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1. Prolog

Copyright © by Sarisa Thipsuk

Die vollmondrote Nacht

 

 

Ein kleines abgelegenes Dorf in den Bundesstaaten der USA.

Dicht umringt von Wäldern, schneebedeckten Bergen und schönen Landschaften verirrt sich nur selten jemand dorthin, besser gesagt gar nicht.

Eigentlich dürfte man es nicht Dorf nennen, es war eher eine Kleinstadt. Auf Hügeln oder Bergen standen verfallene Burgen und prachtvolle Schlösser, die Anregungen für Touristen schufen. Die Bewohner der Kleinstadt waren ruhige Menschen, die gerne ihre Zweisamkeit genossen oder am Wochenende  wandern gingen. Als es dann in diesem Jahr regelrecht zum Streit um die wenigen Häuser kam, fühlten sich viele Bewohner bedrängt und hatten eine vage aber nicht allzu gute Vorahnung, was die neuen Nachbarn betraf. Es waren dutzende oder gar hunderte Menschen, man wusste es nicht genau, die nun einzogen. Zu diesen Tagen herrschte reger Betrieb im städtischen Rathaus. Vieles hatten sie gemeinsam, ihre neuen Nachbarn. Bleich und düster wirkten sie. Seltsame Menschen, die nur in Gruppen unterwegs waren und selten alleine durch die Stadt streiften.

Für die Jugendlichen war es jedoch ein Abenteuer, denn sie erhofften sich viele neue Freunde zu finden. Trotzdem begegneten die Erwachsenen den Neuen mit Argwohn und Misstrauen. Das plötzliche Auftauchen der seltsamen Menschen, die zur gleichen Zeit in die gleiche Gegend zogen und sich alle zu kennen schienen versprach, dass etwas Aufregendes passieren würde. Jeder hatte dieses beunruhigende, klamme Gefühl, denn in der Nacht bevor die neuen Einwohner kamen, konnte niemand erahnen was ein 16-jähriges Mädchen damals sah. Lorana Ellenkaid. Sie schaute zu jener Zeit in den Himmel hinauf, wobei sie ihren eigenen Augen nicht  zu trauen wagte, denn sie sah viele fliegende Gestalten, menschengroß und von einer geradezu boshaften Aura umgeben. Ihre Schatten schienen dunkler als die Nacht selbst, was so unglaubwürdig klingt, wie wenn Schnee im Sommer fällt. Leise und schnell flogen sie mit den dunstigen Wolken, die sie weich wie reine Seide umhüllten und sie mit sich trugen. Wie der fliegende Teppich von Aladin. Lorana trauchte ihren Sinnen nicht aber sie konnte spüren das sie das Unglaublichste, dass es gab, sah und versucht sie zu zählen, gab allerdings bei dreißig auf und schluckte hörbar, als sie verstand wie viele es von den Schatten am Himmel gab. Viele. Sehr viele. Beinahe zu viele.

 

 

 

1. Kapitel

Der Wecker klingelte punkt acht Uhr und riss Lorana aus einem merkwürdigen Traum heraus. Genervt von dem immer lauter werdenden Ton, drückte sie den Ausschaltknopf, stieg bedächtig aus dem Bett, wobei sie den ungemachten Schlafplatz einfach links liegen lies und gähnend ins Bad schlurfte. Ein ziemlich mieser, furchteinflößender Alptraum hatte sie in der Nacht geplagt. Wie erwartet  hatte diese Nacht sie nicht nur Geistig mitgenommen sondern auch körperlich, dies sah Lorana an ihrem Spiegelbild nur zu deutlich. Im ersten Moment fragte sie sich wer das sei und erkannte aber nach einer neueren Musterung, sich selbst. Sie sah schrecklich aus und das noch freundlich ausgedrückt. Ihr rundliches Gesicht war bleich. Lorana konnte glatt als Leiche durchgehen, was zu Helloween auch kein Problem wäre, aber zu dieser Zeit wirklich unpassend kam, da es gerade Frühling wurde. Sie hatte tiefe Augenringe,die deutlich zu sehen waren und ihre dunkelbraunen Haare sahen verfilzt aus, waren zum Teil auch verknotet. Lorana seufzte resigniert. Wieder einmal würde sie den halben Morgen damit verbringen sich zurecht zu machen, damit sie halbwegs in Ordnung aussah, wenn sie in die Schule ging. Schnell tat Lorana ihre Routinewäsche, föhnte sich die Haare trocken, welche nun glatt, ihren Rücken hinunterfielen und stopfte unbedacht ihre Bücher in die Schultasche. Die  Schuluniform der Rose-High bestand aus einer weißen Bluse mit himmelblauem Matrosenkragen und einem blauen Faltenrock, der nach Loranas Meinung viel zu kurz war, einer dunkelblauen Jacke und dem Schulsymbol der Rose-High (einer Rose, die mit ihren Dornen einen Stern umschlingt). Das Symbol war an ihrem rechten Oberarm der Jacke eingestickt, wie bei jedem Schüler. Sie wohnte  nur ein paar Minuten von der Highschool entfernt und diese Schule war so gesagt  die einzige Lehranstalt, die nicht durch Drogensüchtige heimgesucht wurde. Sie hatten einen Spielplatz vor ihrem Schulhof, wo der Kindergarten eine Straße weiter immer mit den Kindern zum Spielen kam. Hinter der Rose-High lag der Schulgarten. Er war für jeden Schüler um jede Jahreszeit zugänglich, wo Steintische, Bänke, Bäume und Beete zum gärtnern waren. Hufeisenförmig war das Gebäude zum Spielplatz gerichtet. Inmitten des Hofes war ein verzierter Springbrunnen und es gab reichlich Platz für über 3000 Teenager mit ihren pubertären Problemen. Lorana zog die Jalousinen hoch und spähte hinüber ins anliegende Haus, der neuen Nachbarn. Sie hießen Fallmoons. Eigentlich waren sie erst ein paar Wochen hier aber Lorana mochte sie ganz gern, obwohl die Familie in ihrer alten "Spielvilla" wohnte. Zwei ihrer Kinder waren sogar in ihrer Klasse.

 Als Lorana noch klein war hatte sie ein besonders gutes Verhältnis zum älteren Ehepaar, das dort damals wohnte. Oma Glades lud sie immer auf eine Tasse Tee zu sich ein, da ihre Eltern viel zu tun hatten und oft nicht  nach Hause kamen. Von daher übernachtete sie auch manchmal dort. Mit der zärtlichen Wärme und Liebe der alten Frau, den Ratschlägen aus dem Leben Opa Andrews und der Selbstverständlichkeit  wie sie die damals 8-jährige Lorana aufnahmen, gaben dem Kind einen unbeschwerten Aufenthalt. Sie fühlte sich ihnen verbunden und  akzeptierte das Ehepaar nach weniger Zeit als ihre Großeltern, da sie ihre nicht kennen gelernt hatte. Miss Glades und Opa Andrew halfen Loranas Eltern damals sehr. Ihr Hotel das die Ellenkaids kürzlich eröffnet hatten hielt sie zeitlich immer auf Trapp, sodass die Eltern Lorana jedes Mal bei den alten Leuten ließen. Sie schickten dann und wann eine SMS oder riefen Lorana an um sie zu trösten, dass sie bald wiederkamen. Im Garten hinter dem Haus hatte der alte Mann sie mit Gärtnerei und Kräuterkunde beschäftigt, sie hatte auf Anhieb gefallen daran gefunden und hatte  allzeit gut zugehört.

Backen, kochen und putzen tat sie bei Oma Glades, die ihr immer wieder dieselben Sätze aufsagte, wie wichtig kochen, putzen, usw. sei. Auch das gefiel ihr mit der Zeit immer mehr. Das Haus war zweistöckig und hatte Keller als auch Dachboden, die Zimmer kannte sie in und auswendig, da sie es geliebt hatte im Haus von Zimmer zu Zimmer zu laufen und es bis auf den kleinsten Winkel zu durchstöbern.

Dann starben sie.

 Sie lagen einfach zusammen auf dem Bett und schienen friedlich zu schlafen. Das dachte Lorana jedenfalls damals. So saß der Schock noch tiefer als sie bemerkte, dass sie nicht aufwachten, egal wie lange sie wartete und wartete. Dann kamen ihre Eltern zurück. Sie entdeckten das Paar im Bett liegen, die kleine Lorana kniend, Oma Glades Hand haltend, weinend. Sofort regestrierten sie was passiert war und hatten Lorana behutsam aus dem Zimmer gebracht. Das Mädchen wollte nicht glauben was passiert war. Sie versank zwei Tage lang in ihrem Kummer, sprach nicht und weinte unaufhörlich. Natürlich versuchten sie dem Kind weiß zu machen, dass es ganz normal wäre wenn ältere Menschen starben, früher oder später wäre es passiert. Doch egal was sie taten das arme Ding wollte sich nicht beruhigen. Lorana dachte aber nur eins: Warum jetzt? Ein paar Tage später wurden beide feierlich begraben und Lorana konnte sich noch einmal von ihnen verabschieden. Sie hatte ihnen Blumen ans Grab gelegt und mit einem unterdrücktem Weinkrampf ihnen letztendlich den Rücken zugekehrt. Danach hatte Lorana täglich Blumen für das verstorbene Ehepaar mitgebracht, während sie durch das verlassene Haus strich und den Garten liebevoll pflegte.

Das war neun Jahre her. Alles was sie mit dem Ehepaar noch verbunden hatte, war das Haus. Leider wurde es ihr genommen. Lorana verspürte dennoch keinen Groll gegen die neuen Vermieter solange sie das Haus nicht in Trümmer zerlegten.

 Sie riss sich abrupt von dem Fenster weg, schnappte sich ihre Tasche, ging hinunter in die Küche und frühstückte. Dabei fiel ihr Blick auf die Uhr und.....das Toastbrot fiel ihr aus dem Mund. In Hast und Panik schnappte sie sich ihre Schultasche, rannte zur Tür hinaus und stolperte über den Gehweg in Richtung Schule. Es war später als sie gedacht hatte, genauer gesagt schon 8:45 Uhr. In zehn Minuten würde der erste Gong läuten und alle Schüler in die Säle beordern. Obwohl Lorana nicht weit weg wohnte,  würde sie dennoch fünfzehn Minuten brauchen um das Schulgebäude zu erreichen. Schnaufend, keuchend und ganz außer Atem rannte sie nun über den Spielplatz zum Eingang. Hoffentlich..., oh hoffentlich komme ich vor Miss Grey an.... Ausgerechnet heute musste sie zu spät kommen. Ihre Englischlehrerin war so ziemlich die Strengste die es auf der Rose-High gab und Miss Grey würde ihr wahrscheinlich,  zu Loranas Leidwesen, eine Ansprache über das Zuspätkommen halten. Das wäre ihr dermaßen peinlich! Schon deswegen weil sie nicht sonderlich beliebt in der Klasse war. Außerdem hatte Lorana keine Lust sich deren gehässigen Sprüche einen Monat lang anzuhören. Das Schulgelände war verlassen. Eilig nahm sie mehrere Stufen auf einmal rennend in den zweiten Stock. Noch ist es nicht zu spät! Der Unterricht fängt erst um neun Uhr an! Sie kam in den Saal und... ihr stockte der Atem. Miss Grey war noch nicht da. Sie setzte sich an einen Tisch am Fenster der hinteren Reihe, wo ein Junge gerade sein Heft aufschlug und etwas hineinschrieb. Seufzend und erleichtert entspannte sie sich auf ihrem Platz. "Na? Du scheinst es sehr eilig gehabt zu haben. Hast du verschlafen?", fragte Daimond lachend. Sie lief  rot an, wenn dies überhaupt noch ging. Daimond Fallmoon und Daniel Fallmoon waren die zwei kürzlich hergezogenen Brüder in der Klasse, ihre Nachbarn.  Daimond hatte goldenes, glattes Haar mit kaum merklich braunen Strähnen, blasse Haut (  nicht so leichenhaft, sonder eher Modelhaft) und blau-grüne Augen. Er sah einfach super  aus. Von seinem Bruder konnte man nichts anderes behaupten. Daniels Haare waren kastanienbraun und er hatte stechend blaue Augen. Bei dem Anblick sagten die meisten Mädels nur "OH MEIN GOTT!". Daniel  hatte den Platz hinter ihr zugeteilt bekommen und unterhielt sich gerade mit einer Schar blonder und brünetter Mädchen, die alle um seine Gunst wetteiferten. Lorana wusste nicht ob es Daimonds Ruf schadete, wenn er sich mit ihr unterhielt, aber anscheinend schien ihm das egal zu sein. Er war gesprächig, witzig und charmant, sie verstand sich sehr gut mit ihm. Man konnte es nicht direkt Freundschaft nennen aber es war ein Anfang. Die Gruppe hinter ihrem Rücken lachte herzhaft auf. Daniel war dagegen aufbrausend, cool (nicht das Daimond nicht cool wäre) und setzte sehr auf seine Beliebtheit bei den Mädchen. Lorana hatte nur ein paar Worte mit ihm gewechselt, bevor sie von den übrigen Mädels verdrängt worden war. In der Klasse herrschten einfache Regeln:

  1. Pass dich an und du wirst akzeptiert.
  2. Wenn nicht wirst du einfach links liegen gelassen.

Natürlich hatte sie anfangs versucht sich anzupassen, jedoch nach wenigen Wochen damit aufgehört. Irgendwie konnte sie es nicht und die Mädchen waren ihr zu hinterhältig.

"Hm. Naja...., ich hab wohl einfach zu lang rumgetrödelt und unnötig lang aus dem Fenster getarrt...", gab sie wieder gut gelaunt zurück.

 "Was war denn so schön an der Aussicht?". Er lächelte neckisch. Bei dem Anblick verschlug es ihr für ein paar Sekunden die Sprache. "Ähm... Also ich habe an alte Zeiten gedacht, da..., "sie kam ins stottern. Genau in diesem Augenblick kam ihre Lehrerin rot angelaufen und verschwitz herein. " Entschuldigt, ich wurde aufgehalten." Erst jetzt bemerkte  Lorana wie spät es war. Daimond schürzte die Lippen und sagte betont gelassen: "Anscheinend, bist du nicht die Einzige die zu spät kommt." Er grinste, warum auch immer. Gerade wollte sie das Gespräch wieder aufnehmen als jedoch der Unterricht began und Miss Grey eine Liste der Hausaufgaben aufschrieb. Hektisch kramte Lorana ihr Heft aus der Tasche und schrieb so schnell es ging mit.

 

Erschöpft lies sie sich gegen den Baumstamm sinken. Miss Grey hatte durch ihre Verspätung ihnen glatte drei Seiten Grammatik aufgegeben. Sie hatten Mittagspause, welche Lorana wie immer im stillen Garten verbrachte.

Sie aß ihren Apfel  und hing ihren Gedanken nach. In der Kantine herrscht bestimmt wieder das reinste Chaos, dachte sie. Das Mädchen stellte sich vor wie Daimond und seine Brüder von zahllosen Leuten bedrängt wurden. Die Brüder taten ihr beinahe Leid. Ihr Blick hob sich, als sie eine Bewegung in ihren Augenwinkel bemerkte. Lorana hielt die Luft an. Am Teich etwas weiter entfernt stand ein Junge, der so schön aussah, dass es gar an Unmöglichkeit grenzte. Die Kirschblüten spielten mit dem Wind um sein braunes, dunkles Haar. Seine Augen waren dunkelblau, von einem roten Stich. Die Farbe ähnelte der Tiefe des Ozeans. Seine Gesichtszüge glichen einem Engel. Weiß wie Porzellan und dennoch nicht von dieser Welt. Nein, er war kein Engel, sondern ein Gott. Sogar dieser selbst würde in seinem Schatten verblassen. Sie starrte ihn an während er mit konzentrierter Miene das Wasser beobachtete und die Stirn zusammenkniff.

