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„Sera. Bist du gleich fertig?“ Er stand fertig angezogen in der Zimmertür und beobachtete mich bei meiner Wachwerdenaktion.
„Grandpa ein paar Minuten noch“, bat ich ihn hilflos.
„Möchtest du Jerome noch länger warten lassen.“ Die Worte lösten ein Vulkan in mir aus.
„Er ist schon da?“ Jetzt wollte ich es genauer wissen. Schnell sprang ich aus meinem Bett und griff nach meinen Klamotten, die ich am Abend zu vor schon bereit gelegt hatte. Ich musste nicht chic sein, sollte aber auch nicht aussehen, als sei ich gerade erst aufgestanden. Also warf ich mich in einer eigentlich ganz gut aussehenden Jogginghose. Sobald Jogginghosen auch gutaussehen konnten. Das Wetter draußen sagte mir, dass es schön werden würde. Das hieß, eine Jacke im Handgepäck würde reichen. Ich schlüpfte noch in bequeme Schuhe, bund mir mein Haar zu einem einfachen Zopf am Hinterkopf zusammen und schlenderte mit Sack und Pack die Treppe runter. Dort erwartete mich ein ziemlich gutaussehender junger Mann, der sein blondes Haar vorne hochgegelt hatte. Mit seinen blauen Augen musterte er mich dann breitgrinsend. Einen Monat hatte ich ihn nun nicht mehr gesehen. Das war eine verdammt lange Zeit, aber durchgemacht hatten wir schon so ziemlich alles.
„Hallo meine Süße.“ Ich warf mich in seinen Armen und wurde beschützend von seinen großen Händen in den Arm genommen. Was ein Gefühl des Glückes und der Zufriedenheit ihn nun wieder in den Armen nehmen zu können. Wenn man bedachte, dass wir uns letztes Jahr ungefähr um diese Zeit am anderen Ende der Welt kennengelernt hatten. Das waren Sommerferien, die man einfach nie vergessen kann. Die jetzigen Sommerferien würde ich auch immer in Erinnerung behalten können. Das wusste ich jetzt schon. Weil ich die Ferien nämlich mit dem besten Mann überhaupt verbringen durfte. Mit dem Mann, den ich liebte.
„Bist du bereit für die schönsten Ferien überhaupt?“, fragte er mich und blickte mir dabei tief in die Augen. Ich brachte nur ein leichtes Nicken zustande, ließ ihn aber nicht los.
„So, wenn ihr dann jetzt fertig seit, können wir doch los oder?“ Grandpa hatte sein Gepäck bereits aufgehoben und marschierte guten Gewissens zur Tür hinaus. Wir konnten nicht anders, wie ihm zu folgen.
„Jerome.“ Wir blickten zurück, aus der die Stimme kam. Es war die Stimme meiner kleinen Schwester Rosie, die Jerome direkt in die Arme lief.
„Na, du Süße. Bereit für die beste Schifffahrt allerzeiten?“ Rosie fing an lachend durch die Gegend zu hüpfen.
„Ja.“ Ich ging schon zu Grandpa, der sich den Kopf darüber zerbrach, wie er denn das ganze Gepäck in den Wagen bekommen sollte. Es war ein Sechstürer. Da wir ja irgendwie alle mitkommen sollten. Der Kofferraum hatte schon seine breite, aber anscheinend war er nicht breit genug. Jerome, Lorely, Rosie, Grandma, Grandpa und ich. Den Wagen würden wir am Hafen stehen lassen. Nun kamen sie alle, schlossen die Haustür hinter sich und setzten sich in den Wagen. Jerome hielt Rosie auf dem Arm und schnallte sie in ihrem Kindersitz an. Ich setzte mich ganz hinten ans Fenster. Dummerweise setzte sich Lorely in die Mitte. Hätte sie sich nicht nach vorne neben Rosie setzen können? Aber es waren ja auch nur zwei Stunden Fahrt.
„Oh, wolltet ihr nebeneinander sitzen?“ Als wenn Lorely das nicht wusste. Da brauchte sie auch gar nicht so doof tun.
