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Das Vogelgezwitscher am frühen Morgen. Herrliche Musik in meinen Ohren. Der Duft der Natur, der in meine Nase kroch und in mir ein atemberaubendes Gefühl auslöste. Die Sonne, die durch meine Jalousinen drang, und meinen Augen Schmerz zufügte. Mein Blick verschärfte sich, nachdem ich die ganze Sonne in mein Zimmer eindringen ließ. Ich blickte in die schöne Natur, die hohen Bäume mit der wuchtigen Krone. Der Sonne fiel es schwer ihre Sonnenstrahlen durch die dichten Kronen zu werfen. Mein müder Blick schweifte durch mein kleines aber doch feines Zimmer, das durch die gestrige Putzaktion schon viel frischer und lebendiger aussah. Es konnte sich sehen lassen. Und das Wetter ? Das spielte sehr gut mit. Passend für Grandpas und meiner Zelttour, die wir einmal in einem viertel Jahr veranstalten. Und dieses Mal passte es sehr gut, weil die drei monatigen Sommerferien vor ein paar Tagen erst begonnen hatten. Herrlich ! Ich hetzte aufgeregt ins Bad. Obwohl ja kein Grund zur Aufregung bestand, da es nicht das erste und letzte mal war. Aber es war schön zu wissen, dass etwas Abstand von meiner chaotischen Familie bekommen konnte. Lorely, meine Stiefmutter „die Frau des Hauses“ so nannte ich sie, die brachte mich einfach jeden Morgen aufs neue auf die Palme. Mein Dad war nie zu hause, worunter ich wirklich schon litt. Lorely machte mir echt das Leben zum Alptraum. Und Dad nahm das nicht wahr, wenn er mal zu hause war. Wenn, dann kümmerte er sich nur um Rosie meiner kleinen fünf jährigen Schwester, die ja wohl anscheinend mehr Liebe benötigte wie ich. Dad vernachlässigte mich einfach nur. Eine siebzehn jährige benötigt ja nicht mehr so viel Liebe und Aufmerksamkeit. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass Dad so dachte. Ich entschloss mich spontan für eine schöne Dusche, die mich auf andere Gedanken bringen würde. Ich ließ das kalte Wasser über meiner Haut zergehen, dass das Shampoo den Abfluss hinunter spülte. Ich entschied mich heute mal für eine sanfte Kokosspülung, die mein Haar noch mehr Glanz, Kraft und Liebe verleihte. Es ließ sich gleich viel leichter kämen. Was bei meinen Locken manchmal nicht so einfach war. Der Fön trocknete jeden Tropfen Wasser in meinem Haar. Eine Hitze überkam meinen blassen Körper auf Grund des elektrogerätes, das sich wie Feuer in mir anfühlte. Aber nicht wie brennend heißes, sondern warmes angenehmes Feuer.
„Sera“, rief Grandpa von unten herauf. „Ich komme“, schrie ich zurück. Ja, ich schrie. Grandpas Gehör war leider nicht mehr das wie vor fünfzig Jahren. Seraphina zog eine Reisetasche unterm Bett hervor und füllte sie mit ihren wichtigsten Klamotten. Alles war da zugehörte. Innerhalb von einigen Minuten schleppte sie diese die Treppe hinunter. Gerede erklang aus der Küche, unter anderem Lorelys Stimme. Nur dadurch stieg mir der Hass den Hals hinauf und drohte zu überschwemmen. Ich biss die Zähne zusammen und ließ die befüllte Tasche auf den Fliesen fallen. Um jegliche Aufmerksamkeit in diesem Raum zu erhalten.
„Sera.“ Rosie rutschte von Lorelys Schoß und rannte mir in die Arme. Ich fing sie auf und nahm sie auf den Arm. Rosie war zwar erst fünf, aber immerhin noch etwas zu klein für ein Mädchen in ihrem Alter. Es fiel mir nicht schwer sie zu tragen. Da unser beider Gewicht nicht gerade meinen Rücken schonte ließ ich sie wieder zu Boden. Bemustert von Lorelys kaltem Blick. Oh, er war wirklich kalt. Kein Gefühl schwamm in ihm. Kein Gefühl von Liebe oder sogar Nettigkeit. Ich erkannte nur Boshaftigkeit. Oh, und es verletzte mich nicht. Meine Art konnte sowieso niemanden wie Lorely schätzen und irgendetwas warmherziges für sie empfinden. Ich fühlte nichts für sie. Sie machte mein Leben kaputt. Nur noch eine Frage der Zeit, bis sie Dads Konto geplündert hat und abhaut. Das konnte ich mir bei ihr genauso gut vorstellen, wie, dass ich irgendwann keinen Draht mehr zu irgendwelchen Lorelys aufbauen werde. Kommen mir auch nur Leute entgegen, wo ich dem Namen wusste. Ich würde sie ausgrenzen. Ausgrenzen aus meinem Gott verdammten Leben. Ich hasse Lorely! Und sie mich unübersehbar auch. Mein Körper ließ sich neben Rosie auf die Bank sinken. Ich griff nach einem Brötchen, die die Wärme verloren hatten. Grandpa besorgte immer warme Brötchen. Ich hatte meine Zeit sonst immer genau einhalten können. Aber diesmal hatte ich sie eindeutig überschritten. Das lag wohl daran, dass ich immer wieder aus dem Fenster sah und diese wundervolle Natur beobachtete. Ja, und sie war wirklich wundervoll. Selbst jetzt stieg mir schon die Freude daran in die Natur rauszugehen in den Magen.
„Saraphina. Hast du auch alles dabei. Denk an Unterwäsche, Regenklamotten. Es sind zwar nur zwei Tage. Aber das Wetter schwankt.“ Lorely war die Einzige, die mich mit vollem Namen ansprach. Und am aller meisten regte mich auf, dass sie jetzt so tat, als würde sie sich um meinerseits Sorgen. Oh nein. Ein guter Eindruck vor Grandma und Grandpa, war womöglich ihr größtes Ziel. Ich war ihr doch egal.
„Saraphina“, sie wiederholte meinen Namen, da sie dachte ich hätte ihr nicht zugehört. Nein, ich ignorierte sie gekonnt und verdrehte sichtbar die Augen.
„Saraphina!“
„Nu gib ihr doch eine Antwort“, bettelte Grandma fast. Da sie es wohl genauso wenig wie ich haben konnte, wenn Lorely so typisch Lorely eben war. Zickig, rechthaberisch – ätzend. Mein Blick wanderte mit gespieltem Grinsen zu der Ziege. „Ja, habe ich.“ Gut, dass sie erkannte wie gespielt doch mein Grinsen war. Sie schaute weg. Gut so, wenn Grandma und Grandpa nicht dabei gewesen wären, hätte sie mir womöglich noch eine Predigt gehalten. Aber genug von dem. Ich wollte und konnter nicht länger hier sein.
„Gandpa gehen wir?“ Ich wollte ja nicht aufdringlich sein, aber ich hatte die Nase voll.
„Ja, wir gehen jetzt.“ Er packte noch einige Lebensmittel in die Kühltasche, während ich meine Tasche schon nach draußen beförderte. Wir würden laufen. Soweit war es nicht bis zu unserer Wiese. „Gandpa hast du die Karte?“ Ich ging mal auf Nummer sicher, da ich keine Lust hatte stunden lang hier durch die Gegend zu laufen. Und das womöglich noch im Kreis. Ne ne, da war die Karte schon echt wichtig. Und daran hatte er auch gedacht. Mit Karte unterm Arm und Rucksäcke am ganzen Körper marschierten wir los.
„Grandpa?! Haben wir uns verlaufen?“, fragte ich nach einer Stunde. Normalerweise dauerte es maximal eine dreiviertelstunde. Und so lahmarschig waren wir auch nicht. Grandpa wusste nicht mehr vorne und wo hinten war. Er war jetzt buff. Genauso wie ich. Mal sehen, vielleicht konnte ich uns ja weiter helfen. Ich griff nach der Landkarte. Irgendwie sah mir das komisch aus. Die Städte standen nicht so da, wie ich sie kannte. Moment mal..
„Grandpa?“ Er schaute mich fragend an.
„Kann das sein, dass du die Karte die ganze Zeit falsch herum gehalten hast?“ Jetzt wurde sein Blick fragender. Und ich hätte gerade einfach die Wand hoch gehen können. Also Karten lesen war wohl nichts mehr für ihn. „Also jetzt nehm ich die Sache mal in die Hand. Schließlich wollen wir heute noch ankommen.“ Also schritt ich los. Grandpa dicht hinter mir. Er hatte schon die Schweißperlen auf der Stirn stehen. Ja, mir ging es auch so. Ich hätte die Sache wohl schon eher in Angriff nehmen sollen. Wir liefen und liefen. Ja, es war ja auch einiges nachzuholen, was wir erst nicht getan hatten. Den richtigen Weg einschlagen.
„Sera. Was ist denn nun mit dem neuen gutaussehenden aus Deiner Klasse?“ Oh je. Meine Wangen nahmen die röte meiner roten Haare an und plötzlich war mir alles unangenehm.
„Grandpa“, ich biss mir auf die Unterlippe. „Müssen wir darüber reden?“
„Ja, wieso denn nicht?“, gab er zurück. Dann platzte aufeinmal alles aus mir heraus.
„Er geht mit meiner besten Freundin. Mir würdigte er keines Blickes. Ich habe mich zum Affen gemacht. Anna redet nicht mehr mit mir, weil ich mich schon in ihrer Beziehung zum Affen gemacht habe.“ Grandpa verstand mein Anliegen. Und es war schwierigere Situation wie ich sie ihm geschildert hatte.
„Aber Liebes. Du musst um ihn kämpfen. Und meinst du nicht, dass Anna es Dir schon eher sagen sollte? Sie hat Dir die Beziehung zum ihm verschwiegen. Auch nicht besonders toll. Hm?“ Ich fing an hart nachzudenken. Ja, sie hatte es mir verschwiegen und erst preis gegeben, als ich schon echt mies vor ihm da stand. Freundinnen vertraut man eigentlich so gut wie alles an, finde ich. Das ist nicht fair mich dann da so auf „No-go zu stellen. „Ja, vermutlich hast du recht.“
Nach einer dreiviertelstunde wirr durchs Gebiet, entdeckten wir eine Wiese. Ja, eine schöne Wiese. Aber es war nicht unsere Wiese. Ich sah Grandpa einen fragenden Blick zu.
„Es wird dunkel. Vielleicht sollten wir das hier in Angriff nehmen. Wenn man uns vertreiben sollte, weil es hier nicht gelassen ist. Verschwinden wir einfach. In ordnung?“ Ich brachte nur ein Nicken zu stande.
„Aber sieh mal Grandpa. Das muss hier gelassen sein.“ Ich zeigte auf eine kleine Stelle, in Mitte kleine abgebrannte Holzstöcker. „Das muss doch eine Lagerfeuerstelle sein.“
„Gut, schlagen wir unser Lager auf.“ Mir gefiel Grandpas Art. Er ging gerne auf Risiko, genau wie ich es tat. Wie heißt das so schön: „Eltern haften für ihre Kinder“. Da ich also noch minderjährig war und etwas anstelle, muss meine ach-so-tolle Stiefmutter, die ja wohl immer daheim ist, das ausbügeln. Dad war ja vielleicht wohl wenns hoch kommt ein Wochenende im Monat zu hause. Zu meinem Pech verpasste ich ihn immer. Entweder übernachte ich bei Freunden oder sonst was. Partys? - Waren nicht so mein Ding. Ich traf mich lieber mit „wahren Freunden“, was man von Anna ja wohl nicht mehr behaupten konnte.
Wir schlugen unsere Zelte auf. Es waren kleine Zelte, deshalb hatte jeder von uns eines für sich. Vorallem waren es diese neuen total coolen Zelte, die sich ausbreiten sobald man sie schmeißt. Total cool. Bei Grandpa ging es sofort. Ich war da nicht so ein Könner drin. Das war anscheind etwas für Jungs und Männer. Bei mir kam Stoff ans Licht, aber als Zelt konnte man es nicht betrachten.
„Pass mal auf. Wir packen es wieder normal ein und versuchen es nocheinmal.“ Ich gehorchte, da mir jetzt keine andere brauchbare Idee einfiel. Nun war das Zelt wieder in der eingepackten Position. Grandpa warf es und das Zelt breitete sich aus. Ja, jetzt nicht mehr wie wirr herum wehender Stoff. Sonder wie ein Zelt halt. Fakt war nun: Frauen sollten das Zeltaufbauen den großen Männern überlassen. Während ich mein Schlaflager bereit machte suchte Grandpa ein paar Holzstöcker um das Lagerfeuer fertigstellen zu können. „Sera. Kommst du mal bitte?“ Ich stieg aus dem Zelt in die freie Natur und schritt auf Grandpa zu. Der so wie es aussah fertig mit dem Stöcker sammeln war. „Kannst du Feuer ohne einem Feuerzeug machen? Ich habe leider das Feuerzeug vergessen.“
„Ja, kann ich.“ Ich lächelte. Er lächelte dankend zurück
„Das hast du aus dem Pfadfinderklub gelernt, richtig?“ Er fragte mich dieses, während ich zwei daneben liegende Stöcker nahm und an einander rieb. Bis die Glut kam und das Feuer sich in binnen von Sekunden ganz über die Feuerstelle ausgebreitet hatte. „Ja, genau“, antwortete ich und stand auf. Ich klatschte die Hände zusammen, weil es einfach ein tolles Gefühl war gebraucht zu werden.
„Super gemacht“, lobte er mich „Ich habe Marshmallow. Ich weiß doch das du sie liebst.“ Er ging zum Zelt und kam mit einer Packung frischer Marshmallows wieder. Ich musste grinsen, als ich an die frühere Zeit zurück dachte. Es war ein schöner Frühlingstag. Ja, letzten Jahres. Der erste Mai. Anna, ich und ein paar Freunde wollten den Tag zusammen in der Natur verbringen. Wir waren den ganzen Tag mit unserem Maiwagen unterwegs gewesen. Am Abend gingen wir zum Strand und fanden eine Feuerstelle. Anna wusste wie gut und gerne ich Feuer aus eigener Hand erstellte. Aber es war immer Anna, die das Feuer erstellen durfte. Die anderen waren ja nur mit mir befreudet, weil ich immer bei Anna war. Mich mochten sie doch nicht. Anna war wirklich beliebt in der Schule. Also „meine Freunde“ konnte ich sie nicht nennen. Anna konnte das Feuerlegen wirklich gut, aber mir gelang es schneller und besser wie ihr. Ich war auch immer die, die sich anhören konnte, wie gut mir das Feuerlegen gelang. Aber Anna wollte Alles. Und sie hatte Alles. Eine tolle Familie, einen tollen Freund, keine beste Freundin mehr (das hatte sie sich selbst zuzuschreiben). Sie hatte all das, was sich ein Mädchen nur wünschte. Ehrlich, ab und an fing ich an sie zu beneiden. Wenn ich so daran dachte, dass ich eigentlich nichts mehr hatte. Anna kannte auch meine Vorlieben, und holte den Abend Marshmalllows heraus. Die wir gemeinsam aßen. Ja, der Abend schien sehr schön. Aber ich konnte einen normalen Abend auch nur als schön bezeichnen, weil ich noch nie so einen „wirlich wundervollen Abend“ erlebt hatte.

Grandpa und ich saßen unter einer warmen Decke und aßen Marshmallows.
„Grandpa?“
„Ja, mein Liebes?“ Er klang so liebevoll und warmherzig, wie es schon lange niemand mehr zu mir war. Er war ein Grandpa, den man einfach lieben musste. Trotz seiner Tollpatschigkeit. Ich musste grinsen. „Danke, für den tollen Tag.“ Das war wirklich ein Grund mich zu bedanken. Es war aufregend gewesen. Er lächelte mich herzlich an und zog mich an sich, so dass ich meinen Kopf an seine Schulter schmiegen konnte. „Du musst Dich für nichts bedanken. Ich muss Dir danken, dass wir überhaupt noch etwas weiter gekommen sind.“ Ich musste Lächeln. Er erwiderte es und wir lehnten eine Weile noch so aneinander.
„Ach und Sera?“ Wir sahen uns nicht an.
„Hm?“
„Lorely versucht schon länger Deine Aufmerksamkeit zu ergreifen. Sie möchte Dich besser kennen lernen. Ich weiß, du vermisst Deine Mum. Das tuen wir alle, aber wäre es nicht besser wenn du Lorely in Deinem Leben aktzeptierst? Sie wird die Familie nämlich nicht mehr verlassen.“ Es war so klar, dass das Ende eines Tages aufgeriffen wird. Mir stiegen die Tränen in die Augen.
„Grandpa müssen wir das jetzt ausdiskutieren?“
„Ja, ich weiß unpassend. Aber vielleicht denkst du da ja mal drüber nach.“Ich konnte Grandpa nur zustimmen. Ich vermisste meine Mum, oh ich vermisste sie sehr. Und ich hasste Dad dafür, dass er zwei Jahre nach Mums Tod eine neue Frau an ihrer Stelle nahm. Ich hatte ihm nie wirklich verziehen. Zwei Jahre sind seit seiner zweiten Hochzeit vergangen. Und vier nach Mums Tod. Ich erinnerte mich noch genau an diesen Tag. Die Erinnerung hing so tief und detailliert in mir fest, dass mich schon fast die Vergessenheit einholte es doch nur als vergangen anzusehen. Ich ging in mir um mich an diese Zeit ganz genau erinnern zu können. Ich wollte mich genau jetzt daran erinnern.

Ich erinnerte mich an eine graue regnerische Nacht im November. Der Novembar war ja auch als „Trauer November“ bekannt. Jedenfalls ging es in unserer Familie genau so ab. Zwischen Mum und Dad kam ein heftiger Streit. Sie zofften sich nur noch. Bis Mum dann die Sachen packte und weg wollte. Sie wollte unsere Familie einfach so im Stich lassen. Und wieso das Ganze? Weil Mum eifersüchtig geworden war. Mum und Dad waren zuvor noch im Restaurant gewesen. Ich musste auf Rosie aufpassen. Und dort hatte Dad wohl anderen Frauen auf den allerwertesten „geglotzt“, so nannte es Mum. Dad hatte die Begrüdung einfach lange keinen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Rosie war ein Jahr alt, Mum musste sich viel kümmern, da ich mit meinen zwölf Jahren ja nicht viel aufpassen konnte. Und Dad gab zurück, er hätte sich damit ja auch nicht in ihrer Schwangerschaft befriedigen können. Das hieß: „ Jahre ohne sexuelle Anschmiegung, da Mum auf Grund Rosies heranwachsenden Körper sich noch nicht mal richtig hinlegen konnte. Und der Sex würde Dad überhaupt nicht gefallen, weil sie wirklich einfach nur „fett“ war. Also stieg Mum die Treppe herunter zur Haustür raus. Sie zankten sich bis die Tür geschlossen war und Dad einfach nur in mein gekränktes Gesicht blickte. Rosie hatte ich das nicht antun wollen. Plötzlich hörten wir Reifengeräusche und Schreie. Starke Reifengeräusche. Dad riss die Tür auf um zu sehen was da los war. Und er stand nicht mehr doof an der Tür, als ihm die Situation Klarheit schaffte. Er rannte raus in den Schneeregen, der die Sicht hemmte und beugte sich auf die nasse Straße. Ich rannte ihm nach, und als mir auch klar wurde was da geschehen war, musste ich einfach nur weinen. Mum lag regungslos auf den Boden. Dad schrie sie an, in der Hoffnung sie würde sich doch bewegen. Ein Auto hatte sie wohl nicht erkannt und umgefahren. Dieses lag im Graben. Ich schnappte mir das Telefon und rief die eins, eins, zwei. Was ich bis vor kurzem noch von Mum gelernt hatte. In kürze traten die Rettungswagen ein und nahmen Mum direkt mit. Ich erkannte aus den tränenden Augenwinkeln heruas, wie Mums Klamotten auf der Straße verteilt lagen. Grandpa und Grandma nahmen mich mit ins Krankenhaus, während Dad im Krankenwagen mitfuhr. Dad kam uns im Krankenhaus. Ich erinnere mich noch wie aufgebracht er war.
„Was ist los Dad?“, hatte ich ihn gefragt. Aber er antwortete nicht. Er führte uns zu ihrem Zimmer. Sie lag auf der Intensivstation. Wir spähten einen Blick durch die Glasscheibe. Sie sah so ruhig aus. Ich schaute zu Dad rauf, der mir nur über die Schulter strich und mich an sich zog. Am Abend fuhren wir dann nach hause. Und am nächsten Morgen hörte ich ein leises Wimmern aus der Küche. So, dass ich neugierig wurde. Dad saß mit dem Rücken zu mir auf einen Küchenstuhl und weinte. „Dad?“ Er drehte sich um. Ich erschrack, weil er so rote Augen hatte. Brüsk stand er auf und nahm mich schnell in den Arm.
„Was ist denn los?“, hatte ich ihn gefragt.
„M-Mum.“ Er schaffte es nicht die Wörter frei auszusprechen. Aber das musste er nicht mehr. Ich verstand auch so. Eine Träne entfloh mir nach dem anderen. Sie rieselten nur so wie ein Wasserfall. Wir standen beide in der Küche und weinten, mit Grund. Es schien mir eine Welt unter zu gehen. Ohne Mum? Dad musste wohl ganz starke Schuldgefühle gehabt haben. Er konnte sich noch nicht mal mehr für den Streit entschuldigen.

Die Dunkelheit brach an, die Sterne funkelten am Himmel. Der Mond war auch schon da. Er hatte seine volle große noch nicht erreicht. Er schien einfach so schön und wundervoll zugleich. Er stand über jegliche Häuser. Mein Blickt vertiefte sich in seinen Umrissen. Ich musterte ihn genau, und dachte an etwas schönes. Ich versuchte es zumindest. Ich stellte mir vor, irgendwann mal glücklich zu werden. Und, dass diese Campingtour ins abenteuerliche übergeht, obwohl ich mir nicht so sicher bin wie es noch aufregend werden könnte. Ehe das Feuer den letzten Glutfunken versprühte und nur noch ein leichter Rauch in den Himmel aufstieg gingen wir in unsere Zelte. Ich kuschelte mich warm in meinen Schlafsack und schloss mit einem wohlen Gefühl meine Augen. Morgen würde bestimmt ein toller Tag werden. Wir würden nämlich dann unsere richtige Wiese finden. Ich musste grinsen.

Unsanft wurde ich aus den Träumen gerüttelt. Was geschah hier? Langsam aber sicher öffnete ich meine Augen. Moment mal. Das war doch jetzt nicht die Umgebung, in der ich eingeschlafen war?! Wo zum Teufel war ich und wo war.. Grandpa! Mit Fesseln an den Hand -und Fußgelenken saß er am anderen Ende. Keiner von uns konnte etwas sagen, da ein Stoffband dieses verhinderte. Bah und es schmeckte dazu noch widerlich. Ich fühlte mich gerade wie im schlimmsten Alptraum! Widererregend über Menschen, die soetwas taten spuckte ich das Tuch aus und versuchte mich von dem Fesseln zu befreien. Also die Knoten saßen, und wie sie saßen. Ich schaffte es einfach nicht mich zu befreien. Wie ein kleines aufgeregtes Mädchen rutschte ich auf den Boden hin und her um die Fesseln dadurch vielleicht etwas zu lockern. Aber auch das gelang mir nicht. „Grandpa“, flüsterte ich sehnsüchtig. Ich war sehnsüchtig danach wieder freien Boden unter den Füßen zu bekommen und mit Grandpa nach hause gehen zu können. Ich hatte plötzlich etwas Angst. Aber Angst war nichts schlimmes. Das Flugzeug, so nahm ich an schwankte von einer zur anderen Seite, so dass ich widerwillig hin und her rutschte. Schmerz durchzog meinen Rücken, als ich gegen harten Kisten knallte. Die scharfen Kanten rammten sich durch mein Oberteil in den Rücken. „Ah!“, keuchte ich auf. Ich biss mir auf die Unterlippe, um den Schmerz von dem Rücken auf ein anderes Körperteil zu ziehen.
„Was zum Teufel..!“ Einer der Männer hatte meinen Befreiungsversuch wohl nicht überhört und spähte einen Blick nach hinten. „Ey, Mann. Die Kleine, die versucht sich zu befreien.“ Scheiße! Das war ja wohl mal garnichts hier.
„Sie kommt hier nicht raus! Wir legen die Landung ein“, hörte ich den anderen Kerl von vorne her sagen. Das Flugzeug legte die Landung ein. Es schien mir eine starke Landung. Es beugte sich tief nach unten. Mein Körper rutschte wieder an meinen vorherigen Platz. Scheiße tat das weh! Mein Blick fiel auf Grandpa, den ich zuvor nicht viel beachten konnte. Ich hatte zu viel mit meinem Befreiungsversuch zu tun gehabt. Ich musterte ihn von oben bis unten. Und erschrack an dem Anblick. Ein großer Kratzer zog sich über seine Stirn. Er war nicht so tief, das Blut aus ihm drang, aber wohl schmerzhaft. Für einen Moment dachte ich an die schlimmste Folternebenwirkung Version. Aber, nein! Er war nicht tot. Er atmete. Ich konnte sehen wie sich sein Brustkorb beim einatmen einsog und beim ausartmen ausbreitete. Bei der plötzlichen ruckartigen Bewegung des Flugzeugs fiel Grandpas Körper mit einem Knall auf den Grund des Flugzeuges. Er konnte sich nicht aufrichten, da die Hände auf den Rücken lagen und die Beine eingewinkelt dalagen. Es schien als würde er friedlich schlafen, aber dabei quälte er sich. Und um dieses zu unterdrücken oder wegzudrängen kniff er die Augen zusammen. Ich kannte es, da ich es selbst immer tat. Ich konzentrierte mich auf etwas anderes schönes, um von dem Schmerz abzulenken. Ein Ruck durchfuhr dem Flugzeug und plötzlich schien alles unter mir fest und nicht mehr instabil. Wir waren gelandet. Meine Ohren lauschten dem Gerede der Männer. Ich wünschte verstehen zu können worüber sie redeten. Plötzlich ging die Hintertür auf und ein Mann mit brauem kurzen Haar und grünen Tarnanzügen spähte herein. Für den ersten Moment schien er mir freundlich und nichts böses wollendes. Aber als die Stimme eines anderen Mannes erklang riss er mich am Arm zu sich um die Fußfesseln zu befreien. Dann (da ich wieder laufen konnte) zog er mich auf die Beine. Für einen kurzen Moment schien sich der Boden unter meinen Füßen aufzulösen. Ich schwankte zur einen und zu anderen Seite, bis ich mich gefasst hatte und wieder einen gescheiten Schritt vor dem anderen machen konnte.
„Jerome!“, schrie jemand. Damit war wohl der Mann gemeint, der mich grob am Arm zerrte. Er wandt sich um. „Binde sie am Pfeiler fest und pass auf, dass da nichts ist womit sie sich befreien kann!“ Ich sah Jerome nur noch nicken. Toll. Und ich dachte, er wäre so nett und würde mir nichts böses. Am Pfeiler angekommen legte er eine Hand auf meinen Kopf und drücke mich zu Boden. Tja, die hatten schon ihre Methoden Menschen das machen zu lassen, was sie wollen. Er befestigte mich an dem Pfeiler und flüsterte: „Hör zu. Ich will Dir nichts, okay?“ Er schob ein Messer dicht an meinen Körper, so dass ich gut mit den Händen dran kam. „Ich würde die Chance in der Nacht nutzen“, riet er mir während er mir die Füße verbund und aufstand. Mein Blick folgte dem wirklich gut aussehenden Mann, der noch einen Blick zurück warf. Wow, er war also wirklich nicht so wie die anderen. Grandpa saß einige Meter weiter an einem anderen Pfeiler. Ich zwinkerte ihm mit einem Lächeln unauffällig zu. Er schien nicht zu wissen weshalb ich so grinste. Das verursachten wohl die Schmerzen, die Mann ihm zufügte. Jerome nahm mit anderen Männern unter einem offenen Zelt an einem Tisch platz. Er sah wirklich gut aus. Boah Seraphina, hör auf so zu denken. Er gehört zu den bösen! Es war leicht mir das einzureden, aber schwer die Beweise dafür zufinden. Schließlich hatte er mir ein Messer dagelassen. Die Männer lachten über irgendetwas „unglaublich lustiges“. Ich versuchte ein wenig zu schlafen und schloss die Augen. Doch hätte ich mir denken können, dass ich keine Ruhe finden würde.
„Hey“, hörte ich wen sagen. Ich öffnete meine Augen und grinste als ich Jerome vor mir erkannte. Er hatte einen Becher mit einem Strohhalm in der Hand und etwas zu essen. „Hast du Hunger?“ Er klang so nett. Dennoch war mir gerade echt nicht danach. Ich schüttelte den Kopf. Aber er ließ nicht locker. Sein Körper ließ er neben mir sinken. Er schloss seine Arme um die Knie. „Wie heißt du denn?“ Er versuchte ein Gespräch zu beginnen. Mein Blick, der vorher auf den Mond fixiert war wanderte zu ihm. „Sera, Seraphina.“ Er lächelte. „Das ist ein schöner Name. Ich bin Jerome.“ Wow, was war der süß. Ich konnte nicht anders, als es mir zu sagen. „Ich weiß“, brachte ich nur heraus. Sollte ich etwa sagen, schön Dich kennen zu lernen? Ne. So war es nämlich nicht. Lügen war in dem Fall nicht so meine Stärke. Als könnte er meine Gedanken lesen. „Ich weiß. Du denkst ich wäre ein krimineller Vollidiot. Der nichts besseres zu tun hat, als Menschen zu foltern.“ Somit hatte er recht. Der Gedanke ging mir durch den Kopf, und das nicht zu wenig. Ich nickte. Plötzlich kam ich mir so vertraut in seiner Nähe vor, dass ich ihn etwas über mich sagen musste. „Eigentlich wollte ich mit meinem Grandpa,“ ich spähte einen Blick zu Grandpa, der die Augen geschlossen hatte und ruhig an dem Pfeiler lehnte „eine Campingtour machen. Er schaffte es nicht die Karte zu lesen und so kamen wir gar nicht an. Tja, und da entdeckten wir diese Wiese. Und das wars, jetzt bin ich hier!“ Wut stieg mir in den Kopf. Wut überhaupt diese Wiese gewählt zu haben. Ich konnte mir nicht erklären weshalb ich plötzlich so war. Wenn Jerome mir nicht das Messer dahin gelegt hätte und sich nicht mit mir unterhalten wollen würde. Ich hätte schon längst irgendwie die Flucht ergriffen. Ich war eine Kämpferbraut, so sagte immer meine Mutter. Wenn ich etwas wollte, bekam ich es auch. Ich arbeitete an meinen Fähigkeiten. Ich war ergeizig in jener Hinsicht. Jerome wusste dazu wohl nichts zu sagen. Okay, was konnte er auch dazu sagen? Schließlich gehörte er mit zu diesem Kriminellen-folter- Clan. Ich lehnte meinen Kopf müde gegen den Pfeiler und schloss etwas die Augen. Doch irgendetwas ließ mich daran glauben, dass Jerome mich die ganze Zeit anblicken würde. Ich lauschte der Natur, lauschte dem unmittelbar neben mir aufstehenden Jerome, der das Essen und Trinken neben mir stehen ließ. Wieso überhaupt? Ich konnte nicht die Hände benuten, noch irgendein anderes Körperteil. Womöglich wollte er mich nur hungern lassen. Er wusste, dass ich da nicht dran kam und wollte, dass ich es roch. Aber ich stellte alles ab. Meinen Kopf, den Schmerz in meinem Rücke und meine Gedanken. Ich wollte einfach nur noch schlafen. Egal, wie spät es gerade war. Ich konnte nicht mehr, als Energie zu tanken.

