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Vorwort

Vorwort:

 

Unheimliche Phantastik hat seit jeher die Menschen fasziniert. Sie entführt den Leser aus dem Alltag, zeigen ihm Orte und Geschehnisse, die er bisher nur aus seinen dunkelsten Träumen kannte.

Wer aber ist es, der uns diese haarsträubenden Abenteuer in einer Weise erzählt, dass wir von der Handlung mitgerissen werden, dass wir alles um uns herum vergessen, bis die Geschichte zu Ende gelesen ist? Wer hat die Fähigkeit, uns Leser derart zu verzaubern? Die Autoren Sarturias haben es in dieser Anthologie geschafft, uns das Unheimliche und Phantastische nahezubringen.

Kraft ihrer Worte nehmen sie uns mit auf eine Reise, deren Ausgang stets offen ist und ihr Können sorgt dafür, dass dem Reisenden keine Minute langweilig wird. Sarturias Autorenschule bot allen Autoren dieser Anthologie, ob schon erfahren oder Neuling, Hilfe und Anregung, um den Genuss der Lektüre noch weiter zu erhöhen.

In diesem Sinne wünsche ich viel Vergnügen, lehnen Sie sich zurück und verbringen Sie einige Zeit in den unwägbaren Gefilden der Unheimlichen Phantastik.

 

Ihr Herausgeber

Daniel Schenkel

Inhalt

 

     Hundert Jahre Unglück                            Andreas Zwengel

     An Margaret                                                  Judith Holle

     Das Täschchen                                               Abel Inkun

     A-Schnaa-Ru                                              Christian Reul

     Von unten                                               Daniel Schenkel

     Vanitas                                                     Meara Finnegan

     Das Rauschen                                           Angela Fleischer

     Der Fünfte Gast                                   Bernd Tannenbaum

     Schneemann                                               Renate Zawrel

     Das Uhrwerk des Dr. Tovic                         Daniel Schenkel

     Wenn Engel schreien                                       Paul Sanker

     Aus flammender Hölle                                    Dieter König

     Die Glückshaube                                  Claudia Peotrowsky

     Der Jäger                                                  Markus Cremer

   

 

Leseprobe -

Von unten

Daniel Schenkel

 

Es geht hinter mir, unter mir. – […] Hohl, hörst Du? Alles hohl da unten!

Georg Büchner

- Woyzeck

 

Das uns vorliegende Schriftstück wurde im Zimmer einer Autobahnraststätte an der A 86 Freiburg – Donaueschingen gefunden. Vom Verfasser, der vermutlich auch Mieter des Zimmers war, fehlt jede Spur. Die zuständigen Behörden haben die Ermittlungen aufgenommen.

 

Meine Urteilskraft mag unter den kürzlich stattgefundenen Ereignissen gelitten haben, aber ich bin mir sicher, dass der Schrecken in dem Augenblick Gewalt über uns bekam, in welchem wir die Autobahn verließen und auf die Landstraße Richtung Muerenberg einbogen.

Die Straße verdiente ihren Namen eigentlich nicht. Es war ein unbefestigter Feldweg, übersät mit Schlaglöchern und bei Regen wahrscheinlich unpassierbar. Die Bäume standen sehr dicht, hochgeschossen und mit stark belaubten Ästen sperrten sie das vorher so freundliche Sonnenlicht aus; das kleine Stück Himmel, das wir durch die Windschutzscheibe sehen konnten, war zudem binnen Augenblicken von dichten, grauen Wolken überzogen. Jedes Schlagloch rüttelte unseren Wagen dermaßen durch, dass ich um die Stoßdämpfer fürchtete.

Die Route führte in Schlangenlinien durch den Wald und die scharfen Kurven zwangen mich zu höchster Konzentration, wenn ich nicht mit einem Baum oder Felsen kollidieren wollte.

„Sehr rustikal, das Ganze“, sagte Sylvia. Ihrem Tonfall nach war der Urlaub bereits gescheitert und es konnte nur schlimmer werden.