„Jetzt ist auch egal“, gaffte ich fies zurück. Aber das war doch voll verständlich. Da war ich schon über ein Monat von ihm getrennt, war es doch klar, dass ich so oft wie möglich bei ihm sein wollte. Also setzte sich Jerome an Lorelys linke. Ich sah aus den Augenwinkeln heraus, dass er etwas mit seinem Handy machte. Und aufeinmal vibrierte es in meiner Hosentasche. Ich zog mein Handy heraus. Eine Nachricht von Jerome. Ich grinste zu ihm herüber.

So geht es doch auch oder Schatz?

Ja antwortete ich ihm.

Die Fahrt überstehen wir schon. Wir können auch an einer Raststätte die Plätze wechseln.

„Grandpa halten wir noch an einer Raststätte?“ Ich wollte es noch genauer wissen.
„Ich denke, dass es für uns allen von Vorteil wäre, wenn wir durchfahren würden. Umso schneller sind wir dann am Hafen. Wir sind sowieso schon spät dran.“ Ein leises Stöhnen durchfuhr meine Lippen. Ich hörte Jerome an der anderen Seite leise lachen. Ich fand das aber nicht mehr so lustig.
„Es sind doch nur zwei Stunden. Das wirst du schon schaffen oder Liebes?“
„Klar, Grandpa.“ Und die zwei Stunden gingen rum wie eine halbe Ewigkeit. Ich musste zugeben, das lange Sitzen hatte mich nur noch mehr in die Müdigkeit eingestuft, dass ich mich hinterher kaum noch auf den Beinen halten konnte. Und das am frühren Morgen. Ich quälte mich aus dem Wagen, wo mich Jerome schon auffing. Als hatte er gewusst, dass ich es nicht schaffte mich auf den Beinen zu halten. Ich blickte zu ihm herauf, aber er schenkte mir keinen Blick. Sein Blick lag stur auf etwas anderes.
„Wow“, entfloh es ihm. Erst jetzt schaute ich in die Richtung, in die er schon die ganze Zeit schaute. Ein großes Schiff stand am Hafen. Umgeben von einer Menschenhorde. Ich musste zugeben, es war ein Traumschiff. Ein Schiff wovon eine Frau nur träumen konnte. Und soetwas hatte Grandpa gewonnen, als er bei einem Quiz mitmachte. Was man da nicht so alles bekommen konnte. Bis vor kurzem hatte ich noch geglaubt, dass die Leute einen da nur verarschen würden. Aber es war gerade echt real. Selbst ich schaffte es nicht meinen Blick von dem wundervollen Anblick des Schiffes abzuwenden.
„Das ist ja ein schönes Boot.“ Rosie stand an Jeromes Linke und kriegte den Mund auch kaum noch zu.
„Das ist ein Schiff, kleines“, erklärte Jerome ihr.
„Na dann wollen wir mal.“ Grandpa machte den ersten Schritt auf das große Schiff zu.
„Na komm, Schatz.“ Jerome zog mich mit sich, dem Schiff immer näher. Aus weiterer Entfernung empfund ich dieses Schiff schon als riesig. Aber ein Vergleich zu der unmittelbaren Nähe war es nicht. Wir standen eine Weile direkt vor dem großen Schiff. In mir kam Neugierde auf, wie es wohl auf dem Schiff aussehen würde. Aber Grandpa musste noch einige Kleinigkeiten regeln. Das nahm so seine Zeit in Anspruch.
„So. Die Männer davorne kümmern sich um unser Gepäck. Ich habe die Karten, jetzt müssen wir nur noch durch die Kontrolle, dann steht unserem Glück nichts mehr im Wege.“ Wir folgten Grandpa, da es schien, als wusste er genau wo es lang ging. Wir gingen einen breiten Steg hoch, wo uns einige Wachleute empfingen.