Meine Träume schienen sich zu überschlagen. Ich träumte von etwas traumhaft schönes. Einer schönen Wiese, die von der Sonne erhellt wurde und Wärme in meinen Körper aufstieg. Andererseits schien mich die Realität einzuholen. Meine Augen öffneten sich. Die Nacht war noch nicht zu Ende. Es schien als sei sie mitten drin. Als sei es nicht mehr abends, aber auch noch nicht morgens. „Was?“ Ich war zu müde um zu realisieren was da gerade geschah. „Jerome?“ Ich erkannte die Umrisse der für mich vertrauten Person. Die dunklen Haare. Das männlich geformte Kinn. Ich konnte es fühlen, in der Nacht. Nicht sehen aber fühlen. „Ganz ruhig Seraphina. Ich helf Dir!“
„Ich heiße Sera!“ Ich wurde wohl auch noch frech. Sorry, Jerome. Aber es ist nunmal so. Und wobei wollte er mir bitteschön helfen? Ging es mir nicht gut? Also ich hätte schwören können, dass ich nur müde war. Ein Ruck und ich schien zu schweben. Man, war ich müde. Er stellte mich irgendwo im Gebüsch auf die Beine. „Bleib hier, ich hole Deinen Grandpa“, flüsterte er mir sanft zu. Aber ich konnte nicht anders, als meine Augen wieder zu schließen. „Sera!“ Grandpa fiel mir in die Arme, als hätten wir uns ewig nicht mehr gesehen. Okay, wir hatten uns gesehen, aber konnten uns Stunden nicht in die Arme nehmen. „Rennt! Los. Sie wachen gleich auf. Und wenn sie erfahren, dass ich euch geholfen habe und ihr weg seit werden sie mich umbringen und euch womöglich auch. Also rennt!“, befahl Jerome uns nochmals. Also, dass ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich schnappte mir meine Klamotten, Grandpa seine und schon waren wir weg. Ich wargte auch keinen Blick mehr nach hinten zu Jerome. Nachher stolpere ich noch über irgendeinen Ast und schramme mir meine Knie auf. Dann kommt bei unserem Glück im Unglück auch noch der kriminelle-folter-Clan, wie ich es nannte. Wir rannten und rannten. Die Bäume zogen sich an uns vorbei. Im dunkeln war es schlecht zusehen, daher musste man sich voran tasten. Nicht, dass man noch vor lauter Schreck gegen einen Baum lief. „Sera. Ich brauche eine Pause.“ Okay, Grandpa war auch nicht mehr so fit. Ich verstand ihn. Also setzten wir uns eine Weile hinter einen Busch. Naja, nicht das man uns noch erwischte. Dann wären wir noch schlimmer dran.
„Er hat ein Auge auf Dich geworfen.“ Grandpa ergriff dieses Thema wie aus heiterem Himmel, ohne mir dabei eines Blickes zu würdigen. Er nahm einen Schluck von dem Wasser, was er dabei hatte. Ich konnte nicht anders, als ihn fragend anzusehen. Ich wollte es nicht abstreiten, aber auch nicht glauben. Er war anders wie wir. Er lebte unter den Menschen, und ich hasste diese Menschen. Also musste ich auch etwas Hass gegenüber Jerome entfinden. „Können wir weiter?“ Ich fing an ihn zu hetzen, aber das lag wohl daran, dass ich diese Themen nicht ab haben konnte. Weder wollte ich über Annas Freund, noch über Anna selbst, über Jerome oder sonst was reden. Ich wollte gerade einfach nur nach hause. Ich hasste diese Themen so sehr, wie ich gerade mein Leben verabscheute. Hier lief nämlich nichts mehr nach Plan.
„Na, gut. Aber irgendwann wirst du Dich Deinen Problemen stellen müssen. Die Sache mit Anna und ihrem Freund klären, mit Lorely und auch mit Jerome.“
„Grandpa, wer weiß, ob ich Jerome jemals wieder sehen werde. Ich habe keine Lust auf dieses Liebesdrama. Das lässt mich nur weich werden.“
„Ja, klar. Das lässt Dich weich werden. Es darf niemand wissen, dass du auch Gefühle hast“, scherzte er leicht sarkastisch. Ich gab mein bestes, um dieses zu ignorieren. Ich wusste was ich wollte, und weich werden gehörte nicht dazu. Klar, ich hatte meine Existenz. Ich stand sogar teilweise als Schlampe da, aber ich ließ mich nicht unterkriegen. Selbst wenn ich etwas über mich hören würde, was ich noch gar nicht wusste. Menschen waren dazu da, um Gerüchte in die Welt zusetzen. Das wusste ich besser wie so viele andere. Also, um diesen Menschen kein Zulass in mein Leben zu lassen, grenzte ich mich von ihnen ab. Oh, und ich kam sowas von gut damit klar keine Freunde zu haben. Aber es war ja schon ein Stück weit meine Schuld.
Was rede ich denn da? Nichts war meine Schuld. Toll, jetzt irritierte mich die ganze Sache so sehr, dass ich mir schon selbst die Schuld für meine Probleme gab. Ich kann doch nichts dafür, dass ich mich in Annas Freund verliebt habe (und ich wusste nichts davon). Ich kann nichts dafür, wenn Jerome Augen auf mich geworfen hat. Ich bin so wie ich bin. Entweder man nimmt mich so hin, oder man lässt es. Und ich kann nichts dafür, dass ich so durchtriebenen Hass für Lorely verspüre, die mich schon bei der kleinsten Kleinigkeit auf die Palme bringt.
„Liebes, sieh mal.“ Grandpa ging mir einen Stück voraus. Er drückte mich runter, da ich nicht wusste, weshalb er da im Busch hockte oder so leise sprach. Doch dann erkannte ich selbst wieso und weshalb. Irgendwelche Stammesleute trieben dort ihr Unglück. Sie lebten hier in diesem unheimlich großen Wald. Hatten dort ihre Häuser. Um den Platz hatten sie einen Zaun gezogen, der leicht zu überqueren schien. Die Häuser, wie aus alten Steinzeitzeiten. Naja, wohl nicht ganz so. Aber die Ähnlichkeit war da. Jetzt wusste ich also wozu Geschichte gut war. Es blieb sogar etwas an mir hängen. Ich fing an das kleine Dorf zu mustern. Es schien auch hier die Schlafenszeit eingebrochen zu sein. Sie waren nicht lange in die Betten, da sie zuvor wohl noch wild ums Lagerfeuer getanzt sind, so lernte ich in die Geschichte. Alte Traditionen um den Glauben beizubehalten. Da singt man etwas in der Sprache mit der sie aufwuchsen. Feiern, tanzen herum, tranken sich die Köpfe zu. Ja, etwas normales hatten sie an sich. Die Stichwörter: Feiern, tanzen, trinken. Obwohl mir das Dorf nicht groß schien, schienen wohl sehr viele Ureinwohner dort zu leben. Die Häuser standen nicht gerade in Reihen oder geordnet. Sie standen wild herum. Die Glut des Lagerfeuers war noch nicht ganz erloschen. Es war dunkel. Meine Augen erkannten nicht viel, aber eines erkannte ich doch sehr wohl. Hinter eines der Häuster oder Hütten erkannte ich so eben „Menschen“? Eingeschlossen?! Ich glaubte mal meinen Augen und schlich vorwärts. Wieso die armen Menschen dort lassen. Ich wusste nicht, weshalb ich jetzt so sprach. Aber ich wusste wie es war gefangen gehalten zu werden. Und das würde ich den Menschen nicht weiter zumuten. Ich warf flüchtig einen Blick nach hinten zu Grandpa, da ich die Anführerrolle gerade übernommen hatte. Er verstand und nickte nur. Ich schlich vor in Richtung Käfig, da ich die wilden Wölfe ja nicht aufwecken wollte. Ich wollte auch nicht zulassen, dass diese die armen Leute am nächsten Tag zur Mahlzeit verspeisen. Ihh, schon der Gedanke daran widerte mich an.
„Geh du sie befreien. Ich halte hier wache.“ Grandpa zwinkerte mir zu und lauschte nach irgendwelche Geräuschen, soweit die Hörgeräte es zuließen. Ich stellte einen Fuß vor dem anderen, um nicht etwas an Geräuschen auszulösen. Scheiße! Ein Stock knackste unter meinem Fuß. Für einen kurzen Moment blieb ich stehen und rührte mich nicht. Ich lauschte, aber es drang nichts naherückendes auf mich zu. Was ein Glück. Als die Menschen mich sahen wurden sie aufmerksam und fragten sich wohl, was ich denn hier tat. Das würd sich wohl jeder in dieser Situation fragen. Ich erkannte drei Menschen. Zwei jüngere und eine ältere Dame mit grauen Löckchen. Es stand ihr erstaunlich zu. Und wenn sie ein hohes Alter hätte, sähe man es ihr nicht an. Das Junge und das Mädchen waren dann wohl die Enkelkinder der Dame. „Ich helfe Ihnen“, versuchte ich diese zu beruhigen. Ich betrachtete das Schloss. Da ich wirklich gut Schlösser knacken konnte (das konnte ich dank dem Pfadfinderklub) tat ich dieses jetzt auch. Ich zog mir also eine Haarspange aus dem Haar, die die restlichen Haare zusammen hielt, da mein Zopf nicht alle Haare fest in sich nehmen konnte. Ich fummelte mit dieser in dem Schloss herum, und mit einem kleinen Knacken „Yeah“, entfloh es mir, war das Schloss auch schon offen. Die drei Unbekannten kamen leise heraus und um es nicht wirklich auffallen zu lassen schloss ich die Tür wieder. Leise folgten sie mir zu Grandpa, der noch hinter dem Busch stand und Wache hielt. Ein Geräusch der Einwohner und uns wurde sofort klar, wir mussten verschwinden. Es fühlte sich so an, als würden wir um unser Leben rennen.
„Da!“ Die Schreie kamen immer näher. Ich wollte rennen, aber ich konnte nicht. Mein Fuß hatte sich in einer Wurzel verhackt. „Boah, scheiße!“, entfloh es mir. Ich wurde hektisch, weil die Einwohner uns immer näher kamen. Grandpa und die anderen liefen weiter. Doch, als sie bemerkten, dass ich nicht mehr bei ihnen war wollten sie umkehren. „Lauft doch. Verdammt nochmal!“, schrie ich ihnen hinterher. Sie sollten weg hier, weil ich echt nicht riskieren wollte, dass wir alle in Beschlacht genommen werden. Mit mir alleine würden sie doch wohl nichts anfangen, ich hoffte es. Sie würden die anderen wohl auch noch wollen um eine richtige Suppe aus uns machen zu können. Ihh, wie ekelig! Die Einwohner näherten sich meiner Angst und zerrten mich davon. Mit einem kratzenden Seil fesstelten sie mich an Fuß und Hand. Was ein Mist! Nicht schon wieder. Mein Herz schien mir in die Hose zu rutschen. So eine Angst bewahrte ich, als sich mich nicht in den Käfig packten, sondern schon direkt an einen Pfeiler bunden, so dass ich auf Grund der Schmerzen wegen dem Seil es nicht schaffte mich zu befreien. „Aua! Wieso machen Sie das mit mir?“ Ich versuchte einfach mal drauf anzusprechen. Bestenfalls würden sie mich nicht verstehen. Schlimmstenfalls foltern.
„Uga uga.“ Ein wütender kleiner Mann versuchte mir wohl Angst zu machen. Ich wünschte mir auf einmal so sehr, dass Alles hier verstehen zu können. Doch, dann wurde mir alles klar. „Aua!“ Der Mann hatte Schmerzen. Er hob den rechten Arm, so dass ich mehr Einblick bekam. Dann hob er.. meinen Verbandskasten? Toll, also kramten sie mir auch noch in meiner Tasche herum. Ich erkannte es daran, dass zwei Frauen sich in Ureinwohnersprache unterhielten und dabei etwas aus meinem Rucksack zogen, was wie meine Sonnenbrille aussah. Och Mann ey. „Ich kann helfen, Dir.“ So versuchte ich es mal. Vielleicht würde er es ja verstehen. Oder auch nicht?! Der fragende Blick, erklärte mir, dass er Null von dem verstand. Eine vertraute Stimme kam zum Vorschein. Ich schaute dorthin, woher diese Stimme kam. Jerome? „Was..?“
„Hi, Sera.“ Er klang wieder so nett. Aber weshalb war er denn hier? Er sollte doch bei seinem „Clan“ sein.
„Was machst du hier?“, flüsterte ich. Und wieder begann er mit den Ureinwohnern ein Gespräch zu führen. Ich konnte nicht fassen, dass er ihre Sprache sprach.
„Ah!“, echoten diese Menschen und kratzten sich an ihre Köpfe. Ich versuchte die Handlungen der Menschen zu deuten. Sie schienen wohl einiges klarer geworden zu sein. Indem was Jerome ihnen wohl erzählt hatte. Dann wandt er sich mir zu. Mit einer leichten Handbewegung schnitt er mit dem Messer das kratzende Seil los. „Du musst ihnen helfen. Erst dann lassen sie Dich gehen. Sie wissen nicht weshalb du Deinen Verbandskasten dabei hast und denken du seist eine Krankenschwester.“ Oh lieber Himmel. Krankenschwester? Ich? Hm, ne. Ich rieb mir die Hände. Ein rotes Band zog sich um ihnen. Das waren die Wunden, die das Seil hinterlassen hatte. Ein Stechen zog sich durch meinen Händen. Jerome reichte mir den Verbandskasten und führte mich zu einem kleinen Tisch. „Was machst du eigentlich hier?“ Die Frage bedrängte mich schon die ganze Zeit über. „Kann ich Dir das vielleicht später erklären?“ Er schien etwas genervt. Womöglich von meiner Fragerei, aber gut bis später konnte ich mich ja noch gedulden. Obwohl mir meine Theorien darüber nicht aus dem Kopf gingen. Lebte er vielleicht doch hier und hat sich nur als einer der gefährlichen Entführer ausgegeben, damit er spionieren konnte? Jerome ging in der Zeit, wo ich den Mann verartztete, zu den Kindern, die an freier Stelle mit einem selbstgeflochteten Ball spielten. Erst jetzt bemerkte ich wie gut aussehend Jerome eigentlich war. Ich schätzte ihn auf ein meter fünf und achtzig. Seine Statue ähnelte einem Bodybuilder. Er hatte wirklich breite männliche Schultern und ein breites Kreuz. Genau in diesem Moment bekam ich das Bedürfnis mich liebevoll an ihm schmiegen zu wollen. Wie er mich mit seinen großen männlichen Händen in den Arm nahm. Wie ich mit meinen Händen sein geformtes Kinn nachfühlen kann. Wow. Er war wirklich eine Wucht von Mann. So nett und unversehrt. Mit ab und zu zu Jerome schweifenden Blicken verartztete ich den Mann. Ich betrachtete die Wunde genau. Der Mann schien alles was ich tat zu mustern, um sich und den anderen später womölich mal selbst helfen zu können. Ich sprühte mit dem Desinfektionsmittel auf die Wunde, und tupfte es mit einem Tuch ab. Der Mann schien wirklich Schmerzen zu haben. Aber dafür war ich ja jetzt da. Ich fühlte mich irgendwie gebraucht und wohl bei der ganzen Sache. Wohl zu wissen nicht in den Kochtopf zu landen oder gefoltert zu werden. Nein, es war nur die Gegenleistung, die ich bringen musste um gehen zu können. Ich musste nur diese Wunde verartzten. Ich schnitt mit mit der kleinen Schere, die ich immer dabei hatte ein Pflaster ab und setzte es passend auf die Wunde. „So.“ Ich lächelte den Mann an, der mir nur dankend die Hand reichte und wieder weg ging. Es tat gut etwas gutes getan zu haben. Glücklich und zufrieden gleich gehen zu können räumte ich meine Sachen zurück in den Kasten und steckte ihn in meinen Rucksack, so dass ich gar nicht bemerkte wie Jerome aufeinmal neben mir stand. „Sie sagten, du könntest jetzt gehen. Dein Grandpa und die anderen Leute bei ihm wissen bescheid. Ich habe sie gerade aufgeklärt. Sie warten draußen. Komm.“ Er fasste mich sanft ans Handgelenkt und führte mich fort. Er verabschiedete die Einwohner von mir und ihm, da ich die Sprache nicht sprechen konnte. Aber doch ein großes Dank an ihnen hatte jetzt gehen zu dürfen. „Grandpa!“, schrie ich, als ich ihn erkannte und rannte auf ihn zu. Ich fiel ihm direkt in die Arme und konnte nicht anders, als ihn anzugrinsen. Und die Leute, die ich zuvor aus dem Käfig befreit hatte waren auch noch da. Grandpa meinte es wohl wirklich ernst.
„Ach mein Liebes. Ist alles in Ordnung, geht es Dir gut?“ Er schien sich wohl große Sorgen gemacht zu haben. Aber das war doch total normal. Nicht jeder würde mal in Beschlacht irgendwelcher Ureinwohner genommen werden. Für einen kurzen Moment schien ich Jerome vergessen zu haben. Ich wandt mich zu ihm um. „Danke.“ Er erwiderte mein Lächeln und zupfte seinen großen Rucksack zurecht.
„So wollen wir dann weiter?“ Grandpa wurde unruhig. Aber ja, ich wollte auch unbedingt weiter. „Begleitest du uns?“, fragte ich Jerome, der direkt neben mir lief.
„Ja. Wenn es Dir recht ist?“ Ich nickte heftig. Ja, klar. Wieso sollte es mir nicht klar sein. Er war toll, so wie er war. Die Nacht wurde wieder zum Tag und wir liefen immernoch. Die Sterne waren verschwunden und die Sonne aufgetaucht. Das Gezwitscher der Vögel ließ in mir ein warmes Gefühl der Sicherheit auftauchen. Ohne Vogelgezwitscher war es mir doch wirklich ruhig hier im Wald. Jerome lief die ganze Zeit neben mir, als verfolgte ihm die Sorge, dass ich vielleicht umdrehen oder einfach so verschwinden würde. Er hatte einen Beschützerinstikt, den ich sehr zu schätzen wusste. Aber dennoch hatte ich diese Frage.
„Wieso bist du hier?“ Ich blickte ihn an in der Hoffnung, dass er mir hoffentlich nicht wieder so eine genervte Antwort gab. Aber er sagte nichts. Wollte er nicht drüber reden? Oder wollte er gerade einfach nicht mit mir reden.
„Oh.“ Grandpa wandt sich zu mir um. Er sah aus, als hätte er gerade einen Geist gesehen. Leere durchfuhr seinem Blick. Dann lächelte er. „Ich habe ganz vergessen euch alle vorzustellen.“ Er schweifte den Blick durch die Runde. Grandpa war der Beste. Erst hier einen Schrecken einjagen und, dass wegen einer Vorstellungsrunde.
„Also,“ er schaute mich an „Das sind Stefan, Josephine und Magda.“ Er fing bei dem irgendwie gut aussehenden Jungen an, ging rüber zu dem aufgetarkelten Mädchen, dass mich schon die ganze Zeit feindeslig anschaute, und zu der älteren Dame. „Ja und das,“ diesmal meinte er die drei Mitreisenden „meine Enkelin Seraphina. Sie wird gerade Sera genannt. Und ein naja sollte ich Freund sagen? - von ihr.“ Freund? Oh, Jerome war nicht mein Freund. Unsere Blicke trafen sich. Seine Wangen behielten die bräune. Meine blassen Wangen röteten sich wie so oft auch. Grandpa grinste uns beide an.
„So, gehen wir weiter.“ Ich wollte so schnell wie möglich von dem Thema ablenken. Da es mir gerade echt unangenehm wurde. Unangenehm war auch, dass Jerome mir einfach keine Antwort gab. Er wollte wohl wirklich nicht drüber reden wollen. Aber wieso machte ich mir jetzt so einen Kopf darüber? Ich kannte ihn noch nicht mal einen Tag. Einige Stunden davon hatte ich ihn ja auch gar nicht gesehen.
„Jerome.“ Grandpa drängte mich sanft zur Seite, als würde er mir sagen wollen, ich sollte doch schonmal vorgehen. Ich verstand ihn blind und nahm den Platz Grandpas ein, wie er noch vorgelaufen war.
„Seit ihr wirklich ein Paar?“ Stefan schien wirklich neugierig zu sein.
„Ach, quatsch. Grandpa reißt wieder seine Witze.“ Ich musste Lächeln. Stefan lächelte zurück. Ich hasste die Stille, die sich immer wieder breit machte. „Wieso seit ihr eigentlich hier gestrandet? Oder wolltet ihr hierher?“ Die Neugier überfiel mich. Ich wollte plötzlich so viel erfahren um der Stille kehrt zu machen. Stefan suchte nach den passenden Worten.
„Ehm, nein. Wir wollten hier nicht her. Grandma, Josephine und ich wir hatten eigentlich Urlaub auf einer schönen Insel machen wollen. Grandma wollte mal wieder etwas mit uns unternehmen, da unsere Eltern oft unterwegs waren. Weißt ja guter Job, viel Arbeit, aber dafür auch einiges an Geld. Ja, aber wir kamen nie zu dem Hotel. Irgendwie hat uns der Flieger des Flugzeugs hierher befördert.“
„Und so sämtliche Mitreisende auch?“, fragte ich ihn schließlich.
„Nein. Dad hatte uns ein Privatjet besorgt. Das klingt doof ich weiß. Aber der schien anscheinden nicht den Weg gefunden zu haben.“ Wir mussten lachen, da das ja schon etwas komisch klang. So Leute lässt man doch kein Privatjet fliegen.
„Und weshalb seit ihr hier?“, fragte er mich nun.
„Also eigentlich wollte wir in unserem Heimatort wie des öfteren im Jahr eine Campingtour machen. Also zelten. Wie blieben immer auf der gleichen Wiese. Nur irgendwie fanden wir es nicht dorthin. Ja, dann waren wir auf einer anderen Wiese und wachen gefesselt in einem Flugzeug auf.“ Stefan durchfuhr ein Schock. Der Mund blieb ihm offen stehen.
„Oh. Das ist wirklich krass.“
„Ja fand ich auch. Aber im Moment kann ich nur drüber grinsen.“ Stefan schien wirklich nett zu sein. Die Unterhaltung tat wirklich gut. Ich musterte ihn, und musste festsellen, dass er wirklich gut aussah. Sein blondes kurzes Haar hatte er vorne am Pony etwas hochgegeelt. Die blauen Augen funkelten nur so, wenn die Sonne drauf schien. Und seine Lippen erst. Klar, er hatte nicht so ein männliches Gesicht wie Jerome, deren Wangenknochen leicht zu deuten waren. Aber wie ein Junge sah er auch nicht wirklich aus. Er war auch gut gebaut. Etwa so groß wie Jerome, vielleicht noch etwas kleiner. Das breite Kreuz hatte Stefan jetzt nicht, aber er sah gut aus. Der Unterschied zwischen dem total gut aussehenden Jerome und dem ebenfalls gut aber anders aussehenden Stefan war groß. Doch beide hatten sie etwas wundervolles an sich. Ich spähte einen Blick nach hinten. Grandpa unterhielt sich weiter entfernt immernoch mit Jerome. Worüber sie wohl redeten? Man kann sich doch nicht so lange unterhalten. Und vorallem, wie brachte Grandpa Jerome dazu, dass er redete. Das er viel redete.
„Kinder können wir vielleicht eine Pause machen?“ Magda schien nicht mehr laufen zu können. Ja wie auch. Wir waren jetzt wirklich viel gelaufen. Hatten ein großes Stück hinter uns gebracht. Und so langsam bekam ich auch echt Hunger. Mein Bauch beschwerte sich schon, was echt unangenehm war. Um Magdas Anliegen allen überbringen zu können, müsste ich das Gespräch zwischen Grandpa und Jerome unterbrechen. „Magda kann nicht mehr“, erklärte ich ihnen, als sie näher kamen. Irgendetwas stimmte da doch nicht. Jerome schien unglücklich. Schon sein Anblick wie er auf den Boden schaute schmerzte mir. „Ehm ist alles in Ordnung?“ Grandpa nickte, genau wie Jerome. Okay. Ich konnte da jetzt nicht versuchen sie auszuquetschen. Erstens: Es war deren Sache. Zweitens: Schienen sie sowieso schon schlecht drauf zu sein. Und drittens: Würden sie es womöglich von sich aus erzählen. Also sagte das Nicken auf meine Frage, ob alles in Ordnung sei, schon alles. Ich ging wieder vor zu Stefan und den anderen beiden, um das Gespräch nicht wieder zu stören.
„Du solltest einen Ureinwohner verartzten?“, fragte Stefan aufeinmal. Ich nickte. „Ja, hat Jerome euch erzählt oder?“ Mir war nicht ganz klar, was Jerome da alles erzählt hatte oder ob es nur Bruchteile waren.
„Ja, hat er. Er kann die Sprache?“ Stefan fand das wohl auch sehr komisch. Wieso konnte so ein naja „normaler“ Mensch die Sprache sprechen.
„Ja, ich finds komisch.“ Stefan nickte und wandt sich nun wieder seinem Sandwich zu, dass er sich aus die Tasche genommen hatte.
„Möchtest du auch?“ Er reichte mir das Sandwich. Er war also bereit, sein womöglich einziges Sandwich mit mir zu teilen? Das war wirklich süß irgendwie. Ich nickte und setzte mein nettes Lächeln auf. Meine Lachen waren nie gefälscht. Es gab Menschen, die es fälschten um etwas zu vertuschen, aber das hatte ich wirklich nicht nötig. Und außerdem würde man erkennen, wenn es gefälscht sein sollte. Und, dann gab es noch dieses hinreißende Sandwich, was Stefan mir reichte. Ich ließ es auf meiner Zunge zergehen. Und ohne auch nur drüber nachzudenken konnte ich deuten mit was genau es belegt wurde. Kochschinken beser Art. Remolade, die das Toast bedeckte und einen leckere Zusammenmischung hervorrief. Dazu noch der Kopfsalad, der auf dem Kochschinken lag, und der Käse, der sich über dem zog. Alles in allem „köstlich.“
„Hm.“ Ich kaute genüsslich und strich mir der Zeit mit einem Finger an den Mundwinkeln, da es sich so anfühlte, als hätte ich dort was von dem leckeren Sandwich hängen. Hatte ich wohl auch.
„Warte ich helf Dir.“ Stefan ging mit seinen Finger an meinen Mundwinkel und entfernte die Reste. „Danke.“ Wir grinsten uns nett an. Wirklich nett. Erst hätte ich nicht gedacht, dass er so sein kann. Er schien mir anfangs wie ein reicher Schnösel, der sich mit nichts und niemanden etwas teilen würde. Und um die Pause von Magda wieder aufzugreifen, ließen wir uns bei der nächsten Möglichkeit auf eine kleine Wiese sinken. Jeder von uns kramte eine Decke aus dem Rucksack und breitete sie auf der Wiese aus. Die Sonne drang durch die Baumkrone und verfärbte die Wiese sommerlich mit einem hellen Grünton. Der Wind strich mir sanft durchs Haar. Nicht ruckartig und hart sondern angenehm und kühl. Ich breitete meine Decke breit aus und ließ mich nieder. Jerome und Stefan nahmen die beiden Plätze neben mir in Beschlach. Cool, ich hatte also zwei schützende Retter neben mir, die auf mich aufpassen würden. Bei dem Gedanke wurde mir ganz warm. Ich musste also keine Angst um mein Leben mehr haben. Schließlich hat Jerome mir mein Leben bei den Ureinwohnern gerettet. Und Stefan hatte sich wirklich nett und aufmerksam mit mir unterhalten und mit mir sein Sandwich geteilt. Es war schön so hingenommen zu werden, wie man eigentlich war. Ich würdigte Jerome ein Blick. Er spürte es wohl und erwiderte diesen. Für einen Moment starrten wir uns in die Augen ohne etwas zu sagen. Dann unterbrach ich diesen Augenkontakt. Deshalb, weil ich etwas Durst bekam und meine Wasserflasche von dem Grund meines Rucksacks herauskramte. „Alles okay?“ Diese Frage war für Jerome, der mich immernoch anschaute. Diesmal lächelte er nicht. Er schaute mich einfach nur an, als sei sein Blick leer und würde auch leer bleiben. Die brauen Augen funkelten. „Ja, alles gut.“ Dann, als sei nichts gewesen wandt er seinen Blick von meinem ab und schaute sich die Umgebung an. Was war bloß los mit den Männern heutzutage. Ich nahm noch einen Schluck legte mich breit auf die Decke. Ich musterte den Himmel. Die Wolken zogen in einen Richtung und ergaben schöne Wolkenmuster, wenn man da so drüber nachdachte. Ich suchte nach welchen. Und erkannte eines. Ich erkannte einen Elefant, der auf einen Stein klettert. Dann verschobten sich die Wolken wieder und das Muster ergab ein neues. Wirklich bezaubernd was Gott alles schuf, dachte ich mir. Die Wolken zogen weiter, und als die Sonne wieder zum Vorschein kam, wurde es plötzlich ganz hell, so dass ich mir meine Sonnenbrille aufsetzen musste. Schon angenehmer, dachte ich mir. Jerome, der links von mir lag hatte seinen Kopf an die rechte Schulter gelehnt und blickte mich an. Ich legte meinen an meine linke Schulter und schloss die Augen. Ich öffnete sie wieder, als ich hörte wie Jerome anfing zu lachen. „Was ist?“ Ich wusste nicht was ich glauben sollte. War er jetzt gut oder schlecht drauf? Mochte er mich oder mochte er micht nicht?
„Nichts. Alles gut.“ Trotzdem grinste er noch. „Deine Haare liegen nur gerade richtig schön. Weißt du das?“ Bitte?! Schwärmte er gerade über meine roten Locken, die wirr neben mir lagen. Wenn er jetzt sehen könnte, wie ich ihn ansah. Aber gut, dass meine Sonnenbrille dieses verhindert. Er griff eine Strähne und strich sie mir. Dann ließ er seine andere Hand zu meiner wandern. Sanft ergriff er diese. Ich konnte nicht anders, als sie nicht wegzuziehen. Ich ließ sie also da liegen. Seine Hand war so groß und konnte meine so ohne Probleme umfassen. Sie verharkten sich. Ich hatte mich von seinem Blick abgewandt und musterte unsere zusammengeharkten Hände. Das jetzige „Ich“ liebte dieses romantische. Aber das vorherige „Ich“ übertraf das jetzige und ließ meine Hand von seiner weg ziehen. Ich stützte mich auf meine Ellbogen. „Grandpa. Gehen wir weiter?“ Gott wie war ich denn drauf. Aber es war womöglich besser so.
„Liebes, hast du es so eilig?“
„Ja. Ich will nämlich langsam mal nach hause!“ Ich stand im null-komma-nix wieder auf die Beine und faltete meine Decke zusammen. Jerome sah verletzt und gekrängt aus. Ich schaffte es sogar nicht mich zu entschuldigen. Er sollte sich entschuldigen. Er hätte mittlerwise wissen müssen, dass ich nicht das liebe nette Mädchen war. Aber er hatte sich wohl auf die nette Sera fixiert und wohl nicht damit gerechnet, dass er damit die Grenze überschritten hatte. Klar, es fühlte sich toll an. Keine Frage. Aber es ging einfach zu schnell für mich. Ich stofte die Decke in den Rucksack und war wieder bereit um weiter zu gehen. „Los!“ Ich musste hier gerade einfach weg. Der Situation entfliehen, ihr aus dem Weg gehen. Ich sah aus den Augenwinkeln heraus wie Jerome sich auf die Beine stützte und wohl Mühe dabei hatte. Gelangweilt und wahrscheinlich noch verletzt stopfte er seine Decke auch zurück in den Rucksack. Stefan ging an meine rechte, sagte aber nichts. Mein eigentliches „Ich“ hat ihn wohl auch schockiert, so dass er nichts mehr zu sagen mochte. Schade, dass ich sie jetzt so verschreckt hatte. Aber es war womöglich besser so. Dann ging Stefan vor, Jerome folgte ihm ohne mir noch eines Blickes zu würdigen. Klar, die Seraphina ist Schuld. Ach was solls. Ich ging hinterher. Grandpa hatte auf mich gewartet und stellte sich neben mich, während die anderen schon einiges voraus waren. Ja, jetzt befand ich mich in der gleichen Situation wie Jerome gerade, wo Grandpa ihn so zugeredet hatte. So nahm ich an.
„Wieso machst du das? Ich habe Dir ansehen können, dass du es schön fandest.“ Für einen ersten Moment wusste oder wollte ich wohl nicht wissen worauf Grandpa hinaus wollte.
„Es ist besser so. Sonst verletze ich hier noch wen und das möchte ich nicht.“
„Ich denke du hast ihn schon verletzt. Er mag Dich wirklich. Sonst hätte er sich in der Nacht nicht gegen den anderen Männern gestellt und Dich während du am schlafen warst befreit. Er hätte Dich nicht vor den Ureinwohnern gerettet. Und er wäre sonst nicht hier.“
„Aber Grandpa. Ich weiß nicht wieso er hier ist.“
„Ich aber“, gab er zu.
„Ja und wieso? Er sagt es mir nicht. Er redet nicht mal mit mir. Nur kleine Antworten gibt er.“ Ich rümpfte die Stirn, weil mir das alles wirklich spanisch vorkam.
„Denk drüber nach. Reicht das denn nicht, dass er Deine Haare bewundert und Deine Hand gegriffen hat?“ Irgendwie hatte er ja recht. Er hatte meine Haare bewundert und meine Hand gegriffen. Klar, er hatte kaum mit mir geredet.
„Ich habe mich ja vorhin lange mit ihm unterhalten.“
„Das geht mich nichts an Grandpa. Ich könnt euch unterhalten so viel ihr wollt. Ich jedoch habe alles kaputt gemacht.“
„Ja hast du.“
„Wieso sagst du das so? Ich wollte, dass du sagst das es nicht stimmt und alles wieder gut wird. Wieso Grandpa?“ Ich war den Tränen nahe, weil mich das gerade alles so mitnahm.
„Soll ich lügen? Ich lüge nicht. Das tust du auch nicht. Scheint als wurde diese wunderbare Fähigkeit weitervererbt.“
„Nein. Das ist eine blöde Fähigkeit. Ich fühle mich mies Grandpa.“ Er zog mich an sich, so dass ich meinen Kopf an seine Schulter lehnen konnte. Eine kleine Träne entfloh mir und rann die Wange hinunter. „Und ich kann nichts dafür, dass ich so bin wie ich bin“, versuchte ich mich noch zu verteidigen.
„Ich weiß. Und ändern sollst du Dich nicht. Aber du könntest etwas darauf achten was du sagst und machst und was für Konsequenzen es haben könnte. War ja klar, dass Grandpa wieder einmal Recht behielt. Er behielt immer Recht. Ich konnte da einfach nichts mehr zu sagen.
„Erzählst du mir etwas über ihn?“ Ich zwang mir ein Lächeln auf die Lippen und schaute zu Grandpa hoch.
„Wie wärs wenn du ihn einfach über ihn ausfragst. Aber diesmal nett. Hm?“ Ich nickte nur.
„Wow!“, hörte ich Josephine von vorne sagen, die ich bisher noch nicht wirklich gehört oder bemerkt hatte. Sie schlängelten sich durch einen Vorhang voller Blätter, die an einander gewachsen waren. Als ich erkannte weshalb Josephine so perplex war stieß mir das gleiche „Wow“ aus.
„Das ist wunderschön“, hörte ich Stefan sagen. Jerome brachte nichts heraus, da er sich wohl unbedingt mal umschauen wollte. Das Wasser plätscherte in den kleinen Teich, in dem sich die Sonne wieder spiegelte. Ein Hauch von Liebe und Sicherheit durchfuhr meinen Körper. Stein über Stein und darunter floss der Wasserfall, dessen Wasser klar war. Man konnte bis in den Grund des kleinen Teichs schauen. Ich bückte mich und strich eine Hand sanft durch das Wasser.
„Los Jerome“, schrie Stefan. Ich schaute auf. Beide zogen sich die T-Shirts, Hosen und Schuhe aus. Beide sprangen in das klare Wasser um sich eine Auszeit und Abkühlung zu verschaffen. „Na los, Sera.“ Stefan planschte etwas Wasser zu mir. „Komm“, sagte er nochmal und hörte gar nicht mehr auf zu planschen. Jerome saß etwas weiter von ihm entfernt ohne einen Blick von mir zu wenden.
„Na los. Das ist Deine Chance das mit Jerome wieder gut zu machen“, flüsterte mir Grandpa zu. Oh ja und wie ich es wieder gut machen wollte. Ich musste jetzt jede Chance dazu nutzen. Und außerdem war ich doch für jeden Spaß zu haben. Ich warf meine Sonnenbrille auf den Rucksack, zog Jacke, Shirt, Hose und Schuhe aus (die Unterwäsche ließ ich natürlich an) und sprang zu ihnen ins Wasser. Ich erschauerte, als mich ein Schock durchfuhr. Das Wasser war kalt.
„Komm große Schwester. Rein hier“, scheuchte er nun seine Schwester. Die sich nicht aus die Ruhe bringen wollte, da sie gerade wie eine Meerjungfrau seitlich auf einen großen Felsen saß und sich das blonde glatt runterhängende Haar bürstete. Oh Gott. Das würde noch ein Spaß werden. Jerome, der erst noch zu mir gesehen hatte würdigte nun Josephine mehrere Blicke. Moment mal, entwickelte er etwas Interesse für die? Und spürte ich gerade einen Funken Eifersucht? Oh Mist. Ich war wirklich eiversüchtig, da Wut in mir aufstieg und ich nicht aufhören nach Josephine und Jerome zu starren. Dies schien er zu bemerken und schaute mich wieder an. Vorher lag so viel Freude in meinem Blick und jetzt hatte ich nur die Stirn gerunzelt. Ich ging zum Rand und setzte mich auf einen Stein, der da im Wasser lag. Ich lehnte mich erschöpft und doch gekrängt an. Die Blicke, die die beiden austauschten ignorierte ich. Stattdessen beobachtete ich Stefan dabei, wie er ein Handstand nach dem anderen machte und sich danach das Haar ausschüttelte um wieder erneut das Wasser auszunutzen.
Ein Räuspern riss mich aus den Träumen. Jerome saß unmittelbar neben mir.
„Oh, hi.“ Ich lächelte erst, ließ es aber verschwinden, als er nicht darauf einging.
„Jerome hör zu-“
„Was? Soll ich mir jetzt etwa anhören, weshalb du Dich so von mir abwendest?!“
„Hä. Du wendest Dich doch hier von mir ab. Du antwortest nicht auf meine Frage, weshalb du nicht bei Deiner Truppe da bist.“
„Ich bin Dir eigentlich ja keine Rechenschaft schuldig.“ Toll, jetzt wurd der auch noch frech.
„Du wolltest es sagen, später“, fügte ich noch hinzu.
„Ich hatte es mir anders überlegt. Das liegt wohl daran, dass du mich echt benutzt. Erst Dich wohl fühlen, als ich Deine Hand genommen habe und aufeinmal mich da so doof liegen lassen.“
„So bin ich eben. Wieso lässt du Dich dann auf mich ein?“
„Verdammt nochmal. Konnte ich ahnen, dass du zwei Seiten hast?“ Irgendwie hatte er ja recht.
„Ne, aber du müsstest auf alles eingestellt sein.“
„Ach spinn doch nicht rum!“Er wurde lauter und ernster. „Und ach ja. Ich habe einen Blick auf Josephine geworfen. Sie ist so hübsch und natürlich.“ Er versuchte mich zu provozieren. Es ging mir nah. Sehr nah sogar. So nah, dass ich in Windeseile aus dem Gewässer gestiegen war, mir meinen Rucksack riss und schnurstracks hinter den Büschen ging um meine Unterwäsche zu wechseln. Jetzt, da ich außer Sichweite war glitten mir so die Tränen herunter. Sie kamen wie ein Wasserfall und brachten jegliche Anspannung, Angst und Traurigkeit zum Vorschein. Ich fühlte mich gerade wie so eine doofe Kuh, die sich das Herz eines Mannes geben lässt und nach kurzer Zeit einfach drauf tritt, ohne auch nur darüber nachzdenken was sie da gerade tat. Ich fühlte mich schrecklich. Schon allein an den Gedanken daran, wie er mich gerade beurteilt hatte. Mich provoziert und mir den letzten Mut genommen hatte. Er hatte mir den Mut genommen, jetzt wieder zickig entgegen zu kommen. Verdammt. Ich bewunderte diesen Mann einfach nur. Ich fühlte mich zu ihm hingezogen und wurde schwach, wenn er mir näher kam. Meine nasse Unterwäsche hing ich zum trocknen an einen Ast. Es war gerade mal kurz nach dem Mittag und es wurde etwas frischer. Also kramte ich mir meine Wechselklamotten heraus. Ich war für alles vorbereitet. Eben (vor der Blamage und Demütigung mit Jerome) hatte ich eine kurze Hotpan und ein trägerloses Top angehabt. Meine Lederjacke, die für den Sommer eigentlich ganz gut geeignet war konnte ich tragen wie es mir gerade passte. Wenn mir kalt wurde zog ich sie über, aber wenn die Sonne kam stopfte ich sie einfach zurück in meinen Wanderrucksack. Eine Röhrenjeans und ein schulterfreies T-Shirt kam mir jetzt ganz passend. Ich war eigentlich nicht jemand der schnell fror. Aber jetzt war es einfach nur frisch. Das lag wohl daran, dass ich gerade halb nackt in das kalte Wasser gestiegen war und die Kälte jetzt an mir hängen blieb. Ich ging mir mit dem Handrücken über die Augen um die restlichen Tränen wegzuwischen. Dann setzte ich mich auf einen Felsen und fing an meine Locken zu bürsten. Mein langes Haar ging mir bis zum Kreuz und da einige Locken da waren musste es nach einer Dusche oder das vorherige Schwimmen gehen gepflegt werden. Ich hatte gerade eh nichts anderes zu tun. Zu den anderen wollte ich gerade nicht. Ich wollte nicht in Jeromes Gegenwart sein. Ich erschrack mich förmlich, als eine Hand durch dem dichten Gebüsch hervorschaute und ein Stefan ihr folgte. „Hey, da bist du ja. Ich habe Dich schon vermisst.“ Er grinste. Mir war nicht nach grinsen zu mute, also konzentrierte ich mich auf mein Haar, das nicht leicht zu durchkämen war.
„Stimmt etwas nicht? Liegt es vielleicht an dem Gespräch mit Dir und Jerome gerade?“ Ich sagte nichts und deutete auf nirgendetwas hin. Ich wollte nicht, dass jemand erfuhr wie schwach ich eigentlich werden kann, obwohl das für ein Mädchen total normal war. Ich konnte mich damit aber nicht abfinden. Stefan kam auf mich zu und ließ sich neben mir auf den Felsen nieder. „Mit mir kannst du über alles reden. Ich bin zwar kein Mädchen, habe aber Ohren zum zuhören.“ Ich musste grinsen, weil er mir einfach so süß überkam. „Danke, aber ich quäle lieber alles in mir hinein“, gab ich zu und musste wieder an die Situation im Wasser denken. „Ich bin für Dich da“, fügte er noch hinzu und strich mir eine entflohene Träne von der Wange. Mist, da war ja schon wieder eine. Ich konnte mich wohl gerade echt nicht im Zaun halten.
„So und jetzt wird Spaß gehabt. Wir müssen einfach nur Spaß haben, weil es ist schönes Wetter und die anderen sind auch gut drauf. Du darfst nicht die Einzige sein, die sich hier nicht wohl fühlt.“ Er versetzte mir einen Stupser, so dass ich wieder zu lachen anfing.
„Ey.“ Ich lächelte. Er erwiderte es. Wir standen auf und balancierten etwas auf den kleinen Felsen.
„Erzähl mir etwas über Dich“, kam es von ihm während er um sein Gleichgewicht kämpfte. „Ja, also. Ich bin frech, schlampig, eine Zicke, immerzu eiversüchtig, schnell genervt, hinterhältig, nervig, rechthaberisch, unromantisch, muss immer alles besser wissen. Ja das müsste es gewesen sein.“ Ich zog mich total ins Negative. Ließ mich vor Stefan doof dastehen. Ich hatte zumindest das erwähnt was andere über mich dachten.
„Du lügst doch.“ Er wollte es wohl nicht wahr haben, würde sich aber wenn es so wäre mit der Wahrheit abfinden müssen.
„Du hast recht. Ich finde, dass es absolut gelogen ist. Aber das habe ich mir gerade nicht selbst aus den Fingern gezogen“, gab ich benommen zu und hüpfte von einem Stein zum anderen.
„Wer erzählt so etwas?“
„Menschen mit denen ich viel zu tun habe.“ Plötzlich ohne wirklich darauf geachtet zu haben, standen wir nun beide auf einen Stein. Wir waren so in einem Gespräch vertieft gewesen, dass wir gar nicht darauf geachtet haben wo der andere denn hin springt.
„Wie beschreibst du Dich denn?“ Unsere Blicke kamen sich nahe. Aber mal wieder musste ich ja den auf mich zukommenden Körperkontakt verhindern.
„Okay. Ich finde, dass ich echt nett sein kann. Klar ich bin frech, aber es ist doch langweilig wenn jeder Mensch gleich ist. Ich bin siebzehn Jahre alt und liebe Fußball. Ja, ich spiele es sogar. Ich geh wohl auch shoppen, mache es aber nicht zu einem Hobby. Ich bin romantisch. Ich gehe gerne aus und habe Spaß. Party muss nicht unbedingt sein. Ich kann auch so Spaß haben. Meine Mutter ist vor vier Jahren verstorben und seit zwei Jahren habe ich eine Stiefmutter, die ich überhaupt nicht leiden kann. Mein Dad ist nur unterwegs und meine fünf jährige Schwester liegt mir wirklich am Herzen. Ich liebe sie. Nur auf meinen Dad bin ich wütend. Ich verstehe einfach nicht, weshalb er kurz nach Mums Tod eine neue Frau heiraten musste. Mein Leben läuft also nicht gerade perfekt. Ich bin wegen einem Jungen mit meiner besten Freundin Anna zerstritten. Im Moment ist mein Leben also nichts anderes wie ein Scherbenhaufen.“ Stefan hörte mir die ganze Zeit aufmerksam zu und musste lächeln, wo ich von meiner Persönlichkeit sprach.
„Erzähl etwas von Dir?“ Jetzt wollte ich wissen, wie er so war. Sein nach außen scheinendes war einfach nur toll. Ich grinste.
„Also. Ich bin neunzehn. Immer gerade sehr gut drauf. Mein Leben ist einfach nur langweilig. Ich kann mir nichts mehr wünschen, weil ich alles habe. Ich wohne in einer reichen Villa. Meine Eltern sind auch viel unterwegs. Ich bin romantisch, liebe Tiere. Naja, meine Schwester kennst du ja“, mir entfloh ein leichtes Stöhnen, als er von seiner Schwester sprach „Ich spiele auch gerne Fußball, habe dieses auch zu meinen Hobbys gemacht. Auf Partys gehe ich wohl, aber nicht so in Discos. Ich bin eher für die privaten Partys. Das wars.“ Er grinste. Wow, er war ja wirklich ein toller Typ. Nicht nur vom Aussehen, sondern auch vom inneren her. Er war also der netteste und warmherzigste Typ, den ich je kennen lernen durfte. Er war wirklich warmherzig, achtete darauf niemanden zu verletzen. Er war nett und ließ sich von nichts und niemanden aus der Ruhe bringen. Noch nicht mal von mir. Und er unterschied sich total von seiner älteren Schwester. Wir teilten sogar zusammen das gleiche Hobby. Unsere Gesichter näherten einander, so dass wir unsere Lippen aufeinander legten. Ein angenehmer Stromschlag durchfuhr meinen Körper. Unsere Zungen neckten sich. Er konnte einfach so gut küssen, dachte ich mir und wünschte mir irgendwie, dass dieser Moment nie zu Ende gehen würde. Ich öffnete meine Augen und blickte in die seine. Ein Lächeln durchfuhr seinen vollen Lippen, deren Geschmack ich noch auf meinen hatte. Pfefferminz. Irgendwie lag der Geschmack noch ausführlicher auf meinen Lippen. Verführt leckte ich über meine Lippen.
„Pfefferminz“, ich lächelte. Er erwiderte es.
„Hat Dir schonmal jemand gesagt, dass du einfach total gut küssen kannst?“ Verschämt schaute ich zu Boden. „Nein“, gab ich zu und stieg von dem Felsen herunter.
„Gehen wir zu den anderen, ja?“ Die ganze Sache war mir gerade wirklich unangenehm. Mir war auch irgendwie alles unangenehm. Stefan folgte mir durch die Büsche zu den anderen, die in der Zeit andere Plätze eingenommen hatten. Josephine saß immernoch auf diesem Flesen. Diesmal kämte sie nicht mehr ihr Haar, sondern schminkte ihr Gesicht. Volle Konzentration stand an. Niemand durfte ihr wohl zu Nahe kommen, da würde sie womöglich die Nerven verlieren. Jerome hatte sich wieder angezogen. Diesmal jedoch hatte er nicht seine grüne Tarnkleidung und die Sprengerstiefel an. Er hatte sich ein graues T-Shirt übergeworfen, dass seine Muskeln und das breite Kreuz betonte. Eine lange dunkle Jeans lag auf seinen Beinen und Chucks trug er an den Füßen. Ich konnte nicht aufhören, wie ihn die ganze Zeit so anzustarren und schon andere Blicke auf mich zu spüren.
„Liebes ich möchte Dich ja jetzt nicht bei der Beobachtung eines bestimmten Menschen stören, aber es fällt ein wenig auf“, flüsterte mir Grandpa ins Ohr und zog dabei gekonnt die Augenbrauen hoch. Was ein Mist. Stefan hatte sich eine andere ruhige Stelle gesucht, Jerome gemerkt, dass ich gerde voll auf ihn abfuhr. Grandpa hat es auch gesehen. Magda hielt ein Nickerchen auf einer Decke, um nachher wieder voll dabei sein zu können. Und ich? Ich stand hier noch hielt aber jetzt nicht nach Jerome, sondern nach einem ruhigen Plätzchen ausschau. Ich schritt an Jerome vorbei ohne ihm noch eines Blickes zu würdigen. Trotzdem hoffte ich seinen Blick auf mich zu spüren. Ich steuerte auf einen nahregeliegenen Felsen zu. Hier wimmelte es wohl nur noch von Felsen. Ich schlug meine Beine übereinander und kramte mein Handy aus der Hosentasche. Ich drückte auf den „An“ Knopf und gab den Pin ein. Nach der Entführung hatte ich es ausgestellt, da man es mir ja entnehmen konnte, oder es noch ganz die Energie verlor. Fünf entgangene Anrufe. Zwei mal von Dad, einmal von Lorely (Dad hatte mich mal gezwungen ihr meine Handynummer zu geben) und zwei mal von … Anna?! Was wollte die denn von mir. Aber ich wollte das nachher klären. Erst rief ich Dad an. Lorely nicht, da es ihr auch einen Scheiß anging wo ich war. Nach einiger Zeit des wartens bis er endlich abnahm, ging er auch ran.
„Seraphina, Süße. Wo steht ihr denn? Ihr habt euch nicht gemeldet. Wann seid ihr zurück. Ich mache mir Sorgen“, erklang die besorgte Stimme meines Vaters durch die Leitung.
„Dad keine Sorge. Ich bin irgendwo im nirgendwo. Uns geht es gut und wir sind bald zu hause. Ich muss jetzt aber auch auflegen.
„Okay, mein Engel. Meld Dich mal wieder ja? Ich liebe Dich.“ Ich legte auf. Ja, er schein sich wohl wirklich zu Sorgen. Aber wohl ohne Grund, da es uns doch gut ging. Er war halt auch mein Dad, er musste sich einfach sorgen. Und ich hatte ihn schon wieder verpasst. Da er dieses Wochenende wohl zu hause war. Tja, dann war es halt wieder so. Was solls. Und jetzt würde ich nur zu gern wissen, weshalb Anna zweimal versucht hatte mich anzurufen. Ich wählte also ihre Nummer und drückte auf den grünen Höher, bis das Freizeichen erklang. Etwas später erklang ihre Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Ja?“
„Hey, Anna. Du hast angerufen?!“
„Ja, Dein Dad wollte wissen wo du bist. Er wusste wohl noch nichts von unserer beendeten Freundschaft, und davon, dass du Dich an meinen Freund ran gemacht hast!“ Sie schrie mir ins Ohr, ohne Grund. Ich verstand auch nicht weshalb dieses Thema jetzt besprochen werden musste. Aber ich wollte es klären, und jetzt war wohl die passende Gelegenheit.
„Hallo? Du hast mir verschwiegen, dass ihr zusammen seit. Kann ich Gedanken lesen oder was?“ Natürlich konnte ich das nicht!
„Nein, aber du hättest einfach als meine beste Freundin sehen müssen, wie er mich ansieht und wie ich ihn ansehe. Aber dazu warst du wohl einfach zu blöde.“
„Was? Jetzt bin ich hier die Gearschte oder was? Du hättest es mir einfach sagen können. Das wäre eine Sache von einer Minute – noch nicht mal. Also ich habe mich von Dir echt verarscht gefühlt. Und das tue ich gerade immernoch. Du hast Dich schon länger nicht mehr als Freundin für mich verhalten, Anna. Du warst für mich keine Freundin mehr.“ Okay, ich reitzte die Situation. Ich war nicht viel besser wie sie, aber ich konnte das doch nicht einfach auf mir liegen lassen. „Und außerdem habe ich gerade andere Probleme, wie mir hier das vergangene anhören zu müssen.“ Ich blickte um mich herum. Ich zog die Blicke wohl wieder magisch an. Und um hier nicht jedem sagen zu müssen, weshalb ich das alles hier gerade als Problem sah ging ich dahin, wo mich niemand mehr hören und sehen konnte.
„Was für Probleme bitteschön?“
„Ja, ich sitz hier irgendwo in der Pampa mit Grandpa und noch vier anderen.“ Ich fühlte mich gerade zum reden zu mute, also erzählte ich ihr alles von Anfang an bis zum Ende. Anna schien aufmerksam zuzuhören und ich fühlte mich immer freier. Es fühlte sich wirklich gut an die Sorgen einer „alten“ besten Freundin anvertrauen zu können.
„Und du bist jetzt mit dem Stefan zusammen?“ Hm, war ich das?
„Nein, also keine Ahnung. Er ist so süß und so bewunderswert. Aber Jerome..“ Ich konnte nicht weiter sprechen, weil mir gerade einfach die Worte fielen „er ist anders. Er ist naja fast so wie ich. Er lässt sich nicht viel gefallen, aber er ist süß.“
„Hm, okay. Du musst wohl irgendwann eine Entscheidung treffen. Es scheint mir, als empfindest du für einen mehr wie für den anderen. Also hat der eine was, was der andere hat und der andere, was der eine nicht hat.“
„Ja.“ Ich klang gekrängt. Und so ging es mir auch. Ich fühlte mich einfach nicht wohl. Weil meine Gefühle einfach nichts, als nur Chaos verursachten. In mir, so dass es niemand mitbekam und außer mir, so dass es alle mitbekamen. Ich wusste einfach nicht mehr weiter. „Ist denn jetzt wenigstens wieder alles in Ordnung mit uns?“
„Ja, ich denke schon. Du hast ja recht. Ich hätte es Dir erzählen sollen, um dem ganzen Chaos direkt aus dem Weg zu gehen.“
„Ja das stimmt. Ich muss wieder nach hause finden.“ Ich lächelte gezwungenermaßen. Weil es idiotisch war für einen mehr zu fühlen wie für den anderen.
„Okay, ich muss jetzt auch auflegen. Er kommt gleich. Und du versuch Deinen Gedanken Klarheit zu verschaffen, ja? Hab Dich lieb, Sera.“
„Ich Dich auch, und danke fürs zuhören.“ Wir legten auf und ich war wieder mit meinen Problemen alleine. Mein Körper führte mich und meine gekrängte Seele wieder zurück zu den anderen, die schon wieder ihre Sachen zusammen packten. Ja, nach einer langen Verschnaufspause musste es ja wieder weiter gehen. Wir nahmen uns also unsere Klamotten, die wir zuvor da gelagert hatten und gingen weiter. Ich wusste immernoch nicht, wo wir uns hier befanden. In welchem Land in welchem Ort. Aber irgendwann mussten wir ja nach hause finden. Wir liefen mal wieder nicht in einer Gruppe. Okay, wir hatten uns auch nicht ausgesucht eine Gruppe zu sein. Ich war eine, die ganz hinten lief. Weit weg von Jerome, da mit ich ja keinen Schaden anrichten konnte. Wie es aussah wollte er nichts mehr von mir wissen. Er lief dort fröhlich redend mit Josephine. Na das war ja mal ein tolles Drama. Denn ich (Seraphina Baker) hatte alles versaut. Ich hatte Kerlen das Herz gebrochen, obwohl es eigentlich immer umgekehrt war. Hm, moment mal. Stefan hatte ich doch nicht das Herz gebrochen oder? Nein. Er hat mich geküsst, ich hatte es erwidert. Vielleicht hatte er ja meine Schwärmerei zu Jerome mitbekommen?! Ach wie blöd. Das war doch alles nicht mit Absicht. Ich wollte doch niemanden verletzen. Stefan schien aber eigentlich ganz gut drauf zu sein. Gerade warf er mir sogar einen total süßen Blick auf. Waren wir jetzt eigentlich zusammen? Dachte er das? Und das nur wegen einem Kuss? Klar, wir hatten uns total gut unterhalten und jeder hat etwas von sich erzählt. Wir hatten Spaß, und da war dann dieser Kuss. Der Kuss, der wohl gerade alles aus dem Ruder brachte. Und, dann war da noch Jerome, der Hass fühlte. Der es mir zumindes zu glauben versuchte. Und ich Doofe glaubte es. Ich glaube, dass er mich nicht mehr mochte. Ich hatte ihn verführt und auf den Mond geschossen. Ich versuchte keinen Gedanken mehr daran zu verschwinden. Ein Gedanke in eine Tat umzusetzen?! Klingt möglich, ist aber total schwer. Und damit stand ich wohl nicht alleine da. Grandpa und Magda unterhielten sich und bekamen nichts mehr mit. Stefan, der eben noch etwas weiter entfernt neben mir stand ergriff aufeinmal meine Hand. Ich grinste ihn an, weil es irgendwie ein tolles Gefühl war. Unsere Hände verharkten sich ineinander. Er zog mich an sich, so dass ich meinen Kopf leicht an seine Schulter schmiegen konnte. Naja, so weit kam ich wohl noch nicht. Ich lehnte meinen Kopf eher an seinen Oberarm. Das war wirklich ein Größenunterschied, der da zwischen uns war.
„Ich habe Dich wirklich lieb gewonnen.“ Stefan hauchte mir einen sanften Kuss auf den Kopf. Mir war nicht klar, was ich denn jetzt fühlte. Da war etwas. Es war ein Gefühl des wohlfühlens. Ich fühlte mich wohl und sicher in seiner Gegenwart. Er verstand mich, hörte mir zu. All das was ein Mann haben sollte, hatte er. Zwar nicht alles, aber vieles was ich an ihn bewunderte. Vorallem ließ er sich nicht von mir verscheuchen. Das konnte nervig sein, aber so hinderte er mich an dem Bau einer Mauer, die mich von der Außenwelt abgrenzte.
„Da hinten siehst du? Es wird heller. Ich denke, dass wir gleich den Wald verlassen“, wies er mich darauf hin und drückte mich noch einen Stück weiter an sich. Das Licht rückte näher und der Wald endete. Das war ja mal eine tolle Neuigkeit. Ich dachte schon, dass der Wald hier nie aufhören würde.
„So, wir haben es geschafft.“ Jerome klang erleichtert und ließ zu, dass Josephine sich an seinen super tollen Körper schmiegte. Ihr eiskalter Blick lag auf mir. Ich wusste nicht was sie hatte. Aber sie wollte mir eins auswischen. Sie konnte wohl nicht haben, dass Stefan und ich einiges miteinander zutun hatten. Sie wollte mir das Leben, was ich ihr genommen hatte?! Ich versuchte ihre Gedanken lesen zu können. Zumindest das, was in ihrem Blick geschrieben war.
„Also. Ich weiß jetzt wo wir sind. Wir sind gerade aus dem russischen Wald raus.“ Ja Jerome der Angeber und Anführer oder wie?!
„Woher weißt du das denn süßer?“ Josephine schmiegte sich näher an ihn und setzte einen Hundeblick auf. Sie zwinkerte ein paar mal mit ihren grünen Augen. Jerome schien drauf anzuspringen. „Ja, erstmal da ist ein Schild. Und ich bin hier schonmal her.“ Wow, total cool. Er war hier schonmal, und er machte mich verdammt nochmal heiß! Verdammt ey. Sein Blick blieb an mir hängen. Es wirkte perplex, weil ich mit Stefan Händchen hielt. Hm, geschieh ihm recht. Schließlich war zwischen ihm und Josephine nichts anderes. Er machte kehrt und ging die Straße rauf.
„Oh, wieso machen wir nicht einfach per Anhalter“, scherzte ich. Es sollte ein Scherz sein, aber er nahm es wohl ernst, dachte ich. „Ja, gar nicht so eine schlechte Idee. Dann fang mal an!“ Er sagte das so giftig und verbissen, dass ich ihm einfach frech die Zunge rausstrecken musste.
„Hier fährt so gut wie kein Auto her, siehst du doch.“ Stefan gab auch noch seinen Senf dazu, und der Tag war perfekt oder was? Pf, ich konnte drauf pfeifen. An der Straße zog sich weder eine weiße Fahrbanmarkierung, sondern eine gelbe lang. Da erkannte man eigentlich schon sofort, dass es nicht Amerika war.
„Los, Leute. Erzählt mal was.“ Grandpa brauchte Unterhaltung. Ja, es war ja auch langweilig, die ganze Zeit hier auf der Straße rum zumarschieren. Wie so Außenseiter, die auch nichts besseres zu tun hatten. Jerome kannte sich hier wirklich aus und führte uns. Tja, wohin die Wanderung wohl ging. Stefan löste sich mir und ging vor. Er wollte oder konnte wohl meine Anwesenheit nicht mehr genießen. Ja, schön wärs auch gewesen. Unser Weg führte wieder in einen kleinen Pfad, der von der Hauptstraße ab in ein ruhiges Gebiet führte. Ich folgte nur, ohne eine Beitrag dazu abzuliefern. Aber mir kam das alles ziemlich russisch vor. Ich grinste. Man was hatte ich für einen Humor. Irgendein fliegendes Fieh nervte mich gerade gewaltig. Vorallem wusste ich nicht einmal was es denn war. Es war auf jeden Fall groß und wollte mich wohl ärgern. Aber mich sollte jetzt eigentlich nichts aus die Ruhe bringen. Ich schlug um mich herum. Vielleicht bekam es ja Angst und flog weg.
„Aua.“ Ja nichts. Jetzt stach mich das blöde Fieh noch bemerkbar in die linke Hand. Der Stich selbst war weniger schmerzhaft, aber die Nebenwirkung. Ich machte mir eigentlich nicht viel draus. War wohl nur irgendein Stechfieh was mir nichts anhaben konnte. Also ignorierte ich den für hoffentlich kurze Zeit schmerzenden Stich und lief normal weiter. Man, mir passierte hier auch alles. Grandpa hatte kurz einen Blick zurück geworfen, um dieses „Aua“ besser deuten zu können. „Alles okay?“
„Ja“, log ich dennoch. Aber die Lüge würde verfliegen, wenn es mir sowieso wieder besser gehen würde.
„Und wohin gehen wir jetzt?“ Stefan stellte die Frage Jerome, der antwortete: „Hier gibt es ein kleines Häuschen. Da wohnen Bekannte von mir, die können uns vielleicht auch mal zur Toilette lassen oder vielleicht etwas zu Essen geben.“ Ja, das klang doch schonmal ganz gut. Ich überholte Grandpa schnell, um an die Spitze unserer Gruppe zu gelangen. Jerome hatte mir nur eines Blickes gewürdigt und erschrack förmlich.
„Sera?“ Ich wandt mich zu ihm um. Er nahm meine linke Hand und betrachtete den jetzt schon eiförmigen Stich. „Was hast du gemacht?“ Schien er sich gerade für mich zu interessieren oder täuschte ich mich gerade?
„Naja, mich hat da so ein Fieh geärgert und hat mich dann wohl gestochen.“ Hallo, ich sagte ihm hier die Wahrheit und daran konnte man ganz gut raussehen, dass das meine Schuld war.
„Tut das weh?“ Ich keuchte auf, als er mir unsanft auf die Schwellung drückte. Mir kamen sogar schon die Tränen. Der Schmerz gerade war einfach unerträglich. „Okay. Das ist nicht normal!“
„Und jetzt?“ Stefan schien sich auch zu Sorgen.
„Wir sind gleich da. Die sind gut ausgerüstet gegen solche Stiche. Aber normal finde ich das nicht!“ Er ließ meine Hand langsam los, schaute aber während des Gehens mehrmals drauf. Er war so süß, wenn er sich Sorgen machte. Fünf Minuten später erreichten wir ein ruhiges Häuschen in einer ruhigen Gegend umstehend von großen Bäumen, die schön Schatten in die Gegend brachten. Also eins war klar, einen Sonnenbrand bekam man hier nicht.
„Jerome? Oh Gott. Ist das denn war?“ Eine junge hübsche Brünette kam aus dem Häuschen und viel Jerome begrüßend in die Arme. Sie war einen Kopf größer wie ich, hatte schöne lange Beine und ein schönes Gesicht, so wie ich das sehen konnte. Ihre Figur ließ es zu knappe Höschen zu tragen und ein bauchfreies Top. Ihr kurzes braunes Haar hatte sie frisiert und mit Haarspray fixiert.
„Julia.“ Er begrüßte sie grinsend. Sie befreite sich aus der Umarmung. Ihr grünäugiger Blick glitt durch die Runde und blieb schließlich an mir hängen. „Oh, wer bist denn du? Du scheinst ja eine ganz dicke Hand zu haben. Hm?“ Sie war wirklich nett, aber mich wie ein kleines dummes Kind zu behandeln war einfach nicht nötig.
„Ja. Wir wissen nicht, was sie da gestochen hat. Kannst du helfen?“ Jerome übernahm das reden für mich. Da war ich ganz froh drüber.
„Na klar. Dann komm mal mit..“
„..Seraphina.“
„Ah, Seraphina. Okay.“ Sie griff mich bei der Hand und ich folgte ihr in hinein. „Was hast du denn gemacht sag mal?“ Sie öffnete eines der Bucheschranktüren in der Küche und griff nach einem kleinen Kästchen.
„Ja, mich hat so ein Fieh genervt.“
„Nein. Das meine ich nicht. Das habe ich mir schon gedacht, da die Fiecher hier echt viel nerven. Ich meine, was du mit Jerome gemacht hast? Er scheint Dich ja wirklich zu mögen und sich zu sorgen.“ Jetzt blieb mir die Spucke weg. Man, die scheinen sich ja echt gut zu kennen. „Ehm“, setzte ich an.
„Ist alles okay hier?“ Jerome spähte zur Tür herein.
„Es ist alles gut. Mach Dir doch nicht so viele Sorgen.“ Julia scherzte ein wenig mit ihm rum, was ihm dennoch gar nicht gefiel.
„Pff.“ Und da verschwand sein Kopf auch wieder. Wir guckten uns an und mussten anfangen zu lachen. Erst jetzt fiel mir auf wie nett Julia eigentlich war. Ich glitt auf die Eckbank, die um den halben Stich führte. Julia auf den Stuhl gegenüber von mir. Ich legte meine Hand auf den Tisch.
„Ist da denn irgendetwas zwischen Jerome und Dir?“ Sie rieb etwas Fenistil auf den Stich. Das war schön kühl, musste ich zugeben. Es tat unheimlich gut. Und linderte den brennenden Schmerz. Wow, wie gut so eine Idee sein konnte.
„Nein, also ich weiß nicht. Er ist so stur.“ Ich senkte meinen Blick. Die Auffrischung der Zeit mit Jerome machte ich erheblich trauriger, als ich eh schon war. Ich war einfach nur unzufrieden mit der Situation.
„Ja. Das ist er. Da hast du recht. Aber das ist er auch nicht immer. Da muss es doch einen Grund haben oder meinst du nicht?“ Hm, vielleicht hatte sie recht. Ich fing an zu überlegen.
„Also. Weißt du, ich bin echt frech. Ich habe auch eine gute Seite, die sehr selten zum Vorschein kommt. Einmal hat er meine Hand gehalten. Ich fand das toll. Ich fand das wirklich toll, aber ich habe sie weggezogen und ihn da so doof stehen lassen.“ Das war mir echt peinlich gerade. Aber Julia wirkte so vertraut und war einfach eine echt gute Zuhörerin, so wie ich das hier mitbekam.
„Ja, er ist sensible und leicht verletzlich. Wenn er etwas oder jemanden mag und man ihn daran hindert es zu mögen. Er geht im inneren echt kaputt.“
„Woher weißt du das denn so genau?“, wollte ich wissen. Jetzt, da die Salbe eingewirkt war verbund sie mir meine Hand mit einem weißen Verband, das meine ganze Hand bedeckte.
„Da darf kein Dreck rein“, erklärte sie mir. „Also. Du weißt wohl nicht viel über ihn oder?“ Ich schüttelte den Kopf. Und sie fing an zu erzählen.
„Also. Ursprünglich lebt er in Amerika. Dort wurde er geboren. Doch seine Eltern hatten sich gegen ihn entschieden und gaben ihn weg. Mein Vater war zu der Zeit in dem Land und zufällig auch in der Stadt tätig. Er kannte seine Eltern, und ja da haben sie ihm Jerome einfach vor die Haustür gelegt. Er wusste, dass es der Sohn seinen Bekannten waren. Und hat alles versucht um wieder Kontakt zu der Familie aufzunehmen,“ sie nahm einen Schluck Wasser und ich hörte weiterhin aufmerksam zu „ aber sie waren weg.“
„Sie wollten ihn also überhaupt nicht mehr bei sich haben?“ Julia schüttelte bedrückt den Kopf. „Nein. Also nahm mein Vater ihn wieder mit in dieses Land und er wuchs hier auf. Meine Mutter war zuerst schockiert und skeptisch. Aber sie wollte ihn nicht auch noch abstoßen. Jerome und ich wuchsen also wie Geschwister auf. Doch dann brach der Krieg ein. Mein Vater kam also Soldat ums Leben und mein Vater wurde von einer Mauer erschüttert.“ Ich sah Traurigkeit in ihren Augen schwimmen. „Jerome wurde mit vierzehn Jahren als Soldat in den Krieg geholt. Er musste, so wollte es der Staat. Und er überlebte komischerweise immer. Er war schon immer ergeizig und schlau. Er wusste was er tat und wollte und er kannte keine Gnade. Er wollte Rache an den Soldaten, die ihm das ganze Leben zur Hölle gemacht haben. Ja, lange war er nun weg. Heute habe ich ihn das erste Mal wieder gesehen und ich bin so froh, meinen Bruder, auch wenn er nicht mein leiblicher oder Stiefbruder war, wieder zu haben. Ich habe sofort in seinen Augen gesehen, dass er Dich sehr gern hat, Seraphina. Erzählst du mir, weshalb du hier bist?“ Wow, er hatte wirklich eine krasse Geschichte. Und jetzt verstand ich, wieso er nicht so darüber reden wollte. Also erzählte ich ihr meine Geschichte. Ich erzählte ihr also von meinem Abenteuer, wie Grandpa und ich die Wiese nicht gefunden hatten. Wir dann in einem Flugzeug aufwachten und in Russland zur Geisel genommen wurden. Wie er uns befreit hat und mich auf von den Einheimischen gerettet hat. Wie er mich berührt hatte. Ich erzählte ihr einfach alles. Von Anfang bis Ende. Und sie hörte mir zu. Sie verstand alles und fühlte mit mir mit. Wie gekrängt ich war, als er mir einfach den Rücken gekehrt hatte.
„Wow, du hast ja wirklich viel erlebt. Hm?“ Ich nickte bedrückt. „Aber du scheinst ihn wirklich sehr zu mögen“, führte sie fort. Wieder nickte ich, weil ich dazu einfach nichts sagen konnte. Sie griff mich bei der Schulter. „Gehen wir wieder zu ihnen. Ja?“ Ich führte ihr hinaus. Alle hatten sie sich auf den braunen Sand niedergelassen. Unser Gespräch hatte wohl lange angehalten. Aber sie waren ja in dem Glauben, dass Julia mir so lange die Hand verarztet hatte. Jerome sprang auf.
„Ist denn alles gut jetzt?“ Er klang wirklich genervt. Aber ich kannte jetzt seine Geschichte, und sie ist echt erschütternt und traurig. Ich sah ihn plötzlich mit anderen Augen.
„Ja. Ihr geht es gut. Es war womöglich einfach nur eine Biene oder so. Nichts wildes. Auf jeden Fall wird die Schwellung wieder zurück gehen.“
„Gut. Und das hat jetzt so lange gedauert?“ Jerome wurde unruhig. War ja auch total verständlich.
„Nein. Wir haben uns noch unterhalten.“ Julia zwinkerte erst mir zu dann ihm. Der verdrehte nur die Augen und glitt nun auf die Holztreppe, die ins Haus führte und legte die Stirn in die Hände. Julia glitt neben ihm und legte einen Arm um seine Schulter. „Jerome?“ Sie schmiegte ihren Kopf an seinen. Man hörte ihn nur noch schniefen. Weinte er etwa?
„Komm wir gehen mal ins Haus.“ Sie standen auf und er folgte ihr herein. Grandpa spähte einen Blick zu mir. „Und was hat sie Dir erzählt?“ Komisch, dass er immer wusste wann was passiere. Er schien gewusst zu haben, dass sie mir etwas über Jerome erzählen würde.
„Alles“, gab ich benommen zu. Und wünschte ihn einfach nur bei mir.
„Sera?“ Stefan stand neben mir und hatte meine Hand gegriffen. „Können wir reden?“ Ich folgte ihm dahin, wo uns niemand hören konnte. Er stellte sich vor mich und blickte mir tief in die Augen. Was mir gerade relativ schwer viel.
„Was empfindest du eigentlich für mich?“ Er ergriff dieses Thema aus heiterem Himmel. Was bitte sollte das? Ich wollte nicht darüber reden.
„Stefan. Ich-“
„Schon klar. Der Kuss und das Händchen halten war alles nur vorgetäuscht. Du emfpindest nichts für mich. Weißt du was? Tu nicht so, als würdest du mich mögen!“ Er kehrte sich um und ließ mich eiskalt stehen. Das hat jetzt gerade echt weh getan. Wieso müssen die Kerle eigentlich immer scheiße sein, wenn die Situation sowieso schon scheiße war?! Alles um mir wurde aufeinmal unscharf. Meine Sicht verschwamm brüsk und der Boden unter meinen Füßen verlor sich..

