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Es war Heiligabend und ich stiefelte alleine durch den tiefen Schnee. Meine Mutter hatte mich noch schnell in die Innenstadt geschickt, um das teure Aftershave für Papa zu besorgen, was er sich wünschte. Natürlich hatte Mum das total vergessen und ihr war erst eben beim einpacken der Geschenke aufgefallen, dass sie noch nichts für Papa hat. Und wer darf sich jetzt durch den Schnee kämpfen um Mum aus der Klemme zu helfen? Ich, wer sonst?!
Obwohl meine Mutter genau weiß, dass ich Weihnachten nicht leiden kann. Alle Menschen sind auf einmal glücklich und keiner versteht wenn’s einem beschissen geht. Zum Beispiel letztes Jahr habe ich genau an Heilig Abend eine Abfuhr bekommen. (Ein weiterer Grund warum ich Weihnachten nicht mag.) Damals war ich über beide Ohren in Jan verliebt, aber er hat meine Gefühle nicht erwidert. Meine Familie hat nicht verstanden warum es mir wegen einer solchen „Kleinigkeit“ so schlecht gehen kann und hat mich auf mein Zimmer geschickt. Natürlich ohne Plätzchen oder Lebkuchen. Ich durfte erst wieder runterkommen als ich mich gefangen hatte, mit ich den anderen Leuten die Stimmung nicht vermiese. Danach musste ich lachend irgendwelche Lieder singen, obwohl ich am liebsten geweint hätte….
Ich zog meinen Schal bis zur Nase zu und kniff die Augen zusammen, um etwas bei dem dichten Schneefall zu sehen. Meine Finger taten wegen der Kälte weh und meine Füße wurden immer schwerer und schwerer. Wie ich so was hasse! Ich könnte jetzt vor dem warmen Ofen sitzen, Lebkuchen essen und Tee schlürfen. Aber nein, die Marie kämpft sich durch die Menschenmenge in der ungeräumten Fußgängerzone. Der Schnee war schon ziemlich platt, matschig und alles andere als weiß, trotzdem war das gehen sehr anstrengend. Als ich endlich eine Parfümerie erreichte, stürzte ich mich direkt in den Aufzug um auf die richtige Etage zu kommen. Als ich grade im Aufzug meine braunen Locken schüttelte ging die Tür noch mal auf. „Na wenn haben wir denn hier?“ hörte ich eine Stimme und schaute direkt in Daniels Augen. Ach du Schreck! Was macht der denn hier? Schoss es mir durch den Kopf. Daniel war der beste Freund von Jan. Von dem Jan, der mich nicht lieben kann!
Daniel stellte sich wie selbstverständlich neben mich in den Aufzug und fing an mich mit Fragen zu löchern: „Was machst du eigentlich hier? Kann es sein, dass du noch immer auf Jan stehst? Wie kommst du eigentlich darauf, dass er an dir Interesse haben könnte?“
Ohne etwas zu sagen schaute ich zum Boden. Ja, ich war noch immer in Jan verliebt, aber das musste er nicht wissen. „Hat’s dir die Sprache verschlagen?“ hakte er noch mal nach. „Jetzt pass mal auf! Es ist doch egal ob ich ihn noch liebe oder nicht! Außerdem bist du auch nicht ganz unschuldig dran, dass es so gekommen ist. Du hättest ihm klar machen können wie ich wirklich bin. Du wusstest ganz genau, dass der Brief und diese dummen Anrufe von Jasmina und somit nicht von mir waren. Daniel, wir waren mal Freunde!“ meckerte ich los. Genau in diesem Moment machte es „Rums“ und der Aufzug blieb stehen, aber die Türen öffneten sich nicht. Anscheinend bemerkte Daniel gar nicht das etwas nicht stimmte, denn er rechtfertigte sich seelenruhig zu meiner Behauptung. „Also Marie, erstens waren wir noch nie so richtig gute Freunde. Zweitens, warum bin ich jetzt schuld an deinem Desaster? Drittens, also du liebst ihn noch immer..“ In diesem Moment unterbrach ich ihn: „Ist dir eigentlich klar, dass der Aufzug stecken geblieben ist?“ Ohne etwas zu sagen nickte er nur. In totaler Panik drückte ich alle Knöpfe und ließ mich schließlich kraftlos auf den Boden sinken.
Was für ein Tag! Noch ein Grund mehr Weihnachten zu hassen! In meinem Selbstmitleid versunken vergaß ich fast, dass Daniel noch neben mit stand. Als er sich langsam zu mir runterbeugte sagte er: „Weißt du was? Ich rede noch mal mit Jan, ich wusste nicht das dir soviel an ihm liegt. Aber ich muss dir direkt sagen, es sieht schlecht aus, er hat vor kurzem so eine Lena kennengelernt…“ Und das gab mir den Rest! Mir liefen die Tränen wir Wasserfälle über die Wangen und ich schlurzte wie ein Schlosshund. Warum immer ich? Heute jährt sich der schlimmste Tag meines Lebens, ich sitze im Aufzug fest und er eröffnet mir, dass Jan eine andere hat!