„So, eine Kontrolle.“ Jeder von uns wurde einmal durchgecheckt, abgetastet. Aber niemand von uns hier zog krumme Dinge, also kamen wir ohne Probleme durch. Rosie hingegen fand die Kontrolle nicht so schön. Da es ihr ungewohnt war, fing sie schnell an zu weinen. Und Jerome, der eben noch meine Hand gehalten hatte, kümmerte sich jetzt um Rosie. Er nahm sie auf den Arm und versuchte sie zu beruhigen. Was relativ schnell ging. Ich fand nicht toll, dass Rosie in so Situationen immer bei ihm an erster Stelle stand. Immer, wenn Rosie traurig wurde, oder bettelte, auf seinen Arm genommen zu werden. Er gehorchte ihr sofort. Das machte mich gerade ehrlich wütend. Und um mir nichts anmerken zu lassen, weil ich mir soetwas nicht mehr anmerken lassen wollte, lief ich neben Jerome. Sagte derweil aber nichts. Zu doof, dass Jerome immer ahnte, dass mit mir etwas nicht stimmen würde. Aber ich hatte ja gute Überzeugungskräfte, die mich manchmal echt im Stich ließen. Grandpa hatte zuvor schon die Tickets eingereicht. Jetzt suchten wir schon eine Weile nach unseren Zimmern. Es war eben ein großes Schiff, das viel Zeit in Anspruch nahm.
„Da wären wir.“ Grandpa verglich die Nummer auf der Karte mit der auf den Türen. Wir waren Gäste der 2. Klasse. Nicht schlecht. Das Essen entsprach nicht das der 1. Klasse das war klar, aber die 2. Klasse nahm schon gutes mit sich.
„So. Das ist das Zimmer der Mädels. Das heißt Lorely, Sera, Rosie, Lydia mein Schatz. Das ist euer Zimmer. Und Jerome. Wir werden uns wohl ein Zimmer mit fremden Menschen teilen müssen. Es gibt hier leider nur vierer Zimmer.“ Hm, okay. Jerome schien nichts dagegen zu haben. Obwohl ich ihn gerne auf mein Zimmer hätte. Aber nun gut. Mit Lorely würde es bestimmt super toll werden. Wie sie mich zu korrigieren versucht, wenn es um Mode ging. Darin war sie einsame Spitze. Ein paar Zimmer weiter, betraten dann Grandpa und Jerome das Zimmer. Ich konnte nicht anders, wie ihnen nachsehen, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatten. Als ich dann das Mädchenzimmer betrat, hatten sich alle schon ihre Betten ausgesucht. Zwei Hochbetten standen sich gegenüber. An sich war es ein schönes Zimmer. Ein Schreibtisch stand unter dem runden Fenster, wodurch man wunderbar aufs Meer hinausschauen konnte. Eine Tür rechts an der Wand führte ins Badezimmer. Ich musste zugeben, dass das Zimmer wirklich etwas schönes an sich hatte. Anders, wie das was ich so aus Filmen kannte. Wo die Zimmer der 2. Klasse weiße Wände hatten. Unsere hingegen waren hellblau, was die Atmosphäre meiner Meinung nach noch etwas auflockerte. Rosie hatte das Vergnügen auf dem Hochbett an der linken Seite zu schlafen, Grandpa darunter. Lorely, die sich anders wie zuhause aufführte, freute sich mit Rosie zusammen auf dem anderen Hochbett zu schlafen. Ich schlief unter Lorely, Grandma unter Rosie. Es war mir relativ egal, was für ein Bett ich bekam. Hauptsache war doch, dass ich überhaupt ein Bett bekam. So tief gesunken war ich also, dass ich mich schon darüber freute, überhaupt ein Bett abbekommen haben zu können. Lorely hätte es ja auch für ihr riesiges Gepäck nehmen können. Ich ließ mich auf das wiche Bett fallen und fing an mein schon vorhandenes Gepäck zu ortnen. Die Badezimmerartikel kamen ins Badezimmer. Meine Klamotten in einen Teil des Schrankes, der in vier Parts aufgeteilt war. Dann bezog ich das Bett mit dem vorhandene Bettbezügen. Ich legte mich erschöpft in das weiche Bett, und starrte an das Lattenrost, auf dem Lorely lag und sich mit Grandma und Rosie unterhielt. Ich war so vertieft, dass ich erst gar nicht bemerkte, dass Jerome und Grandpa hereinkamen.
„Na gefällt es Dir.“ Ich legte meinen Kopf auf die rechte Schulter. Jerome hatte sich zu mir runtergebeugt und lächelte mich an. Ich wusste nicht wieso, aber nach Grinsen war mir nicht zu mute. Ich nickte und ließ ihn meine Hand greifen, die regungslos auf dem Bett lag.