Wärme durchfuhr meinen Körper und eine frische Brise des Windes durchfuhr mein Haar. Ich schaute nach oben. Die Sonne schien hell am Himmel. Weiße Wolkenschleier lagen verteilt am Himmel und zogen weiter in die gleiche Richtung. Der Himmel selbst hellblau und makellos. Keine graue Wolke machte sich hier breit. Ich senkte meinen Kopf leicht zur rechten Seite und blickte in zwei wunderschöne braune Augen, die mich liebevoll anfunkelten. Seine Hand hatte sich in meiner verharkt und streichelte diese sanft. Beschützend hielt er sie fest. Er beugte sich zu mir herüber. „Ich liebe Dich.“ Seine Lippen küssten sanft die meine, was ein bezauberndes Gefühl in mir auslöste. Schmetterlinge, die gerade aus ihren Knospen kamen gaben mir ein Gefühl von Glück und Freiheit. Plötzlich waren alle Probleme in meinem kuriosen Leben. Ich vergaß meine Stiefmutter Lorely. Meinen Dad, der sowieso nie zu hause war um sich meine Probleme anzuhören. Und ich hatte sogar den Streit mit Anna vergessen, aber der war ja so oder so vergangen. Ich vergaß ihren Freund, der mir anfangs den Kopf verdreht hatte. Meine Liebe und Aufmerksamkeit lag also nur bei Jerome. Wie sein Körper belangen über meinen bekam. Wie seine Lippen meine berührten. Wie er mich mit seinen braunen Augen ansah. So voller Liebe und Sorge. Er sorgte sich. Er sorgte sich um uns, um unsere Liebe. Er sorgte sich um mich. Darüber, was ich immer für Probleme anstellte. Wie das ganze Unglück mich überfiel, aber das Glück mit ihm alles wieder perfekt machte. Die Wolken, die eben noch wie ein Schleier an dem klarblauen Himmel waren, hatten sich zu großen Wolken zusammengezogen. Zu großen grauen Wolken, die sich beängstigend groß und grau vor die Sonne stellten. Plötzlich wurde es grau und dunkel um uns. Die Wiese, die vorhin noch von der Sonne behelligt wurde, war jetzt nur noch ein grüner dunkler Fleck voller Traurigkeit. Jerome, der eben noch so fröhlich drein blickte hatte sich verändert. Er blickte drein wie abschaum. Wie, als wäre das was eben zwichen uns gewesen nie passiert. Ein Schock durch fiel mich, als er sich plötzlich in Luft auflöste, und ich ganz alleine hier lag. Die wunderschöne Wiese, die mir eben all Glück auf Erden hereinbrachte war verschwunden. Sie war hässlich grau und gespenstisch. Die Sonne war verschwunden. Und der Himmel bedeckt voller grauen Wolken. Ich schloss meine Augen um das vergangene gute in mir wieder hervorzubringen.