Irgendwann zwischen der Fünften und Sechsten Minute kam sich Lorana doch etwas  stalkerhaft vor. Zugegeben, wer starrt bitteschön einen Mann über zehn Minuten an? Plötzlich richtete er sich gerade auf und seufzte mitleidig. Der unbekannte Schönling ging in Loranas Richtung. Ihre Augen folgten jedem seiner graziösen Schritte die auf sie zukamen. Plötzlich  blieb er stehen. Kaum einige Schritte entfernt starrte er sie fassungslos an. Sein Blick schien sie regelrecht zu durchbohren. Augenblicklich fühlte sie sich unbehaglich in ihrer Haut. Ein wütender Gesichtsausdruck trat auf seine Züge  und ließ Lorana erschauern. Die Wut in seinen Augen konnte Satan bei weitem übertreffen.  Er marschierte an ihr vorbei und stürmte in das Gebäude. Verständnislos starrte sie ihm hinterher. Was sollte das denn gerade eben? Vor sich hin schimpfend und beleidigt stopfte sie ihre Sachen in den Ranzen.

" Wenn er glaubt, dass ich ihn mag oder auch nur ansatzweise etwas ähnliches, dann hat er sich aber gewaltig geschnitten! So ein arroganter Kerl! Starrt mich einfach so an und wird dann auch noch wütend auf mich! Dabei war ich zuerst hier und bin keine Stalkerin oder so! Eingebildeter Idiot! Solche Typen sind doch alle gleich!“ Kurz nachdem Lorana, immer noch, wutschnaubend ihre Sachen gepackt hatte klingelte es. Die Mittagspause war vorbei. Ihr war das recht so. Sie wollte nicht mehr im Garten bleiben und hastete in die engen Flure, wo sich die Schüler zu ihren Unterrichtsräumen drängten. Lorana lief schnurstracks, vor allem stampfend, in ihr Klassenzimmer in dem sie jetzt Geschichte haben würde. Mit zusammengebissenen Zähnen lies Lorana sich auf ihren Platz sinken. Warum war sie eigentlich so wütend?

 

 

Nach dem Unterrichtsende schlenderte sie den Korridor entlang zu ihrem Schließfach. Mittlerweile hatte sie sich auch einigermaßen beruhigt. Auf  einmal wurde ihr  der Weg versperrt und Lorana musste in die Gesichter von Lesli Merili, hinter ihr Loray Bery und Sherryl Keind blicken; ihren schlimmsten Erzfeinden. Die drei Busenfreundinnen schauten verächtlich zu ihr hinunter. Wörtlich genommen war das auch so, denn sie waren allesamt groß, geschminkt, hatten eine gute Figur und waren anscheinend für die Disco aufgetakelt. Kurze Trägertops, natürlich so verändert, dass sie die Schulregeln nich brachen, kurze Miniröcke und High Heels. Innerlich stöhnte Lorana gequält auf.

 Was wollen die denn von mir?

Leslie war die Oberzicke der Schule; das wusste nun wirklich jeder. Sie stemmte ihre Hände mit einem grandiosem Hinternwackeln in die Hüften. "Hey", begrüßte sie Lorana lächelnd. Für sie sah das eher nach einem Zähnefletschen aus.

"Hey."

Einige Sekunden lang begutachteten sie sich stumm, wie umeinander streifende Raubkatzen, die darauf warteten, dass der Andere angriff.

Leslie war reich, eingebildet, hochnäsig, auch an ihrer Beliebtheit war nichts auszusetzen. Irgendwie hatte das Zickentrio es auf Lorana abgesehen. Nase rümpfend schaute sie auf ihr Opfer herab. Kaugummi kauend wickelte sie eine Locke um ihren Finger und begann zu reden: " Weißt du.. du bist.. eigentlich ganz okay  (  hörte sich nicht besonders überzeugend an), jedoch gebe ich dir einen gut gemeinten Rat. HALTE DICH VON DAIMOND UND DANIEL FERN.

Sie spielen nicht in deiner Liga. Du sitzt zwar neben Daimond aber bilde dir bloß nichts drauf ein. Wenn du dich weiterhin an sie ranmachst werden einige Mädels es nicht gutheißen." Sie lachte schelmisch und zeigte ihre perlweißen Zähne. Sollte das eine Drohung sein?

Kaum hatte sie sich von dem Ereignis im Garten beruhigt, gab Leslie ihr einen erneuten Grund zum brodeln. Lorana schäumte vor Wut. Sie wollte alle ihre Gefühle an Leslie auslassen. Später würde es ihr  auch nicht Leid tun, da war sie sich ganz sicher.

Lorana biss ihre Zähne zusammen, ballte die Hände zu Fäusten und musste sich zusammenreißen um Leslie nicht eine zu verpassen. Dann hob sie herausfordernd das Kinn, sagte langsam und eindringlich: " Es kann dir doch ganz egal sein mit wem ich befreundet bin und mit wem nicht! Du hast dich auch nicht früher für mich interessiert also lass es jetzt auch ganz bleiben. Wenn es dir nicht passt, dann ist es dein Problem! Ich lasse mir von dir nicht drohen! Wenn du doch so gut bist, dann wirst du dir Daimond und Daniel auch so angeln können! Bestimmt werde ich dich nicht daran hindern! Auch so habe ich genug anderer Sorgen als mir von dir so einen Mist anzuhören!".

Leslies Mund  stand offen. Sie starrte Lorana fassungslos an, angesichts derer was ihr Opfer ihr gerade ins Gesicht geschleudert hatte.

" Ach ja, du kannst den Mund zumachen. Sonst fliegt eine Fliege rein."

Zufrieden stapfte Lorana an den Mädchen vorbei, die versuchten Leslie aus ihrer Erstarrung zu befreien. Weitere Flure von dem Geschehen entfernt hörte sie ein lautstarkes Zetern und lächelte voller Schadenfreude. Tja, das hatte Leslie wohl nicht erwartet.

 

Sie hatten Chemie in dem gemeinsamen Versuchsraum. Herr Tane wollte mit ihnen verschiedene Versuche aufbauen und testen. Sie freute sich eigentlich sehr darauf. Chemie und Physik waren einst ihrer Lieblingsfächer. Als sie gerade in den Raum hineingehen wollten kam ein älterer Mann auf ihren Lehrer zu und begann mit ihm zu reden. " Ihr könnt euch schon in Gruppen aufteilen, während ich rede“, sagte er. Sie gingen also in das nüchtern eingerichtete Versuchszimmer hinein. Man konnte nicht viel beschreiben. Die Wände des Saals waren weiß, lange Tische standen hintereinander gereiht  mitten im Raum, auf jedem der Tische waren ein Wasserhahn und mehre Steckdosen. Hinten waren die einzigen Fenster, worunter ein kleiner Schrank stand. Links und rechts hatte man die Glasschränke mit den Versuchsmaterialien hingestellt. Der Saal war neu und ziemlich groß. Hinter ihr kam Herr Tane zurück. Er klatschte in die Hände während er lautstark anfing etwas zu verkünden:" Hört mal alle her! Wir werden den Saal mit einer anderen Klasse teilen müssen (lautstarke Widerrede und Buhun)! Bitte geht in die hinteren Reihen und verteilt euch dort!"  Widerstrebend machte die Klasse sich zu den letzten Sitzplätzen auf. Manche beklagten sich immer noch darüber, dass sie nicht den ganzen Raum hatten. Lorana stand verloren an einem Tisch gelehnt und fragte sich gerade mit wem sie in eine Gruppe gehen solle. Sie drückte ihre Notizen fest an die Brust. Das waren die Momente die sie hasste, weil sie sich verloren und allein vorkam. Fieberhaft überlegte sie nach als Shurley ihr entgegen kam. "Hi," begrüßte sie sie lachend.

"Hi."

"Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht mit uns in einer Gruppe sein möchtest. Also Josh, Sandra und Sam sind dabei. Und, machst du mit?"

Shurley war die beste in Chemie und hatte schon etliche Preise bei Wissenschaftswettbewerben gewonnen.

" Ah. Ja, klar."

Wir gingen gemeinsam zu der hintersten Tischreihe, wo Sandra und Sam dabei waren ihre Notizen durchzusehen und Josh die Versuchsanleitung durchlas. Sandra schaute Lorana freudestrahlend an. "Willkommen im Team Lorana!". " Danke."

Josh mischte sich in das Gespräch ein: " Ich will ja nicht stören aber wir sollten anfangen."

Shurley nickte. "Sandra, Sam? Wir werden ein Team bilden und das größere Experiment durchführen. Josh und Lorana machen das Kleinere mit der Säure. So kommen wir schneller durch."

Sam mit seiner dunklen Haut und den schwarzen, kurzen Locken salutierte spielerisch und zog eine Fratze. "Jawohl, Chef!"

Wir lachten.

Josh drückte mir einen Zettel in die Hand und antwortete auf meinen fragenden Blick mit:" Da steht der Versuch drauf. Lies es dir durch und ich hol von Tane schon mal die Säure." Sie nickte. "Okay"

Als er zurückkam hatte sie sich alles sehr gut eingeprägt und baute gerade die Materialien auf. " Die Säure hätten wir schon mal." Josh stellte ein Reagenzglas auf den Tisch. Er war zwar ein bisschen eingebildet, jedoch schlauer als manch anderer Beliebter und noch dazu super in Chemie. Auch seine Eltern waren reich. Sehr oft feierte er, wenn  sie weg waren, riesen Parties, wodurch er sehr gefragt war nach einem neuen Footballsieg. Man könnte meinen er wäre einer der Fiesesten auf der Schule aber genau das Gegenteil war der Fall. Der blonde Junge war nett und freundlich, auch zu ihr.

" Ich hoffe, dass nichts schief geht ",  beichtete sie ihm zweifelnd. Letzte Woche war ihr ein Versuch misslungen und hätte ihre Haare beinahe verbrannt. Ein Trottel war sie nicht aber in Sport war sie die totale Niete und ihr passierten bei Experimenten meistens mehrere Unfälle an einem Tag. Josh lächelte aufmunternd. " Es wird schon nichts passieren, wenn ich dabei bin."

Die Oberstufenklässler kamen herein und verteilten sich im Raum.

"Wenn du es sagst."

"Willst du es aufschreiben?"

"Was? Das nichts passiert wenn du da bist?"

Er lachte. " Nein. Ich meine das Experiment. Meine Schrift ist nicht sonderlich lesbar, weißt du? ", antwortete er.

"Ja, das kann ich machen. Wenn ich dir helfen würde wird bestimmt was schief gehen."

" Wie gesagt, es wird nichts passieren. Ich schwöre!"

"Hahaha... Bestimmt nicht! Und was wenn doch?"

" Was wenn doch? Ganz einfach! Nichts. Es wird alles glatt laufen!"

" Um was wollen wir wetten?"

"Willst du dich dann absichtlich verletzen?", fragte er spielerisch besorgt.

"Bäh! Bestimmt nicht! Das würde zu sehr wehtun!"

"Na, also!"

Sie grinsten sich gegenseitig an. Zehn Minuten lang arbeiteten sie gemeinsam und es lief alles wunderbar. Plötzlich erschall eine Explosion in dem vorderen Teil des Saals. Es ging alles ziemlich schnell und hatte wahrscheinlich nur ein paar Sekunden gedauert. Josh stieß vor Schreck das Glas mit der Salzsäure um und es lief brennend über Loranas Hand. Schreiend umfasste sie ihre linke Hand die verätzt und schlaf herunterhing. Schweißperlen traten auf ihre Stirn und sie biss die Zähne schmerzend zusammen. Josh drehte sich in ihre Richtung und lies einen Fluch freienlauf, der nicht gerade Kindersgemäß war. "He! Geht’s dir gut? Sieht schlimm aus. Ich hol die Anderen und Tane! Rühr dich nicht vom Fleck!" Wie denn auch. Sie war vor Schmerz und Pein wie angewurzelt. Viele hatten sich nach ihrem Schrei zu ihr gedreht. Jedoch waren sie gerade nicht sehr behilflich, da sie nur dastanden und sie entsetzt anstarrten. Lorana versuchte sich an die Sicherheitsanweisungen bei einem solchen Unfall zu erinnern aber es wollte ihr einfach nicht einfallen. Shurley kam auf sie zugerannt, gefolgt von Sam und Sandra. "Alles okay?", fragte sie geschockt.

"Nicht besonders. Es tut furchtbar weh." Lorana biss sich auf Lippe bis es blutete um einen Schrei zu unterdrücken. Es fühlte sich an als würden Millionen von Ameisen über ihren Handrücken laufen und sie dabei beißen. Sie wollte gar nicht wissen wie ihre Hand aussah.  Immer wieder rasten Schmerzwellen durch ihren Körper und lies sie zusammenzucken. Shurley tätschelte ihr tröstend den Rücken während die anderen ihr gut zuredeten.

" Leg deine Hand unter den Hahn. Ich versuche sie zu kühlen ", sagte Shurley. Loran tat wie geheißen. Sam raufte sich die Haare. " Verdammt! Wenn ich doch bei den Sicherheitsregeln zugehört hätte! Sandra erinnerst du dich vielleicht an die Anweisungen? ". Panisch schüttelte Sandra den Kopf. Im Raum verdichtete sich der qualmende Rauch. Es war stickig und Lorana musste husten. Auch das tat ihr weh. Ihre Klassenkameraden öffneten die Fenster und suchten nach dem Lehrer oder gingen einfach unschlüssig umher. Der Feueralarm ging an, wodurch alle noch panischer wurden und aus dem Raum drängten. Shurley führte mich aus dem Saal in den Korridor. " Wir müssen auf den Sportplatz!", brüllte sie der Klasse entgegen. Alle nickten einstimmig. Shurley wurde einen Moment lang zur Anführerin. Tausende Schüler drängten sich auf den Fluren und Treppen zu den Fluchtwegen. Ihre Klasse bewegte sich immer weiter vor. Sandra und Sam stützen sie behelfsmäßig, wodurch sie dann nach einiger Anstrengung den Sportplatz erreichten. Die Klasse stellte sich in eine Reihe auf. Alles ging drunter und drüber, die Lehrer liefen hektisch hier hin und dort hin. Shurley war mit ein paar anderen Schülern Herr Tane suchen gegangen. Auch Sam war auf der Hoffnung bauend, dass ein Lehrer ihnen helfen könnte, gegangen. Ihr lief der Schweiß  den Rücken hinunter und ihr Gesicht fühlte sich ebenfalls nass an. Der Schmerzimpuls verebbte langsam, jedoch blieb die stechende Wärme, die ihr immer wieder ein Keuchen entrang. Mittlerweile fing sie an zu zittern, da sich in ihrem Körper

 eine Eiseskälte ausbreite. " Lorana! Da ist Miss Grey. Ich hole sie damit sie dir helfen kann, wart hier okay?" Lorana nickte schnaufend. Ihr Gesicht war rot und ihre Hand gab einen erbärmlichen Eindruck  ab. Noch einmal zweifelnd wandte Sandra sich zu ihr, dann ging sie trabend zu ihrer Englischlehrerin. Es drehte sich alles um Lorana, ihre Füße schwankten und sie wollten gerade nachgeben als jemand sie am Oberarm festhielt. Mit hoffnungsvollem Blick hob sie ihren Blick, sie hatte ihre Lehrerin erwartet aber nicht ihn. Der Junge aus dem Schulgarten hielt sie fest. Er sah verschwitz aus. Anscheinend hatte er Schmerzen, denn sie entdeckte Rußflecken auf seinem Hemd als auch einige Brandverletzungen, die bluteten. Sie hatte keine Lust sich mit ihm zu befassen, ihre Schmerzen hatten zugenommen. "Was willst du von mir?"

