Cover

Vorbemerkung des Verfassers

Dieses Buch ist ein Roman, dessen Personen frei erfunden sind wie die angegebenen Organisationen, alles entstammt der Fantasie des Autors.

 

Die Orte sind rein zufällig gewählt und sollen dem Leser nur einen Eindruck des Geschehens vermitteln. Am Ende des Buches findet sich aber ein Teil der Koordinaten, die bei Google Earth eingegeben werden können.

 

Und nun wünsche ich viel Spaß beim Lesen!

 

Prolog

 Die zwei Mountainbikes auf den sandigen Pisten zwischen Ariany und Son Serra De Marina wirbelten den trockenen Staub von den Waldwegen auf, über die Benjamin Werner und seine Freundin Carmen düsten.

 

Sie waren früh am Morgen mit Bens Ford Mondeo Kombi von dessen Finca aufgebrochen, um den Tag mit einer Mountainbike- Tour zu verbringen. Nach seinem letzten aufregenden Fall waren inzwischen gut zwei Monate vergangen und Ben, so wie ihn alle, die ihn kannten, nannten, hatte seine Zeit damit verbracht, sich ein wenig von den Strapazen zu erholen.

 

Umso mehr genoss er es jetzt mit seiner Freundin in der Natur zu sein, fernab von allem Trubel.

 

Die hübsche junge Carmen kannte er bereits aus seiner Kindheit, als er mit seinen Eltern öfters Urlaub auf Mallorca gemacht hatte. Seit er auf der Insel als Detektiv arbeitete, lebte der Kontakt mit der schlanken Spanierin, die wunderschöne glänzende tiefgrüne Augen und braunes, langes lockiges Haar hatte, wieder auf. Sie war Anfang dreißig und seit zwei Monaten waren sie endlich ein Paar. Beide hatten irgendwie nie den Mut gefunden, sich die gegenseitigen Gefühle zu gestehen und so hatte erst die Lebensgefahr, in der Ben während der Aufklärung eines Entführungsfalles steckte, sie zueinander geführt. Während die beiden so nebeneinander daher fuhren, warf Ben ihr einen langen Blick zu: er liebte ihr weiches Gesicht und ihre wunderschöne braun gebrannte zarte Haut. Er war wirklich glücklich, dass sie nun endlich zusammen waren.

 

 

» Ben, du starrst mich schon wieder so an, pass auf, dass du nicht irgendwo gegen donnerst «, riss Carmens Stimme Ben aus seinen Gedanken.

 

Er grinste und erwiderte: » Keine Sorge, aber ich musste gerade wieder daran denken, wie froh ich bin, dass wir zusammen sind. «

 

Benjamin Werner hatte vor ein paar Jahren sein Leben gründlich umgekrempelt. Er hatte in Mannheim BWL studiert und in Frankfurt bei einer renommierten Consulting Group, der ICG einen glänzenden Karrierestart als Projektleiter geschafft. Die langen Arbeitszeiten, das oberflächliche Leben das er führte und die knapp bemessene Freizeit machten ihn auf Dauer nicht glücklich. Inzwischen sah das ganz anders aus. Ben war nun Anfang 30, hatte sein Leben in Frankfurt hinter sich gelassen und sich als Detektiv auf Mallorca niedergelassen. Er sah jünger aus, als er war, hatte stahlblaue aufgeweckte Augen und war mit einer Größe von 1,82 Meter bei einer gut trainierten Figur nicht gerade unattraktiv. Sein schwarzes dichtes Haar trug er immer ordentlich und relativ kurz geschnitten.

 

Das Leben als Detektiv war zu Beginn seiner Karriere nicht allzu interessant gewesen, aber dafür hatte er genug Freizeit und so konnte er alte Freundschaften auf der Insel wiederaufleben lassen.

 

Bis vor zweieinhalb Monaten waren seine Fälle im Großen und Ganzen davon geprägt gewesen, verschollene Haustiere und untreue Ehemänner aufzuspüren. Ab und an wurde er auch mal damit beauftragt, Timesharing – Betrügereien aufzudecken. Zwar hatte er dann doch mal mit ein paar Schlägern zu tun, aber im Endeffekt waren dies alles harmlose Geschichten, die ihm zwar auf der einen Seite ein gewisses Einkommen sicherten, auf der anderen Seite aber nicht sonderlich aufregend waren. Nachdem er das erste Mal Glück gehabt hatte, den Schlägern zu entkommen, kaufte er sich einen Boxsack und trainierte regelmäßig auf seiner Finca, seine Fitness beruhigte ihn.

 

Doch dann änderte sich schlagartig alles. Ein ehemaliger Kunde aus der Zeit bei der ICG meldete sich bei ihm, da seine Tochter auf der Insel entführt worden war. Er vermutete richtigerweise eine mächtige Konkurrenzfirma dahinter.


Ben hatte für diesen Fall mehrmals sein Leben riskiert und es letztendlich geschafft, die auch ihm bekannte Tochter, Lydia Ludwig, aufzuspüren und mithilfe eines seiner Freunde von einer Hochseeyacht der Konkurrenzfirma, einer international agierenden Holding, zu befreien.

 

Er hatte im Leben nicht damit gerechnet, so einen kniffligen und gefährlichen Fall in dem Urlaubsparadies zu bekommen, doch er hatte sich getäuscht. Der Vater der Entführten, der im Übrigen große Stücke auf Ben hielt, zahlte ihm alle Unkosten sowie einen Bonus, so dass Ben sein Berufsleben erst einmal ein wenig ruhiger angehen konnte, um sich von allem zu erholen. Seine Finca wurde verwüstet, sein Auto war nach einer wilden Verfolgungsjagd am Cap de Formentor ein Totalschaden, er wurde angeschossen und darüber hinaus schwebte auch Carmen zeitweise in Lebensgefahr und musste bei einer Freundin untertauchen.