„Sera. Seraphina!“ Was? Konnte man mich gerade nicht einfach mal in Ruhe lassen?! Aber das war wohl kaum möglich. Ich schlug meine Augen auf soweit die Helligkeit dieses erlaubt und blickte in besorgte Gesichter.
„Sie ist wach!“ Jerome beugte sich zu mir herunter und begutachtete mein Bein, das sich plötzlich schmerzhaft unangenem anfühlte.
„Ahh!“ Ich keuchte auf, wollte ihn schon wegstoßen, weil er mir gerade mehr Schmerz zufügte, wie die Natur es gerade tat.
„Du bist ohnmächtig geworden“, erklärte er mir.
„Ach, und jetzt weckt ihr mich? Das war so ein schöner Traum.“ Der Traum schien anfangs schön, wandelte sich hinterher aber zum negativen über. Jerome warf mir tötende Blicke zu. Er hatte wohl gerade keinen Sinn für Humor.
„Ist das ein Schlangenbiss?“, fragte Grandpa.
„Bitte? Was soll ich da haben?“ Es schockierte mich der Gedanke daran, dass es wirklich ein Schlangenbiss sein konnte.
„Ja, aber anscheinend von keiner giftigen. Es war wohl bloß eine ganz normale.“ Er verübte da irgendetwas, was ich gerade echt nicht zuordnen konnte. Küsste er gerade mein Bein? Nein, er saugte das Gift aus. Bah, wie ekelig war das denn?!
„Du hast echt Glück gehabt!“ Er sagte es in keinem netten Ton. Oh nein. Er sagte es giftig und voller Feindseligkeit.
„Kannst du das nicht netter sagen?“ Es verletzte schon ihn so reden zu hören. Aber er ignorierte meinen Beitrag zu der Nettigkeit.
„Also der Humor scheint noch da zu sein.“ Stefan stand mit vor der Brust verschränkten Armen etwas weiter entfernt von mir. Er wirkte auch wütend. Wenn einer wütend war, dann beide oder wie durfte ich das gerade deuten? War einer gut drauf, war es der andere womöglich auch. Man, wie mich diese Stimmungsschwankung gerade einfach nur aufregte. Ich erinnerte mich genau an das, was Stefan mir vor meiner Ohnmacht gegen den Kopf geworfen hatte.
„Bei Dir kann man von Humor ja wohl nicht sprechen“, gab ich vorlaut zurück. Er streckte mir die Zunge aus, als verabscheute er mich so sehr. Nur, weil ich überhaupt nicht wusste welche Gefühle ich denn für ihn hatte.
„Du bist das Letzte!“ Oh, jetzt bezeichntete er mich noch als das Letzte.
„Ruhe jetzt!“, schrie Jerome an uns beide gerichtet. „Beleidigen geht hier gar nicht, Stefan. Und Sera, du hälst jetzt am besten den Mund, sonst verliere ich mich hier noch!“ Okay, ich hielt meinen Mund, weil das Stress wohl verhindern würde. Einfach nicht drauf eingehen Sera, sagte ich mir mehrmals. Julia beugte sich an meine Seite und tätschelte meinen Kopf. „Er saugt Dir gerade das Gift aus.“ Sie zwinkerte mir lächelnd zu. Ich dennoch schaffte es nicht zu lächeln, weil ich gerade einfach nur noch in Ruhe gelassen werden wollte. Aber es war ja total nett und süß von Jerome, dass er mir das Gift mit dem Mund aussaugte.
„So. Das müsste es gewesen sein.“ Jerome verbund mein Bein noch und stand auf. Julia half mir auf und stützte mich etwas. Grandpa legte einen Arm um mich, um mir noch zusätzlichen Halt zu geben. „Na, du machst auch Sachen.“ Ja, ich mach ja auch Sachen. Er hatte recht. Mir passierte einfach alles, was nur passieren konnte.
„Grandpa, Julia. Ich kann schon selbst laufen.“ Hoffentlich war das nicht zu hoch gegriffen, und ich konnte mich auch alleine auf den Beinen halten.
„Okay.“ Sie ließen mich los und ich stand auf meinen Beinen. Es tat zwar noch weh. Aber hey, das wird wieder.
„Gehen wir?“ Ich stellte die Frage an alle, die jetzt noch mit nach hause wollten. Und ich hoffte fest, dass Jerome mitkommen würde. „Kommst du mit?“ Die Frage war nur für Jerome. Er schien nicht genau zu wissen, was er wollte. Sein Blick fiel auf Julia. Plötzlich glaubte ich an die Gedankenübertragung. Komm doch mit. Aber er gab einfach keine Antwort. Zumindest nich die, die ich mir erhofft hatte.
„Ich weiß nicht.“ Julia stand neben mir und wusste genau wie es mir gerade ging. Er ließ mich einfach nur total zappeln. Man, war das eine Qual.
„Möchtest du nicht nach Deinen Eltern suchen?“ Ich war froh, als Julia ihm die Antwort versuchte abzunehmen. Das lag nur in meinem Interesse. Er gab einfach keine Antwort. Man, wie konnte jemand so wenig wissen, was er wollte. Ich griff nach meinem Rucksack.
„Gut. Also ich werde jetzt gehen.“ Ich wusste, dass ich es ihm nicht gerade leicht machte. Aber diese Unklarheit war einfach unerträglich. Ich humpelte den Weg zurück, durch dem ich hergefunden hatte. Es war der Ort, wo Stefan mich hat stehen lassen, und ich kam noch nicht mal zu Wort. Es war mir egal, ob sie mir jetzt folgte oder nicht. Irgendwie würde ich schon nach hause finden.
„Sera.“ Für einen Moment dachte ich, dass Jerome mich da rief. Aber es war Grandpa, der mit den anderen auf mich zu kam. Unter anderem Jerome. Hat er sich vielleicht doch entschieden mitzukommen?
„Jerome. Wird hier bleiben. Hier ist sein zu hause. Wir werden alleine nach hause finden.“ Was? Für einen Moment schien ich wieder einfach so zusammenbrechen zu können. Aber stattdessen kamen mir hoffentlich unbemerkt die Tränen.
„Dann machs gut, Jerome.“ Wieder machte ich kehrt und ging einfach weg. Ich wollte mir nicht die Traurigkeit anmerken lassen. Er hat mir echt ins schwarze getroffen. Nur er, konnte mich verletzen. Bis jetzt, hat das noch nie wirklich einer geschafft. Stefan verletzte mich auch, aber noch lange nicht so wie Jerome.
„Sera.“ Diesmal war es Jerome. Ich erkannte es einfach. Ich musste es erkennen. Aber ich würdigte ihm keinen Blick. Ich wollte nur noch weg.
„Sera. Hey, warte mal.“ Julia ging an meine Rechte und griff meine Hand. „Die Entscheidung fiel ihm echt schwer.“
„Ja. Das habe ich gesehen.“ Julia erkannte sofort, dass ich gekrängt war.
„Ich habe versucht es ihm auszureden.“
„Es ist schon gut. Ich will jetzt einfach nur nach hause.“ Die Tränen kamen einfach so. Ich schaffte es nicht mehr, sie zurück zu halten.
„Gehen wir jetzt bitte.“ Ich wandt diese Frage an den Rest der Gruppe. An Stefan, Josephine, Magda und Grandpa. Jerome, ausgeschlossen.
„Ach Jerome.“ Josephina fiel ihm in die Arme und wollte ihn wohl gar nicht mehr los lassen. Wie doof ich mir gerade vorkam. Ich fühlte die ganze Zeit seinen Blick auf mir, schaffte es aber ebenso nicht, nicht nach ihm zu schauen. Die anderen verabschiedeten sich noch von ihm. Dann kam er in meine Richtung. Er kam direkt auf mich zu und stand nur einen halben Meter vor mir.
„Verabschiedest du Dich noch von mir?“ So viel Gefühl lag in seiner Stimme. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Einerseits wollte ich ihn einfach nur auf den Mond schießen, weil er mich genau jetzt verlassen würde. Andererseits wollte ich ihn umarmen und am besten nie wieder los lassen. Dann nahm er mich einfach so ohne Vorwarnung in den Arm. Als wüsste er nicht, dass ich ihn jeder Zeit wieder verletzen könnte. Ich schlang meine Arme um seinen Körper und lehnte meinen Kopf an seine Brust. Die Tränen entflohen mir und rannen die Wangen runter. Wie ein Wasserfall, der das tat was in seiner Macht stand. Genau wie meine Tränen. Sein Körper entfernte sich dem meinen. Schnell ging ich mir mit dem Handrücken über die Augen, um die Tränen weg zu wischen.

„Pass auf Dich auf“, rief er mir noch hinterher. Grandpa legte seinen Arm um meine Schulter und zog mich an sich. Hier war nichts mehr in ordnung. Die, die wir anfangs noch waren, waren wir jetzt nicht mehr. Mit Stefan verstand ich mich gut. Jetzt ignorierte er mich gekonnt. Jerome, war mein Retter in jener Not, jetzt musste ich alleine auf mich aufpassen. Julia hatte uns noch eine Karte mitgegeben, damit wir nicht wirr durch Russland liefen, und gar nicht mehr nach hause fanden.
„Also. Wir sind jetzt hier.“ Ich zeigte auf eine Stadt namens „Tula“ „Jetzt müssen wir nur sehen, wie wir am schnellsten nach Amerika kommen.“
„Ja, hier. Da ist die Nordsee. Das heißt, wir gehen am besten durch Lettland zur Ostsee rüber und bleiben dann am besten auf dem See. Sind dann irgendwann an der Nordsee. Und von der Nordsee fahren wir rüber auf den Atlantischen Ozean. Ja, und dann auf nach Amerika. Scheint doch nicht so schwer zu sein.“ Stefan schilderte uns seine Idee und ging mit dem Finger den Weg auf der Karte nach.
„Ja, stimmt. Gar nicht so eine schlechte Idee. Hat irgendwer denn ein Navigationsgerät oder Kompass?“ Dann würde uns alles viel leichter fallen. Alle kramten sie in ihren Taschen nach etwas, was uns weiter helfen könnte. Stefan zog ein Handy heraus. Josephine hatte nichts außer ihr Beautyzeug und Magda holte einen alten Kompass aus der Tasche.
„Ja. Das ist doch schonmal echt gut.“ Grandpa fing an sich mit Recht zu freuen. Ich tat es ebenso.
„Ich bin müde. Wir sind wirklich Stunden gelaufen. Können wir uns nicht mal hinlegen. Ich brauche übrigens auch meinen Schönheitsschlaf. Und ein Packesel bin ich hier auch nicht.“ Josephine fing an sich heftig zu beschweren. Okay, stimmt. Wir hatten lange nicht mehr geschlafen. Zwei Tage am Stück können echt hart sein. Aber wir mussten einfach aus diesem Wald raus, sonst wäre uns da noch irgendetwas passiert. Das konnte man nicht riskieren. Ich musste zugeben, dass mich die Müdigkeit auch langsam einholte. Morgen war auch noch ein Tag. Und die Ferien waren zu lang. Deshalb blieben uns noch Wochen zum Schulanfang bis wir wieder zu hause waren.
„Gut. Die Nacht bricht an. Du hast recht Josephine. Es wäre für uns alle zum Vorteil, wenn wir uns mal hinlegen. Die Pausen zwischendurch haben auch nicht viel bewirkt.“ Grandpa stimmte dem zu. Also suchten wir uns ein ruhiges Plätzchen für die Nacht. Und jetzt, wo wir davon sprachen wieder schlafen zu gehen, wurde ich auch echt müde. Das Gähnen sagte sofort, dass man Schlaf brauchte.
„Da vorne ist eine Wiese.“ Magda deutete auf ein stillgelegenes Plätzchen. Wo wir hoffentlich auch ungestört bleiben konnten. Mich überkam die Angst wieder nachts entführt zu werden. Aber keine Panika auf der Titanic. Positives Denken und die beste Methode um Gutes heran zu locken. Schließlich war ich noch nie Pessimist. Die optimistische Einstellung lag eindeutig in der Familie. Nur gab es in meiner Familie Mitglieder, die immer die pessimistische Einstellung bevorzugten. Magda, Stefan und Josephine hatten kein Zelt, nur Schlafsäcke dabei. Grandpa fand es nett ihnen sein Zelt zur Verfügung zu stellen. Und Grandpa und ich in einem Zelt übernachten. Ja, sie waren groß genug, also ein Drama war es für mich dann auch wieder nicht.
Also gingen wir nach Sonnenuntergang in die Zelte und tankten etwas Schlaf für den nächsten Tag. Es dauerte nicht lange, da war ich auch schon in die tiefsten Träume versunken. Plötzlich hatte ich auch schon ihn vor Augen. Er schien mich zu verfolgen. Schien ein Tag -und Nachttraum für mich zu sein. Jerome, war einfach „wow“. Ich hatte keine andere Worte, als dieses. Sein gut gebauter Körper wunkelte in der Sonne. Die haselnussbraunen Augen funkelten mich an. Mit seiner männlichen Hand strich er sein Haar zurück, das von dem Wind verweht wurde. Ich verspürte ein Gefühl, was schlecht zuzuordnen war. War es Liebe oder einfach nur ein Verlangen nach diesem Kerl? Vielleicht wollte ich es einfach nicht wahr haben oder ich wusste einfach nicht wie es sich anfühlte verliebt zu sein. Da ich zuvor noch nie wirklich verliebt war. Man konnte es auch nicht „verliebt sein“ nennen, eher verguckt oder Interesse zeigend. Aber nicht verliebt. Liebe war das nie gewesen.
„Sera. Hey. Wir müssen weiter!“ Grandpa hatte sich über meinen müden Körper gebeugt und weckte mich.
„Was ist denn los?“ Ich rieb mir müde die Augen und stützte mich auf die Ellbogen.
„Es haben schon alle zusammen gepackt.“ Also eine richtige Antwort gab er mir nicht. Aber gut, dann wollen wir mal weiter. Ich kramte meine Beautytasche aus dem Rucksack und ging hinter dem Busch um mir Zähne zu putzen. Ich fühlte mich nämlich gerade ziemlich unwohl. Aber der Schlaf tat einfach nur gut. Kopfschmerzen hatte die Schlaflosigkeit auch schon wieder hervorgerufen. Aber jetzt ging es mir einfach nur wieder gut. Nur, war da dieser gut aussehende Typ, den ich anscheinend für immer verloren hatte. Ich konnte nicht anders, wie die ganze Zeit an ihn zu denken. Aber ich sollte mal langsam damit abschließen. Er war weg, beziehungsweise hier in Russland. Und ich würde wieder zurück nach Amerika gehen.
„Fertig?“ Grandpa riss mich aus meinen Träumen. Die anderen standen schon am Straßenrand und warteten auf mich. Ja ich gab zu, ich war gerade echt langsam. Aber das lag wohl noch daran, dass ich einfach noch etwas müde war. Naja, nicht wirklich müde. Aber dieses hektische war einfach gerade nichts für mich. Mein Rucksack fühlte sich plötzlich echt schwer auf meinen Rücken an. Aber ich riss mich zusammen und folgte ihnen.
„Wie geht es eigentlich Dein Bein?“ Magda fragte mich dieses. Ich betrachtete es und urteilte darüber
„Es schmerzt noch. Fühlt sich auch sehr komisch an. Aber es scheint zu heilen.“
„Ja. Das hört sich doch schonmal nicht schlecht an.“ Das war ja auch so klar, dass mich ein Steckfieh stach und eine Schlange biss. Man konnte es so sehen. Der Stich des Stechfiehs war die Vorspeise, der Schlangenbiss das Hauptdessert und das ohnmächtig werden war eindeutig das Dessert. Ja, danach war ich wohl auch voll gefressen. Ich grinste. Ach was. Es waren einfach nur Highlights, die mir die Nerven geraubt hatten.
„Hey.“ Eine Unbekannte Stimme erklang an meiner linken. Ich folgte ihr. Ein Mann mit Sonnenbrille saß neben mir im Auto und lehnte total cool den Arm aus dem Fenster. Das Highlight war die Zigarette, die er in der Hand hielt und immer mal wieder daran zog. Der Mann neben ihm blickte auch in meine Richtung. War wohl total interessant eine junge harmlose Wanderin anzuquatschen. Was kommt als nächstes? Eine Entführung.
„Tach“, gab ich extrem vorlaut zurück. Schließlich ging mir soetwas echt auf die Nerven.
„Scheinst ganz süß zu sein.“ Der Unbekannte musterte mich von Kopf an bis unten und zog wieder an der Zigarette, die schon fast abgeraucht war. Er strich sich mit der freien Sicht das Haar zurück.
„Sera. Ist alles in Ordnung.“ Grandpa hatte die Anmache des Typen bemerkt.
„Ja. Die Jungs wollen gerade abschwirren, weil ich sonst echt meine Beherrschung verliere.“ Ich starrte sie frech und genervt an und hob eine Braue.
„Was denn für eine Beherrschung? Bist wohl ein heißes Flittchen, das mich sonst überfällt um mich flach zu legen.“
„Sag mal geht’s noch. Du-“ Ich machte einige Schritte auf das Auto zu. Ich ahmte zu einem Schlag ins Gesicht so regten mich die Kerle gerade auf.
„Hey, Sera.“ Stefan riss mich zurück und musste mich sogar ganz fest an seine Brust drücken, damit ich nicht noch total ausflippe und den Kerlen eine Backpfeife verpasste.
„Du musst jetzt nicht so tun, als hättest du Gefühle,“ Stefan wandt dieses an mich. „Sie tut nur so. Das was sie kann, ist mit Gefühle zu spielen!“ Ich war ihm tötende Blicke über die Schulter hinzu nach oben. Er ignorierte sie.
„Beruhig Dich!“ Stefan schuppste mich etwas zur Seite und bat den Jungs einen Abgang zu machen. Ich konnte nicht anders wie Stefan hinterher zu schauen. Nicht, weil ich ihn gerade echt attraktiv fand. Nein! Im Gegenteil. Eher, weil ich ihn gerade hätte in Stücke reißen wollen.
„Sei froh, dass ich Dir Deinen Arsch gerettet habe.“ Ohne mir einen Blick zuzuwenden. Mir blieb schockiert der Mund offen stehen. „Du kannst mich mal!“, rief ich hinterher und marschierte ihnen nach. Ehrlich so ein Arschloch! Zu dem viel mir nichts anderes mehr ein. Er hatte doch einfach keine Ahnung wie ich mich denn gerade fühlte. Ich fühlte mich wie so eine Bekloppte, die ihre Gefühle nicht zuordnen kann. Ich wollte einfach nur noch nach hause. Weg von ihm, weg von allen. Mir blieb keine andere Wahl. Würde ich hier bei Jerome beleiben, wäre ich nicht bei Rosie. Würde ich bei Rosie zu hause in Amerika bleiben, hätte ich Jerome nicht bei mir. Aber ich hätte ihn ja eh nicht bei mir. Ich entscheid mich einfach für Amerika. Ich hatte da meine Freunde, Familie. Hier hätte ich nur Jerome. Ich wusste auch nicht wieso ich mir da jetzt so ein Kopf machte. Ich hatte ihn verloren. Er lag nur noch in meiner Vergangenheit, und hatte mit der Zukunft nichts mehr am Hut. Irgendein Geräusch riss mich aus den Gedanken. Ich hielt ausschau danach, da mir nicht klar war, woher es kam.
„Das ist Dein Handy!“ Ich gab Stefan einen harten Schlag auf die Schulter, aber es tat ihm wohl nichts. Das war halt Das, was Mädchen empfunden und Jungs. Mädchen empfunden das Leichte schnell als hart. Er warf einen ernsten Blick über die Schulter während er sein Handy aus der Hosentasche zog und ran ging.
„Ja?“ Er ging schnell dort hin, wo niemand das Gespräch mitbekommen konnte. Ich würde ja schon gerne wissen, wer IHN da anrief. Wer hatte denn einen Grund dazu Stefan anzurufen? Der Zeit schaute ich auf mein Handydisplay. Keine entgangenen Anrufe und keine ungelesenen Nachrichten – so ein Mist! Beleidigt hielte ich Schritt mit Grandpa, der plötzlich echt schnell im Laufen wurde. Woher das wohl jetzt kam?! Wohl von dem Schlaftanken in der Nacht. Zehn Minuten später, so riet ich, kam Stefan wieder und tat so, als sei nichts gewesen. Jaja, das konnte er am besten.
„Wer war es denn?“ Mir war danach die Situation jetzt etwas zu reitzen, da er mich ja auch immer reitzte, wann ich es am wenigsten benötigte.
„Das geht Dich nichts an!“ Okay. Klare Ansage. Hatte schon verstanden. Mein Blick schweifte durch die Gegend und fiel auf einen Mann mittleren Alters, der an der Straße stand und immer wieder den Daumen hob. Er hatte einen kleinen Koffer an seiner Seite, womöglich war sein einziges Ziel per Anhalter irgendwohin zu gelangen. Als er meinen Blick auf sich spürte warf er mir beängsigende Blicke zu, die mich echt schockierten. Schnell wandt ich meinen ab und schaute wieder nach vorne. Plötzlich machte der Mann mir Angst, aber hier in einem fremden Land konnte auch einfach nur alles Angst machen. Vorallem in Russland. Die russische Jugend hatte schon Sprüche drauf, worauf man nichts mehr zu kontern wusste. Gut das mir das bisher ersparen blieb.
„Seraphina. Wo bleibst du denn?“ Grandpa wandt sich zu mir um und hatte nichts anderes im Sinn wie mich hier zu scheuchen und zu hetzen.
„Ja ja, Grandpa.“ Schnell legte ich einen Gang zu und lächelte zu ihm hoch. So nach dem Motto „was meinst du denn, ich bin doch schon hier“. Ich konnte nicht anders, als zu dem Mann nochmal zurück zu schauen. Aber er war nicht mehr da. Als hätte er sich plötzlich in Luft aufgelöst. Plötzlich ging mir eine wunderbare Idee durch den Kopf.
„Hey, Leute. Ich habe die beste Idee überhaupt. Wie wäre es mit per Anhalter fahren. So kommen wir ein ganz schönes Stück weiter.“ Mein Grinsen übertönte alle schlecht gelaunten Gesichter. Ich hatte wohl gerade nicht die Kraft, meine Idee so überzeugend über zu bringen. Aber die Aufmerksamkeit hatte ich schonmal. Mein Grinsen verfiel, als Stefan sich zum Antwort geben breit machte.
„Du spinnst wohl! Und, dann landen wir irgendwo in der Pampa. Die Idee ist einfach nur Mist!“ Ja, so eine Antwort hätte ich mir einfach nur denken können. Ich zog eine „haha toller Witz“ Grimasse und lauschte Grandpas Beitrag zu meiner, wie ich finde, tollen Idee.
„Also, ich finde das ist keine schlechte Idee. Magda und ich sind ja auch nicht mehr junge Hühner, so wie ihr es seit. Also ein Versuch wäre es doch wert.“ Ich dankte Grandpa, für den tollen Beitrag und hob den Daumen sichtbar für alle.
„Klasse. Los geht’s.“ Ich stellt mich an den Straßenrand und hob lächelnd den Daumen. Schon klar, dass Stefan sich unbedingt neben mich stellen musste, um mich noch weiter ins Fettnäpfchen zu schnubsen. Er würde alles dafür tun damit ich mich schlecht fühle.
„Wenn wir hier noch entführt werden, trägst du die Schuld! Alles liegt an Dir, Seraphina.“ Er fühlte sich sogar schon so cool und interessant, dass er meinen Namen noch aussprechen musste. Da er mich ja so überhaupt nicht mehr mochte, und ich ja keinen Spitznamen mehr verdient hatte. Ehrlich, er konnte sich super mit Lorely zusammen tun. Mal sehen wer bei dem Racheplan mehr Erfolg hat. Lorely und Stefan oder ich. Ich tippte eindeutig auf mich.
„Tu nicht so scheinheilig. Du bist nur eiversüchtig, weil Dir nicht so eine Bombenmäßige Idee eingefallen ist.“ Dazu konnte er garnichts mehr sagen, außer: „Wenn du weiter so auf die Straße grinst lachen Dich die Tiere noch schrott und die Autofahrer nehmen Dich nicht mehr ernst!“ Dann ging er. Haha, was ein toller Witz. Er konnte froh sein, dass ich guten Humor für so ein blödes Kommentar hatte, dass er sicher als guterkannter Witz nahm. Ich jedoch wollte weiter fröhlich auf die Straße grinsen, weil mir niemand, wirklich niemand das Lächeln nehmen konnte. Mal sehen wer gewinnt. Er mit seiner „ihr könnt mich alle mal“ Fratze oder ich mit meinem „mir geht es gut“ Lächeln?
„Wann kommt den endlich mal jemand. Ich kann nicht mehr stehen“, jammerte Josephina, machte sich ein Stück des Weges sauber und setzte sich mit einem weiteren Hinblick auf den Boden. Natürlich musste sie nochmal nachsehen, ob auch alles schön sauber und ordentlich war. Ich jedenfalls könnte mir das Lachen nicht verkneifen, wenn da mal ein Hund hingemacht hätte und noch kleine Überräste übrig waren, oder wenn da irgendwelche Leute mal aus dem Fenster des Autos gespuckt hätten, oder Aschereste übrig waren. Aber gut, in dieser Gruppe musste wohl von jeder Art etwas bei sein. Ich, die tollpatschige Seraphina. Stefan, der Vollidiot des Universums. Grandpa, der Beste Grandpa der Welt, der alles versteht und immer gute Ratschläge parat hat. Josephina, die Beautyqueen, die gar nicht in Abenteuergeschichten reinpasst. Und die nette Magda, die ich echt mochte. Tja, jeder Typ hatte hier war. Es würde nie langweilig werden. Ach, und der absolut gutaussehende Jerome, der uns nur anfangs begleitet hat.
„Leute. Hey, kommt mal her“, rief ich sie. Ein großer schwarzer Bulli hielt an und ließ die schwarz getönten Fenster runter. Ein Mann mit Sonnebrille, schwarzem Haar und schwarzer Lederjacke spähte heraus. Ich erkannte sofort seinen Dreitagebart. Unheimlich dieses Gefährt, dachte ich mir. „Und ihr wollt und hier begleiten?“ Ich erkannte noch wie er unter der dunklen Brille die Braue zog und uns vorwurfsvoll anschaute.
„Nein, nicht mehr.“ Josephina schien der Sache wohl auch nicht ganz wohl. Aber was konnte schon so passieren. So, sahen die doch eigentlich ganz nett aus. Ich zweifelte leicht. Mein Blick fiel automatisch auf Stefan, der doch sonst immer so cool sein wollte.
„Geht auf ihre Verantwortung. Also warum nicht?“ Dieses Lächeln des Kerls neben mir. Ich hätte ihn erwürgen können. Wie er mir jetzt schon wieder die Nerven raubte. Der Unbekannte deutete mit seinem Kopf nach hinten. Damit war wohl der geräumige Kofferraum gemeint. Wir warfen unsere Sachen hinein, und nahmen in dem geräumigen Bulli platz. Große Ledersitze spannten die Lage noch an, so fand ich. Aber gut, es war ja nicht weit.
„Wo soll's hin geh'n?“ Der Fahrer des Bullis zog einmal an seiner Zigarre und schaute leicht über die Schulter, da er uns alle dann gut im Blick hatte.
„Aus Russland raus. Oder?“ Die Frage ging an die anderen, die mich komisch ansahen, aber mir dann zustimmten. Hm, womöglich hätte ich ein wenig weiter greifen sollen, da wir dann doch noch einiges zur Ostsee zum Laufen hatten. Der Unbekannte gab Gas und fuhr uns also nach der Grenze Russland/Lettland.
„Und was führt euch in dieses doch so gefährliches Land“, der andere Typ drehte sich nicht nach uns um. Gefährlich? Mein Magen zog sich zusammen. „Alte Mühle“, hörte ich den Beifahrer leise zu dem Fahrer flüstern. Stefan schien es auch mit zubekommen, aber wir ignoerierten es einfach.
„Eine Reise“, antwortete ich beängstigt. Was wollte die von uns? Und, dann würde Stefan mir noch die ganze Schuld in die Schuhe schieben, wenn wir entführt würden. Aber das würde nicht passieren. Immer optimistisch bleiben, auch wenn es schwer fällt. Ich schluckte stark und verkrampfte mich.
„Hey, du Rotschopf. Wie heißt du?“ Die können die Fragerei auch echt nicht mal ruhen lassen.
„Das geht euch nichts an“, gaffte Stefan zurück. Eigenartig, dass er mir die Antwort abnahm. Würde er mich nicht eigentlich lieber fertig machen wollen, wie mich zu verteidigen?
„Ich habe nicht mit Dir geredet. Oder bist du rothaarig?“
„Nein, aber wieso wollt ihr das wissen?“ Wow, wie ernst Stefan sein kann. Echt beeindruckend. Dazu fiel mir nichts mehr ein, musste aber auch nicht.
„Du kannst froh sein, dass die mit dem roten Haar hier ist, sonst wärst du schon längst rausgeflogen!“ Ouh. Ehm was? Jetzt machte der von mir abhänging wer rausfliegt oder wie durfte ich das deuten? Schlimmer gings nimmer. Ich wollte hier nur noch raus.
„Also, kleine. Wie ist Dein Namen?“ Diesmal sprach der andere von den Beiden.
„S-Seraphina.“ Komisch, dass ich jetzt auch noch anfing zu stottern.
„Ahh, Seraphina also. Sehr schöner Name.“
„Wieso fragt ihr das? Ich bin ihr Grandpa. Ich muss das wissen.“ Grandpa löste die Spannung nicht wirklich auf. Im Gegenteil, er spannte es nur noch mehr an. Mein ganzer Körper krampfte sich schmerzhaft zusammen. Ich würde am liebsten einfach nur noch hier raus. Jetzt fand ich das Laufen nicht mal mehr schlimm. Ich wäre froh, jetzt schön in aller Ruhe laufen zu können. Aber ich saß hier fest im Auto mit zwei Idioten, die Stefan nicht rausschmissen, weil ich hier war.
„Na, weil sie einfach nur zum anbeissen ist. Arr.“ Bitte? Oh mist. Was passiert hier.
„Hey, nehmt doch jemand anders für euer Spielchen, aber nicht mich!“ Ich versuchte etwas zickiger zu werden, damit man meinen Angstschweiß gerade nicht zu spüren bekam.
„Haha.“ Jetzt lachten die mich auch noch aus. Und Stefan fand das wohl auch witzig.
„Was soll das?“, gaffte ich ihn an und stieß ihn in die Rippe. Aber er konnte nicht aufhören zu lachen. Doch, als er merkte, dass es mich gerade nicht gut ging verstummte er. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, und hoffte nur noch, dass das hier schnell enden würde. Eine Stunde Minuten waren bereits vergangen, und es kam mir vor wie eine Ewigkeit, die nie enden würde.
„Könnt ihr mir vielleicht sagen wann wir da sind?“, fragte ich die zwei Männer vorne, die sich schon eine Weile über irgendetwas leise unterhielten.
„Die gleiche Zeit nochmal, denke ich.“ Man war der Beifahrer genervt.
„Und wie heißt ihr?“ Mir war gerade echt langweilig, und ich musste jetzte einfach irgendetwas von denen heruas finden, damit die Anspannung meinen Körper verließ und ich wieder beruhigt warten konnte, bis wir endlich da waren.
„Ey, das geht Dich ein Scheißdreck an!“ Ich schrack etwas zurück, weil mir die Antwort echt Angst machte. Plötzlich wollte ich hier wirklich nur noch raus! Aber ich hatte schon eine Strategie um mein Ziel hier raus zu kommen, zu erreichen.
„Hm. Okay. Also und woher kommt ihr?“ Ich schien meinem Ziel näher zu kommen. Der Beifahrer drehte sich hektisch und Angst machend zu mir um.
„Hälst du jetzt gefälligs die Klappe?!“
„Ey“, fauchte Stefan.
„Schon gut Stefan. Er hat ja recht. Ich bin ein Plappermaul. Aber so bin ich eben. Ihr hättet euch eher überlegen müssen, wen ihr einladet.“ Hoffentlich hatte ich das ganze hier nicht zu hoch gegriffen.
„Sera!“
„Halt die Klappe, Stefan.“ Gut, dass er auf mich hörte. Aber, ob das wohl lange anhalten würde.
„RUHE JETZT!“ Der Mann riss brüsk eine Waffe aus seiner Jacke und zielte auf mich. Schock durchfuhr meinen Körper.
„Okay, okay.“
„Hände hoch!“ Ich nahm die Hände hoch.
„Und wehe ich höre jetzt noch einen Mucks von Dir, du Flittchen!“ Bitte was?
„Es tut mir leid.“
„RUHE!“ Ein Schuss, Blut, Schmerz, Tränen!
„Ahh!“ Ich keuchte verletzt auf. „Mein Arm!“, schrie ich.
„Ey, scheiße Alter. Was soll das?“ Ich lauschte ohne es zu wollen dem Gespräch der zwei Männer, war aber trotzdem selbst mit mir beschäftigt.
„Ey, misch Dich da nicht ein. Sie hat es so verdient. Und jetzt fahr!“, befahl der andere.
„Ganz ruhig, Sera.“ Josephine hatte sich zu mir rüber gedrängelt und täschelte meine unversehrte Hand. Was war bei mir eigentlich noch unversehrt?! Nichts mehr, so kam es mir vor.
„Du hast doch irgendwo einen Verbandskasten.“ Ich deutete auf meinen Rucksack und keuchte nochmal auf vor Schmerz. Tränen rannen meine verweinten Wangen herunter. Nein, ich durfte jetzt nicht weinen! Nicht jetzt! Sonst galt ich noch als Weichei. Ich durfte nicht weinen. Ich redete es mir die ganze Zeit ein.
„Hey. Das ist in Ordnung. Jeder Mensch würde jetzt Tränen verlieren“, beruhigte mich Stefan. Aber wieso tat er das? Wieso verletzte er mich nicht weiter mit Sprüchen, wie er es doch so gut konnte? Wieder ging ich mit meinem freien Handrücken über die Augen, damit niemand erkannte, was ich gerade für Emotionen ausschüttete.
„Jetzt helft uns doch mal!“, fauchte Josephine zwischen den Zähnen durch zu den zwei Männern.
„Wirklich Mann. Wir sollten ihr helfen.“ Den Fahrer fand ich plötzlich gar nicht mehr so beängstigend. Es war der Beifahrer, der die Knarre auf den anderen Mann hielt, damit er auch ja nicht anhielt, sondern das Ziel im Auge behielt. Auch, wenn ich nicht wusste was das Ziel war.
„Halt dir Klappe und fahr!“
„Hier.“ Josephine hatte den Verbandskasten gefunden und öffnete es. „Was ist dann denn hier alles. Was brauchen wir denn, Stefan. Du kennst Dich damit doch aus“, bat sie plötzlich. Er griff das Kästchen und nahm zuerst einmal eine Pinzette, die ja auch zu etwas gut sein musste.
„Zuerst müssen wir die Kugel entfernen.“ Er erklärte alles ganz genau. Um mich zu beruhigen, und um Josephine zu erklären, wie denn eine Wundversorgung aussah. „Desinfektieren nicht vergessen. Sonst bringt man nur noch mehr Dreck in die Wunde, und natürlich Handschuhe vorher anziehen.“ Er griff nach den Handschuhen, wo ich sehr viele von parat hatte. Dann desinfektierte er die Pinzette. Er näherte sich der Wunde. Ich hatte mir schon vor lauter Schmerz in den Arm gekniffen, damit ich etwas davon ablenken konnte. Ich hoffte, dass er mir nich allzu viele Schmerzen noch dazufügen würde.
„Ey, wehe der Bulli hier wird dreckig. Dann bist du tot, Bitch.“ Wie konnte man nur so unmenschlich sein. Dazu fiel mir nichts mehr ein. Das wollte ich auch nich. Ich versuchte es zu ignorieren, obwohl der Moment, wo er auf den Knopf der Knarre drückte und die Kugel in den Arm schoss, mir die ganze Zeit durch die Kopf ging. Und sich wie eine Videokassete wiederholte. Von Schmerz überfüllt biss ich mir auf die Zähne und schloss die Augen. Ich wollte auch nicht hinsehen. Es tat gerade alles so weh.
„So, ich habe sie.“ Stefan hielt sie hoch, so dass jeder sie sehen konnte. Froh darüber, dass alles gut verlaufen war. Er schien Stolz auf sich zu sein, aber das war ja wohl berechtigt. Die Kugel, die voller Blut war und mir schon fast alles wieder hoch kam.
„Möchtest du diese behalten?“, fragte er mich. Ich nickte, und er packte die Kugel in ein kleines Tütchen. Ja, wieso denn nicht behalten. Wenn man mal angeschossen wurde, was ja nicht jeden Moment passiert. „So, jetzt müssen wir die Wunde zunähen.“ Ihh. Ich widerte mich jetzt schon an.
„Sag mal woher weißt du das denn alles, und wieso macht Dir das alles nichts aus?“ Diese Frage interessierte mich brennend.
„Ich fange nach den Ferien mein Studium zum Arzt an. Ich habe schon ein Jahr lang im Krankenhaus gearbeitet und wurde mit soetwas konfrontiert.“ Mir blieb der Mund offen stehen.
„Du wirst Arzt?“ Er nickte.
„Ja.“ Er desinfektierte die Nadel und die Wunde, um alles steril zu halten. So hatte ich es mal in Biologie gelernt. Ja, wozu die Schule nicht alles gut war? Das fiel mir in der Zeit hier besonders oft auf. Und ich hatte die Schule nie wirklich ernst geworden. Und Stefan? Er wird Arzt! Bis man erstmal soweit kommt, muss man schon einiges gelernt haben. Wieso er es mir wohl nie erzählt hatte? Womöglich dachte er, ich würde mich über ihn ekeln, weil er soetwas sehen und ausüben konnte. Das er Wunden versorgen konnte. Aber nein. Es war wirklich bewunderswert. Nur noch schnell den Faden durch die Nadel gezogen und los konnte es gehen. Hoffentlich fühlte er sich von der Autofahrt nicht so gestört. Da soetwas doch schon Ruhe und Konzentration benötigte. Langsam aber sicher zog er die Nadel durch meine Haut und verschloss langsam die Wunde. Der Schmerz war kaum auszuhalten, aber ich war ganz stark. Ich ließ mir nur den Schmerz anmerken, der auch berechtigt war. Obwohl ja jeglicher Schmerz gerade berechtigt war. Jeder empfund den Schmerz anders, und ich fand, dass ich mich doch ganz gut zu schlagen gab.
„Du bist echt tapfer“, lobte er mich. Ich hatte mir zwischendurch Kopfhörer in die Ohren gesteckt, um etwas Ablenkung zu bekommen.
„So. Das schlimmste ist geschafft. Geht es, Sera?“ Ich war froh, dass er mich wieder beim Spitznamen nannte. Das gab mir für einen Moment den glauben ihm doch nich so egal zu sein. Ich nickte leicht und lauschte der Musik, die durch meinen Kopf rauschte. „So dann festigen wir das noch etwas mit einem Pflaster“, erläuterte er nun. Und klebte es mir leicht auf die Wunde. „So noch der Verband und fertig ist es.“
„Okay. Jetzt weiß ich also wie man Wunden versorgt.“ Josephine hatte die ganze Zeit nicht wirklich hinschauen können, aber das wichtigste war ihr nicht erspart geblieben.
„Danke.“ Ich zog mir meine Jacke über und wandt mich an den Typen, der Schuld an alledem war. „Was sollte das?“ Ich rümpfte wütend die Stirn um noch mehr Wut zum Ausdruck bringen zu können.
„Fresse!“ Die Stimme mit der er mir dieses überbrachte, war schwer zuzuordnen. Wut, Erpressung, Zorn und ich meinte sogar etwas Angst mitschwimmen zuhören. Aber gut. Ich wollte keinen Streit anfangen, also hielt ich meinen Mund. Josephine glitt neben mir auf den Sitz und schnallte sich an. Wieso war sie aufeinmal so nett zu mir? Sie hatte doch alles versucht, um mir Jerome fernzuhalten und mich eiversüchtig zu machen.
„Wieso bist du aufeinmal so nett zu mir?“ Sie wusste genau, dass ich sie gemeint hatte, schaute mich aber nicht an.
„Er hat Dich sehr gern.“ Was meinte sie? Ich antwortete nicht. „Sera, er will mich gar nicht.“
„Kann es mir jetzt nicht eigentlich schon egal sein?“
„Nein, kann es nicht. Du hast das Gespräch ja nicht mehr mit bekommen. Du musstest ja unbedingt schon vorgehen. Genau dann, wo die Frage war, ob er mitkommen würde oder da bleiben wollte.“
„Und was hat das so ergeben?! Er ist dageblieben.“ Ich stellte eine rethorische Frage, die schon ohne weitere Worte eine Antwort hatte. Er war dageblieben, hatte sich für Russland entschieden.
„Er wusste erst nicht, was er tun sollte. Aber er hat sich gedacht, dass du ihn sowieso nicht mehr dabei haben möchtest“, erklärte sie mir ernst. Es schien mir doch gar nicht ernst. Es kam mir vor wie ein Blüff. Er hätte mich doch Fragen können, aber nein, er musste ja eine Vorentscheidung treffen. Ja und das kommt davon, wenn man glaubt in Köpfe anderer schauen zu können.
„Er hätte mich ansprechen können“, teilte ich Josephine meine Gedanken mit.
„Du bist stur. Weißt du das?!“ Toll, noch eine rethorische Frage. Die Antwort war sowieso „Ja“. Ja, ich war stur. Und ich hatte ein großes Recht stur zu sein.
„Das Thema ist jetzt beendet!“, gab ich kleinlaut und ließ die Musik noch etwas lauter durch meine Ohren drangen. Toll, und ausgerechnet jetzt lief das Lied, was mich an ihn erinnerte. „She will be loved von Maroon 5“ Es war einfach nur ein schönes Lied und passte perfekt „Sie wird geliebt werden“. Tja, wenn dieser Spruch Wahrheit annehmen würde. Er war für mich nichts, als eine Lüge. Wer sollte mich jetzt lieben? Wieso sollte ich überhaupt geliebt werden? Ich bleibe einfach eine freche Ziege, die sich für nichts zu schade ist, die sonst nie etwas zugibt. Die einfach nur ihr Leben verabscheute, da es gerade anders wie geplant lief. Aber seit wann konnte man sein Leben überhaupt planen? Kommt nicht alles so wie durch Zufall oder naja Schicksal? Jeder Mensch fängt anfangs an die Zukunft zu planen. Genau, man plant sie. Das bedeutete noch lange nicht, dass man es auch so lief, wie man es sich wünschte. Aber alles würde so enden: Man steigert sich zu stark in den Plan ein, dass man alles andere rumherum vernachlässigt. Wahre Liebe konnte man nicht planen. Familie konnte man nicht planen. Job konnte man zu fünfzig Prozent planen. Das wars auch schon. Es hieß für mich, dass das Schicksal das Leben und die Zukunft in die Hand nimmt. Beruhigend und nachdenklich lauschte ich der Musik. Ich übersetzte mir jede Strofe.