Ich verkniff mir eine Erwiderung. Die Stimmung zwischen uns war schon schlecht genug und ich wollte den seit Langem schwelenden Dauerstreit nicht erneut befeuern.

Der Reisekatalog hatte Muerenberg als idyllischen Ort mit überwältigenden landschaftlichen Reizen angepriesen. Die Abkehr vom Alltagsstress würde unserer zerschrammten Ehe gut tun, hoffte ich jedenfalls. Außerdem war die Unterkunft außergewöhnlich billig – ein weiterer Vorteil bei unserer schmalen Urlaubskasse.

Als wir das Ortsschild erreichten, atmete ich erleichtert auf. Wäre diese halsbrecherische Strecke weiter gegangen, hätte ich früher oder später sicher einen Unfall gebaut.

Der erste Anblick des Dorfes war ein Schock. Unwillkürlich dachte ich an Bilder verlassener Ortschaften aus dem Weltkrieg, auch wenn die Schäden hier von Verfall und nicht von Bomben herrührten.

Muerenberg bestand mehr oder weniger aus einer einzigen Straße. Den Hausdächern fehlten Ziegel, viele Fensterscheiben waren gesplittert oder mit Brettern vernagelt. Ich sah zwei Autos am Straßenrand stehen, beide verrostet und gewiss nicht mehr fahrtüchtig; die Gewächse in den Gärten waren verdorrt und von einem kränklich gelben Pilzbewuchs befallen, an dessen Giftigkeit ich keinen Zweifel hegte.

Muerenberg schien mir in Bewegungslosigkeit erstarrt, kein Hauch rührte die mit süßlichem Fäulnisaroma durchsetzte Luft.

Ich musste mich verfahren haben. Eventuell hatte ich die Karte nicht richtig gelesen und die falsche Ausfahrt erwischt. Aber nein, das Schild an der Ortseinfahrt hatte zweifelsfrei den Namen des Nests verkündet, ein Irrtum war ausgeschlossen.

„Wir sollten umdrehen“, sagte Sylvia. Die bösartig wirkende Verkommenheit Muerenbergs erschütterte auch sie.

Aber ich wollte nicht aufgeben. Ich wollte meine Ehe retten und das würde ich auch tun, allen Widrigkeiten zum Trotz.

Die Pension „Schöne Aue“ unterschied sich kaum von den anderen, heruntergekommenen Häusern; nur ein fast zur Unleserlichkeit verwittertes Schild über dem Eingang wies darauf hin, dass man es mit einer Herberge zu tun hatte. Im Katalog hatte alles ganz anders ausgesehen, aber immer noch hatte ich nicht vor, das Handtuch zu werfen. Es kam jetzt darauf an, das Beste aus der Situation zu machen.

Ich parkte den Wagen im Hinterhof des Hauses.

„Ist dir aufgefallen, dass es hier keine Tiere gibt?“, fragte Sylvia beim Aussteigen.

Ich sah mich um und begriff, was sie meinte. Kein Vogel war zu sehen oder zu hören, kein Huhn stolzierte umher und keine Katze schlich an uns vorbei. Muerenberg wirkte ausgestorben, tot wie eine nicht länger genutzte Kulisse.

 

 

Was in und um Muerenberg vor sich geht und welche andere Storys Sie ins Reich des Makabren entführen, lesen Sie in

 

VANITAS - Sarturia Macabre II

Herausgeber: Daniel Schenkel

ISBN 978-3-940830-20-3

 

Erhältlich im Buchhandel, bei Amazon und im Sarturia Buchshop http://sarturia.com/buch-shop/

 

 

Impressum

Texte: Sarturia e.K. Autoren Service
Bildmaterialien: Sarturia e.K. Autoren Service
Lektorat: Autorenteam Sarturia
Tag der Veröffentlichung: 04.11.2013

Alle Rechte vorbehalten

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