Langsam hauchst du den letzten Hauch des Lebens aus deinem Körper, während ich neben dir sitze und zuschaue. Ich fühle mich schlecht, denn ich war dafür verantwortlich. Dafür, dass du da lagst und mit dem Tod rangst. Deine Glieder bewegen sich hektisch, wehren sich dagegen. Doch es scheint, als würde der Sensemann neben mir stehen, mit der Sense in der Hand, bereit, einen Moment deiner Schwäche auszunutzen. Ich drücke deine Hand, will dir zeigen, dass du durchhalten musst. Stunden vergehen und nur das Piepsen der lebenserhaltenden Maschinen lässt mich wissen, dass du noch bei mir bist, dass der Sensemann noch nicht gewonnen hat. Ich kann ihn sehen. Er sitzt hinten in der Ecke, schaut zu dir hinüber.
Wartet.
Er ist geduldig. Ich habe immer gedacht, dass, wenn er kam, auch das Leben nahm. Doch er tat es nicht. Quälte dich weiter. Es wird Abend. Ich habe meine Hoffnung aufgegeben. Warum musste dieses verdammte Reh auch auf die Bahn springen? Vor kurzem erst hatte ich eine Sendung gesehen, dass man nicht ausweichen, sondern einfach das Tier überfahren soll. Besser als an einem Baum zu enden. Warum hatte ich es nicht getan? Das Auto war hin und du auch. Doch du kämpfst noch den Kampf mit dem Leben und Tod, wo ich dir nicht helfen kann. Dein Körper hebt und senkt sich gleichmäßig. Ist das ein gutes Zeichen? Bist du auf dem guten Weg? Ich merke, wie die Müdigkeit an meinem Körper nagt und ich lege meinen Kopf ans Fußende, starre dich an, wie du da friedlich liegst.
Etwas streichelt über meinen Kopf. Erschrocken und desorientiert schrecke ich auf und starre in deine Augen. Du hast gewonnen. Doch der Sensemann steht neben mir. Er war bereit.
Erst jetzt fällt mir dein leerer Blick auf, deine kalte Hand, die auf meiner Wange liegt. Ich nehme sie in meine Hand, versuche sie zu wärmen, doch deine Augen sagen mir, dass es vergeblich ist. Drei Worte dringen aus deinem Mund und ich drücke deine Hand, sage dir, dass du nicht gehen sollt. Der Sensemann breitet seine Hände aus. Du schenkst mir noch einen letzten Blick, während sie langsam zufallen. Eine Träne kullert deine Wange hinunter und dann ertönte dieses lange, nervende Piepen. Krankenschwester kamen herein gelaufen, mit einem Defibrilator. Versuchten dich wieder zurück zu holen. Doch der Sensemann wendet sich von uns ab und mir wird klar, dass es vorbei ist. Eine Seele mehr, die die Erde verlassen musste.
Tag der Veröffentlichung: 03.04.2010
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