Schönheitskönigin mit nur 18 Jahren.
Sie hatte einige Probleme mit sich selbst.
Er war immer da um ihr zu helfen.
Sie gehörte immer zu jemand anderem.

Abgesehen davon, dass ich keine Schönheitskönigin und noch keine 18 Jahre alt war, ensprach die Strofe der Wahrheit. Ich hatte Probleme mit mir selbst. Hatte Probleme mit meinem gottverdammten Leben, Probleme in der Schule, mit der Familie. Ich war umgeben von Problemen. Mein Leben bestand praktisch aus Problemen. Aber zu jemand anderem gehörte ich eher weniger. Ich gehörte nur mir selbst. Ich war mir, meinem Leben und meinen Problemen hilflos ausgesetzt. Es ging nich anders. Ich war auch einfach nicht bereit dazu, andere Menschen, die mir wichtig waren, in meinen Problemen einzubringen. Sie würden nicht wissen weshalb nicht fragen. Sie würden mir helfen wollen, aber meiner Persönlichkeit zufolge. Ich würde sie verscheuchen. Ich verscheuchte jeden. Wichtige Menschen, die mein Leben bereichert hatten. Ich hatte sogar Jerome verscheucht, aber das war einmal.

Ich bin Meile um Meile gefahren
und an Deiner Tür hängen geblieben.
Ich hatte Dich so oft satt gehabt oder irgendwie.
Ich will mehr.

Diese Strofe konnte meinem Liebesdrama ähneln, nur sähe man es nicht aus meiner, sondern aus Jeromes Sicht. Er war Meile um Meile gefahren, hatte mich aus meinem Zelt entführt und irgendwo abgeliefert. Er war nicht an meiner Tür hängen geblieben, und ob er es war, der mich entführt hatte oder nur die Soldaten mit denen er immer abhing. Es blieb mir einerlei, er hatte zu ihnen gehört. Und er hatte mich satt gehabt. Ich war ihm einfach zu anstrengend gewesen und hatte ich von mir fernzuhalten versucht. Ich hatte ihn gekonnt und ohne Hinsicht auf Verluste aus meinem Leben gestoßen. Der Dank dafür: Ewige Reue. Und sein Verlassen, was mir den Atem geraubt hatte. Aber ich versuchte damit klar zu werden. Und er wollte nicht mehr. Er wollte garantiert nicht mehr, sonst hätte er mir nicht einfach so den Rücken gekehrt und mich alleine nach hause wandern gelassen. Er hätte kämpfen wollen, wenn er wirklich, wie Josephine sagte, etwas für mich empfund. Sei es das Mögen oder sonst irgendetwas. Nie hätte er mich so der Wildnis ausgesetzt. Er wusste einfach oder hätte einfach wissen müssen, dass ich ohne ihn nicht mehr zurecht kam.

Mir ist es egal jeden Tag verschwendet zu haben.
An Deiner Ecke im strömenden Regen.
Auf der Suche nach dem Mädchen mit dem geknickten Lächeln.
Fragen, ob sie eine Weile bleiben will.
Und sie wird geliebt werden.
Sie wird geliebt werden.

Es war Das, was mir am meisten zu bedenken gab. Kein Tag wurde sinnlos verschwendet. Oder vielleicht doch? Er hatte versucht meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Hatte einfach so meine Hand gegriffen und mir hilflos meine Blicke gestohlen. Er hatte meine Blicke liebevoll auf sich gezerrt und mein Herz zum springen gebracht. So, dass es mir fast aus der Brust gesprungen wäre, hätte ich nicht einen Rückzieher gemacht und ihm dieses liebevolle seinerseits brutal zurück geschmissen. Ich hätte ihn Fragen sollen, ob er noch eine Weile bleiben will. Ich hätte nicht einfach so stur sein sollen. Ich war verdammt stur. Das gab mir das Lied zu bedenken. Ich krempelte das Lied etwas um, da er nichts falsch gemacht hatte. Er war der Liebevollere von uns beiden. Er sollte noch eine Weile bleiben, und er wird geliebt werden. Egal was komme. Sein Typ war einfach zu hinreißend und anziehen, dass nicht irgend ein Mädchen scharf auf ihm werden würde. Um ihm mehr Liebe und Interesse zeigen zu können, wie ich es je hätte tun können.

Tipp an mein Fenster, klopf an meine Tür.
Ich will, dass du Dich gut fühlst.
Ich weiß ich neige dazu, unsicher zu sein.
Es ist nicht mehr wichtig.

Wie sehr ich mich freuen würde, wenn er aufeinmal da stehe und mich so ansehen würde wie an jenem Tag, wo ich ihm nicht einen Arschtritt verpasst hatte. Aber er solle sich gut fühlen. Und das würde er nur, wenn ich aus seinem Leben war. Und das war ich bereits. Unsicherheit hatte mich immer überflutet, wenn ich an ihn dachte. Ich war unsicher in den Gefühlen, die ich für ihn hegte. Und ich hatte Gefühle für ihn, wollte es entweder nicht wahr haben oder einfach nur verdrängen. Es könnte auch sein, dass ich nicht zu voreilige Entscheidungen treffen wollte, und außerdem würde ich dann wieder schwach sein, aber das sollte unwichtig sein. Gegen Liebe kann man nichts tun. Es ist auch nichts dagegen einzuwenden. Es kam einfach so, wie das Schicksal es wollte.

Es sind nicht immer nur Regenböge und Schmetterlinge.
Es sind Kompromisse, die uns weiterbringen.
Mein Herz ist erfüllt und meine Tür immer offen.
Du kannst kommen wann immer du willst.

Der Sänger muss sich einiges dabei gedacht haben. Er könne nicht einfach nur über Sachen urteilen und singen, von denen er keine Ahnung hatte. Gefühle müssten mitschwimmen. Er singt es so, als beschreibe er mein Leben und die Konsequenzen, die es mit trägt. Man kann nicht immer nur Regenböge sehen und Schmetterlinge fühlen. Nicht immer nur über einem strahlend blauen Himmel stehen, der nichts als nur Glück auf uns herunter lässt. Man muss auch mal den Kompromissen ins Auge sehen. Nur die bringen weiter. Streit schweißt die Paare immer näher zusammen. Das Herz, erfüllt von Liebe. Und die Tür offen für die Liebe. Es ist immer schön in oder nach einem Streit zu hören, dass die Tür immer für Dich offen steht und du kommen kannst, wann du willst.

Mir ist es egal jeden Tag verschwendet zu haben.
An Deiner Ecke im strömenden Regen.
Auf der Suche nach dem Mädchen mit dem geknickten Lächeln.
Fragen, ob sie eine Weile bleiben will.
Und sie wird geliebt werden.
Sie wird geliebt werden.

Ich weiß, wo du Dich versteckst.
Alleine in Deinem Auto.
Kenne all die Dinge, die Dich zu dem machen der du bist.
Ich weiß, dass Aufwiedersehen noch nicht das Ende bedeutet.
Komm zurück und bitte mich Dich aufzufangen, wann immer du fällst.

Die Strofe trieb mir die Tränen aus den Augen. Es berühte mich und meine Seele, die irgendwo in mir lebte. Ich versteckte mich. Ich versteckte mich vor meinen Problemen, die mich jeden Tag aufs Neue zu provozieren anfingen. Und wenn man daran dachte, was mich zu dem gemacht hat, der ich war. Es war meine Familie, der Tod meiner Mum, meine Stiefmutter, die über mein Leben bestimmen wollte. Mein Dad, der nie für mich dagewesen war, wo es mir schlecht ging. Ich hatte kaum Gelegenheiten, um um meine Probleme reden zu können. Ich hatte alles in mich reingefressen und eine Mauer aufgebaut, die niemand überqueren konnte. Aber dank Jerome scheint die Mauer zu reißen. Wie es wäre, wenn Aufwiedersehen wirklich nicht das Ende bedeutete, und er einfach so in mein Leben kam, wie er es vorher auch getan hatte. Anfangs war ich nicht wirklich überzeugt davon, dass er mein Leben einfach so betreten hatte. Ich war es auch nicht, als er es verlassen hatte. Was wollte ich eigentlich? Was war mir recht? Ich bekam Klarheit in allem. Ich wusste nun was ich wollte. Ich wollte ihn. Ich wollte Jerome. Ihn berühren, seine Lippen auf die Meine spüren. Aber es war zu spät. Bald würden wir nach hause kommen, ohne ihn.

„Hey, moment mal. Das.. hier ist unser halt“, warf Stefan ein. „Wir müssen hier raus!“ Gerade sah ich das Schild der Grenze Russland/Lettland vor meinen Augen vorbei schwinden. Was geschah hier gerade?
„Tja. Euer Halt ist Vergangenheit. Obwohl ich komm da gerade auf eine Idee.“ Der Mann mit der Knarre, wie er sie auf den Fahrer hielt, damit er uns auch ja nicht gehen ließ, zog die Braue hoch. Was hatte er vor? „Halt an!“, befahl er dem Fahrer. Der urplötzlich eine Vollbremsung durchführte. „Wenn du jetzt nicht machst was ich Dir sage, schieße ich Dir ins Bein!“ Gott sei Dank, war das nicht an uns gerichtet. Aber der Fahrer tat mir irgendwie leid. Noch länger mit ihm in einem Auto zu sitzen. Der Andere stieg über den Sitz und kam direkt auch mich zu. Das hämmische Lächeln machte mir gerade Angst. Wie er auf mich zu kam. Die Waffe richtete er auf jeden von uns, damit ihm auch ja niemand den Plan kreuzte.
„Was haben Sie vor?“ Stefan schrack zurück als er eine Vorarnung von dem hatte, was der Typ da vorhatte.
„Ruhe!“, fauchte der mit zusammen gebissenen Zähnen. „Du öffnest jetzt die Tür und ihr steigt aus!“ Stefan befahl dem Befehl. Einer nach dem anderen verließ den Wagen. Ich wollte gerade aussteigen, da riss der Typ die Tür zu.
„Fahr los!“ Der Fahrer trat aufs Gas.
„Was? Nein!“, schrie ich und klopfte wie wild an die Tür. Ich versuchte alles, aber sie ließ sich nicht öffnen.
„Du bleibst schön hier!“ Er riss mich zurück zu sich. Mein Schrei verstummte als er mir einen alten Lumpen vor dem Mund bund und mir Fesseln um Hand und Fuß bund. Wieso musste soetwas immer mir passieren!
„Hey. Mann was soll das?“ Ich war erleichtert, als der Fahrer sich einbund. Er war auf meiner Seite. Er wollte nicht, dass soetwas passierte. Das wollte ich auch nicht. Alles wird gut, Sera. Dir wird nichts passieren, versuchte ich mir einzureden. Aber etwas anderes bezeugte mich vom Gegenteil. Ich versuchte zu schreien, aber sie kamen nirgens an. Angst schoss mir durch den Körper. Tränen rannen. Wieso immer ich? Wieso nur?

„Du solltest ihr nach. Du empfindest mehr. Das weiß ich!“ Julia wandt sich ab und goss mir noch etwas Kaffee nach um mich wach zu halten. Der Morgen war nicht früh, aber trotzdem fühlte ich mich grausam müde.
„Julia. Bitte.“ Ich wollte alles andere, als darüber zu reden.
„Ja, gib es doch zu. Ich kenn Dich.“ Ich nahm einen Schluck von dem noch heißen Kaffee, der mich gerade etwas aus dem Schlaf rriss. Aber irgendwie schmeckter er nicht wirklich.
„Man, der ist stark!“ Ich kniff meine Augen angewidert zusammen und rümpfte die Stirn.
„Nu stell Dich nicht so an. Den brauchst du, wenn du Dich auf den Weg zu ihr machen möchtest. Wie wäre es eigentlich, wenn du diesen Stefan wieder anrufst. Er hat Dir die Nummer doch zur Sicherheit dagelassen.“ Der Stuhl knarrte, als sie sich nieder ließ und sich über ihren Kaffee hermachte. So stark schien er ihr nicht zu sein.
„Ach. Als ich mit Stefan telefoniert habe, ging es ihr gut. Wieso sollte es dann jetzt nicht auch so sein?“ Nicht lange war es her, wo ich ihn gesprochen hatte. Er hatte mir gesagt, dass Sera wieder gut drauf war. Also, was sollte in der Zeit wohl schon passiert sein?!
„Na, du weißt doch mittlerweile, dass ihr das Pech so zugeflogen kommt. Ihr passiert ständig etwas.“ Julia hatte recht. Natürlich hatte sie recht. Sie kannte Sera mittlerweile besser, wie ich es tat. Das wegen dieser Unterhaltung, die die beiden zuvor geführt hatten. Gerade nippte ich an dem starken Kaffee, da vibrierte mein Handy bemerkbar auf der Tischplatte. Julia schien es auch bemerkt haben. „Stefan.“ Natürlich war ihr der Blick auf das Handy nicht entgangen, so dass sie lesen konnte, wer mich gerade bei meinem Kaffee störte.
„Ja?“
„Hey. Hier ist Stefan. Du etwas schreckliches ist passiert!“ Stefan klang geschockt. Ich konnte den Angstschweiß sogar von hier aus hören. Um auf Nummer sicher zu gehen stellte ich den Kaffee ab und lauschte der aufgebrachten Stimme aus der anderen Leitung.
„Also, ehm. Sera. Sie-“ Ich konnte nichts verstehen, da er so abgehackt sprach.
„Jetzt, mal ganz ruhig. Was ist mit Sera?“ Ich versuchte ihm etwas Ruhe einzuflößen. Julia hatte es mitbekommen und lauschte nun unserem Gespräch.
„Also, sie kam plötzlich auf die Idee mit dem per Anhalter weiterfahren. Und, ja. Also taten wir es. Sie wurde entführt, Jerome. Hilf uns!“ Was wurde sie? Ich glaubte nicht richtig hören zu können. In dem Moment wollte ich es auch einfach gar nicht.
„Bitte was?“ Ein Schock durchfuhr meinem Körper. Plötzlich bekam ich echte Wut auf sie. Egal, was sie anfasste. Es ging in Feuer auf. So klar, dass diese per Anhalter Sache von ihr kam. „Wo seit ihr?“ Ich musste so schnell es ging dorthin.
„Äh, ehm. Grenze Russland/Lettland. Sie ist weg.“
„Bleib ruhig. Ich, Ich komme. Irgendwie.“ Ich klappte das Handy zusammen und rannte rauf in mein Zimmer. Im Boxershorts konnte ich schlecht los. Also rannte ich ins Bad um mich äußerlich attraktiver zumachen und mir eine Jeans und ein Hemd überzuwerfen. Ich geelte mir mein Haar vorne hoch, sobald mein kurzes Haar dieses erlaubte. Ich griff nach meinem Handy, das ich auf dem Küchentisch liegen gelassen hatte und teilte Julia kurz die Situation mit.
„Sera wurde entführt. Ich muss sofort zu der Grenze Russland/Lettland!“
„Wie willst du denn dahin kommen? Das sind zwei Stunden, wenn nicht noch mehr!“ Hm, daran hatte ich noch nicht gedacht.
„Ja, sag du es mir!“ Ich rümpfte die Stirn. Das konnte doch alles nicht wahr sein.
„Bleibt Dir wohl keine andere Wahl, wie das Auto zu nehmen.“
„Toll.“ Ich griff nach dem Autoschlüssel und machte mich auf dem schnellsten Weg auf zur Grenze. Schlimmer konnte der Tag nun wirklich nicht mehr werden. Ich fuhr aus dem ruhigen Gebiet raus auf die Hauptstraße und gab von da aus Vollgas. Ich versuchte mich etwas mit dem Radio abzulenken und schaltete das Radio ein. Ohne auch nur auf dem Sender zu achten lief das Lied „She will be loved von Maroon 5“ Es war ein ausgesprochen schönes Lied, und brachte mich sofort auf andere Gedanken. Soweit dieses überhaupt ging. Meine Gedanken schwebten gerade nur um Sera. Sera, Sera, Sera. Wie sie mich anlächelte. Die Momente, wo sie frech wurde. Es tat schon weh, aber es war einfach nur süß. Sie schien einiges im Leben erlebt zu haben. Ich empfund mehr. Mehr, wie ich je für einem Mädchen empfunden hatte. Sie brachte mich einfach um den Verstand. Raubte mir den letzten Atem. Ich wollte nicht, dass mich ein Mädchen jemals so in den Griff bekam, wie sie es tat. Und sie tat es, und wusste es noch nicht einmal. So glaubte ich. Das Entführerauto konnte noch nicht weit sein. So hoffte ich. Wissen und hoffen waren nicht vergleichbar. Die Bäume rauschten nur so an mir vorbei. Und die Stunden vergingen wie im Fluge, weil ich immer nur an sie denken musste. Sie zog mich einfach so an sich. Es war schmerzhaft zu wissen, was für ein Abstand uns trennten. Was für eine Zeit. Vorallem die Ungewissheit, wo sie gerade war. Eben war ich ja noch in dem Glauben, sie sei bei Stefan und den anderen. Aber nein, man musste mich ja bei meinem Morgenkaffee stören. Aber ich war froh, dass ich besser jetzt wie zu spät Bescheid bekam. So konnte man wenigstens noch etwas retten. Ich hoffte es zumindest. Nach knapp zwei Stunden erreichte ich die Grenze Russland/Lettland. Ich wusste sofort, dass die Menschen da auf der Straße nicht nur irgendwelche Menschen, sondern Bekannte waren. Bekannte, mit denen ich bis vor kurzem noch zusammen gewandert war. Ich hatte einfach gedacht, sie nie wieder sehen zu können. Aber das Schicksal führte uns wieder zusammen. Nur leider wollte das Schicksal wohl nicht, dass ich mich mi Sera wieder zusammen führte. Ich zerbrach an dem Gedanken, sie nie wieder sehen zu können. Ich trat auf die Bremse und hielt vor ihnen. Ich schaubte das Fenster meines Trucks runter.
„Ouh. Ich dachte gerade du wärst noch so ein Irrer.“ Stefan hatte sich sichtbar erschrocken. Ich hob die Braue unter meiner Sonnenbrille, die ich dabei etwas runterschob, so dass ich über sie hinüber spähen konnte. „Wir sind froh, dass du da bist. Sie ist schon länger weg.“
„Ja, ich habe auch länger gebraucht um her zu kommen. Jetzt steigt ein. Zu Fuß finden wir sie nie.“ Schnell stiegen sie in den alten roten Truck und ich gab Gas.
„Wieso ging das denn nicht schneller?“ Stefan drängte mich so, dass es mir schon echt nervte.
„Hallo? Stefan. Lass es doch mal. Warum sorgst du Dich überhaupt so über Sera?“ Joesphine betrat das Gespräch und antwortete glücklicherweise für mich. Ich hatte da jetzt gerade keine Nerven für.
„Das Gleiche kann ich Dich auch fragen.“
„Ruhe jetzt!“ Ich konnte und wollte mir das hier jetzt nicht länger anhören. „Wir müssen sie so schnell es geht finden.“
„Jer?“ Cool, Stefan gab mir einen Spitznamen.
„Ja?“
„Du hast Dir Sorgen gemacht oder?“ Er klang so bedrückt und ruhig. Es schien ihn sichtlich mitzunehmen.
„Ja du etwa nicht?“ Ich musste mich hier jetzt keineswegs rechtferitgen. Das hatte ich um Gottes Willen nicht nötig.
„Doch. Irgendwie schon“, gab er zu. Wenn ich daran dachte, wie gemein er zuvor zu ihr gewesen war. Ich hätte ihm da echt eine runterhauen können. Er hätte sie nie so fertig machen sollen. Ich wusste, dass es sie mitnahm. Ich reagierte nicht mehr auf Stefans Aussagen. Ich hatte jetzt auch gerade wirklich anderes im Kopf, wie ihm hier eine Rechenschaft abzugeben.
„Du liebst sie.“ Mir blieb der Atem stehen. „Stimmt's?“
„Lass es jetzt!“ Ich wollte unbedingt davon ablenken.
„Es stimmt also!“
„Stefan. Es ist jetzt gut“, warf Josephine ein. Mein ignorieren ihm gegenüber, war schwer. Ich wusste nicht, was ich für sie empfand. Er hatte mir nur gerade die letzte Luft genommen.
„Sag, doch. Jerome.“
„Ich will nicht drüber reden!“, gab ich zu. Es stimmte. Ich wollte alles andere, als mit Stefan darüber zureden. Ich wollte sie – jetzt! „Habt ihr irgendwelche Hinweise, die auf das Auto führen oder sonst irgendwas?“ Mein Ablenkungsmanöver schien mir gelungen zu sein. Seras Grandpa, der neben mir saß hatte mir das Nummernschild des „Bullis“ auf einen Zettel geschrieben. „Sonst noch was?“, fragte ich in die Runde.
„Es war ein schwarzer Bulli, mit verdunkelten Scheiben und zwei Männer saßen drin. Der Beifahrer hielt dem Fahrer die ganze Zeit eine Knarre entgegen, damit der auch ja nicht anhielt.“ Josephine schilderte mir die wichtigsten Detailes.
„Gut. Das ist schon einiges.“
„Sera und ich haben irgendetwas von einer alten Mühle gehört, wir haben es aber nicht weiter beachtet.“ Stefans Beitrag war wie Musik in meinen und mit Sicherheit auch in den anderen Ohren. Ich hielt am Fahrbahnrand und schaltete die Warnblinkanlage an. Meine Hand führte zu dem Amaturenbrettkasten und ich kramte eine Landkarte heraus.
„Wir sind jetzt hier.“ Ein Stück weit über die Grenze. „Die alte Mühle.“ Mein Blick schweifte über die Karte, die wirklich mehr geschildert hatte, wie eigentlich nötig war. Hier standen sogar die Straßen. „Da!“ Eine Aufschrift mit dem Namen „Alte Mühle“ „Wir haben noch ein weites Stück zu fahren. Aber dafür einen guten Anhaltsort.“ Ich schaltete die Warnblinkanlage wieder ein und drückte aufs Gas.
„Gut, Stefan. So finden wir sie bestimmt.“ Josephine gab Stefan einen Stoß in die Seite.
„Das hat Sera auch gerne gemacht.“ Sein Blick sank zu Boden. Klang es gerade nur so, oder empfand er wirklich mehr wie nur Freundschaft für sie? Ich wusste nichts mehr zu sagen und wollte es auch nicht. Ich wollte auch nicht darüber nachdenken. Aber, vielleicht hatte sie ihm auch schon das Herz zu Füßen gelegt. Boah Scheiße hör auf darüber zu reden, zwang ich mich und starrte auf die Straße. Wie konnte ich mir nur jetzt darüber Gedanken machen, wo Sera doch womöglich gerade in Gefahr steckte. Ich hatte Angst um sie. Ich musste es mir gerade einfach zugeben. Sonst würde ich nie aufhören Gedanken zu verschwenden, und mir weiter den Kopf zu zerbrechen.
„Ey. Das ist doch der Mann von heute Morgen?! Er hatte Sera angestarrt. Der war da auch schon auf dem per Anhalter Trip“, erklärte Stefan. Ich betrachtete den Mann an der rechten Straßenseite. Er hatte schwarz-gräuliches Haar und trug Klamotten, die naja Obdachlose truge. Womöglich war er auch einer. Ich konnte ihn nicht zu ordnen. Und er hielt den Daumen hoch. Hm, wieso war er jetzt hier? Hatte er den Weg verfolgt, den Sera verfolgen wollte?! Wenn sie nicht entführt worden wäre.
„Nächste rechts rein, dann kommt da die Mühle.“ Seras Grandpa schilderte mir den Weg dorhin genau, da ich ihn nicht auswenig kannte. Ich kannte ihn eigentlich gar nicht. Es war ein schmaler Weg. Der Truck wackelte hin und her, da der Weg aus einigen Schlaglöchern bestand. Es war einfach nicht für ein Gefährt geeignet. Mit Fahrrad kam man da wohl besser her.
„Das ist es!“ Magda zeigte auf einen schwarzen Bulli. Ich spähte einen Blick auf dem Zettel mit dem Nummernschild, der identisch war. Doch der Bulli schien verlassen.
„Ich habe Angst.“ Josephine schmiegte sich an ihren jüngeren Bruder.
„Ja. Wie machen wir das jetzt? Die Typen erkennen uns sofort.“ Stefan hatte recht. Wir konnten das nicht riskieren.
„Genau. Deshalb gehe ich alleine.“ Ich musste einfach alleine gehen.
„Was? Nein! Jeome. Das kannst du nicht-“ Stefan schien mich abhalten zu wollen, aber da hatte ich auch schon das Weite gesucht. Nein! Ich hatte sie gesucht.
„Hey. Mann. Du hast echt gut mitgespielt. Die Kids und die alten Leute haben uns das so gut abgekauft.“ Zwei Männer mit Sonnenbrille und schwarze Lederjacken kamen hinter der Mühle her. So, dass ich mich noch knapp hinter einem Busch verstecken konnte. Waren das die Entführer? Und was zum Teufel hatten sie mit ihr vor. Sie lehnten sich an die Mühle und unterhielten sich amüsant. So, dass ich alles mitbekommen konnte.
„Ja. Und wie du der kleinen in den Arm geschossen hast. Und zu mir meintest. Ruhe, sonst schieß ich Dir gleich ins Bein!“ Beide brachen in Gelächter aus. Aber was meinten sie mit „Der kleinen in den Arm geschossen“. Meinten sie etwa Sera? Nein, das konnte nicht!
„Komm. Wir müssen die Bude anstecken. Die kleine kennt unsere Pläne. Wir müssen sie verschwinden lassen!“, sagte der größere von beiden und gab den Zigarettenstummel weiter an den kleineren. Ich konnte nicht zu lassen, dass sie Sera etwas antaten. Ich musste da rein! Ich musste einfach! Schnell griff ich nach meinem Handy und sendete eine Nachricht an Stefan, deren Nummer ich nur hatte.
Ruf die Polizei an. Sie wollen die Mühle anstecken. Ich muss es verhindern!
Ich drückte auf Senden und kurze Zeit später würde er sie erreichen. Dann schlich ich weiter vor. Ich schaute durch ein beschlagenes Fenster, das mir gerade recht kam. Mein Blick schweifte durch den Raum und blieb an ihr hängen. Gefesselt saß sie an einem Holzpfleier. Wenn diese Idioten die Mühle anstecken würden, würde der Pfeiler in einander brechen und das führte schon zu einem Tod. Scheiße, wieso dachte ich daran.
„Wen haben wir denn da. Schnapp ihn Dir.“ Ich konnte nicht so schnell gucken, da wurde mir auch schon eine Hand in den Nacken gelegt und ein dreckiges Tuch um den Mund gebunden. Lange Arme zerrten mich nach hinten. Ich sackte zu Boden, als mir die Beine weggezogen wurden. Ich versuchte alles um das zu verhindern, aber ich konnte nicht. Weder schreien, noch mich befreien. Sie hatten mich einfach im Griff. Das machten sie bestimmt nicht zum ernsten Mal. Ein raues Seil hielt Hände und Füße zusammen. Ich hatte einfach keine Möglichkeit mehr mich zu befreien. Sie brachten mich in die Mühle zu Sera. Also wenn ich gehen müsste, dann mit ihr. Ich warf ihr flehende und tröstende Blicke zu, als sie mich sah. Leider ließen sie mich nicht neben ihr sterben. Ich kam an einen anderen Pfeiler, der dem Feuer näher kommen würde. Ob sie eigentlich weiß, das und wie sie sterben würde? Sie schien zu ahnen, dass etwas nicht stimmte.
„So. Viel Spaß beim sterben.“ Mit Gelächter gingen sie zur Tür hinaus. Wir hatten noch etwas Zeit um uns Blicke aus zutauschen. Ich hatte sie noch nie so voller Angst und Zorn gesehen. Ich erkannte sie gar nicht wieder. Und das nur wegen dem Gesichtsausdruck. Und da war er schon – der Qualm. Der Anfang des Feuers was uns umbringen würde. Ich erkannte Tränen in ihren Rehbraunen Augen, die mich hilflos anblickten. Ich aber leider nichts tun konnte. Ich wünschte etwas tun zu können, aber ich konnte einfach nicht! Dafür das der Qualm sozusagen nur die Vorspeise war, brachte er mich schon zum quälenden Husten. Es würde ein quälender Tod werden. Plötzlich fing Sera stark an nach Luft zu schnappen. Das Feuer kam immer näher. Es folgte den Ölspuren. Wieso musste man in Momenten eigentlich immer die Art von Tod nehmen? Konnte es nicht einfach mal ein Schuss oder so beenden. Es war sogar schon so weit gekommen, dass ich über diesen Gott verdammten Tod nachdachte. Ich musste Schreien. Nein! Sie rufen. Sie schlief. Hatten den Kopf auf die Seite gelegt. Sera! Kein Ton entflieh mir. Ich zappelte wie wild herum. In der Hoffnung meine Fessel würden sich lösen. Aber dreckige Tuch fiel zu Boden.
„Sera! Sera!, schrie ich. Ich rutschte hin und her. Es wurde plötzlich ganz warm hier drin. „Sera“, schrie ich nocheinmal. Aber sie rührte sich nicht. Ich hustete. So stark. Als würde ich meine ganze Seele aushusten. Ich hatte nur noch mein T-Shirt unter meinem Hemd, was ich mir über Nase und Mund ziehen konnte. Die Tür sprang auf und weißer Rauch kam hervor. Die Feuerwehr! Das war Rettung in letzter Not.
„Sera! Gehen sie zu ihr. Bitte. Nehmen sie sie!“, befahl ich, als mich einer der Feuerwehrmänner befreien wollte. Nach sekundenlangem zögern befreite er erst sie. Auch wenn ich wusste, dass mein Leben gleich zu ende war. Der Pfeiler schien ganz schön zu brennen. Die Hitze überkam meinen Körper. Ich würde große Narben davon nehmen müssen, wenn man mir heute noch das Leben retten könnte. Aber der Feuerwehrmann kam nicht wieder. Es war nur noch eine Zeit von Minuten, bis der Pfeiler auf mich fallen würde. Der Tod war mir noch nie so nah, wie jetzt. Ich war ihm noch nie nahe gewesen. Hände umfassten meinen Körper und zogen mich davon. Ich sah nichts mehr. Plötzliche Kälte, die meinen Körper umfasste. Lebte ich noch?
„Hey. Aufwachen. Hören Sie? Sie müssen aufwachen.“ Kalte Hände berührten meine Wangen. Lebte ich noch? Oder war ich schon Tod. Ich versuchte meine Augen zu öffnen. Mein Blick fiel auf jegliche Personen um mich herum.
„Sera. Wo ist Sera?“
„Die Freundin?“ Der Mann vor mir warf ein Blick zur Seite nickte kurz und wandt sich wieder mir zu. „Dem Mädchen geht es soweit gut. Sie wird jetzt ins Krankenhaus gebracht. Wo Sie auch hin sollten.“ Mein Körper wurde davon getragen. Es fühlte sich an, als würde ich schweben. Aber es war nur die Trage, auf der ich lag. Ich schloss meine Augen und sank in einen tiefen Schlaf.

