit mit meinen Fehlern aktzeptierte. Der mich auch ohne den Anblick in mein Gesicht verstehen konnte. Nicht sehen konnte, wie ich bei gewissen Gedanken nur die Stirn runzelte. Der mich verstand, obwohl er das Zittern in meiner Stimme nicht hören konnte. So Menschen, gab es selten im Leben. Aber es waren auch die Menschen, die nicht das ganze Leben lang da waren, um sich Probleme anzuhören. Lorenzo kam aus Italien. Knapp ein Tag lagen wir voneinander entfernt. Er war zwei und zwanzig Jahre alt. Ich gerade mal neunzehn. Aber das war ja noch in Ordnung. Jedenfalls schrieben wir Tag und Nacht. Wir unterhielten uns über alles. Über alles was wir uns gegenseitig anvertrauten. Ja, er war wirklich ein Traum von Mann, leider unerreichbar für ein Mädchen wie mich. Ein normales Mädchen, das nicht so sehr auf ihr Aussehen achtet, wie die Mädchen es immer taten, die jede Woche mit einem neuen Kerl ankamen. Seitdem ich Lorenzo kenne, ist es mir egal, was Menschen über mich denken. Mir wird klar, dass es auch Menschen gibt, die mich so nehmen wie ich bin. Auch ohne knappen Röcken und blonden Haaren. Dazu noch zu viel Farbe im Gesicht, das nichts davon mehr natürlich aussah. Mein Look war so: Röhrenjeans, Sportschuhe, lockige schwarze lange Haare, Etwas Mascara und Kajal. Keinen tiefen Ausschnitt. Ich fühlte mich einfach normal am wohlsten. Und, wo wir schon beim Look waren. Ich hätte mir den Look für die Schule womöglich am besten schon gestern Abend rauslegen sollen. Man sollte nämlich auch damit rechnen, dass man zu spät aus dem Bett kommt. Mein Körper zog sich magisch auf die Beine, als ich die Zeit des Weckers endlich erkennen konnte. Das grelle Licht am frühen Morgen schmerzte in den Augen. Anscheinend hatte ich auch noch vergessen die Rolladen runterzuziehen. Was war heute..? Freitag der dreizehnte? Nein! Aber es fühlte sich so an. Denn wenn der Tag so anfing, konnte er unmöglich besser weiter gehen. Schnell zog ich die Schranktür auf, und suchte mir meine lieblingsjeans heraus. Sie war schwarz und sah einfach nur echt gut aus. Dazu noch (der Winter stand so gut wie vor der Tür) einen schwarzen Kaputzenpulli. Wie ich diese Pullis liebte. Er hatte eine weiße Aufschrift, welche ich laut der undeutlichen Schrift schlecht entziffern konnte. Schnell noch die schwarzen Chucks an und ab ins Bad. Solche Tage mögen echt blöd sein. Aber nur für Mädchen, die stundenlang brauchen, bis sie mal das passende Outfit gefunden haben. Hat also auch einen Vorteil so stink normal zu sein. Ich putzte mir die Zähne schminkte mich etwas und bürstete mein Haar durch. So zerzaust konnte ich nicht zur Schule. Das war halt der Nachteil an langen Haaren. Heute entschloss ich mich aber, die Haare frei zu lassen. Da ich fand, dass sie heute echt gut lagen. Ich schnappte mir meine Tasche und ging runter in die Küche. Wo meine Mom schon sehnsüchtig auf mich wartete. Mein Dad war schon zur Arbeit. Mom stand immer auf, wann ich raus musste. Da es sonst doof wäre, wenn ich ganz alleine am Frühstückstisch sitze. Sie hatte mir schon alles vorbereitet. Ach, wie ich meine Mom doch liebte. Ich grinste sie an.
„Hast du gu geschlafen?“, lächelte sie zurück. Ich grinste und nahm einen Bissen von meinem Käsebrot, welches ich am liebsten morgens aß. Dann trank ich den letzten Schluss Orangensaft aus meinem Glas und machte mich zur Schule auf. Mein Mercedes stand schon bereit. Naja, Mercedes war so ein bisschen übertrieben. Es war ein alter Golf, der mich aber immer aus heiklen Situationen rettet. Ich stieg ein und fuhr los. Fünf Minuten später erreichte ich auch so die fast leergefegte Schule. Ohne groß drüber nachzudenken, wusste ich schon wie spät ich dran war. Fünf Minuten nach acht, sagte mir die große Uhr im Schulgebäude. Ich rannte den Gang entlang zu dem Geschichtsraum, wo Mr Kalmes jetzt bestimmt eine Rede halten würde. Mann, und das nach dem Wochenende. Ich machte leichte Handbewegungen und klopfte an. Mit einem „herein“ trat ich ein.
„Ah, Ms Bell. Schön, dass sie auch mal zu uns finden.“ Ich grinste kurz und huschte auf meinen Platz, wo ich schon direkt ein paar Worte von Anastasia gesagt bekam. Wie ich es doch hasste. Das war die so „coole“ Anastasia. Die ich bis zu meinem Lebensende verabscheuen werde. Sie war eine der Mädchen, die die Jungs wie ihre Brüstenhalter wechselte. Und sie war die Schwester meines besten Freundes John, der schon seit einigen Tagen kein Wort mehr mit mir wechselte. Und das nur, weil ich ihm von meinen Unrlaubsflug nach Italien erzählt hatte. Der ist total ausgerastet. Seine Worte waren: „Das kannst du doch nicht machen! Bist du jetzt total irre! Wer weiß, was das für einer ist!“ Aber ich wollte mich von meinem Plan einfach nicht abhalten lassen.

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Tag der Veröffentlichung: 08.10.2012

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