„Was ist los?“ War klar, dass er wieder Verdacht schöpfte. Aber ich wollte ihm jetzt an so einem schönen Tag nicht ans Herz legen, das ich mit der Gesamtsituation nicht zufrieden war.
„Nichts. Ich bin nur müde.“
„Jerome, komm mal her.“ Rosie ergriff alle Gelegenheit ihn mal nicht fünf Minuten meine Hand halten zu lassen. Er gehorchte erneut, was ich schon zu ignoerieren versuchte.
„Was ist denn los?“ Seine Stimme klang so sanft und liebevoll, dass es mir schon wieder echt den Atem raubte.
„Sitzen wir heute beim Essen nebeneinander?“ Ihre süße Stimme wickelte ihn mal wieder um die Finger. Ich musste hier gerade einfach nur raus. Ich stand auf. „Ich geh mir das Schiff ansehen.“ Und verschwand zur Tür hinaus. Ich wollte nicht, dass mir irgendjemand folgte. Ich wollte gerade einfach nur alleine sein. Aber zum Deck schaffte ich es später, weil ich erstmal den Weg rauf finden musste. Eine Menschenmenge stand oben an Deck, als ich es auch endlich erreichte. Und es war wunderschön hier oben. Klar blauer Himmel stand über uns. Wolken lagen verschleiert an ihm. Ich schritt weiter durch die Menschenmenge, bis ich den hinteren Teil des Schiffes erreichte. Nun stand ich hier, alleine auf einem riesigen Schiff, schaute hinab in die Tiefe des Ozeans. Die Propeller, die sich untem am Schiff bewegten schäumten das Wasser auf. Es sprudelte und spritzte. Aber es erfrischte mich. Die Brise des Windes durchfuhr mein Haar. Genüsslich schloss ich die Augen um den jetzigen Moment zu genießen.
„Das ist schön hier nicht wahr?“ Erschrocken schaute ich mich um. Mein Blick fiel auf einen muskulösen großen Mann, der lächelnd auf das Meer hinausblickte. Ich hatte ihn nicht bemerkt.
„Ja. Das ist es“, gab ich zurück und griff um den weißen Zaun, der das Schiff abdeckte, so dass niemand hinunter ins womöglich kalte Wasser fiel.
„Ich bin Zackary. Aber nenn mich doch Zack.“ Er reichte mir eine seiner großen Hände, womit er meine leicht umfassen konnte.
„Seraphina.“ Ich löste mich aus seiner großen Hand und machte mich zum gehen auf. Irgendwie kam mir das hier ziemlich komisch vor. Wenn Jerome mich so sehen würde. In der Nähe eines wirklich gutaussehenden Mann. Womöglich aus der 1. Klasse. Braunes schulterlanges Haar, ziemlich Männlich. Grüne Augen und ein schicker Anzug, der seinen Körper noch mehr betonte. Ich schätzte ihn auf 1.90 Meter.
„Was ist denn los? Willst du schon gehen?“
„Ja, ich hatte vor mir das Deck anzusehen. Aber,“ ich spähte auf meine nicht vorhandene Armbanduhr. Hoffentlich bemerkte er es nicht „ich muss mich noch fertig machen. Es gibt sicherlich gleich essen.“ Wie blöd, dass ich meine Uhr am Morgen noch aus Bequemheit abgelegt hatte. Ich hatte gerade keine Ahnung wie spät es war. Ich hoffte nur, dass es bald Mittagessen gab.
„Zehn Uhr morgens. Eine Frau braucht doch keine zwei Stunden um sich für das Mittagessen fertig zu machen?!“ Er verpackte den Satz als Frage und Aussage, schwer darauf passend zu reagieren.
„Ja, äh. Sie unterschätzen die Frauen.“ Ich wandt mich ab und ging den gleichen Weg durch die Menschenmenge zurück, wie ich hergekommen war. Auf dem Weg zurück ins Zimmer traf ich auf Grandpa, der langsam den Gang her schlenderte.
„Ist es denn schön an Deck?“, fragte er mich grinsend.