Ein Blick genügte um mir im klaren zu werden, dass ich nicht zu hause oder sonst irgendwo an. Die Umgebung schien mir eher nach „Krankenhaus“.
„Jerome. Du bist wach. Wie geht es Dir?“ Ich erkannte aus den Augenwinkeln heraus Josephina, die besorgt meine Hand tätschelte. Ich war noch sehr müde.
„Wir sind in Amerika. Wir haben gesagt, dass wir eigentlich gar nicht in dieses Land wollten. Dann haben sie uns in Atlanta in ein Krankenhaus gebracht“, erklärte sie mir. Ich nickte bloß. Aber eine Frage ging mir doch durch den Kopf.
„Wo ist Sera und wie geht es Dir?“ Ich musste dagegen ankämpfen, dass mir meine Augen nicht wieder zufallen.
„Sie ist auf einer anderen Station. Die Ärtzte meinen sie hat eine Rauchvergiftung. Es ist aber nicht so schlimm. Sie ist auch wieder wach.“
„Ich muss zu ihr.“ Schlapp rapelte ich mich auf und schlüpfte in die Schuhe, die vor dem Bett standen. Ich zog mir den Morgenmantel über den Josephine mir reichte. „Kannst du denn wirklich schon-“
„Ja“, warf ich ein und ging. Etwas jedoch hinderte mich an meinem Vorhaben. Es war der Tropf an dem ich befestigt war. Also schnappte ich mir den Ständer und ging. Ich ging nicht, ich schlenderte. Ich war noch viel zu schlapp um zu gehen. Josephine harkte sich in meinen Armen ein, damit ich auch ja nicht den Halt verlor. Sie zeigte mir den Weg, der zu Seraphina führte. Es war nicht weit von hier aus nach ihr zu gelangen. Ich bekam an dem Gedanken sie gleich wieder zusehen schon Herz klopfen. Ein Rausch von Glück durchfuhr meinen schlappen Körper.
„Da sind wir.“ Josephine deutete auf eine Tür. Diese Tür trennte mich also von ihr. Ich klopfte mit einer leichten Handbewegung an und nach einem „herein“ trat ich ein. Ich erkannte sie in einem Bett am Fenster, umzingelt von noch anderen Personen.
„Oh“, entfloh es mir.
„Ist schon gut. Dad, Rosie, Grandpa, Lorely..“ Sie verstanden sofort und schlossen die Tür hinter sich – von außen. Ich lächelte nett zu ihr herüber. Und war nachdem Josephine das Zimmer verlassen hatte ganz alleine mit ihr.
„Wie geht es Dir?“, fragte ich sie und ging auf sie zu.
„Wie soll es mir gehen“, gab sie zurück. „Setz Dich.“ Also ließ ich mich auf den Stuhl neben ihr nieder. Für einen Moment lang sagten wir nichts. Ich musste einfach gerade realisieren, sie wieder zu sehen und mit ihr wieder reden zu können.
„Hast mich also gefunden. Hm?“ Ich Stimme klang rau, aber das lag wohl an der Vergiftung, die sie sich hat eingefangen.
„Ja, ehm Stefan hatte mich angerufen.“ Ein Lachen glitt über ihren Lippen. Es war so schön sie wieder Lachen zusehen, dass ich schon selbst fast mich lachen musste, obwohl mir nicht ganz klar war weshalb sie lachte.
„Das meinte ich nicht. Ich meine das Zimmer hier.“ Und da musste ich lachen. Na wer zu letzt lacht, lacht am längsten.
„Äh, Josephine hat mich her geführt.“ Sie nickte bloß. Wieso verhielt sie sich gerade so komisch. Weshalb hatte sie mir die Frage gestellt und weshalb antwortete sie nicht normal auf meine Antwort. Stattdessen kam nur ein Nicken.
„Der Schuss?“ Ich deutete auf ihren linken Arm, der mit einem Verband umwickelt war. Irh Blick wanderte dorthin und ein erneutes Nicken gab mir die Antwort.
„Hast du mir nicht etwas zu erzählen?“ Ich dachte vielleicht an eine Geschichte nachdem ich sie Verlassen hatte.
„Nein. Sollte ich?“
„Ich dachte nur.“ Mir fielen die Worte, so dass mir nur drei Worte heraus kamen. Ich wollte eigentlich noch mehr hören. Ich wollte die Geschichte hören, die Entführungsaktion und ich wollte hören was sie denn für mich empfund. Oder war das etwa noch zu weit gegriffen?
„Was willst du hören?“ Die Frage kam mir recht. Sie schien doch nicht so abschweisen, so als wolle sie mich nicht hier haben.
„Alles?!“ Sie lachte leise auf.
„Alles? Dazu fehlt die Zeit.“
„Wieso fehlt die Zeit?“, wollte ich nun wissen.
„Na, weil du doch nach Deiner Entlassung wieder zurück zu Julia nach Russland fährst.“ Also das war mir neu. Wollte ich das denn? Oder wollte sie dadurch etwa etwas über mich herausquetschen? Anstatt mal zu fragen, ob ich denn wieder überhaupt nach Russland gehen werden.
„Das habe ich noch nicht entschlossen.“
„Okay.“ Wie konnte ich denn jetzt am besten darauf ansprechen, was sie denn für mich fühlte? Oder wie konnte ich ihr am besten sagen, was ich fühlte? In meinem Kopf war nur noch Chaos. Ein Gedankenchaos.
„Was ist los?“ Sie schien gemerkt zu haben wie sehr ich mich anstrengte, um in meinem Kopf Ordnung zu bringen.
„Ach nichts. Ich geh dann mal besser.“ Um nicht noch mehr Chaos einzubringen entschied ich mich gegen ein Gespräch über gefühle. Ich entschied mich dafür, mich einfach noch etwas hinzulegen. Mir fehlte noch Schlaf. Und den hatte ich gerade dringenst nötig. Ich schloss hinter mir die Tür und blickte in fragende Gesichter.
„Und Jerome?“ Seras Grandpa schien sehr neugierig zu sein.
„Was denn?“
„Ja, hast du sie aufgeklärt?“ Er meinte wohl über meine Gefühle. Aber ich konnte nicht anders, wie bedrückt meinen Kopf zu schütteln und zurück zu meinem Zimmer zu schlendern. Ich ließ mich auf das weiche Bett sinken und deckte mich mit Josephines Hilfe wieder zu. Ich schloss meine Augen und wollte nichts mehr sehen und hören.

Grandpa kam zur Tür herein und glitt wieder auf den Platz neben mir.
„Wo sind die anderen?“ Hatte ich ihn gefragt.
„Ach, die sind draußen. Rosie wollte noch gerne ein Eis. Und außerdem wollte ich gerne mit Dir alleine reden.“ Wieso wollte er denn mit mir alleine reden? Hatte er Jerome vor der Tür vielleicht nochmal gesprochen?
„Worum geht’s?“, versuchte ich so schnell es ging aus ihm heraus zu quetschen.
„Na denk doch mal nach.“
„Oh ne Grandpa. Ich möchte jetzt nicht nachdenken.“ Ich setzte meinen Hundeblick auf, der mir bisher aus einigen Situationen geholfen hat.
„Ne, der gilt nicht.“ Er schüttelte lächelnd den Kopf.
„Geh in Dich hinein und werde den Gefühlen klarer. Du lässt den armen Jungen sehr zapeln.“ Grandpa streichelte meine Hand und auf dem Weg zur Tür warf er mir noch ein nettes Lächeln zu. Wieder steckte ich mir die Ohrstöpsel in die Ohren. Ich brauchte gar nicht in mich gehen. Ich war schon in mich gegangen. Aber was hatte es ergeben? Was ich mir meinen Gefühlen zu Jerome klarer geworden? Und wieder diese verdammte Unklarheit, die mich echt zu nerven anfing. Hm, sie hatte mich schon vorher sehr genervt. Aber eins war klar, und da konnte mir niemand rein reden. Ich hatte ihn vermisst, wie ich sonst noch niemanden vermisst hatte. Er zog mich einfach magisch an. Und, als ich ihn neulich in der alten Mühle gesehen hatte ging eine warme herzzerreißend schöne Flutwelle in mir hoch.
„Halihallo.“ Ich schaute zur Tür.
„Anna. Was machst du hier?“ Ich lächelte ihr sanft entgegen und war plötzlich irre froh sie zu sehen. Wir fielen uns wie früher vor unserem Streit in die Arme und wollten uns am liebsten gar nicht mehr los lassen.
„Oh, Süße. Du musst mir alles erzählen. Aber zu erst muss ich wissen, was mit diesem Jerome und dem Stefan ist, von denen du mir erzählt hast“, drängte sie mich und ließ ihre kleine Handtasche zu Boden sinken.
„Och ne. Anna.“ Vielleicht ging hier die Schmollmundmasche. Aber auch damit versargte ich.
„Erzähl.“ Sie konnte gar nicht mehr aufhören zu grinsen. Und schien schon von den paar Gängen hierher geschafft zu sein.
„Stefan ist wohl draußen mit der Grandma. Die Schwester ist bei Jerome.“
„Moment mal. Jerome ist hier?!“
„Ja, er liegt auf einem anderen Zimmer.“ Also erzählte ich ihr die ganze Geschichte. Von nach dem Telefonat mit ihr bis gerade eben.
„Und was empfindest du für Jerome? Er scheint Dir ja echt nahe zu liegen.“ Ja. Das schien nicht so. Es war sogar so.
„Ich weiß nicht.“
„Wie du weißt nicht?“ Schockiert war sie, von meiner Ungewissheit. Ich konnte halt nicht anders. „Okay. Fangen wir so an. Was magst du an ihn.“ Ich ging in mich um nach Antworten zu suchen.
„Also.“ Ich suchte nach den Worten „Er ist einfach total süß und romantisch. Er rettet mich immer dann, wenn ich schon längst die Hoffnung verloren hatte. Er dreht einfach mein Herz total auf den Kopf. Und immer wie er mich ansieht. Oder wie er sich Sorgen macht. Das bringt mich um den Verstand, Anna. Wieso grinst du denn jetzt so?“ Sie grinste mir so zu, als führte sie wieder etwas im Schilde.
„Weißt du was?“
„Was?“
„Du bist über beide Ohren in diesen Typen verliebt. Ey wenn du wüsstest wie du gerade gestrahlt hast, als du über ihn geredet hast. Ich kenn Dich, Sera.“ Vielleicht hatte sie recht, und ich hatte mich wirklich in ihn verknallt?! Wieder musste ich grinsen. Es kam einfach so. Ich konnte nichts dafür. Wohl konnte ich genauso wenig dafür, wir ich etwas gegen den starken Gefühlen für ihn konnte.
„Okay“, gab ich zu und musste schon wieder anfangen wie ein kleines Kind zu lächeln, dass gerade das erste mal etwas verspürt hatte, was es noch nie verspürt hatte.
„Du musst ihn mir unbedingt mal zeigen. Aber erstmal. Schatz?!“ Ein männliches Gesicht spähte durch die Zimmertür und der gutaussehende, aber wirklich gutaussehende Dan kam herein.
„Och ne, Anna.“ Ich bettelte schon fast, da sie mich gerade echt folterte. Sie folterte mich mit ihm. Schließlich hatte ich mal „Interesse“ für ihn empfunden.
„Hallo Sera.“ Er kam mit einer kleinen Tafel Schokolade herein, stellte diese auf dem Nachttisch und setzte sich an Annas Rechte.
„Hi.“ Ich war nicht erfreut darüber, ihn hier zu sehen. Aber es blieb mir wohl nichts anderes übrig, als es so hinzunehmen. Schließlich war er ihr Freund und der Faktor für das Freundschaftsaus zwischen Anna und mir. Aber ich hatte ja jetzt Jerome. Naja, nicht wirklich. Ich musste erst noch einiges dafür tun, damit er überhaupt erfuhr, was ich für ihm empfand. Aber dank Anna, bin ich meinen Gefühlen klarer geworden. Mir war sonst nie aufgefallen, dass ich wenn ich über ihn redete so strahlen würde. Und das ja wohl alles andere als normal. Als, wenn man nur über einen normalen Typen reden würde. Er war einfach nur ein Traumtyp. Mein Traumtyp – fast. Ich lächelte wieder bei dem Gedanken ihn in den Arm nehmen zu können und .. ja. Ihn einfach richtig die Gefühle zeigen zu können. Aber das würde wohl bestimmt noch Zeit in Anspruch nehmen. Zumindest war ich mir da auch nicht so sicher, wie ich es ihm am besten sagen sollte.
„Du hast einiges erlebt. Hm?“, warf Dan ein. Was geht ihm denn jetzt mein Leben an?
„Hm.“ Das Letzte was ich gerade mache wollte, war mich mit ihm zu unterhalten. Ich wollte ihn hier auch gar nicht mehr sehen.
„Schatz. Kannst du uns wohl etwas zu trinken holen. Überrasch uns.“ Anna lächelte ihn an und drückte ihm einen fünfer Schein entgegen. Oh, wie dankbar ich ihr gerade war. Mein Mund formte ein „Danke“, was sie gut erkennen konnte und mir übers Haar strich.
„Und Jerome war schon hier sagst du?“ War klar, dass wir wieder das Thema anfangen mussten. Als hätten wir in den paar Wochen nichts anderes erlebt, was man sich berichten konnte.
„Ja, aber wir wars denn bei Dir so?“, lenkte ich vom Thema ab. Und sie ging drauf ein.
„Ja, also ich war ein paar Tage mit Dan weg. Wir waren bei seinen Verwandten in Memphis. Wir sind früher zurück nach Nashville gefahren, weil das Wetter nicht so mitgespielt hat.“ Anna und ich waren schon Jahre die besten Freunde gewesen. Und Nashville war sowieso einfach ein toller Ort gewesen um diese Freundschaft ausleben zu können. Und hoffentlich könnte ich bald wieder nach hause, weil mich der Krankenhaus Aufenthalt einfach nur aufregte.