Er schaute an sie herunter. Sein Blick blieb an ihrer Hand hängen, die Lorana fest umklammert hielt. "Deine Hand. Du bist verletzt."

"Das geht dich ja wohl gar  nichts an," blaffte sie ihn an.

Er ließ sich nicht beirren und sagte tonlos: "Komm mit, ich bring dich zu Mister Tayl, dem Schularzt."

"Du solltest lieber erst mal deine Verletzung behandeln lassen, statt dich um mich zu kümmern“, widersprach sie.

" Wenn wir dort sind lass ich mich auch verarzten. Jetzt komm."

Ihre schwächlichen Versuche ihn davon abzuhalten sie mit sich zu zerren stießen auf taube Ohren, jedoch brauchte sie dies gar nicht, denn nach ein paar Minuten gaben ihre Beine endgültig nach und Lorana hing schlaff an seinem Griff. Sie merkte kaum, dass er sie auf seinen Armen trug, bis sie den Schularzt entdeckten. Lorana brachte noch einmal alle ihre Reserven auf und fragte:" Wie heißt du?" Er schaute sie verwundert an, antwortete danach aber doch. Gerade als ihr schwarz vor Augen wurde hörte sie ihn sagen:" Raimond." Danach umfing sie dumpfe, bleiernende Schwärze.

 

Er sackte mit schmerzverzerrtem Gesicht gegen die Außenwand der Schule. Noch nie hatte er in seinem Dasein als Moon  solchen Schmerz empfunden. Seine Hand fühlte sich zwar schon besser an, doch das Gefühl  als würde jemand ihm 1000 Nadeln gleichzeitig in die Hand rammen hatte ihn so plötzlich übermannt, dass er am Anfang gar nicht begriff was passiert war. Sein Gesicht war errötet und er stöhnte auf als er an die Erinnerung dachte. Mit der rechten Hand fasste er sich an die schweißnasse Stirn und blickte mit ausdruckslosen Augen in den sich verdunkelten Himmel.

" Er weiß, dass sie es ist. Die Suche ist also vorbei," flüsterte er, wobei seine Augen sich schlossen und er seufzte leidend als er an die Zukunft des Mädchens dachte. "Nun also beginnt die Jagd... und der Kampf... Ich sollte ihm bescheid sagen. Ach, was sag ich da. Er ist schon bereits auf dem Weg hierher." Langsam stand er auf und versuchte lässig dazustehen, indem er eine Hand in der Hosentasche vergrub und breitbeinig dastand. Es kam ein starker Wind auf, lies die Blätter rascheln und peitschte ihm sein Haar ins Gesicht. Ein ironisches Lächeln stahl sich auf sein ausdrucksloses, schönes Antlitz. Die dunklen Augen schauten voller Hass geradeaus und schienen jemand anzustarren. Der Wind wurde zu einem tosendem Sturm, der Himmel war von einem klaren, blauen zu einem dunkel mit wolkenverhangendem Himmel gewechselt. Plötzlich stand vor dem schönen, jungen Moon  ein schwarzer Schatten, der noch dunkler als die schwärzeste Nacht zu sein schien. Die Schattengestalt hatte einen langen Mantel an und die Kapuze weit ins Gesicht gezogen, sodass man sein Antlitz nicht sehen konnte. Reine Ironie lag in den Augen des unsterblichen Schülers als er den Schemen begrüßte:" Hallo, Meister."

2. Kapitel

 

Die Einkaufstüten waren schwer. Langsam bewegten sich die Schiebetüren des Supermarktes und ließen sie hinaus. Ein kalter Wind wehte ihr ins Gesicht und lies ihre Haare wild nach allen Seiten tanzen. Schwarze Regenwolken verdunkelten den Himmel, sodass die Straßen fast gar nicht mehr zu sehen waren. Lorana musste sich beeilen nach Hause zu kommen bevor es anfing zu regnen und ihre Eltern eintrafen. Nachdem Unfall war ihrer Hand schneller verheilt als es eigentlich ging, meinte der Arzt und man hatte sie schließlich aus dem Krankenhaus entlassen. Sie hatten ihre Eltern informiert, Lorana musste ihnen fünf mal versichern das alles in Ordnung war, jedoch ließen sie sich nicht davon abhalten zu ihr zu kommen, also wollte sie ihnen etwas kochen, musste dafür aber erst einkaufen gehen.  Die ersten Laternen gingen an, um den Weg zu beleuchten. Es war eine unheimliche Atmosphäre, die in der Luft lag. Nun war es stockfinster um sie herum und Lorana musste schlucken, denn es war ihr unheimlich allein in der Dunkelheit. Mit zügigen Schritten ging sie den Weg zum Park entlang, denn dies war die kürzeste Strecke und sie wollte nicht nass werden, wenn es anfing zu regnen . Schnaufend erreichte sie  die Parkanlage, die verlassen und dunkel vor ihr lag. Ein kleiner Tropfen aus Wasser landete auf ihrer Wange. Nichts Gutes ahnend blickte das Mädchen in den Himmel hinauf, nur um einen Augenblick später von einem plötzlichen Regenguss durchnässt zu werden. Lorana fluchte. Mit ihren nassen Sachen joggte sie in den Park hinein. Hier gab es fast gar kein Licht außer den einzelnen Laternen die im großen Abstand voneinander entfernt standen und von den mächtigen Eichen verdeckt wurden. Das Rascheln von Blättern, das Plätschern ihrer Stiefel, wenn sie in eine Pfütze trat, der Regen, der auf sie und die Bäume hinunterprasselte waren die einzigen Geräusche die sie wahrnahm. Es kam ihr vor als würden die Bäume sie knachzend  beobachten, ihre dürren, langen Äste nach ihr ausstrecken und sich bedrohlich über sie beugen. Helle Blitze gaben ihnen hässliche Fratzen und ließ Lorana aufschrecken. Donnergrollen hörte sich an wie das Brüllen eines Riesen, die sie noch mehr ängstigte. Es war ein alptraumhaftes Bild.

Die Kieselsteine unter ihr knirschten laut als sie ihre Schritte beschleunigte, ihr Atem bildete in der kalten Luft kleine Wölkchen und plötzlich zuckte ein greller Blitz am Himmel in einen Baum in ihrer Nähe ein. Sie schrie erschreckt auf und hielt sich die Hand vor das Gesicht um ihre Augen zu schützen. Ein ohrenbetäubendes Grollen erklang gefolgt von einem gellenden Schrei, der den ganzen Park erfüllte. Loranas Herz klopfte wild in ihrer Brust, fast hatte sie Angst dass es zerspringen würde. Kalter Angstschweiß lief ihren Rücken hinunter, ihr Atem ging stoßend und mit weit aufgerissenen Augen blickte sie in die Richtung aus der der Schrei kam. Angst überwältigte sie und Lorana wollte einfach nur weg. Gegen jede Vernunft aber bewegten sich ihre Beine. Zu dem Ort, an dem sie nun am wenigsten sein wollte. Mehrmals musste sie schlucken, denn ihr Mund fühlte sich so trocken an wie eine Wüste, ihre Beine zitterten. Ihr ganzer Körper tat es. Jedoch wusste sie, sie musste der Sache nachgehen. Es war wichtig. Wieso? Lorana hatte keine Ahnung.

 

Er zog sich seine Kapuze über den Kopf und steckte seine Hände in die Jackentasche. Mit ausdrucksloser Miene betrachtete er den heftigen Niederschlag draußen. Der Regen war nur eine Armlänge von ihm entfernt und wartete ungeduldig darauf, dass er von der Türschwelle trat und der nasse Vorhang aus Wasser ihn verschlingen durfte. Für ihn war dieses Wetter geradezu perfekt. Kalt, dunkel und ohne einen einzigen Sonnenstrahl, der durch die dicken Wolken dringen konnte. So beschrieben ihn auch manche Leute, der der eiskalt war und nur Dunkelheit in seinem Herzen in sich hatte. Nach allem was passiert war konnte er nicht einfach zu Hause, wenn man es denn überhaupt so nennen konnte, bleiben, einen Kaffee trinken und Däumchen drehen. Wenn das Wetter passte, so wollte er einen Spaziergang machen. Er brauchte Zeit zum nachdenken, denn sie hatten ihre Hoffnungen in diese Stadt gesetzt, die nun erfüllt wurde. Die Garde hatte gefunden was sie gesucht hatten und nun mussten die nächsten Schritte eingeleitet werden. Auch er musste seinen Beitrag dazu beitragen, ob er nun wollte oder nicht. Seine dunklen Haare fielen ihm ins Gesicht als er seine Schultern durchdrückte und in den Regen hinaustrat. Stampfend setzte er einen Fuß vor den anderen während die vielen Regentropfen an ihn hinunterprasselten. Es war beruhigend für ihn alleine zu sein und seinen Gedanken nachgehen zu können. Da jedoch hörte er ein seltsames Geräusch.   

Schnelle Laufschritte kamen in seine Richtung und instinktiv zog er sich in eine dunkle Seitengasse zurück, wo er beobachtete wie ein Mädchen im Jogginganzug an ihm vorüber lief. Er blickte dem Mädchen hinterher. Ein der Begierde breitete sich in ihm aus. Es war als würde sein Hals austrocknen und er gewöhnte sich langsam an den Gedanken jemandes Magie zu trinken. Es widerte ihn an, so zu denken. Aber anscheinend hatte sein verhasster Meister gute Arbeit geleistet, denn der Junge folgte ihr bereits mit langen, eleganten Schritten und sein Adrenalinpegel stieg. Er brauchte nicht zu rennen, auch so konnte er sie mühelos einholen.

 

Lorana ging den Weg entlang zu dem Teil des Parks wo hauptsächlich Bäume und Büsche standen. Ihre Schuhe gaben bei jedem Schritt auf dem aufgeweichten Boden ein schmatzendes Geräusch von sich. Es regnete immer noch unaufhörlich. Sie fühlte sich, als ob ihr gleich das Herz aus der Brust springen würde und ihre Angst davor, was sie entdecken könnte wollte sie einfach nicht loslassen. Vor sich sah Lorana eine dicht von Bäumen umringte Lichtung. Langsam schlich sie auf den Ursprungsplatz des markerschütternden Schreis zu. Zwei Gestalten tauchten in ihr Sichtfeld, mitten auf dem Platz auf. Lorana blieb wie angewurzelt stehen.

Ein heller Blitz zuckte am Himmel. Sie sah einen Mann, wie er sich über eine Frau beugte, die schlaff in seinen Armen hing.

Ein weiterer Blitz.

Seine Lippen waren an den Hals der, nun erkannte Lorana die Frau genauer, Joggerin gepresst. An dieser Stelle lief ein kleines Rinnsal Blut ihren Hals hinunter. Loranas Augen weiteten sich.

Dritter Blitz und ein lautes Donnergrollen.

Der Unbekannte hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen und richtete sich langsam auf, wobei er die junge Frau aus seinen Armen gleiten lies.

Bedächtig wischte er sich die Mundwinkel mit seinem Handrücken ab, dort wo noch Reste des Bluts der Joggerin zu sehen waren.

Die darauf folgenden grellen Blitze, die am Himmel tanzten wurden immer häufiger, sodass sie wie eine Taschenlampe die Schreckensszenen beleuchteten. Je mehr Lorana sah, desto mehr fürchtete sie sich.

Die Frau, nein, Lorana sah sie nun deutlicher, da die Sportlerin ihr totenbleiches Gesicht mit den leeren Augen auf Lorana gerichtet hatte. Es war überhaupt keine Frau, sondern ein Mädchen ihres Alters! Loranas verkrampfte Hand lies zitternd den Einkauf auf den nassen Boden fallen und sie presste beide Hände auf ihren geöffneten Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Auf dem Hals des Mädchens waren zwei blutende Vertiefungen zu sehen. Ruckartig wandte er den Kopf in ihre Richtung. Das Geräusch der fallenden Tüte hatte ihn auf sie aufmerksam gemacht. Angewidert sah Lorana wie der Mann seine Hand dort ableckte, wo noch Blutspuren da waren. Im hellen Schein des einschlagenden Blitzes, nur ein paar Meter entfernt, erkannte Lorana, dass seine Augen rot glühten und die Pupillen erschreckend weiß und leuchtend waren. Ihr Atem stockte. Sie musste krampfhaft Luft holen, denn bei dem Anblick raste ihr Herz wie verrückt und bleierner Nebel senkte sich auf ihren Verstand. " Wer bist du?", fragte er mit drohend, leiser Stimme. Der Blick mit dem er sie ansah, ließ Lorana einen kalten Schauder den Rücken hinunter laufen und es bildete sich in ihrem Herzen ein angsterfüllter Knoten. Was würde er mit ihr machen? Der Mann war gefährlich. Er war ein.. sie wusste nicht wie sie ihn beschreiben sollte. Mörderisch langsam wandte er sich ihr zu und tat einen wagen Schritt in Loranas Richtung. Mit ausgestrecktem Arm schien er sie greifen zu wollen. Ein leiser Laut des Schreckens entfuhr ihr, als sie daran dachte was mit ihr geschehen würde. Lorana betete zum ersten Mal, das doch ein Wunder geschehen solle. Das Wunder traf ein.

 Plötzlich stand eine elegant, in Leder gekleidete Frau zwischen ihnen. Sie hatte schwarze, wallende Locken, die ihren Rücken hinunterliefen. Lorana erkannte nur ihre wundervollen Rundungen, denn die Unbekannte blickte den verwunderten Mann an, der mitten in der Bewegung inne hielt an. Wie war sie hierher gekommen? Nichts hatte von ihrem Kommen angekündigt, weder Schritte noch hatte Lorana gesehen wie die Frau in die Mitte kam. Es war als wäre sie aus dem Nichts aufgetaucht. Erschrocken bemerkte Lorana das eine zierliche, junge Dame einem Verbrecher gegenüberstand, von dem sie nichts wusste, außer, dass er zwei Mädchen bedrohte. " Warten Sie! Der ... Mann, er ist gefährlich! Sie dürfen sich nicht in Gefahr bringen!", rief Lorana ihr zitternd zu. Langsam drehte sie ihren Kopf zu Lorana herum. Sie lächelte kalt und sprach leise Worte, die das starre Mädchen kaum verstand. Der Wind trug Fetzen des Satz zu Lorana, danach erkannte sie, das die Frau gar nicht zu ihrer Rettung geeilt war: " Sprich mich nie wieder an, Kleine."    

 " Was machst du hier?", fragte er. Seinen Arm hatte er sinken lassen und nun war er völlig auf den Anblick der Frau fixiert.

Ein verächtliches Seufzen entrang sich ihrer Kehle. " Was ich hier mache? Ich muss Babysitter spielen, nur weil du nicht auf dich selber aufpassen kannst! Außerdem verlangt der Meister dich zu sehen und ich kann dir verraten, er ist nicht besonders guter Laune." In ihrer Rede hatte sie die Hände in die Hüften gestemmt. Fasziniert und gleichzeitig taub vor Angst beobachtete sie die Szene zwischen Beiden. " Tz! Sieht ihm wieder ähnlich, mich kontrollieren zu wollen!"