 

Etwas Gutes hatte der Fall aber: Immerhin standen die beiden durch diesen Fall nun endlich zu ihren Gefühlen zueinander. Carmen war zu ihm gezogen, auch wenn sie ihre eigene Finca behalten hatte. Sie hatte in der Vergangenheit nebenher für Ben telefonisch dessen Fälle angenommen und an ihn weitergeleitet, doch jetzt wo sie zusammengekommen waren, hatte Ben eine Sekretärin eingestellt und ein kleines Büro angemietet. Seine Freundin sollte nun nicht länger für ihn arbeiten, zudem hatte sie ja noch eine Touristenboutique in Palma, in der sie selbst entworfene Mode verkaufte. Sie hatte damals schon immer geschimpft, dass die Arbeit für Ben sie viel Zeit koste und sie nicht viel Spaß daran hatte. Schließlich musste sie mit zum Teil sehr ratlosen und verzweifelten Klienten von Ben stundenlang telefonieren, obwohl sie eigentlich gar nichts über den Fall wusste. Dieser hatte sie damals nur um den Gefallen gebeten, da er sich so insgeheim erhoffte wieder regelmäßig Kontakt mit ihr haben zu können und Carmen so näher zu kommen

 

Seit den Ereignissen vor zwei Monaten hatte er zwei kleinere Fälle gehabt, bei denen er wieder einmal einen untreuen Ehemann überführte und aufgrund eines Raubes bei einer deutschen Touristenfamilie eine größere Diebesbande in der Umgebung von Palma dingfest machen konnte.

 

Diese hatten den Vater der Familie zu zweit in ein Gespräch verwickelt um Informationen zu erlangen. Die beiden gaben sich als nette Einheimische aus, die dem Deutschen Tipps für Unternehmungen gaben. Danach beschatteten sie die Familie und folgten ihnen zu deren Ferienwohnung. Am nächsten Tag, als die Familie wieder Besonderheiten der Insel - auf Anregung der Verbrecher erkundete, brach die Bande bei ihnen ein und stahl sämtliche Wertgegenstände und wichtige Reiseunterlagen. Da die Polizei machtlos erschien, kam die Familie hilfesuchend in Bens Büro, der zum Glück gerade selbst anwesend war, um seine Post bei seiner Sekretärin abzuholen.

 

Es lag in seiner Natur jedem Hilfesuchenden sofort beizustehen, so dass er sich der Sache ohne zu zögern annahm. Den Rest der Familie ließ er von Carmen abholen und betreuen und machte sich mit dem Vater auf die Suche nach der Bande.

 

Sie fuhren nach Can Pastilla und gingen an den Strand. Dort war die Familie am Vortag von den zwei Spaniern angesprochen worden. Schließlich wurden Ben und sein neuer Klient am Platja de Palma nach einem kleinen Fußmarsch schnell fündig und beschatteten die zwei Verbrecher vom Vortag. Kurz hinter Can Pastilla erkannte der Familienvater die beiden Täter, die offensichtlich bereits erneut eine ahnungslose vierköpfige Touristenfamilie in ein Gespräch verwickelt hatten. Um nicht Gefahr zu laufen, dass die Verbrecher ihren beraubten Klienten erkannten, ließ Ben diesen in sicherer Entfernung warten und schlenderte langsam an der kleinen Gruppe vorbei. Die Familie bedankte sich gerade für die vermeintlich wertvollen Tipps bei den beiden Spaniern und erklärte, dass sie sogleich aufbrechen wollten, um einen der empfohlenen Orte aufzusuchen. Unauffällig machte Ben kehrt und holte den deutschen Familienvater. Gemeinsam beobachteten sie, wie die Familie sich in Richtung Somtimes auf den Weg machte und vorsichtig von den beiden Verbrechern verfolgt wurde. Ben vermutete, dass diese sofort zuschlagen wollten, sobald die Familie ihr Ferienhaus verließ und so beschatteten sie die Verfolger der Familie aus sicherer Entfernung. Ihr Weg führte sie zunächst die Strandpromenade Carretera Arenal entlang, vorbei an den unzähligen Bettenburgen, bis sich die Familie nach kurzem Weg vom Strand entfernte und landeinwärts ging. In diesem Bereich gab es schöne Ferienhäuser, die nicht ganz billig waren. In der Carrer de Sargas verschwand die Familie in einem luxuriösen kleinen Anwesen, während die beiden Verfolger sich hinter einem geparkten Jeep Cherokee versteckt hielten. Kurze Zeit später fuhr die Familie davon. Die beiden Spanier gingen sofort ans Werk und kletterten über die Mauer des Anwesens. Kurze Zeit später kamen die beiden mit einer kleinen Tasche zurück auf die Straße und gingen zurück in Richtung Strand. Ben dokumentierte die Tat mit seiner Handykamera und sie folgten den Tätern. Am Palma Aquarium hatten die Spanier ihr Auto geparkt. Um sie nicht aus den Augen zu verlieren, nahmen Ben und sein Klient ein Taxi, das er dem Auto der Verbrecher folgen ließ. Das Versteck der Verbrecher lag hinter Marratxinet in einer kleinen Hütte in einem Waldstück. Fast hätten sie die Verfolgten aus den Augen verloren, da das Taxi auf dem letzten Stück einen großen Abstand halten musste, damit sie nicht entdeckt wurden. Als sie die Hütte erreicht hatten, rief Ben die Polizei und ließ den angespannten Familienvater in der Deckung zurück, um das Grundstück des Verstecks zu erkunden. Durch ein Fenster erspähte er fünf Männer, die dabei waren die Beute untereinander aufzuteilen. In der Hütte lagen noch mehrere Wertgegenstände aus anderen Raubzügen. Entgegen Bens Rat kam die Polizei mit eingeschalteten Sirenen zu dem Grundstück und schreckte die Diebesbande auf. Noch während die Verbrecher ihre Beute zusammenrafften um aus der Hütte zu fliehen, verbarrikadierte Ben die Tür mit einem massiven Holzstück, so dass die Polizei trotz ihres Fehlers jeden Täter festnehmen konnte.

 

Im Zuge der weiteren Ermittlungen kam heraus, dass die Guardia Civil bereits mehrere gleichartige Fälle verfolgte, aber bisher noch keine nennenswerte Spur gefunden hatte. Vielmehr hatte sie die Polizeipräsens verstärkt, aber da die Verbrecher einen Bekannten bei der lokalen Polizei eingeschleust hatten, waren sie den Beamten immer einen Schritt voraus. Im Endeffekt dankte sogar der Bürgermeister von Palma Ben für dessen Einsatz, da vor der Touristenbande selbst in den deutschen Medien gewarnt wurde und es bestand begründete Angst, dass sich dies auf den Sommertourismus im nächsten Jahr auswirken könnte. Dadurch, dass Ben zur Ergreifung der Täter den wesentlichen Hinweis an die Beamten gab, wurde er sogar von dem neuen Leiter der Guardia Civil eingeladen. Ben hatte dessen Vorgänger in seinem letzten großen Fall der Korruption und Unterstützung der Entführer überführt und war froh, nun einen neuen Freund in dieser Einheit gewonnen zu haben.