„Ja, sehr Grandpa.“
„Wenn du Jerome suchst. Er ist auf dem Zimmer“, legte mir Grandpa beim Gehen ans Herz. Ich wusste nicht, worauf er hinaus wollte. Aber es sollte mit Sicherheit so viel heißen, wie: Ich finde, du solltest mal nach Jerome gehen. Das war ich ihm schuldig. Ich meine, sehr nett und höflich hatte ich mich ja nicht aus dem Staub gemacht. Nun stand ich vor seiner Zimmertür, bereit zum Klopfen.
„Ja“, erklang es von innen. Als ich kleinen Klopfbewegungen mit der rechten Hand verursachte. Langsam öffnete ich die Tür. Mein Blick fiel sofort auf Jerome, der auf der linken Seite auf dem untersten Bett des Hochbettes lag und las. Er blickte noch nicht einmal auf. Ich kannte ihn als neugierig. Er war immer schon so gewesen, wissen zu wollen, wer denn da ins Zimmer kam. Was jetzt nicht der Fall war. Und er war alleine. Seine anderen Zimmergenoßen waren wohl ausgeflogen.
„Hey.“ Mir war nicht ganz klar, was die bessere Reaktion war.
„Hey.“ Er würdigte mir keines Blickes.
„Das Deck ist sehr schön.“ Ich versuchte Abzulenken. Vielleicht bekam er ja Interesse was das Deck anging. Aber er ignoerierte meinen dämlichen Beitrag über das Deck gekonnt.
„Na dann.“ Mir so eine Desinteresse spüren zu lassen, was mir noch nahe ging. Nicht jeder schaffte es, mich mit so einer Desinteresse zu kränken. Aber ich fühlte mich fehl am Platz.
„Ich geh dann wohl besser wieder. Wir sehen uns dann beim Mittagessen.“ Ich wollte gerade gehen, warf aber noch ein Blick zurück, als ich die Tür öffnen wollte. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass er mich zurückhalten wollte. Aber damit lag ich wohl falsch. Ich schloss die Tür hinter mir und schlenderte zu unser Zimmer. Auch ich war alleine. Lorely war wohl mir Rosie unterwegs. Ich ging zum Schrank um mir etwas schickes für das Mahl herauszusuchen. Entschloss mich dann für ein schwarzes Kleid, mit einem dunkelroten Bund um die Taille. Ich stieg unter die warme Dusche. Es fühlte sich wundervoll auf der Haut an. Ich ließ das Wasser auf dem Badetuch tropfen und schlüpfte mit trockenem Körper in das wundervolle Kleid. Schwarze Pumps sollten es werden. Nun fönte ich das Haar. Ich bekam es echt gut hin. Viel damit machen wollte und musste ich hinterher nicht. Ich ließ die Locken offen über meine Schultern fallen und betrat das Zimmer. Ein Schock durchfuhr meinen Körper, als ich bemerkte nicht mehr alleine zu sein. Ich war erschrocken darüber. Aber erleichtert, als es Jerome war, der mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand lehnte und mich anblickte.
„Das eben tut mir leid.“ Er entschuldigte sich?
„Mir auch.“ Ich hatte ja auch nicht fair gehandelt. Ich war schon echt zickig. Komisch, dass ich das überhaupt mal zugebe. Aber er war es Wert.
„Ja, du warst komisch. Schatz, was war los?“
„Das ist wohl einfach nicht mein Tag. Es tut mir leid.“ Ich legte mich in seine Arme und ließ mich von ihm umarmen.
„Ist alles wieder gut zwischen uns?“, wollte er wissen.
„Ja.“ Wir lösten uns, und ich nahm einen Kuss von ihm entgegen.
„Du siehst bezaubernd aus.“ Ich grinste und merkte wie ich rot wurde.
„Du bist auch echt chic“, gab ich das Kompliment zurück. Die Tür hinter uns ging auf. Lorely, Grandma und Rosie kamen herein.
„Wow.“ Grandma fand keine anderen Worte, was mich zum lächeln brachte. Unsere Hände verharkten sich in einander.
„Wie sieht es aus. Schauen wir uns das Deck gemeinsam an?“, fragte er mich nun. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, aber um kein Verdacht zu schöpfen wegen der Sache mit Zack bejahte ich seine Frage. Hoffentlich hatte sich Zack schon wieder dahin verkrochen wo er her kam. Ich hatte absolut keine Lust auf noch mehr Stress.