" Argh! Motz nicht so rum und komm endlich!".

Kurz darauf spürte sie einen Luftzug an sich vorbeiziehen und schreckte auf,  als  ein schwarzes Haar ihre linke Wange streifte. Dann waren sie fort.

Bleich, nass und zitternd, ob vor Kälte oder Hitze, die ihr wallend hinaufstieg, stand sie verlassen auf der Lichtung. Noch immer lag das fremde Mädchen auf dem Boden. Still. Und leblos. War sie...?

Ihre Beine knickten ein. Klatschend fiel sie mit ihren Knien in den Matsch, bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und schüttelte ungläubig den Kopf. War wirklich alles wahr was sie gesehen hatte? Der Mann, der eine Joggerin das Blut aus ihren Adern saugt und dann diese merkwürdige junge Frau... Eine erschreckende Erkenntnis traf Lorana völlig überraschend. Sie hatte während des Geschehens nicht darüber nachgedacht, doch jetzt merkte sie wie sehr das alles den Geschichten ähnelte, die über Vampire

geschrieben wurden. Nein. Es konnte nicht wahr sein! War er wirklich das, wofür sie ihn hielt? Oder bildete Lorana sich das alles nur ein? Schluchzend stand sie auf. Solche Geschichten konnte ihr Verstand ihr nicht vorgespielt haben, es war einfach zu schrecklich. Wankend bewegte Lorana sich auf das Mädchen zu, lies sich neben sie sinken und befühlte mit klammen Händen deren Puls. Das Mädchen lebte. Erleichtert atmete Lorana aus. Ich muss Hilfe holen, war alles was sie zu dieser Zeit dachte. Mit ihren verwirrten Gedanken musste sie sich später befassen.

 

Willhelm Clambow war ein pflichtbewusster und guter Arzt. Ihm war auch klar, dass das Leben seiner Patienten an ihm hing, somit konnte er auch nicht sein Gewissen beruhigen als er aus dem Zimmer eines kranken Jungen hinausging. Sein Assistent trat neben ihn. " Du hast dein Bestes getan. Niemand kann dem Jungen helfen," redete David ihm ein. Der angehende Arzt klopfte ein paar mal beschwichtigend auf die Schulter seines Mentors, bog dann aber in einen anderen Flur ein um einen Patienten zu besuchen.

Seufzend machte der ältere Mann sich auf seinen Weg. Es war später Abend und er wollte einfach nur nach Hause, um wenigstens für kurze Zeit seine Last zu vergessen. Nun, sein gemütliches Heim musste warten. Steven, ein etwas redseliger Plaudergeist, kam schnaufend auf ihn zugerannt. Verwundert sah Dr. Clambow zu wie der Sanitäter aus der Notfallabteilung vor ihm stehen blieb, nach Luft ring und panisch auf ihn einredete. " Es ist gerade ein Notfall... eingegangen... Ich glaube wir werden einen erfahrenen Arzt  für diesen Fall brauchen. Das Mädchen war ganz aufgelöst... sie hat etwas von großem Blutverlust gefaselt und... dass  eine Joggerin überfallen wurde.... Würden sie vielleicht mit uns zu ihr fahren? Sie sind der einzige den ich im Moment ausfindig machen kann, in dieser kurzen Zeit."

Dr. Clambows Gesichtzüge wandelten sich. Er war neugierig aber auch erschöpft. Steven machte eine verzeihende Geste. " Ich weiß das sie Feierabend haben und...". Stotternd brach der Mann seine Rede ab, denn er wusste nicht wie er weiter sprechen sollte. " Nun gut. Ich werde mitfahren, aber beeilen wir uns."

" Ja natürlich, Sir."

Eilig liefen sie den Flur hinunter zu den Fahrzeugen.

 

Lorana wartete auf den Krankenwagen, da sie nicht viel in ihrer Situation machen konnte. Blaue Lichter tauchten in ihr Sichtfeld und sie lies erleichtert ihre Schultern sinken. Das blasse Mädchen in ihren Armen konnte gerettet werden.

 

Dr. Clambow war sichtlich überrascht als er das Geschehen in Augenschein nahm. Auf einer Lichtung im Park hatten die Sanitäter zwei Mädchen entdeckt. Völlig verdreckt und starr vor Angst wartete Lorana, sie hatten nach mehreren Versuchen ihren Namen herausgefunden, auf den Notarzt.

" Was ist passiert, Lorana? Wer hat euch angegriffen? Kannst du mir auch erzählen was der Mann mit deiner Freundin gemacht hat?". Man hatte sie in eine Decke gewickelt und sie saß auf den Stufen des Krankenwagens. Dr. Clambow lies sich neben sie sinken, noch immer redete die 17-jährige nicht mit ihm. Ihre Stirn war in Falten konzentriert, als ob sie fieberhaft nachdachte was sie ihm antworten solle. Erfahren studierte er das Verhalten Loranas. Natürlich war sie verwirrt und ängstlich. Er konnte es nachvollziehen, schließlich war ein Gewaltverbrechen geschehen, den sie leibhaftig miterlebt hatte. Ihre Pupillen waren erschreckend weit, sie hatte Fieber und sie mochte es nicht, wenn man ihren Puls am Hals befühlen wollte.

Nachdenklich kratzte er sich an den Bartstoppeln, sein Blick war geistesabwesend auf die in der Dunkelheit liegende Lichtung gebannt.

Sie hat angst mit uns darüber zu reden. Aber wenn sie nicht redet kann ich ihr nicht helfen. Andereseits kann ich sie verstehen. In meiner langen Zeit als Arzt habe ich noch nie einen solchen Vorfall erlebt. Es scheint so, als habe man das Blut der Joggerin ausgesaugt. Doch wie kann das ein?

 Ich muss vorsichtig mit Lorana umgehen.

Mit hochrotem Gesicht kam Steven auf sie zu, lächelte Lorana mitleidig zu und flüsterte dem Arzt die neue Erkenntnis ins Ohr. Seine Augen weiteten sich voller Überraschung, es wurde seltsamer als er vermutet hatte. " Danke Steven." Wortlos ging Steven zum anderen Wagen zurück. Dr. Clambow blickte Lorana stirnrunzelnd von der Seite an. Sein Ausdruck war purer Mitleid. Nun liegt das Mädchen also im Koma... doch, wie kann das sein? Ich brauche Antworten.  

  " Lorana, du kannst mir ruhig alles anvertrauen oder möchtest du zuerst von den Offizieren verhört werden? Ich glaube, das ich dir mehr helfen  kann als du glaubst. Es würde auch deiner Freundin sehr helfen...".

Als sie ihn "ihre Freundin" sagen hörte, biss sie sich auf ihre Lippe und drehte sich von ihm weg.

" Es war ein Mann.. etwa um die zwanzig und...", sie kam ins stocken, woraufhin Dr. Clambow ihr nachhalf und weitere Fragen stellte.

"  Wie sah er aus?"

Lorana machte ein bekümmertes Gesicht, seufzte leidend, erzählte danach aber willig, das was sie beobachtet hatte.

" Ich war auf dem Weg nach Hause und hörte einen Schrei aus dieser Richtung. Mir war nicht wohl dabei, aber vielleicht hat ja jemand Hilfe gebraucht und da bin ich eben nachsehen gegangen. Da stand dann plötzlich ein Mann auf der Lichtung. Er hielt das Mädchen in den Armen und hatte ein komisches Gerät in der Hand. Sie blutete aus der Schlagader und er hatte ein Kapuzen T-Shirt an, deswegen konnte ich ihn nicht genau erkennen. Als er mich gesehen hat, ist er weggelaufen. Ich wollte nach dem Mädchen sehen und entdeckte dann, dass sie bewusstlos war. Daraufhin habe ich den Krankenwagen gerufen. Das war alles was ich ihnen erzählen kann." Dr. Clambow lies einen Moment verstreichen und erwiderte dann:" Ist das wirklich alles? Hast du zufälligerweise gesehen was das für ein Gerät war?"

Lorana schüttelte bekümmert den Kopf. " Das war wirklich alles."

Etwas enttäuscht sah er ein, dass er keine weiteren Informationen von ihr hören würde. Schwerfällig richtete Dr. Clambow sich auf. " Nun gut. Ich denke es wäre das Beste wenn du dich jetzt ausruhst." Sie nickte und machte sich auf den Weg in das innere des Krankenwagens.

 

Lorana sah dem alten Arzt hinterher. Ihr war nicht wohl dabei gewesen ihn anzulügen. Aber sie hätte auch schlecht die Wahrheit sagen können. Bei dem was sie gesehen hatte konnte ihr keiner helfen, außer derjenige würde diese Erinnerung löschen. Langsam startete der Wagen und sie fuhren los.

Zweimal innerhalb eines Tages musste sie in die Klinik, das war sogar für sie ein neuer Rekord.

3. Kapitel

Am Morgen des nächsten Tages war Lorana sichtlich erschöpft. Ihre Gedanken hatten sich die ganze Nacht nur um ein Thema gekreist. Etliche Fragen schwirrten ihr noch immer im Kopf. Irgendwann in der Morgendämmerung war sie zu dem Entschluss gekommen, dass es keinen Sinn hatte, noch weiter darüber nachzudenken. Schließlich döste sie, doch noch in einem unberuhigten Zustand, ein.

Übermüdet saß sie am Frühstückstisch und aß ihr Toast. Lautes Scheppern zu ihrer Rechten machte sie auf ihre Mutter aufmerksam, die gerade mit einer Pfanne hantierte. Als gestern Abend ihre  Eltern sie abgeholt hatten, war sie doch ganz froh darüber, sie bei sich zu haben. Lorana beobachtete belustigt ihre Mutter, die sie seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Ihre schönen hellen, blonden Haare waren zu einem ordentlichen Zopf gebunden und sie hatte Schwierigkeiten die Unordnung in der Küche aufzuräumen. Immer wieder fielen ihr Gabeln oder Löffel aus der Hand. Für ihr Alter sah Loranas Mutter ziemlich jung aus. Sie hatte ein schmales Gesicht, rote Lippen und die Farben ihrer Augen waren wie blaue Bergkristalle.  " Wo ist Papa?".

Ihrem Vater war sie heute Morgen noch gar nicht begegnet, wie ihr im Moment einfiel. Amanda Ellenkaid wandte sich ihrer Tochter zu und machte eine unbeholfene Geste. " Er musste heute schon früh los. Er sagte, es täte ihm Leid, dass er schon so bald wieder gehen müsse, aber die Geschäfte konnten nicht warten."

Ihre Mutter rückte den Stuhl nach hinten um sich an den Tisch zu setzen.

Enttäuscht war Lorana alle mal, jedoch war sie daran gewöhnt. Behutsam nahm Miss Ellenkaid Loranas Hand in die ihre. Eindringlich musterte sie ihre Tochter, die die letzten Tage schwer hinter sich gebracht hatte. Lorana sah kränklich aus mit ihren tiefen Augenringen, der Sorgenfalte auf der Stirn und der Blässe. " Lorana, Schatz. Du weißt, dass du, wenn du Probleme hast oder wenn etwas passiert ist mit uns reden kannst, oder?

Wir werden immer für dich da sein, auch wenn wir gerade unterwegs sind.

Zu jeder Zeit kannst du uns anrufen."

Ein leichtes Lächeln stahl sich auf Loranas Züge. " Natürlich weiß ich das Mama. Wenn etwas ist werde ich euch benachrichtigen. Ihr braucht euch nicht um mich zu sorgen." Miss Ellenkaid lächelte noch nicht ganz davon überzeugt und nickte dann aber langsam. Ihr Blick wanderte zur Küchenuhr. " Willst du wirklich zur Schule gehen? Ich kann dich krank melden."

" Nein, ist schon okay. Wir haben nächste Woche viele Tests und ich möchte nicht zu viel von dem Stoff verpassen. Ehrlich, mir geht es gut."

" Wenn du es sagst...". Lorana schnappte sich ihre Tasche, gab ihrer Mutter einen Kuss und verschwand hinter der Haustür. Nachdenklich blickte Miss Ellenkaid ihr nach.

 

In der überfüllten Cafeteria drängten sich wie immer sehr viele Schüler. Lorana stand vorne mit einem Tablet an der Menschenschlange und hatte sich einen Apfel und einen Kirchsaft geholt. Sie biss genüsslich in das frische Obst. Beschwingten Schrittes verlies sie die Theke und steuerte direkt auf den Ausgang zu, als ihr Leslie den Weg versperrte. Genervt verdrehte Lorana die Augen. Was will sie nun von mir?

Die Hochgewachsene Blondine grinste hämisch. " Na? Wie geht es denn unserem kleinen, hässlichen Entlein?". Nur zu deutlich erkannte Lorana, dass Leslie es ihr heimzahlen wollte, egal wie. " Mir geht  es prima, bis du gekommen bist Leslie." Ihr Blick schweifte hin und her, alle beobachteten sie und das war Lorana unangenehm. Während sie alleine dastand hatte Leslie ihre beiden Busenfreundinnen auf ihre Seite. Aber sie würde es schaffen das alles schnell hinter sich zubringen. " Oh, das war gerade nicht sehr nett Lorana. Ich denke du hast eine kleine Abkühlung nötig, nicht wahr Mädels?". " Genau!", sagten Lorey und Sherryl gleichzeitig, während Leslie ihnen ihr Tablet aufdrückte. Überraschend schnell packte Leslie  den Kirschsaft auf ihrem Tablett, ergriff Lorana am Arm und kippte ihr gleichzeitig die rote Flüssigkeit über die weiße Bluse.  Noch immer gelähmt von der Schnelligkeit ihrer Feindin, sah sie an sich herunter. Überall triefte der Saft von ihr, die Bluse sah nicht mehr zu retten aus und der blutrote Fleck auf ihrer Brust wirkte als ob sie bluten würde. Lautes Gelächter kam aus Leslies Mund. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Schadenfreude. leslie nahm sich ihr Essen und wandte sich zum gehen, lästerte dennoch lautstark über Lorana und blickte sie feindselig an.

Heiße, brennende Wut stieg in Lorana auf. Leslie hatte den überhaupt schlechtesten Augenblick gewählt um sie zu quälen, denn Lorana quälten immer noch die schreckhaften Bilder des Tages zuvor und ihre Gefühle drohten in diesem Moment über zu kippen. Ihr bleiches Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Grimasse. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre Leslie wahrscheinlich schon tot umgefallen. Stockend brach sie ihr Gelächter ab. " Was siehst du mich denn so an?".  Ein Junge stand ein paar Metern neben Leslie, sie schnappte ihn sich und zeigte auf Lorana.

" Sieh dir mal die da an. Völlig verrückt die Kleine, oder?", fragte sie den Jungen neben sich. Erwartungsvoll sah Lorana ihn an. Nur schwach brachte er ein:" Ähm... nun.. ich...", heraus. Man sah ihm an, dass er sich sichtlich unwohl in seiner Haut fühlte. " Lass ihn daraus Leslie. Es geht hier nur um dich, fiese Giftspritze (  bei diesem Wort zog Leslie hörbar die Luft ein) und um mich." Herausfordernd hob Leslie ihr Kinn:" Und was willst du tun?".