 

Nachdem Ben den Fall mit der Diebesbande innerhalb von zwei Tagen gelöst hatte, konnte die Familie ihren Urlaub beruhigt fortsetzen. Die entwendeten Wertgegenstände und sämtliche Unterlagen wurden in der Hütte gefunden und nach einer kurzen polizeilichen Verwahrung bekam die Familie alles vor Ende des Urlaubs ausgehändigt.

 

Zu dem Fall wurde Ben in den nächsten Tagen von verschiedenen lokalen Medien interviewt und es gab sogar diverse Zeitungsartikel. Von der Familie verlangte er kein Honorar, die entstandene positive Publicity reichte ihm vollkommen aus. Der Fall lag gerade einmal zwei Wochen zurück und es war Herbstanfang, also würde die Auftragslage erst einmal abflauen. Aber im Frühling und erst recht im Sommer würden die Touristen wieder auf die Insel stürmen und sich an den großzügigen und schnell ermittelnden Detektiv erinnern, so dass sicher zahlreiche interessante neue Fälle auf ihn zukommen würden.

 

Grinsend trat Ben in die Pedale und spornte Carmen an, Schritt zu halten.

 

Am Spätnachmittag kamen sie wieder in Son Serra De Marina an, luden die Mountainbikes in Bens Kombi und fuhren zurück in Richtung Manacor. Dort befand sich Bens Finca ein wenig außerhalb vom Stadtzentrum. Er liebte es, seine Ruhe zu haben und der Natur nahe zu sein. In Frankfurt hatte er mitten in der Stadt eine Penthousewohnung besessen und jeden Tag den Trubel des Großstadtlebens miterleben müssen. Seitdem war er froh, auf der schönen Ferieninsel zu leben.

 

Als die beiden auf das Tor zufuhren, sahen sie bereits Bens Hund, einen kleinen Jack- Russel Terrier, hinter dem Tor mit wedelndem Schwanz freudig warten. Das Tier hatte Ben in Palma in einer Seitenstraße gefunden. Er war sichtlich abgemagert gewesen und hatte niemanden. So taufte Ben den Hund auf den Namen Jack und nahm ihn zu sich. Auf seiner Finca päppelte er ihn wieder auf und kümmerte sich seitdem liebevoll um seinen treuen Freund und Wegbegleiter.

 

Es war ein schöner, wenn auch kühler Herbstnachmittag auf der Insel und so setzten sich Ben und Carmen nach einer heißen Dusche mit einem Tee auf die Terrasse und genossen die letzten Sonnenstrahlen, die langsam am Horizont verschwanden.

 

Ben würde am nächsten Tag mal wieder nach Palma fahren und in seiner Stadtwohnung und dem Büro nach dem Rechten sehen. Carmen konnte scheinbar seine Gedanken lesen, denn sie fragte: » Morgen fährst du sicher wieder nach Palma, oder? «

 

» Ich denke, ja «, antwortete Ben: » Ich wollte vor dem Wochenende mal im Büro vorbeischauen, auch wenn sich Maria sicher meldet, wenn es etwas gibt. «

 

Maria war die Sekretärin, die Ben vor kurzem eingestellt hatte. Sie war eine Freundin von Carmens Mutter und wollte sich so ihre knappe spanische Rente aufbessern. Sie war eine rundliche sympathische Frau Anfang 60, die perfekt Deutsch sprach und sehr gewissenhaft war. Sie hatte als Fremdenführerin auf der Insel gearbeitet und war so perfekt für den höflichen Umgang mit Klienten geeignet. Sie war sehr empathiefähig, freundlich und vor allem fleißig, so dass sich Ben eigentlich um nichts im Büro kümmern musste. Bens Akten waren fein säuberlich nach Datum sortiert, kam ein Anruf für einen neuen Auftrag, so wurde er umgehend mit allen Details versorgt. Durch die Arbeit als Fremdenführerin konnte Maria Ben auch nützliche Informationen und Kontakte vermitteln. Zwar hatte sich die Gelegenheit noch nicht so häufig geboten, aber Ben war sich sicher, er hatte die richtige Person eingestellt.

 

» Gut, vielleicht komme ich ja mit und gehe ein wenig shoppen und später treffen wir uns zum Mittagessen. «

 

Ben grinste. Carmen wollte sich sicherlich die Tasche kaufen, die ihr seit Wochen nicht mehr aus dem Kopf ging. Sie hatte das Einzelstück bei einem gemeinsamen Stadtbummel in einer kleinen Modeboutique entdeckt und sich sofort in das schicke Accessoire verliebt. Was sie nicht wusste war, dass Ben die Tasche heimlich bei seinem nächsten Besuch in Palma gekauft hatte und nun Carmen damit überraschen wollte. Wie sehr sie doch zunächst enttäuscht sein würde, wenn sie morgen in das kleine Geschäft ginge und die Tasche schon verkauft wäre….

 

» Ben Werner, was heckst du da schon wieder aus, das Grinsen kenne ich doch «, unterbrach Carmen Ben in seiner Vorfreude.

 

Er antwortete schnell: » Nichts, nichts, ich musste nur gerade an etwas Witziges denken. «

 

Dabei wusste er, dass er seiner Freundin nichts vormachen konnte. Sie wusste sicherlich, dass er wieder irgendetwas plante.

 

» Das kaufe ich dir nicht ab! «, protestierte sie. » Immer wenn du so schaust, hast du entweder etwas Verrücktes vor, oder willst mir irgendetwas verheimlichen. «

 

» Na gut, du hast mich mal wieder erwischt. Ich wollte dich fragen, ob du nicht mitkommen willst und nachdem ich im Büro war, wollte ich dich mit einem Besuch bei deinem Lieblingsitaliener überraschen «, log Ben überzeugend.

 

» Na gut, du Schuft, glauben wir dir noch dieses eine Mal «, lachte Carmen, während Ben sich freute, sich bei dem Essen erst einmal die traurige Nachricht anhören zu müssen, dass die Tasche bereits verkauft sei, um seine Freundin dann nach dem Essen mit genau dieser Tasche zu überraschen.