„So wir sind dann jetzt erstmal oben“, grinste er und schloss die Tür hinter uns.
„Habe ich Dir heute schon gesagt, wie sehr ich Dich liebe?“, fragte er mich.
„Nein.“ Ich wüsste zumindest nicht, dass er mir heute schon ein „Ich liebe Dich“ ins Ohr geflüstert hat.
„Wirklich nicht?“ Das konnte er wohl selbst nicht glauben. Ich schüttelte erneut den Kopf. Ich erkannte an seiner gerümpften Stirn, dass er nachdachte. Man, er konnte wohl wirklich nicht glauben, dass er heute noch nicht die drei wundervollen Worte zu mir gesagt habe.
„Hm, dann mach ich das jetzt. Ich liebe Dich.“ Er betonte es doppelt so stark wie sonst. Wahrscheinlich deshalb, weil er es mir heute noch nicht gesagt hat.
„Ich liebe Dich auch.“ Er zog mich näher an sich und küsste mir auf die Stirn. Komisch, dass mir der Weg an Deck diesmal kürzer vorkam wie vorhin. Wahrscheinlich deshalb, dass ich den perfekten Mann gerade an meiner Seite hatte.
„Wow. Das ist wirklich schön hier.“ Da hatte ich wohl doch nicht geflunktert. Aber es war wirklich traumhaft schön.
„Hallo ihr zwei. Wow Sera, Jerome. Ihr seht toll aus.“ Grandpa gab uns ebenfalls ein Kompliment, genau wie Grandma zuvor.
„Danke“, bedankten wir uns.
„Gibt es eigentlich Mittagessen hier oder nur Abendessen?“, fragte ich Grandpa. Sicher war ich mir da nicht. Aber Zack hatte es mir zuvor abgekauft.
„Liebes, da bin ich jetzt aber überfragt. Wie wärs, wollen wir uns mal erkunden? Es ist ja zu schade, wenn ihr jetzt den ganzen Tag so chic rumlauft und es keinen Anlass dazu gibt.“ Also folgten wir Grandpa. Eben hatte er sich eine Karte des Schiffes besorgt und orientierte sich bewusst an dieser.
Plötzlich standen wir vor einer großen Glastür. Der Rahmen war mit goldenen Schrafierungen fiziert. Das Schiff war wirklich edel.
„Frühstück von acht – neun Uhr dreißig. Mittagessen von zwölf – dreizehn Uhr dreißig. Und Abendessen von sechs – sieben Uhr dreißig. Es sieht so aus als gibt es in einer halben Stunde Mittagessen. Ich mach mich mal fertig. Bis gleich ihr Lieben.“ Grandpa verließ uns und war einige Sekunden später nicht mehr zusehen.
„Gutes Timing, Liebling.“ Er küsste mich erneut. Diesmal noch romantischer und liebevoller. Ich blickte um mich herum. Oh mist. Ich erkannte Zack am anderen Ende des Ganges. Schnell wandt ich mich der Glastür entgegen. In der Hoffnung, dass Zack mich nicht erkannt hatte.
„Schatz ist alles in Ordnung?“ Natürlich, dass Jerome das bemerkt hatte. So eine spontane Handlung. Jetzt fehlte mir nur noch eine passende Ausrede.
„Sieh mal wie schön das da ist?“ Ich deutete auf den großen Speisesaal um etwas abzulenken.
„Ja. Das ist wirklich schön. Warten wir hier noch auf die anderen? Oder wollen wir uns noch etwas das Deck ansehen?“ Ich schaute um mich herum. Zack stand dummerweise immernoch in unserer Nähe. Ich entdecke aber einen Gang, der uns weit Weg von ihm bringen konnte.
„Ne ne. Das Deck ist schöner.“ Ich zog ihn mit den Gang entlang. In der Hoffnung nicht von Zack entdeckt worden zu sein. Wir glitten auf eine Holzbank, die uns die Sicht über das gesamte Deck einbrachte. Ich schmiegte mich verliebt an seinen gutgebauten Körper und schloss für einen Moment die Augen. Ich genoss den Moment mit ihm total.
„Schatz?“ Jerome warf mir keinen Blick zu. Aus den Augenwinkeln erkannte ich, wie er in eine andere Richtung starrte.