Daniel nahm mich in den Arm und flüsterte: „Marie, keine Angst. Wir kommen hier bestimmt bald wieder raus und dann wird alles gut!“ Er drückte mich fest an sich und streichelte mir den Rücken. „Du bist nicht die einigste die Unglücklich verliebt ist, mir geht’s genauso! Ich weiß wie es ist, wenn man einen Korb bekommt und diese Person trotzdem liebt.“ erzählte er.
Ohne das ich etwas sagte, erzählt er weiter: „Aber heute ist Weihnachten, da müssen wir den ganzen Schmerz vergessen. Weihnachten ist das Fest der Liebe und Liebe heißt auch für die anderen glücklich zu sein. Man trifft sich mit der ganzen Familie und versucht anderen Freude und Glück zu schenken, das geht aber nur wenn man es schafft zu lächeln. Jedes Jahr sagt meine Oma zu mir:’Wenn ich dich nicht hätte, hätte ich es nicht bis Weihnachten überlebt. Du gibst mir Kraft mit deiner Lebensfreude.’“ Danach herrschten Stille. Ich hatte mich beruhigt und ihm aufmerksam zugehört und er hat Recht. Ich musste stark sein, für meine Eltern, meinen kleinen Bruder Timmi, meine beiden Omas und für meine anderen Verwandten und natürlich für mich selbst. Ich schaute ihn lange schweigend an. Vielleicht war es Schicksal ihn hier zu treffen, oder doch nur ein Zufall? Bevor ich ihm danken konnte, dass er mir die Augen geöffnet hatte, öffnete sich plötzlich mit einem lauten „Rums“ die Aufzugtür. Daniel sprang auf, nickte mir zu und verschwand.
Ich brauchte etwas länger um auf die Beine zu kommen. Als ich aus dem Aufzug stieg, schaute ich mich noch mal um. Von Daniel war keine Spur mehr. Noch etwas verwird kaufte ich das Aftershave für meinen Vater und machte mich auf den Weg nach Hause. (Dieses mal nahm ich aber die Treppen. =) )
Während dem gehen macht ich mir viele Gedanken, welche Fehler ich alle schon gemacht habe und wann ich mich falsch verhalten habe. Mir war klar, ich werde was ändern und auch mehr an die anderen denken. Zu Hause angekommen viel ich erstmal meiner Mutter in die Arme. „Für was war das?“ fragte sie lächelt. Ich zuckte mit den Schultern und überreichte ihr das Geschenk für Papa. Danach lenkte ich Timmi ab mit meine Eltern den Baum schmücken und die Geschenke unter den Baum legen können. Ich zog mir und meinem süßen Bruder eine Weihnachtsmütze über und machte laute Weihnachtsmusik an. Während der kleine in seinem Hochstuhl sich sichtlich über meine Gesangskünste amüsierte, versuchte ich Plätzchenteig zu machen. Während ich mich zum Kühlschrank wendete um Eier zu nehmen, holte Timmi das Mehl in die Hand. Als ich mich grade mit den Eiern in der Hand umdrehte, schüttete Timmi mir die ganze Packung Mehl über. Eigentlich hätte ich ihn angeschrien, aber als ich seine Augen vor Freude funkeln sah, lachte ich mit ihm darüber. Mir war klar. dass der Kleine es nicht Böse meinte und ich als große Schwester muss so was einfach tolerieren können. Als Timmi dann noch anfing „In der Weihnachtsbäckerei“ zu singen, war ich vollkommen hin und weg. Es war zwar nicht perfekt und man verstand viele Wörter noch nicht, aber mich interessierte das alles nicht. Die Hauptsache war er hatte Spaß. Als wir grade total in Stimmung waren und mehr schrien als singen, klingelte es. „Machst du auf? Das ist bestimmt eure Oma“ hörte ich meinen Vater aus dem Wohnzimmer rufen. Lachend nahm ich Timmi auf den Arm und wir beide gingen zur Tür. Timmis ganzer Körper war total weiß von dem Mehl, ich selbst hatte Eiweißreste auf meinem Oberteil kleben, in meinem Gesicht Schokoladenreste und war genauso wie Timmi voll mit Mehl und obendrein hatte ich einen roten Marmeladenfleck auf meiner Nase. Noch immer lautstark singend öffnete ich die Tür und erstarrte. Die Gestalt vor meiner Tür war nicht meine Oma, sondern Daniel! Total geschockt schaute ich ihn an, während Timmi noch immer sang. „Wie ich sehe wart ihr grade am backen, hast du trotzdem kurz Zeit?“ er lächelte mich an. Ich lächelte zurück „Für dich immer. So lange dich es nicht stört wie ich aussehe…“ ich stoppte. Genau in diesem Moment kam Jan um die Ecke und steuerte direkt auf uns zu. Ich schaute Daniel mit offenem Mund an. Er war jetzt richtig am lachen und meinte nur: „Merry Christmas“ und verschwand. Ich schaute zu Jan, der bestimmt keine 10 Sekunden mehr brauchte bis er vor mir steht.