 

Am Abend packten die beiden schon einmal das Nötigste zusammen. Viel brauchten sie nicht, da beide in der Stadtwohnung von Ben ein paar Kleidungsstücke für ihre Kurzaufenthalte hatten. Außerdem hatte das Paar auch nicht vor, viel länger als den morgigen Tag in der Inselhauptstadt zu verbringen….

Ein Tag in Palma

 Am Freitagmorgen gingen Carmen und Ben den Tag langsam an. Sie joggten zusammen eine Runde in der näheren Umgebung der Finca, frühstückten gemütlich mit Jack auf der Terrasse und machten sich anschließend fertig für den Tag in der Stadt. Nachdem Jack für den nächsten Tag versorgt war, stieg das Paar in Bens neues Peugeot 308 CC Cabrio. Sein altes Auto, ein schönes Audi- Cabrio war während der Suche nach der entführten Unternehmertochter total zerstört worden. Lange hatte er es nicht besessen, aber nach einer wilden Verfolgungsjagd am Cap de Formentor, die Ben fast nicht überlebt hätte, war der Wagen nur noch schrottreif. Von dem Bonus, den sein alter Auftraggeber gezahlt hatte, kaufte Ben sich dann das neue Auto.

 

Trotz der herbstlichen Temperaturen fuhren sie mit dem offenen Cabrio. Beide trugen leichte Jacken, genossen die frische Luft und die letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres.

 

Die Fahrt von seiner Finca bis zu seiner Stadtwohnung in Palma dauerte eine gute Dreiviertelstunde. Dort parkten Ben und Carmen vor dem Haus, in dem sich die Wohnung befand und schlenderten gemeinsam in Richtung Stadtzentrum.

 

An der Plaça de la Drassana trennten die beiden sich nach einem zärtlichen Kuss und planten, sich zwei Stunden später zum Mittagessen wiederzutreffen. Ben wollte in seiner Detektei vorbeischauen, die Post und ein wenig Papierkram erledigen und natürlich die Tasche für Carmen holen, die er in seinem Büro gelagert hatte.

 

Bis Carmen außer Sichtweite war, schaute Ben ihr nach und dachte sich, was für ein Glück er mit dieser Frau hatte. Wenn er es sich so überlegte, war er froh, dass die beiden durch den letzten Fall zueinander gefunden hatten. Schließlich kannten sie sich schon so lange und hatten ihre Gefühle füreinander immer unterdrückt. Keiner hatte je gewagt auf den anderen zuzugehen und den ersten Schritt zu wagen, obwohl sie sich bei einer gemeinsamen Wanderung bereits geküsst hatten. Doch danach versuchten sie so gut es ging den kleinen Vorfall nicht mehr zu erwähnen. Inzwischen hatte sich das grundlegend geändert und sie lachten über den Tag, als sie wie zwei Teenager verschämt nebeneinandersaßen und nicht so recht wussten, wie sie mit dem Kuss umgehen sollten….

 

Nachdem Carmen sich noch einmal umdrehte und ihm noch kurz zuwinkte um dann in eine kleine Seitenstraßenecke in Richtung der Boutique abzubiegen, brach der Detektiv in Richtung seines kleinen Büros auf. Dabei grinste er, da er genau wusste, dass Carmen in spätestens fünfzehn Minuten sehr niedergeschlagen sein würde, wenn sie erfuhr, dass die Tasche bereits verkauft war. Es machte ihm immer wieder Spaß seine Freundin mit genau solchen Aktionen zu ärgern.

 

Auf dem Weg zum Büro stoppte er noch kurz, um sich in einem kleinen Bistro einen Kaffee zu holen und bog keine zehn Minuten später in die Straße ein, in der sein Büro lag.

 

Das Gebäude lag recht zentral in der Carrer de Bonaire und Ben hatte nicht lange überlegen müssen, das kleine ehemalige Immobilienbüro anzumieten. Er hatte die Fenster mit einem eigenen Banner ein wenig aufgewertet und schicke Büromöbel für die zwei Räume gekauft. Vor dieser Zeit empfing er gelegentlich wichtige Klienten in seiner Stadtwohnung, die er über eine alte Bekannte seiner Eltern gekauft hatte und mit deren Adresse er nicht in Verbindung gebracht werden konnte. Inzwischen empfand er es aber als sehr angenehm, dass er diese nun ausschließlich privat nutzte und Klienten in seiner eigenen Detektei empfangen konnte. Ein weiterer Vorteil bestand darin, dass er nun auch eine Anlaufstelle für Laufkundschaft hatte, die direkt von Maria empfangen werden konnte.

 

Zudem musste Carmen nicht mehr seine Telefonistin mimen. Da sie sich aus Kinderzeiten kannten, war sie so nett gewesen und hatte für Ben die Telefonate empfangen und die Aufträge dann immer an ihn weitergeleitet. Aber auch das gehörte inzwischen der Vergangenheit an. Ben betrat durch die Eingangstür den Empfangsbereich und begrüßte seine Sekretärin und Empfangsdame. Maria trug ihre Haare wie immer zu einem Dutt geknotet und dazu passend elegante Kleidung. Auch wenn Ben ihr immer wieder sagte, dass sie ruhig legerere Kleidung tragen könne, widersprach sie ihm immer wieder und erklärte ihm, dass sie die Detektei Werner schließlich repräsentiere und deswegen angemessen gekleidet sein wolle.

 

Für die Führung seines kleinen Büros war sie perfekt: Gut organisiert, freundlich und zuvorkommend, aber wenn es sein musste auch sehr bestimmt.

 

» Guten Morgen Señor Werner «, begrüßte sie ihn strahlend. » Schön, dass sie auch mal wieder vorbeischauen, es gibt ein wenig Post zum Bearbeiten! «

 

» Buenas Dias, Maria. Ben reicht völlig aus, es muss wirklich nicht so förmlich sein «, wiederholte Ben sicherlich zum tausendsten Mal, doch Maria war da sehr eigen. Er war der Chef, also siezte sie ihn und weigerte sich konsequent dies zu ändern.