„Jerome wurde gerade entlassen. Ihm geht es soweit gut.“ Grandpa zupfte liebevoll meine Bettdecke zurecht, die vom schlafen nicht mehr so lag, wie sie eigentlich sollte.
„Wie er wurde entlassen?“ Ich würde ihn nie wieder sehen. Das Kratzen in meinem Hals wurde gerade schlimmer, da ich so viel Emotion in diese Frage setzte, dass ich schon wieder stark nach Luft rang und der Husten sich dazu noch brutal anhörte.
„Keine Sorge, Liebes. Er wollte Dir noch Aufwiedersehen sagen.“ Das Lied ging mir wieder durch den Kopf. „Aufwiedersehen bedeutet noch nicht das Ende.“ Ich hoffte, dass da was dran sein würde. Ich warf meine Beine über die Bettkante. Es tat gut wieder normale Klamotten anhaben zu können. Die Joggingklamotten machten mich nur noch kranker und müder, wie ich es schon war.
„Ach ja? Und wann wollte er mir noch Aufwiedersehen sagen?“ Ich drängelte ein wenig, damit ich schnell ausspringen konnte, würde er sich nicht von mir verabschieden wollen.
„Er wollte gleich her kommen. Du bist ihm viel zu sehr ans Herz gewachsen, dass er Dich nicht einfach so ohne einen Abschied hier lassen würde.“ Da war allerding was dran. Wir hatten einfach zu viel erlebt. Da würde es nicht in den Sinn kommen, sich nicht zu verabschieden. Ein Klopfen an der Tür, war wie tausend Herzklopfer meinerseits. Ich hatte gehofft, dass er kommen würde. Und da war er. Er stand an der Tür und schaute mich sanft an. Ich musste ihm einfach strahlende Blicke zuwerfen. Es ging nicht anders.
„Hey. Komm doch rein.“ Da sah man schon wie mein „Ich“ sich geändert hatte. So fand ich, da ich anfangs echt mies zu ihm gewesen war. Er machte leichte große Schritte auf mich zu und lehnte sich an der Wand, so dass er mich direkt ansehen konnte.
„Äh, ich wollte mich noch von Dich verabschieden.“ Ohne den Blick von mir zu lösen, sagte er es. Er sagte es ohne einem Lächeln auf den Mundwinklen, ohne den Blick abzuwenden und er sagte es ruhig.
„Ja. Grandpa sagte schon.“ Grandpa hatte den Raum an Jeromes Ankunft verlassen und wartete vor der Tür. Er wollte uns die paar Minuten gönnen, da wir irgendwann womöglich nicht mehr so viel Zeit haben würden. Naja, sagen wir mal keine Zeit mehr. Das würden die letzten paar Minuten für uns sein. Ich stützte mich auf die Beine. Anscheinend war ich etwas zu schnell aufgestanden, da mein Körper etwas zur Seite schwankte. Ich hatte schon immer Kreislaufprobleme gehabt. Ich musste meinen Kopf heben, um ihm in die Augen schauen zu können. Er war so groß, und gutaussehend, dass mein Herz schon wieder zu hüpfen anfing. Ich legte mich in seine Arme und ließ mich von seinen langen Armen umfassen. Mein Kopf schmiegte ich an seiner Brust. „Wirst du hier bleiben oder wieder nach Russland gehen?“, fragte ich ihn an seiner Brust. Ich hörte jeden Herzschlag, den sein Herz von sich gab.
„Ich werde meine Eltern suchen gehen. Sie sind mir einige Erklärung schuldig. Also bleibe ich hier.“ Ich war erleichtert das zu hören. Es tat gut ihn in einem Land haben zu können.
„Und was ist mit den Soldaten?“ Die Frage hatte mich schon länger beschäftigt. Und eine genaue Antwort hatte ich nie erhalten.
„Ich habe mich von Anfang an von ihnen abgewandt. Sie konnten mich nicht zwingen bei ihnen zu bleiben. Also ließen sie mich gehen. Ich war ihnen ja sowieso nichts wert.“ Einige Emotionen schwammen in seiner Stimme mit.
„Das darfst du nicht denken. Wenn du ihnen nichts wert warst, bist du dafür anderen Menschen viel mehr wert.“ Und so war es auch. Er war mir mehr wert, als jemand einem wert sein konnte.
„Danke. Das muntert mich auf.“ Er löste sich aus unserer Umarmung blieb aber auf der gleichen Stelle stehen.
„Ich werde dann jetzt gehen.“ Es schien ihm schwer zu fallen. Wir waren uns einfach zu nah gekommen, um jetzt den Abschied ohne weiteres so hinnehmen zu können.
„Okay.“ Er verschwand zur Tür hinaus, wargte es wohl nicht mir noch einen Blick zu schenken. Mensch, Sera. Was zum Teufel tust du da? Du kannst ihn doch nicht einfach gehen lassen. Steh doch mal zu Deinen Gefühlen. Was sollte ich denn jetzt bloß tun?
„Sera. Was machst du? Geh ihm nach!“ Plötzlich stand Grandpa an der Tür und spornte mich an ihm nach zu laufen. Aber meine Füße fühlten sich an, wie als habe man sie in Beton gestellt.
„Ich kann nicht. Es ist zu spät.“ Es war zu spät. Er war weg.
„Wenn du da so weiter im Mitleid versinkst, ist es auch zu spät.“ Grandpa hatte recht. Noch war nichts zu spät. Ich musste ihn einfach wieder haben. Naja, nicht wieder haben. Ich musste ihn einfach für mich bekommen, um der Warterei ein Ende zu geben. Ich sprang vom Bett auf und lief zur Tür hinaus. Scheiße, wie kam ich denn jetzt zum Ausgang.
„Da lang!“, befahl Grandpa, der meinem Aufsprung nicht unbemerkt ließ. Er deutete nach links und ich lief, so weit mein Körper es zu ließ. Der Hustenanfall überkam mich erneut. Ich lief und hustete zu gleich. Ich bekam um mich herum garnichts mehr mir. Es überkam mich einfach. Und es hörte nicht mehr auf. Vor dem Eingang rang ich nach Luft, von der genug da war. Aber wo war Jerome? Ich sah ihn nirgens. Wo war er bloß? Hatte ich so lange grübeln müssen?
„Sera. Was machst du hier?“ Ich schaute über die Schulter. Musste aber raufsehen, um in seine Hasenussbraunen Augen schauen zu können. Ein Lächeln glitt über meinen Lippen. Da stand er. Unmittelbar vor mir.
„I-Ich dachte, du wärst schon weg.“ Das Stottern kam wie aus dem Nichts. Man, war das mir gerade unangenehm,
„Ich habe mich noch abgemeldet. Und was machst du hier?“ Ja, was machte ich hier? Ich konnte ihm schlecht sagen, dass ich ihn nicht nocheinmal verlieren wollte.
„Ehm.“ Die Röte stieg mir sichtbar in die Wangen und breitete Wärme in mir aus. Mein Körper zitterte förmlich. Was sollte ich jetzt bloß sagen? „Ich wollte zu Dir.“ Das zugeben viel mir gar nicht mal so schwer. Aber das was danach folgen würde, würde um einiges unangenehmer werden.
„Was gibt’s denn?“ Er klang wieder so liebevoll. Ich hätte ihm am liebsten sofort in den Arm nehmen wollen. Aber mein Kopf sagte mir, dass sei zu voreilig. Mein Herz wollte genau Das.
„Geh nicht“, bat ich ihn schließlich. Unklarheit lag in seinem Blick. Er grinste.
„Wieso nicht?“ Ich machte langsame Schritte auf ihn zu. Er war einfach so groß. Wie konnte ich es ihm denn auch ohne Worte erklären? Ich stellte mich auf die Zehnspitzen und gab ihm einen Kuss. Mitten auf den Mund. Ich war froh, nicht so klein zu sein. Sonst hätte ich ihn womöglich daneben geküsst. Er erkannte, wie mir die Röte vom Hals bis zum Haaransatz stieg, aber eine Reaktion war nicht zu sehen. Ich ging auf Distanz und wartete. Womöglich brauchte er einfach noch etwas Zeit zum nachdenken. Dann lachte er. Er fing an fröhlich zu lachen. Ich wusste nicht, ob ich das als gut oder nicht gut deuten sollte. Also grinste ich. Dann stand er aufeinmal direkt vor mir. Sein Kopf neigte sich vor und küsste mich. Ich fasste nicht, er küsste mich. Und er küsste einfach so gut. Er küsste besser, wie mich sonst jemand zuvor geküsst hatte. Unsere Zungen neckten sich. Die Zeit schien für mich stehen zu bleiben. Es fühlte sich einfach nur atemberaubend an. Dieses Gefühl von Glück, Liebe, Zuneigung. Er war einfach der Richtige, und das hätte ich schon eher merken sollten. Aber mein Dickkopf hatte wieder alles aus dem Ruder gebracht. Das auf den Zehen stehen löste bei mir einen Kreislaufkollaps aus, der meine Sicht unscharf machte. Er bemerkte und löste sich von mir. Ließ mich aber nicht los.
„Du trinkst zu wenig“, bemerkte er. Sein Haar wurde von der Windbrise leicht verweht. Es schien ihn nicht zu stören.
„Geht schon.“ Aber er glaubte mir nicht und führte mich zu der Bank nahegeliegen von uns. Für einen Moment brach Stille über uns. Er ließ meine Hand auf seinen Schoß sinken, die er zuvor noch gehalten hatte, und streichelte diese sanft ohne den Blick von mir abzuwenden.
„Ich habe schon immer mehr für Dich empfunden“, warf er brüsk ein. Mit diesem Thema hatte ich am wenigsten gerechnet. Ich war davon ausgegangen, dass die Stille weiter über uns herrschen würde. Aber es war schön zu hören, was er wirklich für mich fühlte.
„Und was wird jetzt aus uns?“ Ich wusste nicht, ob ich lachen oder traurig gucken sollte. „Also, ich meine. Du wirst Deine Eltern suchen, und ich werde wieder nach Nashville gehen.“ Er brauchte einen Moment um die Gedanken sammeln zu können. Das sah ich daran, dass er seinen Blick starr auf etwas vor uns gerichtet hatte.
„Ja, ich möchte wirklich meine Eltern suchen. Aber ich würde genauso gerne bei dir bleiben wollen. Gibst du mir etwas Zeit zum nachdenken?“
„Ja, klar.“ Ich zwang mir ein lächeln auf die Lippen, um die Traurigkeit zu verdrängen. Es war selbstverständlich ihm Zeit zu geben. Ich hatte nie jemandem Druck verspüren lassen. Und damit wollte ich jetzt auch gar nicht erst anfangen. Seine Finger strichen sanft über die Meine.
„Oh“, sagte ich, als ich Anna von weitem her auf uns zu tarkeln sah. Sie kam direkt auf uns zu. Klar, würde sie uns jetzt nicht die Ruhe schenken, die ich wollte.
„Hallöchen, Leute. Oh, du musst Jerome sein. Ich habe schon viel von Dir gehört.“ Lächeln reichte sie ihm die Hand. Sie war so voller Fröhlichkeit, dass ich am liebsten im Boden versinken würde.
„Na, ich hoffe doch gutes“, gab er zurück und ließ einen flüchtigen Blick zu mir schweifen.
„Ach. Euer Abenteuer hatte doch sicherlich nicht nur Gute Momente. Da waren doch auch schlechte dabei. Tut mir leid, Jerome. Gutes habe ich nicht immer von Dir hören müssen.“ In ihrem Blick lag die verschämtheit mich hier so bloß zu stellen, dass ich ihr am liebsten etwas passendes dazu gesagt hätte.
„Anna!“, fauchte ich ihr entgegen. Aber sie ignorierte es einfach und warf ihm noch weitere Blicke zu.
„Seit ihr denn jetzt ein Paar?“ Wieso musste sie mir das antun.
„Anna!“, fauchte ich erneut. Wenn Blicke töten konnten... Ich hätte sie killen können! Aber ich schaffte es noch mich zu beherrschen.
„Ehm.“ Jerome wusste nicht, was er sagen sollte. Das wusste ich gerade ehrlich gesagt auch nicht.
„Ach. Das ist ja auch eure Sache.“ Dieses Grinsen. Nur dieses Grinsen brachte mich auf hundert. Aber, gut, dass wir hier jetzt keine Rechenschaft ablegen mussten. Das hätte nur noch in Streit geendet.
Ach, da ist ja mein Schatz. Hey.“ Dan griff ihre Hand und nahm flüchtig den Kuss entgegen. Was wollte er denn jetzt schon wieder hier. Jerome schien sich zu amüsieren, weshalb auch immer. Aber es lag wohl an Anna, dass er mir keines Blickes mehr würdigte und meine Hand auf seinem Schoß auch nicht mehr weiter beachtete. Er starrte nur zu ihr und ihm, wie sie sich gegenseitig die Zunge in den Hals steckten und beide zu ersticken drohten. Ich wusste nicht wieso, aber Anna verhielt sich gerade echt nicht wie eine Freundin von mir. Sie redete gegen mich ein. Stellte Fragen, obwohl sie wusste, dass ich es hasste, wenn sie so neugierig war. Ich verabscheute diese Neugierde, die sie immer wieder ans Licht brachte. Vorallem genau dann, wo es am wenigsten passen. Sie war einfach gerade die falsche Person am falschen Ort. Ohne die beiden weiter zu beachten zog ich meine Hand weg und stand auf. Aber Jerome schien es nicht zu bemerken. Beziehungsweise, wollte er mich nicht beachten. Ich war Anna ja so dankbar, für diese Blamage, mit der sie mich entgültig ausgeliefert hatte. Aber, da es eh niemanden zu interessieren schien, dass ich ging, ging ich einfach.
„Wo willst du hin?“ Ich warf einen Blick über die Schulter.
„Ich bin hier nicht mehr erwünscht.“ Jerome stand auf und griff meine Hand, die ich beim Gehen weiter hinten schweifen ließ.
„Wer sagt denn soetwas?“
„Ich. Und jetzt lass mich los!“ Ich hatte schon wieder den Drang und die Wut dazu Befehle amzugeben. Mich störte gerade einfach die Gesamtsituation.
„Nein. Das werde ich nicht.“ Aber er widersetzte sich meinem Befehl.
„Wieso nicht?“
„Na, weil ich nicht möchte. Das du Dich einfach so von mir abwendest, ohne ein weiteres Wort.“ Ja, wenn er mich schon nicht beachtet hatte. Weshalb sollte ich dann noch da bleiben?
„Okay. Ich gehöre hier einfach gerade nicht hin. Und wollte mir ein anderes ungestörtes ruhiges Plätzchen suchen. Wo ich vor so etwas verschont werde.“ Ich deutete auf die beiden immernoch küssenden Verliebten, die meine meinerseits gewollte Abwesenheit gar nicht zu spüren schienten.
„Dann komme ich mit.“ Es war keine Frage, eher eine Aussage. Er wusste, dass er mit Fragen von mir eh nur abgewiesen werden würde. Und mit einer Aussage konnte ich ihm keinen Korb geben. Ich wusste nichts darauf zu antworten und ging voraus. Meine Hand hielt er immer noch in seiner, was ich gerade echt als angenehm empfund. Ein sillgelegenes Plätzchen ohne Turteltäubchen kam mir gerade echt gelegen. Die Bäume in der Gegend boten eine ruhige Atmosphäre. Das eine oder andere Vogelgezwitscher würde mich auch nicht aus der Ruhe bringen. Mit keinem weiteren Wort saßen wir nebeneinander und schauten durch die Gegend, bis er die Stille brach.
„Ich werde Dich vermissen.“
„Ja. Mich findest du in Nashville, falls du doch irgendwann bei mir sein wollen würdest.“
„Ja, ich weiß. Das würde ich jetzt schon wollen.“ Gut, aber es lag an ihm. Ich hatte keine Entscheidung von ihm zu fällen. Er entschied sich eindeutig für seine Eltern. Sonst würde er mir nicht ständig Beiträge dazu abliefern. Er hätte mir sonst klip und klar gesagt, dass er bei mir wollen würde. Aber das tat er nicht, also würde ich alleine nach Nashville gehen.
„Wann fängt die Schule wieder an?“ Er schien interessiert an meinen Werdegang, sonst würde er mich nicht über die Schule ausfragen.
„Drei Wochen“, antwortete ich stumpf ohne darin schwimmender Emotion. Ein Nicken sagte mir, dass er der Zeit keine anderen Fragen dazu hatte. Und das war echt gut, weil ich in den Ferien echt am aller wenigsten über die Schule reden würde. Am liebsten gar nicht. Aber, dass ließ sich eher selten vermeiden.
Noch spürte ich seine Nähe, aber wie würde es in ein paar Stunden sein? Ich hasste es einfach nur immer wieder erneut Abschied nehmen zu müssen. Könnte es nicht einfach ein Abschied geben und das dann für immer oder so? Es ging einfach ziemlich auf die Psyche. Sogar jetzt der Gedanke daran, dass ich mich wieder von ihm trennen musste.
„Du bist gerade echt komisch. Weißt du das eigentlich?“
„Ja. Aber frag nicht wieso.“ Meine Antwort klang hart. Aber ich fühlte gerade nichts, als Leere, um in meiner Antwort etwas mehr Gefühl einbringen zu können.
„Jerome, Sera!“ Eine Frau mit braunen krurzen Haaren kam auf uns zu gerannt und fiel uns in die Arme. Es war die Frau, die sich Julia nannte. Die Frau, die mich über Jerome aufgeklärte, und mir Mut machte. Und es war die Frau, die immer schon für Jerome und mich war, und wollte, dass es mit uns klappte.
„Julia. Was machst du denn hier?“ Jerome stand auf und nahm ihre herzliche Umarmung entgegen. Die große Frau warf ihm lächelnde Blicke zu. Ihr Blick schweifte an ihn vorbei zu mir und auch mich lächelte sie freudenstrahlend an.
„Hey.“ Ich grinste ihr entgegen und lauschte dem Gespräch.
„Ich habe gehört was passiert war. Und bin direkt her. Ich finde toll, dass du Deine Eltern suchen möchtest, Jer.“ Ich lächeln wurde breiter. Meinerseits hätte nicht die Mundwinkel weiter in die Höhe gezogen, eher weiter nach unten. Ich hätte gewollt, dass er bei mir bleibt. Ich wollte es immernoch. Julia hatte eigentlich immer Argumente geliefert, die für mich sprachen. Aber diese Freude, dass er nach seinen Eltern suchen würde, war nicht in meinem Interesse. Nicht, dass ich mich nicht für ihn freute. Nein, im Gegenteil. Ich freute mich sogar sehr für ihn. Aber ich hätte ihn doch noch viel lieber bei mir.
„Sera. Wie geht es Dir?“ Sie wandt sich an mich, als ihr klar wurde, dass sie von Jerome keine Antwort mehr zu erwarten brauchte.
„Gut, danke“, log ich.
„Du lügst“, gaffte Jerome, der mal wieder meine Gedanken lesen konnte. Er kannte mich wohl schon in und auswendig. Aber ich wollte mich jetzt hier nicht rechtferitgen müssen. Jeder Mensch müsste meine Antwort so hinnehmen, wie ich ihre auch hinnahm. In dem Fall war es Jerome, der meine Antwort hinnehmen musste. Ich nahm ja auch hin, dass er nach seinen Eltern suchte.
„Ich muss rein. Untersuchungen stehen an.“ Mein Hals fühlte sich wieder ganz rau an, so dass ich schon wieder nach Luft rangend husten musste.
„Wir kommen gleich zu Dir, Süße.“ An Julias Laune hatte sich nichts geändert. Aber an Jeromes, er wurde wütender. Ich erkannte es an seinem Blick. Er hasste Lügen. Und ich hatte gelogen. Aber so dramatisch war das ja nun auch wieder nicht. Jedenfalls dachte ich mir dazu meinen Teil. Es war wohl die richtige Entscheidung gewesen, mich mit Ausreden davon zu machen. Obwohl ich ja schon glaubte, dass ich einigen Untersuchungen nicht davon kommen konnte. Jerome und Julia konnten jetzt jedenfalls ungesört reden. Ohne einer schlecht gelaunten Sera da sitzen zu haben, die die Laune eh nur weiter runter zog.
„Ach Sera, Liebes. Das bist du ja.“ Ich zog meine Schuhe aus und legte mich in mein Bett. Die Zeit an der frischen Luft hatte echt gut getan. Aber trotzdem war ich froh wieder liegen zu können. Vorallem, da sich mein Hals auch extrem schmerzhaft benahm, und ich häufiger husten musste. Aber auch das würde wieder werden. „Der Arzt war eben schon hier. Aber als er gesehen hat, dass du nicht im Bett liegst wollte er später nochmal wieder kommen. Weißt du was? Ich gehe ihm mal schnell Deine Ankunft berichten.“ Und schon war ich wieder alleine. Stille lag im Raum. Ja, klar, wenn ich auch alleine hier war. Ich war noch nicht so tief gesunken, um mit Selbstgesprächen anzufangen. Auch wenn meine Psyche Schaden angenommen hatte, würde ich mit soetwas gar nicht erst anfangen wollen. Und um dieses noch intensiver vermeiden zu können, griff ich nach den Kopfhörern, damit die Musik meinen Körper unter Kontrolle kriegen konnte. Nur mit Musik in den Ohren war ich die Alte.
„Ja, also kann es noch etwas so bleiben wie jetzt?!“ Grandpa und der Arzt kamen herein. Im Gang führten sie ein für mich unbekanntes Thema, wo ich erstmal rein kommen musste. Aber klar war, sie sprachen über mich.
„Genau.“ Der Arzt stellte sich an mein Bett „Wie geht es Dir denn?“ Nur er konnte sich in meine Lage versetzen. Er war ja schließlich der Arzt. Also vertraute ich ihm mein gesundheitsschadenes Anliegen an.
„Mein Hals tut weh.“
„Oh. Ja das ist leider nicht vermeidbar. Ich werde Dir ein paar Schmerztropfen verschreiben. Es ist einfach nur die Vergiftung, die noch etwas in Deinem Hals zu spüren ist.“ Toll. Kein das wird wieder? Der munterte mich ja auf.
„Und, dass bleibt auch noch eine Weile?“ Ich griff das auf, was ich aus dem Gespräch eben aufgreifen konnte.
„Ja. Aber das ist nichts dramatisches.“
„Aber es wird auch noch weiter schmerzen?“ Ouh, er versuchte wirklich alles um mich aufzuheitern, aber ich gab mal wieder keine Ruhe.
„Ein wenig. Alles wird gut, Seraphina.“
„Mach Dir keine Sorgen. Du bekommst ja etwas dagegen.“ Grandpa half dem Arzt in dem er, dass was eben gesagt wurde wieder aufgriff und mir noch genauer erläuterte. Ich war wohl noch zu geschafft, um jetzt alles gut verarbeiten zu können.
„Genau. Und ich denke, dass du morgen auch schon nach hause kannst. Wir müssen nur noch Deine Blutwerte abwarten. Und wenn alles gut ist, darfst du gehen.“ Äh, was für Blutwerte? „Dazu muss ich Dir aber jetzt etwas Blut abnehmen. Wir müssen gucken, was die Kugel in Deinem Arm für Auswirkungen auf Deinem Blut hatte. Und dementsprechend wirst du dann auch behandelt.“ Ich konnte nicht anders, wie nur den Kopf zu nicken. Ich hasste Blut abnhemen, aber was sollte man machen? Ich wollte ja schließlich wieder gesund werden, und nicht mit zusätzlichen krankmacher Faktoren nach hause entlassen werden, um dann später wieder hier eingeliefert zu werden. Der Arzt bat mich den Arm locker auf hinzulegen, damit er das Blut abschnüren und eine Vene suchen konnte. Ein kleiner schmerzhafter Stich und das Blut lief sichtbar durch das Röhrchen.
„So das wars.“ Er klebte mir ein kleines Pflaster auf den Stich, bat mich aber es fest zu drücken. Das lag wohl daran, dass das Blut sonst nicht gesroppt wird, die Wunde schmerzt und im schlimmsten Fall sogar blau anläuft. Deshalb tat ich, was man mir sagte. „So. Gute Besserung, Seraphina.“ Er schnappte sich sein Arztzeugs und verschwand zur Tür hinaus. Gerade war ich wieder mit Grandpa alleine, klopfte es an der Tür und Julia kam herein. Ihr Lächeln von vorhin war verschwunden. Was hatte das denn verursacht? Und wo war Jerome?
„Hey.“
„Hey. Wo ist er?“, fragte ich sie mit aufgerissenen Augen. Ich hatte schon eine schlimme Vorahnung, verdrängte diese aber wieder.
„Sera?“
„Wo Julia?“ Das klang gar nicht gut. So hatte ich sie noch nie erlebt. Sie hatte immer sofort klare Antworten gegeben, aber jetzt versuchte sie etwas von mir zu verheimlichen.
„Er hatte mal telefonisch versucht etwas über seine Eltern herauszufinden. Und jetzt hat er eben einen Anruf bekommen, dass man seine Eltern gefunden hat, und er ist da jetzt hin. Ich soll Dir von ihm ausrichten, dass es ihm leid tut.“ In mir zog sich alles zusammen. Ich antwortete nicht. Ich konnte einfach nicht darauf antworten, da ich nicht wusste, was ich antworten sollte.
„Sera, sag doch was?“ Julia bekam Schuldgefühle. Es machte ihr wohl genau so wenig Spaß es mir zu sagen, wie mir am wenigsten Spaß machte mit ihm irgendwann überhaupt noch ein Wort zu reden. Nicht, dass ich für ihm nicht jegliche Freude empfund. Ich freute mich für ihn, dass er seine Eltern finden würde. Aber hätte das nicht noch fünf Minuten warten können?! Er hätte sich von mir verabschieden können, dann hätte er fahren können. Das hätte uns einiges erspart.
„Ich hasse ihn“, rutschte es mir so raus. Ja, ich verspürte gerade echt soetwas wie Hass. Hass, das er mich einfach so zurück ließ. Ein „bis dann“ war wohl zu einfach gewesen. Also wieso dann nicht direkt verschwinden..
„Das tust du nicht.“ Julia blickte traurig drein. Sie hatte sich anfangs so für uns gefreut, und ich sagte ihr dann, dass ich ihn hasste. Ich war einfach nur so wütend, dass ich es nicht mal beschreiben konnte.
„Es verletzt, Julia“, gab ich schließlich zu, damit es nicht wirklich so aussehen würde, als empfinde ich Hass für ihn.
„Ich weiß.“ Ihr Körper bewegte sich auf mich zu, bis ihre Arme mich dann in den Arm nahmen. Es tat gut gerade jemanden zu haben, der mich verstand. Obwohl es mir unglaublich schwer fiel, zu sagen, wie es mir gerade damit geht.

„So hast du alles?“ Dad stand mit in den Rippen gestützten Händen vor mir und horchte mich aus.
„Ja, doch.“ Ich wurde schnippisch, weil er schon die ganze Zeit so hetzte.
„Gut.“ Er schnappte sich meine Tasche, ich meine Jacke und los gings nach hause. Wie ich mich doch freute. Die Woche im Krankenhaus war einfach zu lange gewesen. Jeder Mensch würde sich freuen, hier raus zukommen. Aber leider gab es auch Menschen, die viel länger hier bleiben mussten.
„Ich melde Dich eben ab. Weißt du was? Geh doch schonmal zum Auto.“ Dad drückte mir den Autoschlüssel in die Hand, bestand aber darauf die Tasche selbst dorthin zu tragen. Ich war ja noch schlapp, so seine Antwort. Ich glitt auf den Beifahrersitz und wartete auf meinen besorgten Dad. Der seitdem ich im Krankenhaus lag wirklich die ganze Zeit so drauf war. Aber Dads mussten einfach so ihren Kindern über empfinden.
„So. Fahren wir nach hause. Hm?“ Er schmiss den Wagen an und fuhr los. Ich genoss die Fahrt nach hause, da sie zum nachdenken diente. Ich konnte einfach nur gut über das Abenteuer nachdenken. Im Krankenhaus war das kaum möglich, da die Krankenschwestern überall herum schwirrten. Ich sah die Bäume neben mir herschwirren. Der Himmel umgeben von sämtlichen Schleierwolken. Es war ein herrlicher Tag, und er war gerade mal angefangen. Ich schraubte das Fenster herunter, um etwas von der frischen Landluft abzubekommen. Der Geruch des Landes, bezaubernd und unvollkommen. Einfach nur herrlich. Ich roch die Wiese, auf der die Blumen blühten. Die Bienen sich an dem Gelben der Blumen hermachten. Die Tiere auf der Wiese grasten und das herrliche Wetter genossen. Der Bauer, der das Land, Land sein ließ. Der den Rasen mähte und den Tieren futter gab. Der auf dem Bauernhof arbeitete, das auch nicht zu kurz. Deren Kinder, die mit den Tieren spielten. So musste es einfach sein. Meine Augen schlossen sich. Die wärme der Sonne umfasste meine blassen Körper. Wärme durchflutete mich. Die Brise des Windes während der Fahrt verwehte mein Haar. Aber es war angenehm. Keine schwüle Atmosphäre. Nein, eher eine Landesfrische Atmosphäre. So, wie es sein musste. Ich zog den frischen Duft in meine Nase ein, und durch den Mund wieder aus. Als würden Blumen in meinem Körper wachsen.
„So. Wir sind da.“ Dad riss mich aus meinen Gedanken, die immernoch wirr herum schwirrten und sich einfach alles nur um das wundervolle Land und deren Durft drehte. Dad parkte in der Auffahrt, schnappte sich kurz drauf meine Tasche und öffnete die Haustür.
„Sera.“ Rosie kam mir freudenstrahlend entgegen und klammerte sich an mein Bein. Ich musste lachen und strich ihr über den Kopf. Grüne Augen blickten zu mir herauf und funkelten die meine an. Grandma, die zuvor noch an dem Herd gestanden hatte fiel mir in die Arme und wollte mich am liebsten gar nicht mehr los lassen. So lange war ich doch gar nicht im Krankenhaus gewesen, und einen Besuch hatten sie mir auch gestattet. Also war doch alles in bester Ordnung.
„Setz Dich.“ Lorely hatte den Tisch herzallerliebst gedeckt, so dass wir zu Mittag essen konnten. Auch sie schien ihre Einstellung zu mir geändert zu haben. Ich musste zugeben, dass es mir ähnlich erging. Sie war netter geworden, und nicht mehr so unfreundlich, wie sie es sonst gewesen war. Ich nahm an meinem Stammplatz platz.
„Spaghetti Bolognese.“ Grandma kannte einfach mein Lieblingsgericht. Hm, lecker. Mir lief schon das Wasser im Mund zusammen, so einen Kohldampf verspürte ich. Stille brach ein, da jeder mit seinem Essen zugange war. Ich war froh, dass mich jetzt niemand über das Abenteuer ansprach. Ich wollte nicht mehr darüber reden, es einfach nur vergessen. Es lag in der Vergangenheit, und die sollte auch Vergangenheit bleiben. Jerome gehörte auch zum vergangenen. Die Gegenwart stand an, und da hatte er auch nichts mehr drin zu suchen. Julia hatte mir im Krankenhaus ihre Handynummer dagelassen, so dass ich sie jeder Zeit anrufen konnte und sie mich auch. Wir verstanden uns der Zeit einfach echt gut. Einen Menschen im Leben verloren, aber einen dazu gekriegt.
„So, ich schlage vor, dass du Dich gleich noch etwas hinlegen wirst, Sera.“ Dad sorgte sich nicht nur, er verspürte auch Beherrschung über mich. Aber ich konnte sowieso nichts anderes machen, wie mich auszuruhen. Ich nickte während ich mir eine Gabel Spaghetti in den Mund steckte und fleißig darauf kaute. Als hätte ich tagelang nichts richtiges zu essen bekommen.
Nach dem Essen half ich Grandma noch bei der Küche, die nach so einem leckeren Mahl echt chaotisch aussah. Rosie spielte mit ihren Barbies. Dad und Lorely saßen auf der Couch und schauten etwas fern.
„Danke fürs helfen, Liebes.“ Grandma strich mir über den Arm und wandt sich der Spülmaschine zu, die noch dringend ein Taps benötigte, damit sie überhaupt das Geschirr gespült bekam. Meine schlappen Beine stiegen die Treppe rauf in mein Zimmer. Wie sehr ich es vermisst hatte. Es tat gut, sich auf das eigene Bett fallen zu lassen, damit die Ruhe mich beherrschen konnte. Aber irgendeinen Schliff benötigte mein Zimmer noch. Ich hatte vor dem Abenteuer ohne Probleme so in meinem Zimmer leben können, hatte aber jetzt das Gefühl, dass das nicht mehr so einfach sein würde. Also schaute ich mich hier um. In der Hoffnung noch etwas verändern zu können. Und ja. Ich hatte etwas gefunden. Die Wand an der mein Bett stand war nicht interessant. Sie war so leer. Ok, abgesehen von den Regalen, die auch mal wieder aufgeräumt werden mussten. Es fehlte noch etwas farbenfrohes. Aber da hatte ich auch schon eine ziemlich gute Idee. Meinen Malkünsten zu urteilen, würde meine Kreativität sehr gut an die Wand passen. Aber ich könnte nicht einfach so anfange zu malen. Mein ganzer Boden würde versaut, und das wäre dann eine unnötige Veränderung, die ich vermeiden wollte. Also besorgte ich mir aus dem Keller eine große Plane, die meinen Boden so bedecken konnte, dass dieser nicht dreckig werden würde. Aber hm. Wo war diese Plane? Der Keller war auch nicht mehr ordentlich. Hier konnte man nicht so leicht etwas finden. Die Plane des Autos für den Winter gegen Frost und Schnee lag in mitten. Sie war wohl irgendwie von dem anderen Krimskrams runter gerutscht. Kisten, voll mit Kinderspielzeugen, die früher mal Teil unseres Lebens gewesen waren standen in einer Ecke übereinander gestapelt. Irgendwie kam ich dazu, mir das ganze mal anzusehen. Also kniete ich mich vor den Kisten und fing an sie zu durchstöbern. Eine Barbei mit blondem zotteligen Haar und mit Dreck verstaubten Klamotten lag oben drauf. Sie wirkte, als wolle sie wieder in den Arm genommen werden. Also wolle sie mit jemanden spielen. Und genau diese Barbie, war früher meine Lieblingsbarbie gewesen. Ich hätte Stunden mit ihr spielen können, wäre da nicht meine Eltern gewesen, die mir häufig mal andere Spielzeugen gekauft hatten damit ich mal etwas anderes zum spielen hatte. Und, da war diese Barbie wieder unwichtig geworden. Wenn man sie nicht mehr wollte, tat man sie einfach weg. Das war nicht bei Spielzeugen so. Wenn einem Menschen unwichtig wurden versuchte man sie einfach zu vergessen. Ich fragte mich immer wieder, wie dreißt solche Menschen sein konnten. Mit Herzen anderer zu spielen und sie dann zu missachten und zu vergessen. Aber da fiel mir ein, dass ich selbst mal so ein Mensch gewesen war. Ich hatte meine Barbie auch schließlich vergessen wollen, da es irgendwann peinlich wurde mit ihr zu spielen. Jeder Mensch hatte so ein Verhalten, das man nicht einfach umkrämpeln konnte. Ich legte die Barbie zur Seite und ging andere Spielzeuge durch. Der Badmanwagen, der elektrisch lief, aber auch schon voller Staub war. Ja, auch Mädchen wollten damit spielen. Ich war eine davon. Bilderrahmen, die abgehängt wurden, weil sie nicht mehr in das Jugendzimmer passten. Überreste von Kinderzimmertapeten, da diese überhaupt nicht mehr der jetzigen Lebensphase entsprachen. Kindermalbücher, die irgendwann langweilig wurden, weil man etwas neues jugendlicheres ausprobieren wollten. Der erste Füller, der in der weiterführenden Schule nicht mehr benutzt werden wollte, weil man größer wurde. Und die alten Klamotten, die nach einer Zeit auch echt „out“ wurden. Erst jetzt bemerkte ich, wie viel Zeug ich früher zu spielen hatte, aber dann nicht mehr wollte. Die Erinnerungenschweberei hatte mich die Zeit vergessen lassen, und das was ich hier eigentlich wirklich vor hatte. Aber ihr war einfach so viel „Mist“, was eigentlich schon weg konnte, so fand ich. Aber jeder von uns empfand an Dinge wahre Werte, was für den anderen dann total bedeutungslos war. Es wäre ja langweilig das Gleiche erlebt zu haben, die gleichen Freundschaften zu schließen. Und einfach das gleiche Leben zu haben. Ich hatte die Plane schon gesichtet, aber daran zu kommen war nicht gerade leicht. Ich musste über Sachen steigen, die echt wirr im Keller herum lagen. Ja, irgendwo musste man ja alles verstauen. Wir konnte froh sein, einen Keller zu haben und nicht alles in der Wohnung verstauen zu müssen. Oder sogar auszusortieren. Weil das, was hier im Keller war nicht alles in unser restlichen Haus passen würde. Ich griff nach der Plane, die unter einigen anderen Sachen lag und zog daran. Mein Halt auf dem ich stand war instabil. Und aufeinmal verlor sich alles unter mir und rutschte weg. Mein Bein hing sich irgendwo drin fest, so dass es schmerzhaft wurde, als mein Körper zu Boden fiel. Wie eine Person nur so viel Krach auslösen konnte.
„Ah!“, schrie ich voller Schmerz. Und, dann lag ich da. Total mies auf irgendwelchen Sachen, aber mein Bein hatte sich noch nicht befreit. Ich schaffte es nicht, mein Bein weg ziehen zu können. Mein Kopf fiel mir in den Nacken. Ich hörte Schritte, die von oben die Treppe runter führten. Mehrere Schritte. Toll, war es etwa so laut gewesen, dass alle es hörten. Meine ganze Familie kam die Treppe runter, und als sie mich auf dem Zeug hier liegen sahen blieben sie nicht mehr still und ruhig.
„Oh mein Gott, Sera.“ Dad kam auf mich zu gerannt. Ich sah ihn über Kopf auf mich zu kommen, weil ich keine andere Sicht bekam.
„Was hast du denn gemacht?“ Er nahm mich mit beiden Händen unter den Armen und versuchte zu ziehen.
„Ah, mein Bein.“ Ich keuchte auf und versuchte mich von Dad zu befreien, der erst etwas zu spät von meinen Schmerzen erfuhr.
„Ich wollte die Plane.“ Ich hielt die Plane hoch, die ich noch greifen konnte.
„Du machst Sachen.“ Dad griff mein Bein und befreite es. Keine Ahnung, wo ich hängen geblieben war.
„Au.“ ich kniff die Augen zusammen und den Schmerz zu überspielen.
„So.“ Dad half mir auf. Aber der Schmerz aus meinem Bein war nicht verschwunden.
„Einsperren sollte man Dich. In einer Gummizelle“, scherzte Dad. Aber als ein Scherz konnte ich das nicht wirklich deuten.
„Sehr witzig, Dad.“ Mein Bein knickte sich selbst ein, so dass ich nur von einem Bein den halt bekam. Das machte wohl das Ziehen, welches schon etwas nachgelassen hatte. Aber dann schaffte ich es auch wieder mit den Zehenspitzen aufzutreten.
„Ich geh nach oben.“ Ich hielt mich and dem Treppengelender fest, dass zu meinem Zimmer führte.
„Pass auf, dass du nicht die Treppe runtefällst.“ Ich ignoriete Dads „Scherz“. Er hatte es heute aber mit dem scherzen. Ich breitete die Plane in meinem Zimmer aus und stellte einen Ballpott mit verschiedenen Farben dort drauf. Eine alte Schürze sollte meine alte Kleidung schützen. Soweit es möglich war. Ich legte mir die große Staffeleimalplatte auf den Boden und fing an Farbenfrohe Striche zu ziehen. Ich machte Muster aller Art, so dass nicht irgendein gutdurchblickbares Gemälde entsteht, sondern eher ein wirres. Ich liebte es wirr. Das passte zu meiner Persönlichkeit, so fand ich. Etwas außergewöhnliches. Als ich fertig war, legte ich es zum Trocknen auf meinen Balkon. Ich hatte sogar einen eigenen kleinen Balkon, was diesem Zimmer noch mehr besonderes verleihte.
Es machte sich einfach gut an der Wand über mein Bett. Diese farbenfrohen Farben waren perfekt auf mein Zimmer abgestimmt. Da war die einzige kleine Veränderung, die ich jetzt gerade brauchte.