„Ja?“ Ich lehnte immernoch an seiner gut gebauten Schulter und hatte die Augen geschlossen, damit ich den Moment noch besser genießen konnte.
„Da ist so ein Kerl. Der schaut die ganze Zeit hierrüber“, bemerkte er. Schnell schlug ich die Augen auf. Oh scheiße. Das war Zack, der die ganze Zeit hierrüber starrte. Jerome durfte auf keinen Fall erfahren, dass ich diesen Kerl „kannte“. Der würde nur eifersüchtig werden. Und eifersüchtig noch dazu.
„Keine Ahnung, der mag vielleicht die Aussicht hinter uns. Also du interpretierst da was falsches rein, Schatz.“ Schnell stand ich auf, um nicht noch mehr aufsehen zu erregen. Ich wusste genau, wo Zack hinschaute. Ob er mich wohl erkannt hatte? Ich hoffte es nicht. Ich kannte Jerome. Er würde alles hinterfragen.
„Schatz, was-“
„Die anderen warten bestimmt schon.“ Ich nahm ihn bei der Hand und zog ihn mit. Was eine Zwickmühle. Wie das Schicksal es so wollte, warteten die anderen bereits.
„Na ihr zwei.“ Grandpa grinste uns entgegen, während er uns die Tür aufhielt. Bestimmt wollte er selbst gerade den Saal betreten. Schließlich war er hier nicht der Türaufhalter. Ich musste bei dem Gedanken grinsen, wie Grandpa da stand und jedem die Tür aufhielt, obwohl er eigentlich nur zu uns so nett sein wollte. Wir folgten ihm zu einem Tisch, der am Rand des Saales stand. Es war gar nicht so eine schlechte Aussicht. Klar, die vielen Menschen versperten uns die Sicht, der schönen Bilder und Verschnörkelungen an den Wänden. Aber immerhin gab uns ein Fenster noch eine wundervolle Aussicht nach draußen, die ich wunderbar nutzen konnte. Zu blöd, dass Jerome mir die ganze Zeit so komische Blicke zu warf, und ich den schönen Ausblick gar nicht richtig genießen konnte. Jeder von uns ging anschließend zu dem großen Buffet, das wirklich wunderbar köstlich aussah. Es gab Fisch, alle möglichen Salate, Fleisch, Saucen, wie Sauce Hollandais, Kroketen, Pommes, Spaghetti. Ach, es gab einfach alles. Ganz besonders lecker fand ich ja den herrlichen Salat, mit dem Dressing, das ich nicht zuordnen konnte. Womöglich eines der besten Köche des Schiffes. Ohne viele Worte nahmen wir das Mahl zu uns. Jerome sagte ebenfalls nichts. Ich wusste auch nichts zu sagen. Währenddessen dachte ich darüber nach, welche Ausrede am angebrachtesten waren, um Jeromes Fragen passend und glaubwürdig zu beantworten. Dennoch hoffte ich, dass keine weiteren Fragen kommen würden.
„Jerome?“ Rosie schlang eine Nudel herunter, trank einen Schluck des leckeren Orangensaftes und richtete sich wieder an Jerome. Der von seinem Teller aufsah und Rosie fragende Blicke zuwarf.
„Zeigst du mir gleich das Deck?“ Sie lächelte über beide Wangen.
„Natürlich.“ Er lächelte zurück. Wie lange war ich als große Schwester eigentlich schon nicht mehr aktuell? Beziehungsweise, was hatte ich falsch gemacht, weshalb sich meine kleine Schwester mehr für meinen Freund, als für mich interessierte? Ich musste zugeben, dass es schon mein Schwesternherz verletzte, ich es aber noch verdecken konnte. Auch ich trank etwas des Orangensaftes und ignoerierte das hin und her gegrinse. Lieber schaute ich nach draußen in die herrliche Natur. Dann ließ ich meinen Blick durch den gesamten Saal schweifen. Elegant gekleidete Menschen aßen genüsslich. Unter uns womöglich noch die 1. Klasse. Klar, dass es nicht für jede Klasse einen eigenen Saal gab. So groß schätzte ich das Schiff nun doch wieder nicht.

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Tag der Veröffentlichung: 23.09.2012

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