 

Der Empfangsbereich, der gleichzeitig der erste der beiden Räume war, bestand aus einem Wartebereich mit vier Stühlen, die an der Wand links von Marias Schreibtisch standen. Der Schreibtisch stand schräg rechts vor der hinteren Wand, mit Blick Richtung Tür. Dahinter saß Bens Mitarbeiterin und arbeitete an ihrem PC. Seit Ben das Büro angemietet hatte, brachte er immer wieder alte Akten aus seiner Wohnung mit, damit Maria diese im Computersystem der Kanzlei digitalisierte und sortiert hinterlegen konnte. Danach wanderten die Akten in Kisten und anschließend in ein kleines Kellerabteil, das zu dem Büro gehörte. So schaffte Ben ein bisschen mehr Platz bei sich zu Hause und legte im Büro ein neues elektronisches Ablagesystem an. Zudem war Maria erst einmal mit dieser Aufgabe sinnvoll beschäftigt, da die Detektei im Winter sicher so gut wie keinen Auftrag bekommen würde.

 

» Wie geht es Ihnen? Ich hoffe die Ablage bereitet keine Schwierigkeiten? «, wollte Ben wissen.

 

» Gut soweit, danke, ich kann nicht klagen. Bisher habe ich zwei Akten, zu denen Sie mir noch ein, zwei Sachen erklären müssen. Sie liegen mit einem Klebezettel samt der Post in ihrem Büro. Ansonsten komme ich mit der Eingabe sehr gut voran. «

 

Bens Arbeitszimmer war im hinteren Bereich der Detektei gelegen. Man gelangte durch eine Tür links neben dem Empfangsbereich hinein. Ben nickte seiner Sekretärin freundlich zu und ging in sein Büro.

 

» Wie geht es denn Señora Carmen? «, fragte Maria von ihrem Schreibtisch aus. Ben blieb in der Tür stehen. Carmen wurde von Maria im Gegensatz zu ihm immer beim Vornamen angesprochen – aber sie war ja auch nicht die Chefin.

 

Ben antwortete: » Noch gut, das wird sich aber innerhalb der nächsten Stunde ändern. Sie wissen ja warum. Sie ist gerade bestimmt in der Boutique und sucht die Tasche in den Regalen. «

 

Dabei grinste er süffisant. Maria erwiderte sein Grinsen mit einem Lächeln und warf Ben vor, seiner Freundin gegenüber gemein zu sein. Trotzdem fand sie Bens kleine Aktionen nach wie vor witzig und war der Meinung, man könne daran sehen, wie wichtig ihm seine Freundin war.

 

» Die Tasche ist nach wie vor in ihrem Büro und ich habe das Geschenkpapier besorgt, genau wie Sie es aufgetragen haben. «

 

Ben bedankte sich und erfuhr, dass sich immer noch vereinzelt Reporter von der Insel und aus Deutschland meldeten, um eine Stellungnahme von Ben zu den Geschehnissen am Cap de Formentor und zum Fall der entführten Lydia Ludwig baten. Maria hatte die Zettel mit Kontaktdaten ebenfalls auf Bens Schreibtisch gelegt. Dabei lag der Fall bereits zwei Monate zurück und Ben hatte gehofft, dass diese Anfragen langsam nachlassen würden. Nachdem er aber erneut in den Medien erwähnt wurde, da er die Diebesbande von Palma überführt hatte, war das mediale Interesse an ihm und seiner Detektei erneut angefacht worden.

 

Während er um seinen Schreibtisch herumging, begutachtete er schon einmal die fein säuberlich in der Mitte platzierten und sortierten Stapel mit der Post. Sie waren bereits ordentlich und nach Dringlichkeit abgelegt. Daneben lagen die zwei Akten, von denen Maria gesprochen hatte, auf denen drei kleine Haftnotizzettel mit den Telefonnummern der Reporter klebten. Während Ben sich setzte, sah er sechs Namen und Nummern.

 

Direkt nach Abschluss des Falles kamen mehrere Anfragen der Medien diesen Auftrag betreffend, die Ben aus Diskretion nicht beantwortete. Natürlich fanden die Medien andere Quellen und berichteten über die Entführung und die Beteiligung einer machtbesessenen amerikanischen Holding, aber weder Herr Ludwig noch er hatten diese Informationen herausgegeben. Im Zweifel hatte die Guardia Civil der Presse Hinweise gegeben oder aber Einsicht in die Ermittlungsakte gewährt. Auch zu dem Thema Korruption bei der hiesigen Stelle der Guardia Civil gab es mehrere Zeitungsartikel und sogar Fernsehberichte in den Nachrichten. Dank Bens Ermittlungen und in enger Zusammenarbeit mit der Behörde, hatte man inzwischen die korrupten Beamten ausfindig gemacht und entsprechend der spanischen Gerichtsbarkeit zugeführt.

 

Eigentlich war es dem Detektiv von vornherein klar, dass all dies nicht ohne Kenntnisnahme der Öffentlichkeit geschehen würde.

 

Eigentlich sollte Ben sich über diese Publicity freuen, aber letztendlich wollte er lieber seine Ruhe haben. Er beschloss, dass auch diese Reporter keinen Anruf von ihm erhalten würden. Viel würde er nicht sagen können, zumal er nichts über seinen Auftraggeber und dessen Tochter preisgeben würde.

 

In der Post fand er weitere Anfragen der verschiedensten Pressestellen und sortierte die Kontaktdaten in sein Adressbuch. Vielleicht würde er die Nummern irgendwann einmal bei einem anderen Fall brauchen können.

 

Im Endeffekt befanden sich sonst nur noch Rechnungen für die Detektei sowie etwas Werbung in der Post. Maria hatte bereits das Wichtigste erledigt sowie die Überweisungen getätigt, allerdings legte sie die Rechnungen immer zu Bens Kenntnisnahme auf den Schreibtisch, bevor sie diese in die entsprechenden Ordner einsortierte.

 

Nachdem Ben die zwei Fallakten durchgesehen und seiner Sekretärin die Fragen zu diesen Fällen beantwortet hatte, ging er zurück in sein Büro und schloss die Tür. Er holte aus seinem Aktenschrank neben seinem Schreibtisch die Tasche hervor, die er in der kleinen Boutique gekauft hatte. Es war eine braune Lederhandtasche, die mit edlen Schnallen und Steinen versehen war. Sie war sehr geschmackvoll und dezent gehalten. Carmen hatte ein gutes Händchen beim Kauf von Modeaccessoires, wie sie ihm immer wieder bei ihren Stadtbummeln bewies. Immerhin besaß sie ja selber eine Boutique und designte Kleidungsstücke, da war es ja auch eigentlich nicht verwunderlich.