Schneller als Lorana es für möglich hielt, schlug sie Leslie ihr Tablett aus der Hand, sodass die Spagetti ihr Shirt besudelten, ergriff die Dose blauen Beerensafts von einem Mädchen, dass neben ihr stand und schüttelte den Inhalt über Leslie aus. Kreischend raufte Leslie sich ihre Haare und begann wütend vor sich her zu schimpfen:" Du kleine Mistgeburt! Weißt du wie teuer das T-Shirt war?!" Ihre Mitschüler starrten sie überrascht an, sie konnten nicht glauben was passiert war. Mit blitzenden Augen sah Leslie Lorana in die Augen, die ihren Blick kalt erwiderte. Gefühllos lies Lorana die leere Dose auf den Boden fallen und zerdrückte sie mit ihren Füßen. In der lautlosen Stille hörte man jedes Knirschen und Knacken, womit es noch lauter zu sein schien. " Leg dich nicht mit mir an Leslie. Das würde dir nicht gut tun. Schon jetzt hast du mich an einem schlechten Tag erwischt und du kannst dir denken, dass es nur Niederlagen für dich geben wird." Ohne bedarf weiterer Worte verlies Lorana die Mensa, in der Leslie noch immer wie versteinert dastand und ging mit leeren Augen nach Hause.

 

Schluchzend lies Lorana sich aufs Sofa fallen. Ihre Eltern waren längst nicht mehr da und sie war froh darüber, dass sie sie nicht so sahen. In der Cafeteria hatte sie auf kühl und gelassen getan, jedoch war sie innerlich fast schluchzend zusammengebrochen. Wieso tat man ihr das an? Hatte sie denn  nicht schon genug miterlebt? Lorana wusste es nicht. Ihr kam die Welt grausam und ungerecht vor, wo darin sie das schlechte Los gezogen hatte. Ein lautes Ringen der Türglocke ließ Lorana aufschrecken. Wer mochte sie denn jetzt besuchen? Mit ihrem Pulloverärmel wischte sie sich kurz die Tränen aus dem Gesicht und ging dann barfüßig in den Korridor.

Auf der Überwachungskamera, die ihre Eltern neulich anbauen ließen, sah sie einen Jungen vor der Tür stehen. Er hatte blonde Haare. Überrascht sog Lorana die Luft ein. Daimond stand vor ihrem Haus! Hastig schob sie die Riegel auf und öffnete ihm schüchtern die Tür. Daimond hob seinen Kopf. Er war perfekt wie immer. " Hallo. Wie geht es dir?", wollte Daimond von ihr wissen. Verlegen senkte er dabei seine Lider und lächelte leicht. Heiße Röte stieg in Lorana auf, als sie ihn ansah. " Komm doch erst mal rein“,  erwiderte sie. Langsam trat er in das Haus, wobei er darauf bedacht war sie nicht anzusehen. Leise schloss Lorana die Tür und platzierte die Riegel so wie sie vorher waren. Immer noch etwas verwirrt von seinem Besuch geleitete Lorana ihn ins Wohnzimmer. Sekundenlang saßen sie einfach da ohne ein Wort zu sprechen. Dann fing er an zu reden. " Nachdem du gegangen bist gab es einen ganz schönen Aufruhr. Ich... wollte einfach nach dir sehen, ob es dir gut geht und...“. Daimond betrachtete verwundert die Bandage um ihre Hand. " Was ist denn mit deiner Hand passiert?", fragte er  angespannt. Berührt von seiner Sorge winkte sie ab. " Das war nur ein kleiner Chemieunfall von gestern. Du hast bestimmt davon gehört. Aber jetzt ist sie schon fast verheilt, also kein Grund zur Sorge“, beschwichtigte Lorana krampfhaft lachend. Einen Moment lang starrte er weiterhin ihre Hand an, nahm den Gesprächsfaden danach jedoch wieder auf.

" Du und Leslie, ihr versteht euch nicht besonders gut, oder? ".

Lorana schüttelte verärgert den Kopf.

" Nein. Schon anfangs hatte sie es auf mich abgesehen, obwohl ich nicht wusste warum. Aber eines Tages habe ich ihr alles ins Gesicht geschleudert was mir einfiel und seitdem ist sie vernarrter als je zuvor, mich zu quälen, " berichtete Lorana ihm. Er nickte knapp.

" Man sah, dass du ziemlich aufgebracht warst, " fügte er hinzu.

 Plötzlich stand Daimond ruckartig auf. Verlegen entschuldigte er sich, dass er nach Hause müsse und verließ das Wohnzimmer. Noch im selben Augenblick hörte das verwirrte Mädchen das Klicken des einrasteten Schlosses. Etwas enttäuscht seufzte sie. Sie legte ihre kalten Finger auf die Wangen. Sie fühlten sich warm an. Lorana freute sich darüber, dass Daimond sie besucht hatte und nun schlugen ihre Gefühle Purzelbäume.

Was sollte sie bloß mit dem Chaos in ihrem Inneren anfangen?

4. Kapitel

 

Freudig überrascht nahm Lorana bei den Fallmoons platzt. Daimond hatte sie zu sich an den Tisch geladen, als es pünktlich zu der Pause geläutet hatte.

Verlegen nahm sie einen Bissen von ihrem Apfelkuchen und versuchte nicht zu kleckern. Genauestens beobachtete Lorana ihre Nachbarn, die sie heute zum ersten Mal richtig sah. Ella hatte wunderschöne schwarze Haare, die kurz an ihrem Nacken endeten und jede ihrer Bewegungen waren graziös, sie hatte außerdem einen guten Mode Geschmack. Sie war das Vorbild jeder Dame.

Michael saß neben Ella, er war nicht schwer zu beschreiben. Seine hellen, braunen Haare waren ordentlich gekämmt und sein massiger Körper erschreckte jeden Raufbold, der es mit ihm aufnahm.

" Hast du eigentlich Hobbys?". Verlegen schreckte sie aus ihren Überlegungen auf. Daniel hatte ihr eine Frage gestellt.

" Ah.. ja. Ich gärtnere gerne und interessiere mich für Heilkräuter. Hört sich nicht interessant an, was?", gab sie errötend zu.

" Nein, nein. Es ist sogar sehr unterhaltsam", warf er ein. Anscheinend hatte Lorana ihn falsch eingeschätzt. Daniel hatte auf sie immer etwas arrogant gewirkt.

" Ich sehe dich fast nie mit deinen Eltern, sind sie auf Reisen?", erkundigte sich Daimond.

Lorana schluckte ihr Apfelkuchenstückchen hinunter, den sie gerade in den Mund genommen hatte. Auch wenn Daimond und Daniel ihr sympathisch waren, fiel es ihr doch schwer über ihre Eltern zu sprechen.

Trotzdem konnte sie sich dazu durchringen ihm eine Antwort zu geben.

" Meine Eltern sind fast nie zu Hause, weil sie sehr mit ihrem Hotel in New York beschäftigt sind. Manchmal kommen sie mich aber besuchen und bleiben dann ein paar Tage lang ".

Daimond tauschte mit den anderen bedeutsame Blicke, die sie nicht verstand. " Wir wäre es wenn wir bei dir eine Übernachtungsparty machen? Dann wärst du nicht allein am Wochenende," schlug Ella ihr freundschaftlich vor und Lorana war verblüfft  darüber, wie einfach sie sich in der Gruppe aufgenommen fühlte. Sie freute sich sehr. "Ja, gerne!".

Lorana lächelte gut gelaunt und sah schadenfroh zu Leslie hinüber, die versuchte Lorana mit ihren Blicken zu töten. Es knisterte unter ihnen wie bei elektrischen Leitungen, aber Lorana ignorierte Leslie gewissenhaft und machte sich nun herzhaft und ohne Scham über ihr Essen her. Ihre Hand war auch glänzlich geheilt, was so Einige wunderte. Vor allem sie selbst.

 

Mit lautem Klicken schloss sich die Schließfachtür und Lorana trug die schweren Bücher in ihren schwachen Armen zum Klassenzimmer.

Müssen Bücher immer so schwer sein?, dachte sie schnaufend. Noch dazu drückte der Rucksack auf Loranas Rücken ihre Schultern schmerzhaft nach unten. Schlurfend erreichte sie den Saal und traf prompt auf Leslies fiesen Trupp. Auch das noch! Als Leslie ihre Mitstreiterin auf sich zukommen sah, konnte sie sich eine wütende Grimasse nicht verkneifen. Mit gekreuzten Armen versperrte Leslie Lorana den Zutritt zum Raum.

" Pünktlich auf die Minute unsere kleine Streberin, " stichelte sie Lorana auf. Verächtlich blickte Lorana ihr in die Augen, sie war nicht mehr hilflos, hatte Freunde und konnte von Leslie wohl kaum erwarten, dass sie aufhören würde sie zu hänseln, also musste Lorana sich zu wehr setzen. "Ich kann weningstens von mir behaupten, dass ich etwas weiß. Bei dir stattdessen bin ich mir nicht sicher, schließlich hört man Gerüchte darüber, dass du immer wieder abschreibst und sogar erwischt wirst. So ein Pech, oder? Es läuft nicht immer alles, so wie du dir es vorstellst. Lern das endlich."

Es war gerissen in die Schwachstelle, über die kein Wort gesprochen wurde, hineinzustechen und anscheinend wirkte dies auch wie eine Ohrfeige ins Gesicht, denn Leslie lief puderrot an und knirschte laut mit den Zähnen, berreit ihr an die Gurgel zu springen. Ihren Freundinnen war diese Situation offensichtlich sehr unangenehm. " Du hast unheimlich Glück, dass wir gerade nicht alleine sind!". Plötzlich schellte Leslies Arm noch oben, Lorana duckte sich, in der Erwartung eine gescheuert zu bekommen, fühlte stattdessen  gar nichts und sah ihre Bücher auf den Boden fallen. Als sie wieder aufsah, ging Leslie in den Saal hinein, streichte ihre Haare nach hinten und drehte sich noch ein letztes Mal zu Lorana. " Pass auf wenn du alleine nach Hause gehst, es könnte leicht ein Unfall passieren." Grinsend wandte Leslie sich von ihr ab. Übellaunig und wütend bückte Lorana sich, um ihre Bücher auf zuheben. In dem Moment als sie das zweite Buch greifen wollte, hob jemand anderes es auf. Überrascht sah sie Raimond an.

Er grinste über das ganze Gesicht. " Schön das wir uns wieder sehen," sagte er. " Schön? ", fragte sie hoffnungsvoll. Wieso fühlte sie sich so aufgeregt, wenn er da war, obwohl sie ihn anfangs nicht leiden konnte? Raimond reichte ihr das Buch und antwortete peinlich: " Ja, ich wollte dich gerne wiedersehen." Einzig diese Worte brachten ihre Gefühle in einen tosenden, kribbelten Sturm, der sich in ihr schneller ausbreitete als, die Nachricht, dass Obama Präsident geworden war. Lorana brachte nur ein ersticktes : "Oh," hervor, dann jedoch versagte ihre Stimme und sie stand wie angewurzelt mit gesenktem Kopf, rosigen Wangen und schwitzigen Händen da. Wie sollte sie weiter reden? Auch Raimond sagte nichts, sondern sah sie unverwand an. Heiß spürte sie seinen Blick auf sich ruhen. Endlich erlöste das Läuten ihr Stillschweigen, während sie nur ein schüchternes : " Ich muss gehen, " murmeln konnte, gab sich Raimond einen Ruck und ergriff noch ein Mal ihre Hand. " Sehen.. Sehen wir uns am nächsten Tag in der Pause? Ich meine ... Dort, wo wir uns zum ersten Mal sahen," murmelte er nervös. Schnell nickte Lorana, gelichzeitig erfreut und ängstlich und voller Erwartung was auf sie zukommen mochte. Verlegen räusperte er sich. "Also, dann ... bis morgen." Mit einem letzten Lächeln ging er davon. Noch immer fühlte sich ihre Hand warm an und schauderhaft musste sie an seine Berührung denken. So fühlte es sich also an, wenn im Bauch die Schmetterlinge wild flatterten und sich im Inneren der erste Frühling ausbreitete. Wie ein Blitz schoss plötzlich Daimonds Bild durch ihren Kopf, mit schlechtem Gewissen dachte sie an den gestrigen Tag und wie nett er zu ihr gewesen war. Seufzend ging sie zu ihrem Pult. Bestimmt würden sich ihr Gefühle bald klären, so hoffte sie jedenfalls.

 

Er kam wirklich. Lorana saß wie immer unter dem Baum, der an den Teich grenzte, und wartete ungeduldig auf Raimond. Ihre Gedanken tanzten wilde Tänze, machten Überschläge und ließen Lorana keinen einzigen ruhigen Moment. Was sollte sie sagen? Mag er rote Farben? Welche Sportart mochte er? Fragen über Fragen und keine einzige Antwort.

    Und dann erschien Raimond. Leichtfüßig kam er auf Lorana zu, setzte sich neben sie und bergrüßte sie normal.

Seine Schönheit war von Nahem noch beeindruckender als von Weitem, dass bemerkte Lorana genau in jenem Moment. Es sprang ihr sozusagen ins Gesicht.

" Was für ein Fach hast du danach? ", fragte er leichthin, als hätten sie sich schon vor Jahren kennengelernt. Lorana wünschte sich, es wäre so.

" Hm.. Englisch bei Miss Grey, die Strengste Lehrerin auf der Schule. Sie ist nicht gerade ein Sonnenschein," berichtete sie mit verzogener Miene.

" Da hast du absolut recht, " stimmte er ihr zu. " Gehst du eigentlich in einen  Club, oder so? ".

" Nein. Es gibt einen Grund dafür wieso ich nicht in Sportclubs gehe."

Strinrunzeln sah Raimond sie an. " Und der wäre?".

" Tja, ich... bin eine vollkommene Niete in Sport. Allein Badminton kann ich schon nicht spielen. Da kannst du dir denken, dass ich in anderen Sportarten nicht grad der Hammer bin, " musste Lorana lachend zugeben.

" Nicht jeder kann ein Sportass sein. Außerdem sehen Muskeln bei Mädchen nicht schön aus." Raimond grinste schelmisch, während ein heftiger, warmer Wind seine Haare zersauste und sich ein einzelnes Krischblütenblatt auf seinem Haar verirrte. " Ja, da magst du recht haben, aber bei dir würden sie sicherlich gut aussehen."  Liebevoll entfernte sie die rosige Blüte von seinem Kopf. Ehe Lorana sich versah lächelte er sie zärtlich an. Sie wollte gerade beschämt ihre Hand zurückziehen als Raimond sie festhielt und ihr einen leichten Handkuss gab. Lorana brachte keinen einzigen Ton hervor, ihr Gesicht fühlte sich heiß an und die Schmetterlinge in ihrem Bauch tosten aufgereget durcheineander. Sein Blick war voller Wärme. Dieser galt allein ihr und dieser Umstand brachte sie so sehr in Verlegenheit, dass sie ihm ein nur krampfhaftes Lächeln geben konnte.

Langsam zog er sie zu sich, stand mit ihr in seinem Armen auf  und hielt sie wie ein Erdrinkender fest. Er barg seine Stirn an Loranas Schulter und seufzte erleichtert. Da sie nicht wusste was sie machen sollte, umarmte Lorana ihn einfach. Ein wunderschöner Moment, den sie nie vergessen würde, egal was auch geschehen mochte. Vorsichtig richtete sich Raimond wieder auf, ohne sie dabei loszulassen. " Wir müssen gehen. Es hat geklingelt."