Beruhig dich Marie, du schaffst das, redet ich mir selbst ein. Ich merkte wie meine Beine drohten nachzugeben und mein Gehirn aufhörte zu Funktionieren. Oh Gott! Ich steh das nicht durch! Dachte ich noch und dann war es so weit. Jan stand vor mir. Er schaute mich an, grinste und sagte „Hi“. Ach du scheiße! Ich hab noch nie mit Jan mehr als drei Wörter gesprochen, weil er mich immer gemieden hatte! Mein Gehirn war total überfordert und ich somit sprachlos. Ich bekam nicht mal ein „Hi“ raus und schaute ihn nur hilflos in die Augen. *seufz* Diese Augen….ein Traum. Mein Herz schlug wie verrückt und ich bekam obendrein noch Luftnot. Jan schaute mich leicht irritiert an und fing wieder an zu reden: „Daniel hat mit mir gesprochen. Ich weiß jetzt wie es wirklich war. Es tut mir echt leid, dass ich so falsch reagiert habe, aber ich würde es noch mal so machen. Ich weiß auch das du mich noch immer liebst und das find ich auch süß, aber…“ Ich wusste genau was jetzt kam. War doch so klar! Es wäre ein zu schöner Tag gewesen. Ich hasse Weihnachten!
Noch bevor er weiter sprach, brach in mir erneut eine Welt zusammen. Meine Welt, die ich mir so sehr erwünscht und erträumt hatte. „Aber“ fing er wieder an „man kann nicht alles haben. Ich glaube zwar, du bist im Moment total auf mich sauer, aber ich wollte es dir persönlich sagen.“ Ich schluckte. Nein, sauer war ich nicht, nur mehr als fertig mit mir und meinem Leben. Es hat eindeutig keinen Sinn mehr. Warum bin ich überhaupt auf der Welt? Ich bekomm doch eh nur die Scheiße über…
Jan stand noch immer vor mir und schaute mich erwachtungsvoll an. Was sollte ich dadrauf sagen? Mir würde zwar vieles dazu einfallen, aber ich war zu schwach dafür. Erst als Timmi mich unsanft in die Seite kniff, bekam ich endlich einen Ton raus. „Was fällt dir eigentlich ein? Du kannst doch nicht einfach in mein Leben schneien und mir so was an den Kopf werfen! Falls du’s vergessen hast, Weihnachten ist das Fest der Liebe und man feiert das mit den Menschen die man liebt, also hast du hier nichts zu suchen. Tu uns beiden einen gefallen und verpiss dich!“ Meine Stimme klang überzeugend stark und zitterte nicht. Ohne ihn anzusehen kickte ich die Tür zu. Doch bevor sie sich ganz schloss stellte Jan seinen Fuß dazwischen. „Jetzt hör mir doch bitte zu Marie, deswegen bin ich doch hier!“ Das war zu viel für mich, ich fing an zu weinen und ging auf die Knie runter. Mir war es egal, dass Jan mich sah, mein Leben war so gut wie vorbei. „Warum trappelst du noch auf einem Menschen rum wenn er schon am Boden liegt?`“ schlurzte ich voller Verzweiflung. Ich drückte Timmi an mich der mir sanft durchs Gesicht streichelte als wolle er mich trösten. Ich wollte doch Stark sein!
Schon wieder ergriff Jan das Wort, ich wusste nicht, dass ein Mensch so dreist sein kann… „Nein, so ist das nicht!“ er beugte sich zu mir runter. Ich war innerlich ein totales Frack, aber er ging einfach nicht. „Marie schau mich an, bitte. Du hast da was falsch verstanden.“ Ich schaute ihn an und versuchte selbstsicher zu wirken, was in meiner momentanen Situation fast unmöglich war. „Ich liebe dich Marie. Ich liebe dich von ganzem Herzen und das meine ich ernst!“ Ich schaute ihn nur an. Ich musste erstmal das verarbeiten was ich grade gehört hatte, er liebt mich? Ohne nachzudenken sagte ich „Beweiß es mir!“ Er schaute mir in die Augen und bevor ich mich versah, küsste er mich. In mir explodierte ein Feuerwerk und meine Welt war plötzlich mehr als nur in Ordnung, sie war ein Traum! Seine Lippen waren so weich und das Kribbeln in meinem Bauch…


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.01.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Diese weihnachtliche Geschichte ist für meine Freunde, weil sie immer für mich da sind. Für Caro, die eindeutig die chaotischste von uns Vieren ist, für Ina, die jedem Jungen den Kopf verdreht und für Charly, die mir immer zuhört und nie aufgehört hat an mich zu glauben.

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