 

Maria hatte ihm auf seine Bitte hin eine Rolle mit schlichtem Geschenkpapier gekauft. Er machte sich sofort daran, die Tasche zu verpacken, immerhin blieb ihm nicht mehr so viel Zeit bis zu ihrem Treffen.

 

Er freute sich auf das Wiedersehen mit Carmen und das Strahlen ihrer Augen, wenn er ihr die Tasche überreichen würde.

 

Nachdem er mit dem Verpacken fertig war, blieb ihm noch eine halbe Stunde, um zu dem Restaurant, einem kleinen Italiener in der Innenstadt, zu schlendern. Ben verstaute das Geschenk in einer undurchsichtigen Einkaufstüte von einem hiesigen Herrenausstatter, bei dem er das letzte Mal, als er alleine in Palma war, einen Pullover gekauft hatte. Tüte samt Inhalt hatte er zur Tarnung in seinem Büro aufgehoben. Sein Plan bestand darin, das Geschenk für Carmen unter diesem Pullover zu verstecken, damit sie bei einem neugierigen Blick in die Tüte nicht sofort das Geschenkpapier entdeckte. Dann verabschiedete sich Ben von seiner Sekretärin und machte sich langsam auf den Weg.

 

Als er in Richtung des Italieners schlenderte, machte er noch an einem kleinen Blumengeschäft Halt und kaufte eine rote Rose, die er mit ein wenig Grün verschönern ließ. Er hoffte inständig, dass Carmen aus Frust noch in irgendeiner Boutique festhing und er als erster in dem Restaurant ankäme. Er würde den Kellner bestechen, dass dieser die Tüte für ihn aufbewahrte und er erst nach dem Essen mit dem Geschenk von einem vorgetäuschten Toilettengang zurückkäme. Die Tüte mit dem Pullover war eine reine Vorsichtsmaßnahme, damit seine Überraschung auf jeden Fall funktionieren würde, sollte Carmen vor ihm im Restaurant sein.

 

Angekommen lugte Ben vorsichtig durch das Fenster in das Restaurant hinein. Er hatte Glück, Carmen war noch nicht da, so dass Ben seinen Plan mit dem Kellner absprechen konnte.

 

Er betrat das Lokal und steuerte zielstrebig die Ladentheke an, hinter der ihn ein freundlicher Mitarbeiter begrüßte. Ben schilderte ihm kurz die Lage und bat ihn, die Tüte für ein großzügiges Trinkgeld zu verwahren. Er würde nach dem Essen auf Toilette gehen und dann die Tüte am Tresen abholen. Als der Kellner in Bens Plan eingeweiht war, grinste er und versprach sich nichts anmerken zu lassen.

 

Er sollte nach dem Essen schon einmal eine Flasche Sekt bereithalten, die Ben dann samt dem Geschenk mit an den Tisch nehmen wollte.

 

Anschließend setzte sich Ben ohne seine Tüte an Carmens Lieblingstisch, legte die Rose neben ihrem Teller ab und blickte kurz im Raum umher. Gäste saßen nur an einem Tisch. Um diese Jahreszeit waren schließlich kaum Touristen auf der Insel und wenn, wurden die Restaurants eher abends gut besucht. An einem Tisch am anderen Ende des Lokals saß ein junges Pärchen, das wahrscheinlich gerade die Semesterferien auf der Insel verbrachte und durch Zufall hier essen war.

 

Ben bestellte schon einmal eine große Flasche Wasser für sich und seine Freundin und wartete noch weitere zehn Minuten, bis Carmen mit einem sehr traurigen und enttäuschten Gesicht, dafür aber mit drei Einkaufstüten beladen in das Restaurant trat.

 

Sie begrüßte ihn mit einem zärtlichen Kuss und teilte ihm deprimiert mit, dass sie ihre heißgeliebte Tasche nicht mehr bekommen habe. Sie entschuldigte sich: » Tut mir wirklich leid, dass ich zu spät bin, aber als ich diese schöne Tasche nicht mehr bekommen habe, war ich so frustriert, dass ich beim Frustshoppen die Zeit ganz vergessen habe. «

 

Ben spielte ihr sein Bedauern vor und sagte: » Das tut mir sehr leid, Liebste, aber du warst scheinbar trotzdem erfolgreich. Ich hoffe, das Essen hier wird dich aufheitern. «

 

Innerlich machte er aber schon jetzt Luftsprünge, da er wusste, dass sein Plan mehr als gut funktioniert hatte. Lediglich, dass Carmen nun für so viele andere Kleidungsstücke Geld ausgegeben hatte, würde sie ärgern.

 

Nachdem sie die Tüten auf einen der freien Stühle gestellt und sich Ben gegenübergesetzt hatte, fuhr sie fort: » Das ist auch keine Genugtuung. Die Verkäuferin erzählte mir, dass ich keine zwei Wochen zu spät bin. Irgendein gutaussehender Kerl hat sie wohl für seine Freundin gekauft. «

 

» Echt ärgerlich, du hättest sie wohl direkt mitnehmen sollen «, entgegnete Ben.

 

Carmen entdeckte die Rose neben ihrem Teller, was ihre Laune ein wenig anhob. Sie bedankte sich mit einem weiteren Kuss bei ihm. Während sie bestellten und auf ihr Essen warteten, musste Ben sich weiter anhören, wie traurig seine Freundin doch sei, dass sie dieses schöne Stück nicht mehr bekommen habe und begründete ihm, warum gerade diese Tasche ihr so besonders gefallen habe. Er war froh, als sie endlich zu einem anderen Thema kam, nämlich ihm ausführlich von ihren Shoppingerrungenschaften des Tages erzählte.

 

Nach dem Essen entschuldigte Ben sich kurz, um die Toilette aufzusuchen und zwinkerte im Vorbeigehen dem Kellner zu, der sich die ganze Zeit über beim Bedienen nichts hatte anmerken lassen. Ein großzügiges Trinkgeld war ihm somit sicher.