Etwas enttäuscht fragte sie: " Wirklich?". Raimond schien ebenfalls ihrer Meinung zu sein. Es schien als widerstrebte es ihm, Lorana aus seiner Umarmung frei zu geben. " Ja, wirklich. Aber wir sehen uns morgen wieder. Versprochen?"

" Versprochen, " versicherte Lorana ihm. " Dann lass uns gehen."

So begleitete Raimond sie zu ihrem Klassenraum. Während alle sie genaustens beobachteten, schien Lorana davon nichts mitzubekommen, sondern schwebte noch immer auf Wolke sieben. Das war die absolut beste Pause überhaupt.

 Sie standen vor ihrem Saal, konnten sich aber nicht durchringen sich zu verabschieden. Schließlich gab Raimond ihr einen letzten Kuss auf die Stirn und ging eilig davon. " Bis dann, " waren seine letzten Worte.

5. Kapitel

 

Ihre Beine bewegten sich widerstrebig auf den Raum zu, in dem ihr Unterricht stattfand. Die letzen Tage waren die reinste Hölle für Lorana gewesen, obwohl sie es erwartet hatte, dass Leslie ihr Leben zur Hölle machen würde. Jedoch übertraf sich ihre Feindin selbst um Längen.

Seit das verwöhnte Mädchen mitbekommen hatte, dass Lorana mit den Fallmoons und nun auch mit Raimond befreundet war, wobei sie Raimond seit längerer Zeit nicht mehr gesehen hatte, ließ sie keinen Augenblick verstreichen an dem Lorana sich wohl fühlen konnte. Sie sabotierten ihre Referate,  legten Mäuse in ihre Tasche, kritzelten in ihre Hefte und ließen es sich nicht nehmen, Lorana bei jeder Gelegnheit schlecht  darstehen zu lassen.

Seufzend setzte sie sich. Aber Leslie hatte es zum Glück nicht geschafft, dass sich ihre Freunde sich von ihr abwanden.

 

Schmerzhaft stieß Lorana an den Spint, der unter ihrem  Gewicht heftig zitterte.  Leslies Mundwinkel gingen von einem Ohr zum anderem, ihre Augen funkelten voller Hass und Schadenfreude, ihre ganze Haltung verriet, dass sie es kaum erwarten konnte an den Höhepunkt des Plans zu gelangen.

Loranas Mitschüler sahen alles, untenahmen jedoch nichts dagegen, da sie Angst hatten selbst ein Opfer zu werden.  Lorana lächelte Leslie kalt ins Gesicht. " Na? Was hast du diesmal ausgeheckt? ".

" Oh, du wirst dich wundern was mir nicht alles einfällt, bei deinem hässlichem Gesicht!".

" Das du mich hänselst, beweist nur, dass du nicht auf der selben Ebene wie die  Fallmoons bist, egal was du auch tust. Deswegen hasst du mich. Weil ich sehr gut mit ihnen auskomme und du es einfach nicht schaffst sie als Loser darzustellen. Gib´s zu. ICH BIN DIR EIN DORN IM AUGE!".

Das protzig geschminkte Gesicht von Leslie verwandelte sich in eine wütende Grimasse, die jeden Dämon in die Flucht geschlagen hätte, wäre einer anwesend. Laut hallte das Geräusch in den Fluren wieder. Der Klang einer flammenden Ohrfeige, die ihr Ziel genau getroffen hatte und sich nun an der Druckstelle an Loranas Wange erfreute. Glühend prangte sie in ihrem Gesicht. Lorana grinste Leslie an. Nein, so leicht würde sie nicht nachgeben. Nicht, nach all den Jahren der Abhärtung, die Lorana durcherlebt hatte. Ihre Aura sprühte vor Triumph. Leslie hatte sich dazu hinreisen lassen ihr körperlich wehzutun, was Leslie eigentlich immer vermeidete, da sie eher auf Psychospiele stand.

Lorey und Sherryl packten sie an den Schultern und drückten Lorana an die Schließfächer. Während ihr Boss eine Dose aus der Tasche holte, öffneten sie einen Teil von Loranas Bluse, damit man ihr Unterhemd und den darunterliegenden BH sehen konnte. " Sieh mal was ich für dich habe. Sie

passen perfekt zu dir. Ungeziefer, genau wie du." In ihrer manikürten Hand hielt sie .... ein Gals voller Käfer und Würmer! Lorana versuchte sich aus deeren Griff zu winden, trat um sich und schlug, vergeblich. Langsam schraubte Leslie den Behälter auf und neigte den Behälter leicht über ihren BH. Plötzlich schellte eine Hand nach vorne und schlug das Glas weg, die krachend auf dem Boden zerschellte, bevor die Käfer auf Lorana´s BH landeten.

Überrascht sah Lorana Daniel vor ihr stehen, der Lorey und Sherryl eisig anstarrte. Beklommen ließen sie Lorana los, ohne Daniel aus den Augen zu lassen und halfen Leslie dabei sich zu beruhigen.

" Komm wir gehen Leslie. Es hat keinen Sinn mehr,"  redete Lorey auf sie ein.  "Ja, sie hat recht Leslie", stimmte Sherryl ihr zu.

Grollend wandte sie sich ihren Freundinnen zu. Leslie sah ein das dieser Streich daneben gegangen war, drehte sich zischend um und ging beleidigt davon.  Lorana schickte ihr einen letzten bösen Blick hinterher, bevor sie sich stirnrunzelnd abwandte. Dann blieb ihre Aufmerksamkeit an Daniel hängen, den sie für einen kurzen Augenblick tatsächlich vergessen hatte. " Danke für deine Hilfe, " sagte sie. Er nickte knapp. " Kein Problem".

Lorana sah ihn noch ein Mal an, zuckte kurz mit den Schultern und ging in die entgegengesetzte Richtung. " Wieso machen sie das mit dir? ", fragte er verwundert. " Ich meine nur, du hast ihnen doch nichts getan, oder? ".

Beschämt und aufgewühlt erhitzte sich ihr Gesicht. Lorana dachte an alle erniedrigten Missetaten von Leslie und daran, wie sie für Daniel dastehen mochte. Schwach, klein und hilflos. Sie konnte ihm nicht sagen, dass sie ihn und Daimond als Freunde sah und sie deswegen gehänselt wurde. Aus irgendeinem unendfindlichen Grund wollte sie es auch nicht. Hatte sie Angst er würde sie auslachen, weil sie ihn für einen Freund hielt?

Ihre Schläfe pochte entsetzlich. Lorana wollte weder in den Unterricht noch in der Schule sein. Sie wollte an einen bestimmten Ort gehen, der sie immer beruhigt hatte. Wortkarg antwortete sie : " Leslie findet immer einen Grund um mir das Leben schwer zu machen. " Lorana rannte den Gang entlang, ohne sich nach Daniel umzusehen, die Treppen hinunter und durch den Hof. Bald merkte sie, dass  sie ihre Tasche im Schließfach liegen gelassen hatte. Aber das tat nichts zur Sache. Nach Luft ringend erreichte sie ihr Haus. Wieso war sie weggerannt? Lorana wusste die Antwort. Sie war feige. Daniel und Daimond als Freunde zu bezeichnen konnte sie leicht aber ihnen ins Gesicht sagen, dass sie ihr wichtig waren, das konnte sie nicht. " Wieso... bin ich so ... so unsicher?".

Schnell ging Lorana hinein, zog sich eine Hose an, wechselte das T-shirt und stieg in ihre wasserfesten Stiefel. Mit aller Macht verdrängte sie alle Gedanken an die Fallmoons. Danach ging sie in den hinteren Garten des Hauses und klappte eilig die Hintertür ihres Gartenzauns zu. Sie ging den festgetrampelten Fußweg hinauf, in den dunklen Wald. Ihr war kalt, obwohl es ein schöner warmer Frühlingstag war. Aber  durch das dichte Blätterdach drang nur wenig Licht. Sie fühlte sich schlecht und ihr Kopf brummte, als hätte man ihr einen Hammer gegen die Stirn geschlagen. Schwindelerregend schnell überstürtzten sich ihre Gedanken, sie fing an zu schwitzen und ein kalter Schauer erfasste sie.

Mit einem Mal hatte sie sich von einer mutigen, starken Frau zum schwachen, feigen Mädchen verwandelt. Zügig stapfte sie durch den Forstwald.

 

Überstürzend purzelte der kleine Waldwichtel Fidel durch die Luft und konnte sich gerade noch an einem Ast festklammern, bevor er aus der Flugbahn geworfen werden konnte. Fluchend rappelte er sich wieder auf, klopfte sich den Staub aus den Kleidern und ging geräuschvoll in die Hocke. Mit zusammengekniffenen Augen saß er vor einer winzigen Öffnung  in der mächtigen Weide, wo der alte Weiße, Kirigan, lebte. Ein paar Sekunden lang geschah nichts, keine Tür öffnete sich für ihn und kein Zeichen des Willkommens war zu sehen. Seine Gedanken wanderten zu seiner Wichtelfeier am gestrigen Tag. Sie war wichtig für alle Wichtel, die endlich im Wald ihre Arbeit verrichten wollten. Denn wenn die Feier, also auch der Einstieg ins erwachsen werden, vorbei war,  dann konnten sie Tiere beaufsichtigen, Bäume wachsen lassen oder Regen heraufbeschwören. Aber das erforderte erst monatelanges lernen. Und man musste gute Bewertungen von den jeweiligen Meistern erhalten, um sich einer Gruppe von Arbeitern anschließen zu können. Jedoch war Fidel in keiner dieser Tätigkeiten richtig gut, weder im Tiere füttern, beaufsichtigen oder lehren, noch im Bäume sprießen lassen oder Regen herbeizaubern. Schlecht war er nicht, sondern einfach nur mittelmäßig. Durchschnitt eben. Dennoch, das Einzige was er schlecht konnte war Fliegen und er fragte sich warum. Hoffnungslos. Ich bin einfach zu dusselig zum Fliegen. Frustriet starrte er ein Loch in das Holz.

Weningstens kann ich Botschaften überbringen. Das Einfachste, was man tun kann. Ich bin so ein Trottel!.  Endlich schwang quietschend die Tür auf und der uralte Mann reichte ihm einen Krug voll lilaner Flüssigkeit, die drohte überzuschwabben. Kirigans Bart schleifte am Boden, seine Haltung war gebeugt, der Rücken krumm wie ein Berg und seine Augen glasig. Obwohl Fidel gerade mal so groß wie ein Ahornblatt war, reichte Kirigan ihm nur bis zur Brust. Ungelenk stand er auf, um das Gefäß entgegenzunehmen. " Und das du mir ja darauf aufpasst Junge! Kein Tropfen darf auf den Boden fallen. Bring es so schnell wie möglich zur Apotheke," krächzte er mit rauer Stimme. " Ja, mach ich alter Mann," antwortete Fidel monoton. Kirigan schnaubte ärgerlich. " Wer ist hier ein alter Mann? Sogar ich, ein hundertjahrer alter Greis, könnte besser fliegen als du, " spottete Kirigan und verzog sich in sein Heim. Wütend schnürrte Fidel den Deckel des Kruges fest zu, das ja nichts hinausläuft und hiefte sie sich auf den Rücken. Er knirschte laut mit den Zähnen. Aber auch jeder musste sich deswegen  über ihn lustig machen! Langsam stieg er in die Luft und sauste in Richtung Apotheke.

Nach zehn Minuten war seine Arbeit erledigt und er flog strauchelnd nach Hause. Das hatte er jedenfalls vorgehabt, bis er das Menschenmädchen entdeckte. Neugierig folgte er ihr. Er hatte noch nie einen Menschen gesehen. Verängstigt verteckte Fidel sich hinter Blättern und lugte nur ab und zu  durch sie hindurch. Manchmal flog er auch leise hinter ihr her. Wenn man das Rascheln in den Bäumen und das Knacken jedes Astes, den er berührte, denn leise nennen konnte. Er war beeindruckt von der Größe des Mädchens, aber er machte sich Sorgen um sie. Anscheinend war sie stark erkältet. Wahre Riesen, die Menschen. Aber sie sollte sich lieber ins Bett legen. Sein Herz pochte wild in der Brust. Ein wirkliches Abenteuer!

Bald erreichten sie den Ort, an dem sie hingehen wollte. Und da  machte er kehrt. Flog so schnell wie möglich zurück in den Wald. Dachte nicht und wollte nur nach Hause. Es war ein gefährlicher Ort, also warum ging das zierliche  Mädchen dort hin? Fidel schnaufte, schwitzte und musste anhalten. Die Angst erfasste ihn, dass sein Herz ihm aus der Brust springe.

 

Da war sie. Vor Lorana tat  sich eine von der Sonne beschienene Lichtung auf, die still und verlassen war. Schon vor langer Zeit hatte Lorana sie entdeckt. Leise musste sie lachen. Es war merkwürdig, wenn man sich elend fühlte, sich an einen einsamen Ort in den Wald zu flüchten. Im hinteren Teil der Lichtung ragte eine hohe Felswand empor, Loranan konnte sogar einzelne Sträucher und Bäume darauf wahrnehmen, obwohl die Klippe mindestens zwanzig Mal so groß war wie sie. Mitten auf dem grünen Gras stand ein kugelartiger Fels, der zur Hälfte in der steinigen Wand verschwand und dort sah man eine Öffnung, von Schatten bedeckt nur schwer zu erkennen. Auf diese ging Lorana zielstrebig zu, denn sie war voller Vorfreude, endlich in Ruhe ihren Gedanken nachgehen zu können. Sie schritt durch die Öffnung. Tapsend machte sie einen Schritt vor den anderen, denn man sah kaum etwas. Je weiter sie ging desto dunkler wurde es. Endlich kam sie an. Sie war in einer Höhle voller Kristalle, die  in tausend Farben glänzten und glitzerten. Nur eine Handbreit entfernt lag vor ihr ein kleiner Teich. Undeutlich schien aus der Tiefe des Sees ein leuchtendes Licht, das die Gesteine beleuchtete. Diese selbst reflektierten ihre bunten Strahlen auf die Wasseroberfläche, die darauf tanzten und feierten. Jede einzelne Farbe war vorhanden und ließ ein Farbenfilm auf der rauen Felswand erscheinen, die dazu ihre eigene Melodie erfanden. Mal hörte sie ein leises, warmes Glockenspiel, manchmal widerum hörte sie den wehklagenden Laut der Kristalle, die etwas bedauerten. Es war eine beeindruckendes Bild. Lorana staunte immer wieder über die Schönheit dieser Höhle. Beruhigt lehnte sie sich an die Wand und blickte zum kuppelartigem Gebilde empor. Langsam ließ sie sich sinken. Es war unfassbar was dieser Platz auf sie ausübte. Keiner konnte es ihr nehmen.

Lorana sammelte all ihre Kraft, sie musste sich den Fragen stellen, die in ihrem Kopf herumschwirrten. Widerstrebig öffnete sie ihr geistiges Tor zu ihren Gefühlen und plötzlich schoss alles aus ihr hinaus, was sie erdrückt hatte. Wieso sagte sie den Fallmoons nicht, dass sie sie als ihre Freunde empfand? Mochte sie Daimond wirklich? Oder war Raimond derjenige, dem ihr Herz gehörte? Wann würde Leslie aufhören sie zu hänseln? Konnte sie Raimond vertrauen? Was war in jener schrecklichen Nacht passiert, als das Mädchen überfallen wurde? War das ein Vampir? Vampire gab es doch gar nicht? Wieso waren plötzlich alle so nett zu ihr?  Konnte sie ihren Gefühlen vertrauen? Was geschah mit ihr?