„Sera!“, schrie Grandpa die Treppe rauf, da Dad schon wieder weg war. Wenn Dad da war, übernahm er Grandpas posten.
„Ja, doch. Ich komme.“ Ich brauchte immer etwas länger im Bad, da ich mir nie so wirklich im klaren war, was ich denn nun tragen oder wie meine Haare aussehen sollten. Aber ich entschied mich für offenes Haar, einer kurzen Jeanshose und eine trägerlosen Top, worüber ich mir meine Lederjacke zog, wenn es frisch wurde. Dann hopste ich die Treppe runter in die Küche. Grandpa hatte mir schon meine Pausenbrottüte zubereitet. Frühstück am Morgen brauchte ich nicht. Mir reichte mein Kaffee to go.
„Los, du bist spät dran“, hetzte mich Grandpa. Obwohl er genau wusste, das mein Bus immer etwas später kam. Und dazu war die Haltestelle direkt ein paar Meter neben unserem Haus. Also schlenderte ich mit meinem Kaffee den Bürgersteig entlang.
„Sera.“ Anna kam auf mich zugerannt und stürtzte sich fröhlich auf mich. Was war denn mit ihr los? Sie griff nach meinem Kaffee, wie sie es so oft tat. Ich hätte die Wände hoch gehen können. Einmal hatte sie sogar „vergessen“ ihn mir wieder zu gehen. Ohne meinen Morgenkaffee bekam ich die schlechteste Laune überhaupt, und die hatte ich dann den ganzen Tag lang. Sie reichte mir mein Kaffee und zog mich zur Haltestelle, da der Bus gerade auf uns zu gefahren kam und ich ihn ja nicht verpassen wollte.
„Ich hole den Vierer.“ Anna war immer die Erste, die den Bus betrat. Und immer die Erste, die den Besten Viererplatz holte. Ich setzte mich immer in Fahrtrichtung, sie sich gegenüber von mir.
„Na. Wie waren Deine letzten paar Ferienwochen.“ Ich stutzte nach der Frage. Oh. Ich wollte wieder Ferien.
„Ganz in Ordnung.“ Ich erzählte ihr nichts von Jeromes plötzlicher Abreise, nichts davon, dass Julia und ich uns echt gut verstanden. Nichts, von meinem Sturz im Keller. „Und Deine?“ Ich wollte es ja nicht so aussehen lassen, als sei ich desinteressiert.
„Ja, doch. Oh, hey Schatz.“ Dan glitt neben ihr auf den Platz. Seit wann fuhr er Bus. Anna erkannte meinen fragenden Blick.
„Oh. Das weißt du ja noch nicht. Er ist hierher gezogen und wird jetzt jeden Tag mit uns mit dem Bus fahren.“ Sie grinste zu ihm herüber und nahm einen Kuss entgegen. Ich grinste einfach mal gezwungenerweise. Jeden Gott verdammten Tag mit dem da in einem Bus? Wie würde ich das wohl aushalten.
„Aha, und seit wann?“ Das interessierte mich schon sehr.
„Seit drei Wochen.“ Anna antwortete für ihn und setzte wieder „ihr“ Grinsen auf. Dieses Grinsen, als Jerome auf der Bank am Krankenhaus meine Hand gehalten hatte, und sie ihn ausgefragt hatte. Dieses Grinsen, dass sie jetzt aufgesetzt hatte. In bestimmten Situationen kam dieses Grinsen zum Vorschein, welches sie sonst immer gekonnt versteckt hatte.
Der Bus hielt vor der Schule. Oh, wie ich diesen Anblick hasste, obwohl meine Einstellung zur Schule sich geändert hatte. Ich bemerkt hatte, dass sich das Schulischewissen, sehr wohl auf mein Leben Auswirkung nahm. Aber, so dachte ich in den Ferien. So dachte man immer in den Ferien. Aber wenn die Schule dann wieder anfing, war es wieder ganz anders. Das große Gebäude, mir grummelte es. Ich wollte einfach nicht, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, mehr für die Schule zu tun.
„Was ist jetzt mit Jerome?“ Ich war drauf und dran dabei beim Anblick der Schule etwas mehr Lernfreude zu empfinden, aber Anna störte mich, mit immer dem gleichen Thema.
„Nichts.“ Meine Antwort war kurz und knapp. Müsste reichen um weitere Fragen zu vermeiden. Ein Stöhnen durchfuhr meinen Körper und schritt auf das große Gebäude zu, was mich immernoch gemein anschaute. Es wollte mir eindeutig nichts gutes. Ich ließ mich hängen und betrat das Gebäude, das man von innen gar nicht mehr so gut besichtigen konnte. Da die Schüler nur so herein stürmten. Ich weiß gar nicht, was an der Schule so toll war. Wieso stürmten die dann so? Ich würde das wohl nie verstehen.
„Was steht jetzt an?“ Ich wandt meinen Blick zu Anna, die regunslos neben mir stand. Ihr Gesichtsausdruck sagte mir, dass sie genau so wenig Lust auf Schule hatte, wie ich.
„Ich würde sagen, ab in den Klassenraum.“ Ohne mir einen Blick zuzuwenden. Also folgte ich ihr in die Klasse, wo die anderen sich auch schon versammelt hatten. Mrs Flowers unsere strenge Klassenlehrerin war noch nicht zu sehen. Vorallem, da die ganze Klasse jetzt total laut war und Mrs Flowers setwas niemals dulden würde. Ich nahm neben Anna platz und wir unterhielten uns ein wenig. Wir schleußten uns in das Gesprächsthema der anderen an.
„Und, Anna. Heute schon was vor?“ Courtney, die absolut tolle Courtney war die, die mir mein Leben zur Hölle machte.
„Ja, eigentlich wollte ich mit Sera..“ Anna warf mir fragende Blicke zu. Hatten wir denn für heute irgendetwas geplant? Oder wollte sie mich nicht einfach so doof stehen lassen. Anna wirkte, als erwarte sie eine Reaktion von mir. Also half ich ihr aus die Patsche.
„Ehm, ja. Wir wollten heute was machen.“ Gott war ich froh, diesen Gesichtsausdruck von ihr zu sehen. Sie war wohl echt schockiert. Ihr Mund, der mit Lippenstift überzogen war hatte sich etwas geöffnet. Und ihr Blick hatte die Macht jeden auf Anhieb töten zu können. In dem Fall mich.
„Okay. Aber Anna, wenn du zur Vernunft gekommen bist. Ruf mich doch einfach an. Ja?!“ Sie drehte sich um und stolzierte auf ihren hohen Absätzen Richtung Platz. Anna und ich saßen in der Mitte des Raumes. Vorne saßen die, die alles ganz genau protokolliert haben wollten, und schon durchdrehten, wenn sie eine drei oder sogar eine zwei auf dem Test stehen hatten. In der Mitte, saßen die „normalen“ eben. Ich zählte micht nicht zu Streber! Und genauso wenig wollte ich zu den Courtney, die die Anführerin der, „sexyhexi“, so nannte ich sie immer gehörte. Wie sie sich nannten, wusste so gut wie keiner. Nur die Boyfriends der Freundinnen. Noch nicht mal die „Sklaven“, die jeden Befehl sofort ausführten, kannten den Namen nicht. Ich fragte mich ehrlich, weshalb gab es so Springer, die für die sexyhexi alles machen würden? Ich würde das wohl nicht verstehen. Okay, nur weil sie „sexy“ waren. So unrteilte jeder Junge über sie. Ich fand das einfach nur albern.
„Danke.“ Anna warf mir dankende Blicke zu. Genau, ich hatte ihr schließlich den Allerwertesten gerettet. Eigentlich hatte ich ihn mir selbst gerettet. Jetzt stand ich nicht mehr ganz wie ein Außenseiter da.
„Guten Morgen.“ Mrs Flowers betrat die Klasse, die sofort verstummte. Naja zu siebzieg Prozent. Die „coolen“ hinter uns, erlaubten sich immer wieder mehr Worte in der Klassen verlieren zu können, die nicht über das Unterrichtsthema handelten. In dem Fall: Make-Up, Style, Shoppingtouren. Alles was das Herz der Freundinnen begehrte.
„Guten Morgen“, echote die ganze Klasse. Nur die hinter uns kamen nicht ganz mit. Als hätte deren Gehirn einen Aussetzer. Mrs Flowers nahm vor dem Pult platz und sortierte den Schreibkram, der für diese Stunde wichtig war. Die Stundenpläne wurden durchgereicht. Und jedem außer der Streber entfloh ein „Mist“. Das war ja mal der schlimmste Stundenplan überhaupt. Nach dem alle wichtigsten Sachen besprochen wurden, ging es an das Eingemachte. Den Unterricht selbst. Oh, wie ich ja mal überhaupt keine Lust hatte. Ich stützte meinen Kopf auf die Hände und lauschte der Lehrerin. Ihre Spezialität war es noch nie gewesen etwas interessanter zu reden. Der Klang ihrer Stimme war immer eintönig. Es hörte sich an, als sei sie selbst von sich gelangweilt. Was ich total nachvollziehen konnte. Die Stunde verging überhaupt nicht. Langeweile hatte die ganze Klasse überflutet. Außer die Streber, die mal wieder alles notierten. Ich verstand das überhaupt nicht. Und das alles schon an einem Tag. Also, ich hatte mir zwar vorgenommen mich mehr anzustrengen. Aber das noch nicht am ersten Schultag. Das Geräusch der Schulglocke war einfach eine Erlösung für mich. Ich griff meine Tasche, wartete aber noch auf Anna, da Courtney sie noch hat sprechen wollen. Und es ging eindeutig um mich. Da diese Ziege die ganze Zeit feindselige Blicke zu mir warf.
„Was war los?“, fragte ich Anna, als wir zum Biologieunterricht gingen.
„Hör zu. Ich kann heute nichts mit Dir machen.“ Was war das jetzt bitte? Hatte Courtney sie jetzt so rumgekriegt, dass Anna mich anfing zu vernachlässigen, abzustoßen?
„Was soll das?“
„Es tut mir leid. Aber Courtney wollte mit mir shoppen gehen, und sie meinte, dass sie mir alles kaufen würde, was ich wollte. Sie hat super Mode, und ich kann mir echt gut vorstellen, dass sie mich super beraten wird.“ Jetzt ließ Anna sich sogar noch kaufen oder wie durfte ich das verstehen? Ich war einfach nur baff, dass sie soetwas mit sich machen ließ.
„Toll, Anna. Viel Spaß!“ Ich wandt mich ihr nicht mehr zu und eilte zum Biologieunterricht. So, dass sie mich nicht mehr einholen konnte.
„Sera“, hörte ich sie mir noch hinterher rufen, aber ich ignorierte sie. Mein Körper schweifte um die Ecke und prallte gegen einen gut gebauten Körper. Das war der erste Eindurck von dem plötzlich vor mir stehenden Kerl, der zu mir herab sah.
„Äh. Entschuldigung.“ Ich fühlte mich plötzlich so klein und hilflos.
„Ist schon in Ordnung. Ich bin übrigens Mike.“ Mike hieß er also. Den hatte ich hier aber noch nie gesehen. Ich hätte ihn sehen müssen, weil er einfach so groß war.
„Seraphina“, antwortete ich und machte mich zum gehen auf, aber da hatte er mich schon am Arm gegriffen.
„Hast du vielleicht Courtney gesehen? Die kennst du doch oder? Sie muss man kennen, sie ist die Modequeen überhaupt. Ich bin neu hier und kenn mich noch nicht so aus.“ Was wollte er denn von Courtney.
„Sie müsste hier gleich um die Ecke kommen. Darf ich jetzt gehen?“ Und da kam sie auch schon. So ein Mist, und er hielt mich immernoch fest.
„Mike, Schatz. Was soll das. Wieso hälst du dieses billiges Etwas da am Arm.“ Sie hasste mich, und wie sie mich hasste. Aber Moment mal. Sie nannte ihn Schatz? Ih, ich hätte kotzen können, als sich ihre Münder berührte. Er mich aber immernoch fest hielt. Also befreite ich mich von selbst. Sein Griff war einfach zu fest, um sich selbst befreien zu können. Schien so, als müsste ich hier noch weiter stehen bleiben und mir das ganze Spektakel ansehen müssen.
„Wieso nennst du sie billiges Etwas?“ Er war geschockt. Das war schonmal nicht schlecht. Sein Blick wanderte zu mir, dann wieder zu ihr.
„Ja. Das ist halt so“, gab sie zurück. Anna tauchte neben ihr auf. Sie schaute sofort zu mir.
„Hallo, Mike. Kannst du mich vielleicht mal loslassen.“ Ich stellte das nicht als Frage. Eher als Aussage. Ich wollte hier weg.
„Oh, ja klar. Tut mir leid“ Er ließ mich los. Man, hatte er Kraft. Mein Arm fing an für ein paar Sekunden zu pochen. Ich hörte beim gehen, wie sie noch diskutierten. Hoffentlich hatte Courtney mich jetzt nicht noch mehr auf den Kicker. Eigentlich war ich mir sogar sicher. Ein Gedanke stieß mir durch den Kopf, als ich mich an die geschlossene Tür lehnte und nieder sinken ließ. Eine Person, die ich jetzt am liebsten bei mir hätte. Es war Jerome. Ich konnte ihn wahrscheinlich doch nicht einfach so vergessen. Ich hatte es mir zwar erhofft, aber es ging einfach nicht. Ich wollte ihn jetzt wirklich gerne bei mir haben, da die ganze Sache hier in der Schule mit Anna un der Zicken Clique einfach aus dem Ruder lief. Wen hatte ich hier denn noch? Niemanden. Ich war alleine. Ich hatte nur Anna gehabt. Und ich hatte mich damit zufrieden gegeben. Aber hätte ich wissen müssen, dass Courtney unsere Freundschaft von jetzt auf gleich zerstören konnte? Nein, ich hatte einfach nur gehofft, dass unsere Freundschaft so stark ist. Das nichts und niemand sie zerstören konnte. Aber da hatte ich mich ja wohl gewaltig geschnitten. Ich spähte einen Blick auf mein Handy. Eine Nachricht von Stefan? Wie konnte das denn?

Hey Sera. Hast du vielleicht Lust heute etwas zu unternehmen? Ich bin in Nashville und habe sofort an Dich gedacht. Bitte melde Dich doch. Stefan.



Ja, wieso sollte ich mich nicht mit ihm treffen? Ich hatte eh niemand mehr.

Hey. Ja, klar. Das klingt wirklich gut. Ich bin gerade noch in der Schule. Hier läuft es alles andere als gut. Also Ablenkung kann ich sehr gut gebrauchen.



Es dauerte nicht lange, da hatte er mir auch schon zurück geschrieben.

Super, wann hast du Schulaus? Ich kann Dich abholen.



Um dreizehn Uhr.

Cool, also hatte ich nach der Schule eine Verabredung.

Mr Albers schloss den Biologieraum auf und ließ uns rein. Normalerweise saß ich auch hier neben Anna, aber die setzte sich lieber nach hinten zu den „Coolen“. Also saß ich hier alleine.
„So, wir haben einen neuen Mitschüler.“ Der große dunkelhaarige kam herein. Auch genannt „Mike“. Dazu noch der Freund Courtney.
„Mike, Mike!“ Courtney wirbelte mit den Händen herum und winkte ihn zu sich. Er warf ihr aber nur sture Blicke zu. Was war im Flur denn noch so passiert?
„Da neben Seraphina ist noch ein Platz frei. Das ist wohl logischer, wie als wenn sie da hinten noch einen Tisch hinquetschen würden.“ Also glitt Mike neben mich.
„Hi.“
„Hi“, begrüßte ich ihn zurück.
„Was ne Bitch“, hörte ich Courtney von hinten fluchen. So klar, dass sie mich meinte. Aber Mike hatte es auch gehört. Und der Blick. Der war alles andere als freundlich. Und, da mich Biologie nach dem Abenteuer echt zu interessieren anfing, lauschte ich dem Unterricht. Der schneller zu Ende ging, wie ich eigentlich gedacht hatte. Also stand ich auf und ging. Ich ging alleine, da Anna ja jetzt zu den „sexyhexi“ gehörte.
Und die Pause verlief so. Anna setzte sich zu den Zicken, und ich setzte mich an einen Einzeltisch. Anna fing an mit über mich zu lästern, und die Pause schien kein Ende zu nehmen. Bis es mich echt aufregte und ich mich nach draußen auf eine Bank setzte, wo ich ungestört war. Dann klingte es für die nächste Stunde. Zwei Stunden Sport stand an. Nur hatte niemand gewusst, dass Sport heute auf dem Plan stehen würde, also ging ich davon aus, dass niemand die Sportsachen dabei hatte. Ich zumindest nicht. Aber das würde sowieso nicht interessieren. Ich glitt auf die Mauer vor der Sporthalle, und wartete darauf endlich reingelassen werden zu können. Ich bin einfach echt zum Außenseiter geworden. Alle anderen stehen da in ihren Gruppen und unterhalten sich. Und ich? Mir schweben nur noch Bilder von Jerome durch den Kopf.
„Darf ich mich zu Dir setzen?“ Ich schaute auf, und blickte in grüne Augen, die mich anfunkelten.
„Wenn sie nichts dagegen hat.“ Ich deutete zu Courtney, die mich schon wieder so anschaute. Wieso konnten sie nicht lästern, ohne, dass ich es mit bekam.
„Hat sie nicht“, beschloss er mal eben so.
„Sagst du. Bringst du mir das Gedankenlesen bei?“ Er musste lachen, ohne dabei den Blick von mir abzuwenden.
„Aber weißt du nicht schon, was sie über Dich denkt?“ Ich nickte.
„Oh, doch. Aber ich würde gerne wissen, was meine beste Freundin über mich denkt. Und was Courtney darüber denkt, dass du mit mir redest.“
„Ach. Lass sie denken was sie will. Was sollte Deine Freundin denn über Dich denken?“
„Ich weiß nicht was Courtney ihr eingelößt hat.“ Diesmal deutete ich auf Anna, damit er genau wusste, dass ich sie meinte.
„Du darfst das nicht so ernst nehmen. Das wird wieder.“ Er versetzte mir einen kleinen Stupser in die Seite und zog dabei cool die Augenbraue hoch. Ich lächelte ihn an, obwohl mir das echt zu bedenken gab. Mr Beier kam an in engem sixpack betonten Top und Hot pan. Darin sah er schon gleich wieder strenger aus, fande ich. Er war sowieso schon streng.
„Hm, ich nehme an es hat niemand die Sportsachen dabei?!“ Seine tiefe Stimme betonte er noch etwas intensiver, was seine Art schon wieder mehr zum Ausdruck brachte. Die Braue hatte er währenddessen hochgezogen.
„Nein.“ Courtney schrie schon fast. War klar, dass sie wieder aller Aufmerksamkeit auf sich hatte.
„Ja Courtney. Das wissen wir. Okay, anderer Vorschlag. Da hier bestimmt noch mehr nicht die Sportsachen dabei haben, es der erste Schultag ist. Setzen wir uns doch auf die Wiese und quatschen ein wenig.“ Wow, er konnte doch ganz nett sein. Da hatten ihm die Wochen Ferien doch wohl echt mal ganz gut getan. Also sprang ich von der Mauer, und alle folgten dem gut gebauten Lehrer zu der Wiese im Schulhof. Ich suchte mir ein schattiges Plätzchen unterm Baum, der nicht ganz so unbeliebt war. Und plötzlich sah es wieder aus, als hätte ich Freunde. Aber so hätte ich erst gar nicht zu denken anfangen sollen.
„Ey du Pumukel verzieh Dich woanders hin. Hier sitzen die Coolen. Du bist absolut ein No-go.“ Courtney wollte wieder die Coole der Coolen sein. Und allen schien es zu gefallen.
„Ey, du blöde Kuh. Ich bleibe hier, ob es Dir gefällt oder nicht.“ Da hatte ich wohl alles gegeben. Es tat gut, dass mal rauslassen zu können.
„Hast du mich gerade mit einem Stein abgeworfen“, gaffte ich sie an. Als ich einen harten Gegenstand auf meinem Arm gespürt hatte. Und, dann noch ihr gehässiges Grinsen. Diese Schlampe!
„Mach die Augen auf Püppchen. Wir sind nicht in Deiner Fantasywelt, wo Dich jeder mag. Wir leben in der Realität, hier will Dich keiner haben.“ Okay, zugegeben. Das hat weh getan, aber das ließ ich mir nicht anmerken. Niemals.
„Du Schlampe.“ Oh scheiße. Das wollte ich gar nicht. Aber ich war nur so von Wut umströmt, dass es mir gerade scheiß egal war. Ihr aufgetarkelter Körper machte einen Sprung auf mich zu, bis die fette Wanzkuh auf mich lag und mir kreischend an die Haare zog.
„Hör auf du Kotzbrocken!“ Zur Waffe nahm griff ich sie auch am Haar und zog daran. Bis, oh mist. Hatte ich ihr gerade das Haar rausgezogen? Ich erschrack, selbst sie hatte es mitbekommen.
„Nein! Du Miststück.“ Ihr Hände wedelten mehrmals in meinem Gesicht herum.
„Ah!“, schrie ich. Ich tastete an meinem Gesicht herum. Blut? Meine Finger waren blutig. Und ihre Fingernägel auch. Sie hatte mich doch jetzt nicht im ernst durchs Gesicht gekratzt?!
„Geh runter!“, schrie ich. Sprang auf und rannte ins Gebäude. Mein Gesicht fing an zu pochen und der Schmerz der risse in meiner Wange wurden schmerzhafter denn je. Ich rannte auf das nahegeliegene Klo, dass ich schnell fand und betrachtete mein zerkratztes Gesicht im Spiegel. Etwas Blut ran aus der Wunde. Was für Monsterfingernägel hatte die eigentlich? Ich versuchte das Blut mit einem Stück Papier zu stoppen. Das war soweit auch kein Problem, aber es würden echte Narben hinter lassen. Und der Schmerz? Aber was war schon schmerzhafter wie die beste Freundin zu verlieren, von dem Mann, den man liebte verlassen zu werden und von allen gehasst zu werden? Dazu noch der Gedanke, das an meinem Kiefer zwei mittelmäßige Kratzer auf ewig zu sehen sein würden. Ich wollte einfach nicht mehr, und ich konnte nicht mehr. Ich hatte alles verloren, was man nur verlieren konnte.
„Seraphina. Ist alles in Ordnung?“ Ich wusste sofort, dass es Mike war, der vor der Tür stand. Schon allein daran, dass er mich mit vollem Namen ansprach.
„Ja. So gut wie.“ Außer, dass ich hier zwei schmerzhafte Kratzer hatte, war alles in bester Ordnung, log ich. Ich war sogar schon so tief gesunken, dass ich mich selbst anlügen musste.
„Kommst du gleich raus?“
„Ja!“ Ich schmiss das Blutdurchdruckte Stück Papier in den dastehenden Mülleimer und schaute nochmal mein Gesicht an. Es hatte aufgehört zu bluten. Ich erkannte, dass die Wunden doch nicht so tief waren. Vielleicht hatte ich ja Glück, und man würde sie irgendwann nicht mehr sehen. Ich schritt vor die Tür. Mike lehnte an der Wand, als er mich bemerkte stämpte er sich ab und betrachtete mein Gesicht, wie ich es eben auch getan hatte.
„Ouh. Du musst Courtney entschuldigen.“ Bitte was?
„Was muss ich?“
„Sie hat das nicht so ernst gemeint.“ Was war ihm denn über die Leber gelaufen.
„Ehrlich. Sie reißt mir fast mein Gesicht auf. Und ich soll ihr verzeihen? Geht's noch?“
„Du hast ihr die Extention rausgezogen, und außerdem hat sie Dir fast

das Gesicht aufgerissen.“ Ey, drehte der jetzt völlig durch? „Ihr tragt beide Schuld?“ Toll, und ich, die die Schmerzen erleiden musste, sollte der blöden Kuh verzeihen? Obwohl ich der nur blöde Extentions rausgezogen hatte?! Die man einfach so wieder reinsetzen konnte.
„Ehrlich. Du kannst mich mal!“ Mit großen Schritten ging ich an ihn vorbei. Ich ignorierte jegliche Blicke auch für die letzte Stunde. Und, als es endlich klingelte, ich hätte nicht besser drauf sein können. Als ich nach draußen ging musste ich erstmal warten, weil Stefan noch nicht da war. Er kannte sich hier womöglich nicht aus, aber das war ja in Ordnung. Er kam ja auch nicht aus dieser Stadt.
„Sera.“ Ich drehte mich um.
„Hey.“ Wir fielen uns in die Arme. Es ist auch lange her, wo wir uns das letzte mal gesehen hatten. Doch, als wie uns voneinander abwandten und er mir ins Gesicht schauen konnte. Ich erkannte, wie ihm ein Schock durchfuhr.
„Was hast du gemacht?“
„Zickenkrieg, nichts wildes.“ Es war was wildes gewesen. Ich log zu meiner Sicherheit, um Fragen aus dem Weg gehen zu können.
„Okay.“ Er glaubte mir wohl nicht. Das erklärte sein Blick mir sofort. Er nahm mich in die Arme und wir gingen ein Stück.
„Hast du etwas von Jerome gehört?“ Ich Frage durchfuhr meinen Körper, wie ein eiskalter Schock, der nie vorüber zu gehen scheint. Bedrückt schüttelte ich den Kopf, um dadurch allen Schmerz ausdrücken zu können.
„Du?“, fragte ich ihn nun. Er hatte ja seine Nummer. Es hätte ja sein können, dass sie geschrieben hatten.
„Er hat mir nur gesagt, dass er seine Eltern wieder finden würde. Da er einen Anruf bekommen hatte.“ Hm, so war es auch.
„Ja.“
„Weißt du etwa mehr wie ich?“ Er hatte es wohl in meinem Gesicht geschrieben gesehen. Ich wusste mehr, wie, dass er seine Eltern finden würde. Ich war ja schließlich Opfer seines Attentats. Ich war die Verlassene, die Gekränge, der ein Pfeil ins Herz gerammt wurde.
„Schon möglich.“ Ich wollte einfach nicht drüber reden, aber Stefan gab einfach keine Ruhe.
„Erzähl!“
„Frag ihn doch selbst. Der kann Dir das aus seiner Sicht erzählen. Meine ist zu hart, dass es mich selbst verletzen würde.“ Und so war es ja auch.
„Okay. Dann rufen wir ihn doch gleich mal an.“ Ein verschämtes nettes Lächeln ließ er mir entgegen kommen. Dann zog er sein Handy aus der Tasche.
„Das wargst du nicht!“ Ich war schon so am Ende, dass ich zu drohen anfing. Aber es half einfach nichts. Ich versuchte wild nach dem Handy zu schnappe, aber das war das Problem dabei, so klein zu sein. Er stieg mir einfach über den Kopf hinaus. Sein Körper wandt sich mir ab, während er sich das Handy ans Ohr presste und den Anrufepiepton abwartete.
„Hey, Jerome. Hier ist Stefan.“ Und wieder dieser Blick. „Du, kannst du mir mal sagen, was du mit Sera gemacht hast? Die ist krass fertig.“ Er musste lachen, als sei das alles nur ein blöder Witz von ihm. Er schaltete den Lautsprecher des Handys an, damit ich alles mit anhören konnte.
„Lass gut sein, Stefan.“ Er hörte sich selbst so bedrückt an.
„Sie steht neben mir. Hat übrigens fette Kratzer im Gesicht, und möchte mir nicht sagen, was sie gemacht hat. Und sie will mir weniger sagen, weshalb ihr kein Kontakt mehr habt.“
„Na, weil er seine Eltern suchen musste“, mischte ich mich ein und versuchte erneut nach dem Handy zu greifen.
„Sie ist bei Dir?“ Wieso klang er so traurig? Hatte er seine Eltern vielleicht doch nicht gefunden?!
„Ja. Ich war zufällig in Nashville, und hatte sie angeschrieben. Ehrlich sie ist krass komisch.“ Was war ich?
„Was bin ich?“ Schockiert von seiner Sicht meiner Laune gegenüber. Ich war doch nicht komisch. Und schon gar nicht „krass“ komisch. Aber er drängte mich mit einer Hand weg, als wolle er mich einfach so abschieben. Von der anderen Leitung konnte ich nichts mehr hören.
„Hast du den Lautsprecher ausgemacht?“ Er nickte bloß und wandt sich dem Handy wieder zu. Also wozu hatten wir uns eigentlich getroffen? Damit er telefonieren konnte? Und das mit dem Mädchenherzensbrecher überhaupt?
„Seraphina! Du mieses Miststück. Mit Dir muss ich noch reden.“ Oh mist. Nicht die auch noch. Courtney kam mit ihren Pumpabsätzen auf mich zu, so, als würde sie mir jedem Moment das Genick brechen. Stefan schaute nur verblüfft, da er ja gar nicht wusste, was denn los war. Aber als Courtney sich mir näherte. Wo waren denn ihre Haare geblieben? Hatte ich ihr die Extention so kaputt gemacht, dass sie alle raus tuen musste, weil es sonst mies aussah? Oh, ja. Die lang haarige Blondine, war nicht mehr lang haarig, sondern kurz haarig.
„Verpiss Dich!“ Mir fiel nichts mehr ein, weil ich einfach zu sehr mit ihrem Aussehen beschäftigt war. Sie sah total komisch aus. Ich konnte sie gerade irgendwie nicht ernst nehmen.
„Oh, chic die Katzer im Gesicht. Ich hatte schufften müssen, bis ich das Blut unter meinen Fingernägeln weg hatte. Ih, das war ja mal sowas von widerlich.“ Sie wackelte mit den Fingern penibel hin und her. Als wolle sie sich gerade die Fingernägel stylen.
„Ich hätte Dir am liebsten Deine ganzen Haare rausgerissen. Dann hättest du jetzt nicht mehr so eine große Fresse!“
„Finger weg von Mike. Du Narbenfresse!“
„Sorry, Jerome. Sonst werde ich nachher noch Zeuge von einem Zickenmord.“ Stefan legte auf. „Ruhe jetzt!“ Er schrie es so laut, bis keine von uns mehr etwas zu sagen wargte.
„Wer ist das denn?“ Courtney hob eine Braue und zwinkerte ihm zu.
„Das geht Dich ein Scheiß Dreck an!“, fauchte ich.
„Sera. Jetzt ist gut!“ Toll, und ich dachte er wäre auf meine Seite. Ich war enttäuscht, dass er so gegen mich sprach. Aber er sprach ja auch gegen der stumpfen Ziege. „Und du hast ihr also die Narben zugefügt?!“ Er wandte sich jetzt nur an Courtney, die total cool vor ihm stand und ihr „was-geht-Dich-das-an“ Visage aufsetzte.
„Das ist eine Sache zwischen Der da und mir. Das geht Dich nichts an.“
„Oh, doch und wie mich das was angeht.“ Wow, Stefan wurde immer vorlauter.
„Was ist hier los?“ Anna hat den „Tat Ort“ betreten, der schon bald blutig enden würde. Wenn Courtney sich nicht mal langsam zügeln würde.
„Anna, mach Dir keinen Kopf. Seraphina ist einfach nur durchgedreht. Aber das warst du ja selbst, als ihre Ex beste Freundin.“
„Komm wir gehen.“ Stefan hatte meinen gekrängten Blick wahrgenommen. Ich war froh, als er mich hier wegbringen wollte. Ich wollte mir das nicht noch länger antun. Ich zögerte gar nicht, und ging ohne weitere Worte mit ihm.
„Verzieh Dich doch! Du hast hier nichts mehr zu suchen.“ Das war so klar, dass Courtney mal wieder das letzte Wort haben musste. Stefan legte einen Arm um meine Schulter.
„Magst du drüber reden?“ Ich schüttelte den Kopf. Ich würde am aller wenigsten darüber reden wollen. Die waren für mich gestorben. „Das war Deine ex beste Freundin?“ Ich nickte.
„Ja, seit heute. Dann noch die Kratzer hier, die lebenslange Narben in meinem Gesicht hinterlassen werden. Ich bin zum Außenseiter der ganzen Schule geworden. Und das am ersten Schultag. Das auch auch ganz sicher für immer.“ Ich verlangte kein Mitleid. Auf keinen Fall. Ich hatte ihm nur in ein paar Sätzen meinen Tag geschildert. Das sollte mal einer schaffen. Und da kam nur negatives raus.
„Das tut mir leid.“ Er drückte mich fest an seine Brust, so, dass ich seine Herzschlag hören konnte. Und wie sein Atem durch die Lunge geht und der Brustkorb sich erhebt. Er hatte ein Herz aus Gold. Das mir das noch nicht eher aufgefallen ist?! Aber er hatte mich ja auch eine Zeit lang liegen lassen, mich provoziert. Immer wieder aufs Neue.
„Hat er es mitbekommen?“ Ich wollte nicht, dass Jerome das eben gehört hatte.
„Ja, war ja wohl nicht zu überhören. Hm?“ Unsere Körper ließen sich auf der Bank an der Bushaltestelle sinken. Der Bus war schon lange abgefahren. Aber wir wollten auch nicht mit dem Bus fahren. Sitzen genügte vollkommen, um den Tag zum Teil verkraften zu können.
„Mein Leben ist total aus dem Ruder geraten.“
„Ich weiß“
„Woher?“, fragte ich.
„Na, was du mir so erzählst und was ich gerade mitbekommen habe.“ Er hatte Recht. Das reichte schon, um es als versäumtes Leben zu bezeichnen.
„Ich hatte jetzt an aufmuntern gedacht“, gab ich zu.
„Du weißt, dass ich Dich gerne aufmuntern würde. Aber ich denke, dass es nicht viel bringen wird. Du musst erstmal wieder Dein Leben gerade biegen, Sera.“ Stefan schaute etwas gekrängt zu Boden. Aber auch diesmal behielt er Recht.
„Und wie soll ich das hinkriegen?“ Wenn er mir doch schon sagen konnte, dass etwas an meinem Lieben schief lief. Dann konnte er mir doch auch sagen, wie ich es wieder gerade biegen könnte.
„Denk doch mal nach. Du stehst total auf Jerome!“
„Äh, was?“ Ich gab soetwas nicht gerne zu. So war ich eben.
„Jetzt mach uns beiden doch nichts vor, Sera. Du stehst auf ihn. Das sieht doch ein Blinder mit Krükstock.“ So offensichtlich war das doch nicht.
„Stefan, ich-“
„Lass gut sein.“ Er stand auf und ging. Ohne ein Worte. Er würdigte mir noch eines Blickes und ließ mich hier einfach sitzen. Womöglich war ich mir einfach zu schade, um das jetzt hier zuzugeben. Ich ließ mir selten wie gar nicht anmerken, wenn es mir schlecht ging. Aber mir ging es gerade mehr als schlecht. Ich stützte meine Ellbogen auf die Oberschenkel und legte den Kopf in die Hände. Ich schloss die Augen und ließ es zu, dass sie Tränen die Beherrschung über meinen Körper annahmen. Ich konnte einfach nicht anders. Irgendwann ist einfach alles vorbei. Das schafft selbst nicht der Mensch, der Jahrelang keine Schwäche zeigen kann nicht.
Ein Räuspern ließ mich aufschrecken. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich nicht mehr alleine war.
„Ist alles in Ordnung?“ Durch mein verträntes Gesicht bekam ich also doch noch ein Lächeln hin. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Aber da stand gerade die Person, die mir helfen konnte, mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Denn er war der Grund, wieso alles einfach nur scheiße war.
„Hey.“ Und wieder flossen die Tränen, die ich mit dem Handrücken wegwischte. Das war ja jetzt peinlich. Cool lehnte er an den Pfeiler des Bushaltestellenhäuschens und blickte mich an. Ich konnte den Blick nicht zuordnen. Ich wäre ihm aber am liebsten in die Arme gesprungen. Das musste ich jetzt einfach so sagen. Scheinbar ließ ich mir anmerken, dass ich ihn so sehr vermisst hatte.
„Wie sieht es aus? Habe ich nicht eine vernünftige Begrüßung verdient?“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich sprang auf und rannte in seine Arme. Ich drückte ihn so fest. Also konnte ich damit die Tage der Trennung vergessen. Er schlang seine Arme um meinen Körper und hauchte mir einen sanften Kuss auf den Kopf. Bis wir uns dann wieder lösten.
„Ok, ich gebe zu. Ich habe Dich vermisst“, sprudelte es aus mir heraus. Er grinste nur. Wieso grinste er nur? Ich schaute zu Boden.
„Was meinst du wohl, wieso ich hier bin?“
„Weiß nicht. Wegen diesem Telefonat?!“ Das Grinsen schwand.
„Was war da los?“ Na, da hatte ich mir ja was eingebrockt. „Hat das was mit dem großen Kratzer zu tun?“
„Ich habe meine beste Freundin verloren, die jetzt mit der größten Zicke überhaupt abhängt. Und die mich überhaupt nicht leiden kann.“
„Daher der Kratzer?! Zeigst du sie mir?“ Oh, ich verstand. Er war auf so einer aus.
„Was?“ Ich war geschockt.
„Bitte“, bat er bloß.
„Das ist eine Schlampe. Wieso willst du zu ihr?“
„Zeig sie mir.“ Ah, er wollte also ein Beweis dafür. Aber ich war gerade verdammt wütend. Und wieso zeigte ich sie ihm auch noch. Ich eilte über die Straße, ohne auf Autos zu achten, die die Straße überquerten. Jerome folgte mir eilig.
„Da, die mit den blonden Extentions in der Hand. Viel Spaß mit der!“ Ich war dabei mich umzuwenden, bis mich seine Hand zurück hielt. „Was?“, schrie ich fast.
„Was ist Dein Problem, Sera?“ Ach, als wenn er das nicht wusste.
„Das du Dich auf so eine da einlässt!“ Ich wurde verdammt zickig. Aber das zurecht. Er lachte. Ich hatte mit einer anderen Reaktion gerechnet.
„Du verstehst das nicht oder?“ Was sollte ich denn jetzt versehen. Als konnte er Gedanken lesen. „Es geht darum, wie sie Dich behandelt. Was ich beim Telefonat gehört habe, hat gereicht umd mich den weiten Weg hierher aufzumachen.“ Ich rümpfte nur noch die Nase. Wie doof war ich eigentlich. So peinlich, dass ich mich aus deinem Griff riss und in die entgegengesetzte Richtung gehen wollte. Bis seine Stimme mich davon abhielt. „Du bist so stur!“, schrie er fast. Aprubt blieb ich stehen ohne ihn auch nur anzusehen. Mit tränenden Augen wandt ich mich um.
„Ach ist das so?“
„Ja! Du checkst auch nichts!“ Ich blickte zu Boden. Spürte aber den seinen auf mir ruhen. Er schien mich zu mustern. Der letzte Satz hatte mich gerade echt mitgenommen. Soetwas hatte mir noch nie jemand gegen Kopf geworfen.
„Es t-tut mir leid“, stotterte ich, da ich plötzlich einen großen Kloß im Hals hatte. Aber er ließ nicht locker und schritt auf mich zu. Er griff unter mein Kinn und richtete meinen Kopf so, dass ich in seine Augen blicken konnte. Bis.. küsste er mich gerade?! Sein Kopf hatte er vorgebeut. Seine Lippen hatten sanft die Beine berührt. Mein Gesicht hielt er beschützend in seine Hände. Dann löste er sich wieder.
„Verstehst du jetzt, wieso ich her gekommen bin? Ich liebe Dich, Seraphina. Ich habe Dich geliebt und ich werde Dich auch immer lieben.“ Mir fehlten die Worte. Seine Worte nahmen mir meine. Aber ich empfand genauso. Ich konnte nicht anders, wie mich in seine Arme zu legen, und ihn am liebsten nie wieder los lassen zu wollen.
„Gehen wir zu mir?“, fragte ich ihn grinsend.
„Eigentlich wollte ich der da,“ er deutete auf Courtney „noch gewaltig die Meinung galgen. Sowas kann die mit meiner Freundin doch nicht machen.“ Er bezeichnete mich als seine Freundin. Ich bekam weiche Knie. Das Zittern durchfuhr meinen ganzen Körper.
„Das ist nicht nötig. Mit ihr werde ich schon fertig.“ Ich bekam Stärke. Und das nur wegen ihm. Er gab mir diese notwendige Stärke. Seine Finger gingen über die pochende Narbe, deren Schmerz mich einigermaßen verlassen hatte.
„Das tut mir so leid, dass ich nicht da sein konnte, als es Dir schlecht ging.“ Er war gekrängt. Aber dafür konnte er ja jetzt alles aufholen. Ich griff seine Hand und zog ihn mit mir.
„Das ist schon in Ordnung.“ Wir lächelten uns an. Er schaute zu mir ab und gab mir noch einen flüchtigen Kuss. Hand in Hand schlenderten wir die Straße entlang. Die Sonne nahm seinen täglichen Gang. Am späten Abend war nur noch ein Sonnenuntergang zu sehen.

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Tag der Veröffentlichung: 06.08.2012

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