 

Als Ben zurückkam, hatte der Kellner bereits die Tüte hinter der Theke bereitgestellt, die Ben an sich nahm. Dazu griff er sich die von dem Kellner bereitgestellte gekühlte Flasche Sekt und zwei Sektgläser und kehrte zu seiner Freundin an den Tisch zurück.

 

Er grinste sie an, während er die Flasche Sekt und die Gläser auf den Tisch stellte und sagte: » Vielleicht heitert dich ja ein wenig Alkohol wieder auf. « und setzte sich wieder auf seinen Platz. Carmen sah ihn ein wenig verwirrt an und wollte gerade nach der Tüte fragen, doch Ben kam ihr zuvor. » Ich war auch shoppen und habe diesen wundervollen Pullover entdeckt, für die kommenden kühlen Temperaturen «, fuhr er fort, während er den pastellfarbenen Pullover aus der Tüte hervorzog.

 

» Ja aber… warum… «, stammelte Carmen sichtlich irritiert. Der Kellner war bereits zum Tisch geeilt, öffnete die Flasche und goss beiden den Sekt ein.

 

» … weil ich eine kleine Überraschung für dich habe, Schatz! «, unterbrach Ben seine Freundin und zog nun das Geschenk aus der Tüte hervor und überreichte es ihr.

 

Natürlich erkannte sie sofort die Form unter dem Papier und ihre Augen leuchteten auf.

 

» Ben Werner, es ist nicht das, was ich denke, oder? «, fragte sie ihn mit warnendem Unterton. » Wenn ich nun wegen dir die ganze Zeit miesgelaunt durch die Gegend gelaufen bin und umsonst so viel Geld ausgegeben habe, dann hast du gleich richtig Ärger. «

 

Ben wusste, dass sie den letzten Satz nicht ganz ernst meinte, sondern sich die ganzen Sachen letztendlich doch gekauft hätte.

 

» Den habe ich doch immer, wenn ich dir etwas schenke! «, neckte Ben sie.

 

Sie lächelte und entgegnete: » Ja, da du Schuft mich auch immer ärgern willst. «

 

Ben forderte seine Freundin auf, erst einmal mit ihm anzustoßen. Also nahmen die beiden ihre Gläser und tranken einen Schluck des kühlen Sekts, während Carmen schon ganz unruhig auf ihrem Platz hin und her rutschte. Ben hatte das Geschenk auf dem Tisch abgestellt und hielt es mit seiner Hand fest.

 

Nachdem beide Gläser wieder auf dem Tisch standen und Carmens Leuchten in den Augen immer ungeduldiger wurde, sagte Ben grinsend: » Na gut, du hast lange genug gelitten, du darfst auspacken. «

 

Mit diesem Satz schob er die verpackte Handtasche zu Carmen hinüber, die sich unmittelbar an das Zerreißen des Papiers machte. Ihre Augen strahlten und sie begutachtete die Handtasche glücklich von allen Seiten.

 

Ben hatte wieder mal einen Treffer gelandet. Seine Freundin freute sich und nahm ihm seinen Streich nicht wirklich übel.

Als sie die Tasche wirklich mehr als genug angesehen und inspiziert hatte, legte sie das gute Stück neben sich auf den Stuhl, lehnte sich über den Tisch zu Ben herüber und gab ihm einen langen innigen Kuss.

 

» Ich glaub heute Abend hast du dir eine kleine Belohnung verdient «, grinste sie ihn breit an. Nachdem die beiden sich noch kurz über die Planungen der nächsten Wochen unterhalten hatten, zahlte Ben die Rechnung und beide machten sich Arm in Arm auf den Rückweg zur seiner Wohnung, wo sie die Nacht vor ihrer Rückfahrt nach Manacor verbringen wollten. Allerdings machten sie einen kleinen Umweg und schlenderten gemächlich die Strandpromenade von Palma entlang.

 

Als sie an Bens Wohnung ankamen, schloss er die Tür zu dem Wohnhaus auf und überließ Carmen den Vortritt. Sie gingen wie immer zu Fuß über die edle Marmortreppe in den dritten Stock. Beide waren der Meinung, dass man wenn möglich, immer etwas für die Gesundheit tun solle. Im dritten Stock angekommen, schloss Ben die massive Holztür auf und betrat mit seiner Freundin die Wohnung. Seit dem ersten Tag, den Ben hier wohnte, fühlte er sich pudelwohl in diesen vier Wänden. Er hatte die 80m² große Maisonette- Wohnung dank der Hilfe einer Bekannten seiner Mutter sehr günstig erworben. So ein Objekt in der Lage zu finden war schließlich keine leichte und eine noch weniger preiswerte Angelegenheit.

 

Die drei Zimmer waren auf zwei großzügigen Ebenen verteilt und von Bens Dachterrasse im oberen Stock war der Ausblick mehr als atemberaubend. Von dort konnte man die gesamte Altstadt von Palma überblicken und auch die Aussicht auf die Kathedrale von Palma, das Wahrzeichen der Inselhauptstadt, beeindruckend. Der Vorbesitzer war ein reicher Bauunternehmer gewesen und so war an luxuriösen Materialien, wie Marmor und teurem alten, aber wunderschön aufgearbeitetem Holzparket nicht gespart worden.

 

Vom Eingangsbereich aus, konnte man ein kleines Gäste-WC erreichen und geradeaus in das großzügige Wohnzimmer samt offener Küche gelangen. Die Küche, wie auch die restliche Einrichtung stammte von Ben.

 

Die Küche war weiß und zeitlos modern, Ben hatte sie damals mit dem Nötigsten eingerichtet. Inzwischen hatte Carmen allerdings dafür gesorgt, dass alle wichtigen Utensilien vorhanden waren und wenn sie länger in Palma blieben, sorgte sie auch dafür, dass das Ambiente mit frischen, gut riechenden Blumen vom Markt dekoriert wurde. Von der Küchenzeile aus konnte man ebenfalls nach draußen treten. Eine kleine Loggia bot idealen Platz für zwei zum gemeinsamen Essen oder Entspannen. Im Wohnzimmer stand ein edler Esstisch aus Holz, der die Küche von der Couchecke auf der anderen Seite abtrennte und an dem mühelos acht Gäste Platz fanden.