Als würden die Kristalle ihre Gefühle spüren fingen sie an, in einem seltsamen Licht zu flimmern.  Auf einmal fühlte sich Lorana hundemüde und ließ ihren Kopf leicht auf die Seite fallen. Ihr war im Moment alles egal. Mochte Leslie doch machen was sie wollte, Lorana war stark. Und über die anderen Sachen machte sie sich auch keine Sorgen mehr. Wirklich komisch. Plötzlich war sie gegen alles gewappnet, solange sie immer wieder an diesen Ort zurückkehren konnte. Ohne jegliche Angst schlief sie ein.

 

Ja,ja. Die Drecksarbeit überlassen sie natürlich immer mir. Blöder Ältestenrat!  Shyrr konnte sich es nicht nehmen lassen sich über den Ältestenrat aufzuregen. Schließlich war er derjenige, der in nächster Zunkunft Oberhaupt eines Wolfsclans sein würde. Wieso ließen sie ihn dann diese Arbeit machen? Man hatte angeordert, dass Shyrr diesmal die Lichtkugel im Grunde des Kristallteiches auszuweckseln habe. Damit beruhigten und ehrten sie die geopferten Wölfe, die ihren Körper an den Clan weitergegeben hatten. Dies mussten sie jeden sechsten Monat tun. Es war mutig und dumm zugleich die Aufgabe freiwillig anzunehmen, denn im Untergrund befanden sich zahlreiche spitze Kristalle, die einen leicht umbrigen konnten, da sie überraschend wachsen können und einen damit zu erstechen versuchten, weil sie die Lichtkugel beschützten. Sie von Freund und Feind nicht unterscheiden. " Die Kristalle werden dich schon nicht umbringen, Shyrr," meinten sie! Sie wachsen auch nur aus heiterem Himmel einen Meter lang und sind harmlos wie kleine Kätzchen! Was glaubten sie damit zu bezwecken?! Ich glaub langsam, die wollen mich loswerden! Tz. Das können sie sich gleich abschminken. Schon seit einem Monat lassen sie mich die gefährlichsten Arbeiten machen und noch immer bin ich nicht draufgegangen und das werde ich heute auch nicht!

Er umfasste die Tasche an seiner Rechten, die in der Strömung schwamm ein bisschen fester. Sein Wille war erwacht, die Arbeit heil zu überstehen. Gleich war der Tunnel zu Ende. Mit einem letztem Ruck schwamm er die letzte Strecke, tauchte aus dem Wasser auf und holte erst Mal tief Luft. Die konnte er gut gebrauchen. Sein silbernes Haar hing ihm nass in der Stirn und seine Brust hob und senkte sich im ruhigem Takt. Durch seine Magie schaffte er es länger die Luft anzuhalten, somit war er ziemlich ruhig. Sein Blick fiel auf eine zusammengekauerte Gestalt, die an der Wand lehnte. Wer ist das?  Leise schwamm er das kleine Stück bis zum Rand und hiefte sich hinauf. Überall tropfte Wasser von ihm. Auch seine Lederschürze war voller Wasser eingesaugt. Interessiert ging er zu ihr hin, er hatte erkannt, dass es ein Mädchen war und bückte sich zu ihr. Verwundert schaute Shyrr sich um. Das Mädchen war tatsächlich alleine hier. Merkwürdige Dinge gab es.

Es tat zwar nichts zur Sache, aber er musste sich eingestehen, dass sie ziemlich gut roch und noch dazu gut aussah. Dann überkam ihn plötzlich eine Idee. Shyrr holte begeistert sein Messer hervor und schnitt drei Strähnen ihres Haares ab und band sie um sein Handgelenk, wobei er sie an dem Lederarmband befestigte. Mit ihnen konnte er sie immer wieder finden, wenn er in die Menschenwelt ging. Dennoch musste er enttäuscht wieder in den See steigen, denn man sollte die Aufgabe vor Einbruch der Dunkelheit volbracht haben. Shyrr wollte gerne länger das Mädchen ansehen. Die Verbundenheit zwischen ihnen, war ihm unerklärlich, aber er hatte sie vom ersten Moment an gespürt, also würde er sie wiederfinden. Ganz sicher.

    Shyrr holte tief Luft und tauchte zum Grund des Wasser. Durch das Licht sah er die klitzekleinste Einzelheit im See. Auch die zackigen Spitzen der Kristalle. Seine kräftigen Schwimmzüge brachten ihn schnell an das Ziel heran. Doch dann geschah das, was er befürchtet hatte. Plötzlich fingen die Kristalle an pfeilschnell hervorzu schießen  und versuchten Shyrr bei lebendigem Leib aufzuspießen. Im letztem Moment konnte er sich vor einer dieser Attacken retten. Er knurrte missgelaunt. So würde alles viel langsamer gehen. Unschlüssig ob er wieder auftauchen sollte, schwebte er ruhig im Wasser. Schnell duckte er sich als ein Kristall ihn von hinten angriff und  machte einen Salto im Wasser, da es ein Anderer von der Seite versuchte. Es brachte nichts, er musste es weningstens versuchen. Hastig schwamm er tiefer, wich einem faustdickem Kristall von rechts aus und blieb erschrocken im Wasser schweben. Finster sah er sich seine Todesfalle auf dem Grund des Sees an. Unter ihm erstreckte sich ein Feld aus wachsenden und wieder schrumpfenden Kristallen, die gefährlich ihre scharfen Spitzen gen Wasseroberfläche streckten oder auch versuchten Shyrr zu erstechen. Wie sollte er dort, zu dem Altar, wo die Lichtkugel stand, hingelangen ohne dabei zu sterben? Zu spät bemerkte er das Geschoss vor ihm, dass genau auf seinen Kopf zielte und er konnte  nur noch hilflos die Arme vor seinem Gesicht halten, die Zähne zusammenbeisen und die Augen zukneifen, in der Erwartung gleich zu spüren wie ein tödlicher Kritall sich durch seinen Schädel  bohrte. Sekunden vergingen. Vielleicht sogar Minuten. Als nichts geschah, ließ Shyrr langsam seine linke Hand sinken und heftete seinen Blick auf das Armband. Es leuchtete! Nein, es war nicht das Schmuckstück, das von hellem Glanz umgeben war, sondern das Haar des Mädchens! Erschrocken betrachtete er seine Umgebung. Die todbringenden Gesteine glühten ebenfalss und waren erstarrt. Shyrr betrachtete voller Angst den Kristall vor ihm und schwamm von ihm weg. Und dann geschah etwas, was er nie vergessen würde. Alles um ihn herum began in tausenden Farben aufzuflammen. Als hätte man ein Feuer entzündet bildeten die Farbflecken,  sich vor Freude windende Flammen, die um die Kristalle tanzten. Shyrrs Gedanken begannen wieder zu arbeiten. Egal was dies zu bedeuten hatte, er konnte es auch herausfinden nachdem er die Kugel ausgetauscht hatte. Also schwamm er vorsichtig zu der runden, tischartigen Erhebung und tauschte die Kugel aus, ohne dabei aufgespießt zu werden. Gleichzeitig umgab das Wasser ihn mit überwältigend schöner Musik, die von allen Seiten zu kommen schien. Aber, das Wasser konnte doch gar nicht singen, oder? Und er war unter Wasser, wie konnte er da etwas hören? Shyrr hatte in seinem langen Leben nichts dergleichen gesehen. Weder noch gespürt. Nachdenklich betrachtete er das Haar des Mädchens, das aufgehört hatte zu leuchten und schwamm zielstrebig an die Luft. Auch hier war eine Melodie zu hören, sanft aber bestimmt. Er blickte sich auf der Suche nach dem Mädchen nach allen Seiten um, fand sie jedoch nicht.  Nur eine silberne Wölfin.

 

Lorana legte sich erschöpft auf ihr Bett. Sie war eindeutig erkältet.Und hatte Fieber. Aber sie musste morgen in die Schule, denn eine wichtige Prüfung stand bevor und Lorana wollte nicht nachschreiben. Also beschloss sie heute früher schlafen zu gehen, sich in die warme Wolldecke zu wickeln und in schleichende Träume zu versinken, die ihr eine Botschaft überbringen wollten. Oder einfach nur von der Vergangenheit erzählten. Lorana wusste es nicht. Es war ihr gleichgültig.

 

Nur noch ein winziger roter Silberstreifen Sonne ragte noch über den Rand des Horizonts, bevor sie letztendlich doch von der Dämmerung verdrängt wurde, die mit offenen Armen die Nacht und ihren Herrscher, den Mond, begrüsste.

 Shyrr starrte derweil die körperlose Gestalt der Wölfin an, die bei Anbruch der Dunkelheit, die er genau spürte, sich etwas festigte und er nicht ganz durch sie hindurch schauen konnte. Leicht deutete er eine Verbeugung im Wasser an. "Guten Abend, sehr geehrter Vorahne. Darf ich Fragen was dich in unsere Welt treibt, so früh am Abend?", fragte Shyrr mit so ruhiger Stimme wie möglich. Anstatt zu antworten richtete sie eine Gegenfrage an ihn. " Du hast sie gesehen, oder irre ich mich da?". Als sie sprach zeigte sie deutlich ihre spitzen Zähne, die ihm bedeuteten auf jede ihre Frage zu antworten, wenn er nicht mit in die Geisterwelt wollte. Shyrr überlegte kurz, was er sagen sollte. Schließlich erwiderte er: " Wenn ihr das Mädchen meint, ja, ich habe sie gesehen."

" Du hast gesehen was ein einzelnes Haar mit dieser Höhle bewirken kann. Glaubst du dass sie böse ist oder war es nur ein Vorbote für das Schicksal, dass auf sie wartet?".

Shyrr verstand nicht was sie wollte, doch auch diese Frage beantwortete er wahrheitsgemäß.

" Sie hat die Kraft selbst die tödlichsten Waffen unschädlich zu machen oder weningstens zu beruhigen und dabei ein sanftes Lied und ein wundervolles Farbenspiel zu erzeugen. Ich glaube nicht, dass ein so friedliches Wesen wie sie böse ist. Und über ihr Schicksal weiß ich noch viel weniger."

Die Wölfin nickte zustimmend und lächelnd. " Du hast das Herz auf dem rechten Fleck, mein Bruder. Ich glaube unsere Cläne werden weiterhin gut verhandeln können. Aber wenn du ihr bei der nächsten Begenung auch nur ein Haar krümmst, dann kann ich dir versprechen, dass dein Clan untergehen wird." Sie sagte das so ruhig, dass es ihm einen Schauer den  Rücken hinunterjagte. " Sei unbesorgt. Ich werde ihr nichts tun. Auch werde ich meinem Clan nichts von ihr erzählen, denn und das meine ich aus vollem Herzen, ich mag deine Begleiterin. Sie hat mich mit ihrem Anblick verzaubert, so wie diese Höhle."

Sie lachte so laut, das ihre Stimme im Gestein weiderhallte. " Da hat sie sich wieder was eingebrockt, meine Kleine. Ich  kann dir  nur viel Glück bei deinem Versuch wünschen, denn du wirst es schwer haben bei dieser Konkurrenz. Aber ein gut gemeinter Rat bevor du sie aufsuchst, gehe bitte erst zum Friseur. Ich weiß gar nicht was diese Mähne bewirken soll. Soll sie dich bei der Jagd behindern? Oder die Mädchen kreischend davonrennen lassen? ( Dabei lachte sie wieder so laut, dass Shyrr sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte.)  Und beeil dich lieber, sie zieht die magischen Wesen geradezu an und wer weiß wer als nächstes kommt." Mit diesen Worten verschwand sie und ließ ihn alleine zurück. Shyrr bließ verärgert seine Nasenflügel auf und griff nach einer seiner Haarsträhnen. Sahen  seine Haare denn wirklich so schlimm aus?

6. Kapitel

 

Hustend und schniefend schlurfte Lorana durch die Flure zu Chemie. Nach dieser Prüfung würde sie gehen und sich in ihr Bett verkriechen. Heute hatte sie es geschafft den Fallmoons aus dem Weg zugehen und auf Daimonds Fragen, was los sei, hatte sie kurz und abgehackt geantwortet. Dabei wusste sie nicht einmal wieso. Es machte ihnen bestimmt nichts aus. Leslie hatte sich sowieso an ihre Fersen geheftet und beanspruchte sie allein für sich. Also hatten sie genug Unterhaltung.

Nur noch diese Prüfung, dachte Lorana.

 

Der Meister hatte einen Plan und er wusste sein Schüler stimmte ihm dabei nicht zu, doch seine Stimme zählte nicht. Denn heute Abend würde sein Plan in Erfüllung gehen und alle würden sehen, ob sie es wirklich war.

Er übte sich an seiner Technik, feilte hier und da noch etwas, damit er perfekt vorbereitet war. Heute Nacht würden sie alle für ihn tanzen. Von Eifersucht und Neid, dass ihre Herzen verschlungen hatte, dazu bewegt etwas zu tun, was sie nicht wollten. Aber sie würden es nicht aufhalten können. Ihre Gefühle würden ihm Einlass geben sich ihnen aufzuzwingen. Er lachte ein bitteres Lachen, voller Hass und Finsternis triefend. Der König würde sich freuen sie endlich  in seinem Heim begrüßen zu dürfen. Es wurde aber auch Zeit, dass sie sie endeckten. Keiner hatte wirklich daran geglaubt, dass sie hier zu finden ist, aber er hatte es geglaubt. Weiterhin werkelte er  an seinen verrückten Kunststücken, völlig darauf konzentriert bemerkte er seinen Schüler nicht, der hinter der Tür stand, die Hände zu Fäusten geballt und vollkommen bewegunslos. Er wusste, dass er nichts tun konnte außer zusehen. Bei diesem Gedanken hallte das verrückte Lachen seines Meisters in seinem Kopf wieder.

 

Taumelnd verließ sie den Saal. Hoffentlich hatte sie alle Antworten richtig.

Lorana schaute auf die Uhr. Es war bereits 1 Uhr, sie konnte also gehen. Hustend ging sie ins Büro der Schule, als  sie plötzlich von hinten gepackt wurde. Man hielt ihr schmezlich eine Hand auf den Mund gepresst und schleifte sie in einen stockfinsteren Raum voller Papiere, alter Sessel und unmengen von verlorengegangenden Krimskram. Es war der Hausmeisterraum. Lorana wusste, dass heute  alle Hausmeister abwesend waren, somit war auch keiner da. Starke Arme banden ihr die Augen zu, damit sie nichts sehen konnte und stießen sie in die Besenkammer. Die Entführer klebten Klebeband um ihre Hände und Füße, auch auf ihrem Mund. Leises Geflüster war zu hören und Lorana glaubte  in einer Stimmer, die von Mirko, einem Raufbold, zu hören. Was wollten sie von ihr? Sie hatte doch gar nichts mit ihnen zu tun.  Böse Vorahnungen schwebten beunruhigt in ihren Gedanken. Schließlich wurde die Tür geschlossen, ein Schlüssel wurde umgedreht und noch eine Tür geschlossen. Dann war alles still.

Lorana konnte sich nicht bewegen und sie befürchtete hier drinnen zu ersticken. Schweiß stand auf ihrer Stirn, ihr Atem ging flach und ihre Sicht verschwamm vor ihren Augen, sie wusste keine Lösung in ihrer Lage.

  Nach mehreren Stunden döste sie in einen fiebrigen Traum voller Schatten und Monster. Schweißgebadet wachte Lorana auf, im Glauben alles sei nur ein Traum, jedoch wurde sie enttäuscht. Es war immer noch ruhig und sie war immer noch in der Besenkammer eingsperrt.  Wie lang mochte es noch so weiter gehen? Und wie viele Stunden hatte sie geschlafen?