 

Auf der unteren Ebene hielten sich die beiden Verliebten aber nur kurz auf. Nachdem Carmen ihre neue Tasche im Eingangsbereich sorgsam an der Garderobe aufgehängt, sie noch einmal liebevoll betrachtet und anschließend eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank genommen hatte, nahm sie Ben an die Hand und führte ihn aus dem Wohnzimmer über eine Holztreppe in die obere Etage. Hier befanden sich das Badezimmer mit angeschlossenem Schlafzimmer und dem Zugang zur Dachterrasse sowie Bens Büro. Gerade zu Beginn seiner Zeit auf Mallorca, als Ben die Wohnung frisch gekauft hatte, beeindruckte er die eine oder andere Touristin mit dem Ausblick von der zweiten Etage. Diese Zeit hatte er aber nun seit langem hinter sich gelassen und war glücklich, dass er nicht irgendeine der Frauen nach oben führte, sondern dass es Carmen war, die ihn geradewegs in das 20m² große Schlafzimmer führte.

 

Kurz vor dem Bett ließ sie Bens Hand los, ging an dem Bett vorbei und während sie sich zu ihm umdrehte, sagte sie: » Ben, lass uns baden gehen, mir ist irgendwie danach. «

 

Dann verschwand sie im Badezimmer und Ben hörte, wie sie den Wasserhahn von seinem Whirlpool aufdrehte und das Wasser zu plätschern begann.

 

Innerlich musste Ben erneut grinsen. Mit seiner Handtaschenaktion hatte er mal wieder voll und ganz ins Schwarze getroffen. Er folgte seiner Freundin in das Badezimmer, von dessen fast bodentiefen Fenstern aus man beim Baden einen wunderschönen Panoramaausblick über die Stadt genießen konnte – Entspannung pur. Als er durch die Tür kam, saß Carmen bereits bis auf ihre Unterwäsche entkleidet auf dem Rand des Whirlpools und spielte mit der Hand im einlaufenden Wasser.

 

Als Ben direkt neben ihr stand, blickte sie ihn mit einem Strahlen an und fragte ihn neckisch: » Na, kommst du dir deine Belohnung abholen? «

 

Der Abend endete so, wie Ben es sich erhofft hatte. Beide genossen das Bad, während sie im Wasser aneinander gekuschelt auf die Lichter Palmas herabblickten.

 

Anschließend gingen sie zurück ins Schlafzimmer und liebten sich leidenschaftlich und innig, bis sie erschöpft nebeneinander einschliefen….

Kurze Nacht

 Um drei Uhr nachts klingelte das Handy. Ben drehte sich in Richtung Nachttisch und fluchte leise vor sich hin. Wer würde denn jetzt nach diesem wundervollen Abend stören? Ein Blick auf seinen Funkwecker neben dem Bett, verriet ihm, dass es erst halb eins in der Nacht war. Auch Carmen war von dem Klingeln wach geworden und mahnte mit leiser, verschlafener Stimme: » Ben, bitte geh ran, sonst werfe ich dein Handy aus dem Fenster. «

 

 

Ben gähnte und lächelte erheitert über die Drohung seiner Freundin und entgegnete: » Ich bin schon weg, schlaf weiter, meine Süße. «

 

 

Während er das Handy ergriff und aus dem Schlafzimmer huschte, hörte er Carmen noch etwas murmeln….

 

Nach einem Blick auf das Handydisplay wusste er, dass es Maria war. Sofort war er hellwach und nahm ab, während er in sein Büro schlich und die Türe leise hinter sich schloss. Seine Sekretärin rief sicher nicht ohne Grund zu solch einer Zeit an. Entweder war etwas mit der Detektei passiert, oder aber es handelte sich um einen dringenden Notfall.

 

» Guten Morgen Maria, was gibt es? «, fragte Ben, der die letzte Müdigkeit abgeschüttelt hatte.

 

» Guten Morgen Señor Werner, Entschuldigung, dass ich Sie so früh wecken muss «, begann Maria. » Ich würde nicht anrufen, wenn es nicht wichtig wäre «.

 

» Ich weiß, keine Sorge. Sie sind ja sicher auch nicht grundlos wach - was ist passiert? «

 

» Ein deutscher völlig aufgelöster Millionär namens Herr Thomsen hat vor zwanzig Minuten aus Düsseldorf in der Detektei angerufen und wurde von unserer Telefonanlage direkt zu mir aufs Handy durchgestellt. Er sagte, er kenne Herrn Ludwig und habe von diesem von Ihnen und der Detektei gehört. Sein Sohn ist heute Nacht auf der Insel gestorben und er bittet Sie, sofort zum Unfallort zu fahren! «

 

Ben brauchte einen Moment um die Situation zu erfassen. Herr Ludwig hatte anscheinend Werbung für ihn bei seinen Unternehmerfreunden gemacht, was ihn auf der einen Seite sehr erfreute, aber dass sein neuer Klient den Tod seines Sohnes zu beklagen hatte, erschütterte ihn auf der anderen Seite sehr. » Und wohin soll ich fahren? Hat der Vater sonst noch etwas gesagt? «, wollte Ben wissen. Seine Gedanken überschlugen sich.

 

Maria antwortete sofort, als habe sie mit dieser Frage gerechnet: » Sie müssen zum Gran Meliá De Mar Hotel, dort ist es passiert. Der Vater ist natürlich außer sich vor Bestürzung. Herr Thomsen will so schnell wie möglich nach Palma fliegen. Sein Sohn war mit Freunden im Urlaub und soll laut der hiesigen Polizei betrunken bei einem Fenstersturz ums Leben gekommen sein. Der Vater kann und will das nicht glauben, deswegen sollen Sie so schnell wie möglich zum Unglücksort aufbrechen, um die Situation zu klären. «

 

Während seine Sekretärin sprach, hatte Ben den Namen des Hotels notiert. Es lief ihm kalt den Rücken hinunter. Jugendliche stürzten des Öfteren betrunken von Hotelbalkonen beim sogenannten Balconing. Zu diesem Thema standen schon oft lange Artikel in den Lokalzeitungen. Meist waren es junge Touristen aus England, die betrunken von einem auf den anderen Balkon klettern, weil sie sich gegenseitig etwas beweisen wollen oder aber einfach nur ihren Schlüssel im Zimmer

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Sascha Schäfer
Bildmaterialien: Sascha Schäfer
Tag der Veröffentlichung: 11.02.2016
ISBN: 978-3-7396-3728-0

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