 Lorana hörte das Endgültige Läuten, die verkündete, dass die Schule für heute geschlossen wurde. Drei endlose, so kam es Lorana vor, Töne, die sie auslachten und ihr Hirngespinste vorspielten. Sie geriet in Panik. Lorana musste hier raus, sonnst würde sie ausharren müssen und wahrscheinlich, bevor die Schule anfing, verhungern. So wollte sie auf keinen Fall draufgehen. Ohne etwas zu sehen zog sie die Beine an und trat dort hin, wo sie die Tür vermutete. Mit Freude bemerkte sie, dass es wirklich die Tür war.

Die klebrigen Fesseln an ihren Füßen taten weh aber sie achtete nicht darauf, sondern trat abermals zu, mit der Hoffnung, dass die Tür aus den Angeln reißen würde. Ein Mal. Zwei Mal. Drei Mal. Lorana bekam kaum Luft, denn durch den Mund konnte sie nicht atmen. Vielleicht hörte sie ja jemand. Lorana beschloss noch einmal zuzutreten und zwar mit aller Kraft die sie hatte. Tief holte sie durch ihre Nase Luft, winkelte die Beine an und ließ sie wie eine Rakete vorschießen. Tatsächlich! Sie traf! Lorana bemerkte aber, dass es sich nicht anfühlte wie Holz, schon gar keine Tür. Es krümmte sich weich unter ihren Füßen und fiel plump zu Boden, dabei hörte Lorana ein beklagenswertes Stöhnen. " Ah... Sie... hat mich getreten!". Lorana erkannte Loreys Stimme wie ein schneidenes Messer in ihrer Brust. Was wollte sie? Viele Arme stemmten sie hoch, rissen ihr das Klebeband vom Mund und banden ihre Augenbinde auf. Lorana holte tief Luft und schlug ihre Augen auf. Sie konnte nicht glauben was sie sah obwohl sie damit gerechnet hatte. Rund um sie standen zirka zehn Mädchen die sie gehässig anstarrten und in ihrer Mitte fand Lorana Leslie wieder. Neben ihr stand Lorey, sich krümmend vor Schmerzen. Sie fixierte Lorana mit einem Blick, wie nur Raubtiere es mit ihrer Beute taten. Leslie lächelte kalt. " Wie immer sehr tatkräftig, huh?".

Lorana durchbohrte sie mit ihrem Blick. " Was willst du Leslie? Bist du schon so verzweifelt, dass du zu solchen Mitteln greifst?", knurrte sie.

 " Verzweifelt? Nein. Mir ist eher langweilig von deiner Anmache an Daimond. Deswegen dachten wir uns, wir könnten ein kleines Spielchen spielen. Eine nette Sache unter uns. Niemand wird uns stören. Wir sind alleine. Die ganze Schule ist still und verlassen. Dafür haben wir gesorgt."

" Ein Spielchen, also?". Verwirrt musterte Lorana die kleine Mädchengang.

Leslie nickte. " Ja. Ein kleines Spielchen. Ach, und versuch nicht hier raus zukommen. Alle Eingänge und alle Fenster sind geschlossen, außer vielleicht in den oberen Stockwerken, aber ich denke nicht, dass du da raus klettern willst. Die Schlüssel haben wir. Jedoch verteilt." Leslie grinste zufrieden.

" WELCHES Spiel?". Ihre Fesseln fühlten sich unbequem erdrückend an. Sie war ihnen bis auf weiteres ausgeliefert und das war überhaupt nicht gut.

Leslie begutachtete eingehend ihre Fingernägel. Dann sah sie wieder Lorana an.

" Die Jagd,".

7. Kapitel

 

Lorana konnte nicht glauben was sie hörte. Wie krank musste man sein um einen Menschen zu JAGEN.  " Die Jagd? ", stammelte sie verdutzt.

" Richtig gehört. Wir werden dir die Fesseln losbinden, dir fünf Minuten geben um dich zu verstecken oder sonst was und dann spielen wir fangen! Ist das nicht lustig?", sagte sie. Leslies Grinsen war für Lorana unerträglich.

" Und damit du nicht sagen kannst, dass wir unfair  sind, geben wir dir eine Uhr mit," fügte Leslie hinzu. Mit einem knappen Wink gab sie zu verstehen, dass man sie losbinden sollte. Daraufhin kamen zwei Mädchen aus deren Reihe und rissen ihr das Klebeband von der Haut, die dunkle und rosige Abdrücke hinterließen. Klamm befühlte Lorana ihre Handgelenke. Sie fühlten sich merkwürdig steif an. Plötzlich verschwomm alles vor ihren Augen. Sie hatte ihre Erkältung für einen kurzen Augenblick vergessen. Lorana hüstelte ein wenig, ließ sich aber ihre Erschöpfung nicht erkennnen. Es wäre unerträglich für sie, wenn sie vor Leslie auch nur einen Hauch von Schwäche zeigen würde. Also riss Lorana sich am Riemen.

" Kann es endlich losgehen?", fragte sie eisig und blickte dabei jedem Mädchen genau ins Gesicht, damit sie sie wiedererkennen konnte, falls sie hier rauskam. Leslie schenkte ihr nur einen spöttichen Blick bevor sie ihr eine Uhr reichte und  „Los geht´s ," sagte.  Auf diesem Zeichen hin stürmte Lorana aus der Tür hinaus in den Gang. Alles um sie herum war dunkel, nur durch die Glastür erkannte sie, dass es bereits Nacht war und der Mond spärliche Strahlen ins Gebäude warf. Gehetzt wandte sie sich in die Richtung der Sporthalle und sah dabei auf die Uhr, die Leslie ihr gegeben hatte und verglich sie mit der an der Wand. Weningstens ging sie richtig.

Ihr Hoffnungsschimmer war, dass sie vergessen hatten die Notfalltüren der Hallen zu schließen und sie durch diese entkommen konnte. Noch genau vier Minuten blieben ihr. Lorana wusste, dass  Leslie nicht schummeln würde. Zum einen war es ihr Stolz, zum anderem war es ihre krankhafte Eifersucht. Schnaufend riss sie die Tür der Gymnastikhalle auf und rannte  auf die Andere an der Wand zu. Panisch riss sie an dieser, doch sie ging nicht auf. Nun fing sie auch noch damit an Gespenster und Grimassen in den Schatten zu sehen. Rotglühende Augen, die sie anstarrten und schadenfrohes Gelächter, das in dem Raum widerhallte und durch die Mauern und Ritzen durchfegte, wie beißender Wind. Loranas Herz klopfte so wild, dass sie dachte es würde bald in tausenden Scherben zerspringen und nichts in ihr lassen, was sie am Leben hielt. Verdammtes Fieber!, dachte sie schluchzend. Warum passierte ihr das alles? Nur weil sie mit Daimond befreundet war?

Noch drei Minuten. Sie jagte durch die Flure, ins obere Stockwerk und riss dabei Türen auf, nur um sie wiederum mit einem lauten Gepolter wieder ins Schloss zu knallen. Mit viel Glück würde sie vielleicht einen Saal finden wo sie sich verstecken konnte. Dafür musste es aber ein ziemlich voller Raum sein.

Da schoss die Lösung wie ein krachender, weißer Blitz durch sie. Wieso war sie nicht gleich darauf gekommen?  Der Chemiesaal! Ein Bild tat sich vor Loranas geistigem Auge auf. Da drin war doch eine Tür... ,Lorana versuchte sich an den Raum zu erinnern, Ah, ja! Wenn man die Tür aufmacht und hineingeht, sieht man ein Labor voller... voller Schränke! Genau! Darin bewahren die Lehrer all ihr Untensilien auf und in einem ist genug Platz um sich zu verstecken! Woher diese Erinnerung kamen, wusste sie nicht mehr. Mit neuer Krafte hetzte sie in die andere Richtung. Dabei kam ihr immer wieder die Idee, es doch ein Mal mit den Ein- und Ausgängen zu versuchen, aber innerlich wusste Lorana genau, dass Leslie keinen dummen Fehler gemacht hatte.

DINGDONG. DINGDONG. Erschrocken zuckte Lorana zusammen und schaute wie hypnotisiert auf die Uhr. Die fünf Minuten waren vorbei. Sie musste schnell in den Saal. Gerade als sie weiter laufen wollte blieb sie wie angewurzelt stehen. Irgendwie waren sie überall. Die Mädchen. Lorana sah ihre Spiegelbilder im Fenster neben ihr. Wie kamen die Mädchen hierher? Mit klopfendem Herzen drehte sie sich um, um genau in Leslies Gesicht zu blicken. Wie haben sie sie gefunden? Schwer lag die Übelkeit in ihrem Magen, wie ein Zentner wiegender Stein. Ebenso der dicke Kloß in ihrem Hals. Sie musste würgen um sprechen zu können. " Wie.. habt ihr mich gefunden?".  Plötzlich veränderte sich Leslie. Jedoch nicht nur sie, sondern alle Anderen auch. " Wir werden dich immer finden Lorana,“ antworteten sie synchronisiert.

Zitternd beobachtete Lorana die grauenhafte Verwandlung. Leslies schön manikürte Nägel wuchsen zu messerscharfen Krallen, ihre Augen färbten sich rot, sodass nur eine kleine, schwarze Pupille übrig blieb. Und, Lorana musste bei diesem Anblick einen Schrei unterdrücken, ihnen wuchsen scharfe, eckige VAMPIRZÄHNE! Nein. Man konnte sie nicht Vampirzähne nennen, denn sie ähnelten überhaupt nicht denen wie im Film. Sie waren weder zum verlieben, noch so zuckersüß dargestellt wie in Twilight. Es waren FANGZÄHNE, die fingerdick- und lang aus ihren Mündern wuchsen. Ihre Umgebung war in ein rötliches Licht getaucht, voller böser Geister und fressenden Dämonen, die ihre Griffe nach Lorana streckten. Ekelhaft sah sie wie den Mädchen der Sabber aus dem Mund tropfte. Okay. Nun war es allerhöchste Zeit. Zeit, um schreiend und kreischend um ihr Leben zu laufen. Und das tat sie. Nach Luft ringend drehte sie sich um und preschte durch die erstbeste Tür, die vor ihr lag und schloss sie mit verkrampften Händen. Eilig  schnappte sie sich einen Stuhl, klempte ihn unter die Doppeltür und lehnte sich angstvoll dagegen. Hinter ihr  fingen die Mädchen an, oder was auch immer diese Wesen waren, gegen die hölzerne Wand zwischen ihnen zu trommeln. Lorana schrie verzweifelt.

Jedoch wagte sie einen Schritt, um einen Tisch vor die Tür zu schieben. Nochmals hievte sie einen darauf und blickte sich um. Wo konnte sie sich verstecken? Dann blieb ihr Blick am Fenster hängen. Ihr war als bliebe ihr Herz für einen Augenblick stehen, nur um danach wild gegen ihre Brust zu hämmern. Sie traute sich nicht daran zu glauben was sie sah. Bestimmt spielte ihr Fieber ihr wieder Mal einen bösen Streich. Vor ihr konnte sich der Mond nicht rot verfärben und der Baum verhängnisvoll mit den Blättern rascheln, so als wolle er sie auslachen oder verspotten. Sie konnte in keinem in rot getauchtem Raum stehen und hinter den Fenstern konnte sie auch keine acht Gestalten in wehenden Umhängen sehen, die leichtfüßig auf einem dickem Ast standen oder knieten und sie konnte auch nicht sehen, wie sie sie anstarrten. Mit ihren weißen Augen und den blutroten Pupille. Das konnte einfach nicht sein. Lorana hörte das Pochen und Schlagen hinter ihr gar nicht mehr. Wie erstarrt schaute sie die Schatten an, denn so wirkten sie im fahlen, rotem Mondlicht. In ihren Ohren rauschte das Blut, wie ein reißender Strom. Lorana blidete sich ein, dass sie lachten und Einer von ihnen sprach sogar mit ihr. " Na, was ist? Willst du dich denn nicht endlich zu erkennen ergeben? Dann wäre das alles hier endlich vorbei, weißt du? ".

" Nein. Du bist nicht echt. Das ist alles nur ein Traum. Nur ein böser Traum." Ihre Augen weiteten sich ungläubig und sie hielt sich die Ohren zu, nur um nicht dieser grauenvollen Stimme zu lauschen, die sie zu verführen versuchte. Aber sie hörte ihn trotzdem. " Ein böser Traum, also? Nun gut. Er wird enden wenn du mit uns kommst. Ich verspreche es dir, Kleine, " versicherte er ihr mit  zuckersüßer, triefender Stimme. Lorana schüttelte immer noch völlig verständnislos den Kopf. Was passiert hier?

Verärgert schien er seinen Kiefer anzuspannen. Während die Anderen sie nur beobachteten, schien der Eine sie anlocken zu wollen. Fast glaubte sie er wäre der Tod, der sie abholen wollte. Lorana kauerte sich auf dem Boden und konnte sie nur weiterhin anstarren. " Wenn du nicht freiwillig mitkommen willst, dann eben mit Gewalt! ", zischte er.  Hinter ihr wurde die Tür aufgerissen und sieben Schatten fegten in den Saal. Lorana drehte sich nur steif um, sie konnte nicht Mal schreien, so trocken war ihre Kehle.

Verblüfft klappte ihr  Mund auf. " Daimond! ", sagte sie mit heißerer Stimme. Er lächelte sie sanft an und kam mit ausgestreckten Armen auf sie zu. Daimonds Vater und alle seine Geschwister waren da. Auch Daniel.  " Lorana. Es ist alles gut. Wir sind da. Ich bin da, " versuchte er sie zu beruhigen. Er schloss sie erleichtert in seine Arme, hob sie hoch und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Damit brach er jegliche Fessel, die sie abgehalten hatten hysterisch zu werden. Weinend, schluchzend und völlig aufgelöst versank sie in seinen starken Armen. Es fühlte sich wirklich an. Wirklich gut. Lorana barg ihr Gesicht an seinen Schultern. " Schschsch.... Es ist okay."

" Hark! Du kannst verschwinden! Gegen uns wirst du nicht ankommen, " hörte sie Daniel schreien.

" Ach, das glaubst du wirklich, nicht war? ".

Im nächsten Moment kamen Leslie und ihre Mädels durch die Trümmer der Tür gestiegen und fauchten sie bedrohlich an. Lorana hob ihren Kopf und Daimond wandte sich der wütenden Meute zu, ließ seinen Arm aber um sie geschlungen. Die Mädchen waren immer noch Bestien.

8. Kapitel

 

Wie durch Befehl bewegten sie sich zielstrebig auf Lorana  und die anderen zu. Daimond löste sich von ihrer Seite und stellte sich mit seinen fünf Geschwistern in einer Reihe vor den Mädchen auf. Panisch wollte sie Daimond zurückziehen aber ließ es dabei bleiben, als Daimond ihr beruhigend zulächelte. Dennoch, was wollten sie denn gegen diese Meute mit Fangzähnen ausrichten? Überhaupt wieso waren sie zu dieser Zeit in der Schule? Hinter Lorana erklang ein erstickter Laut und verwundert drehte sie sich zu den acht Schatten um. Zähneknirschend bemerkte Lorana, dass  derjenige, der mit ihr gesprochen hatte, lachte. Plötzlich began vor ihr der  Tumult loszubrechen. Leslie ging mit ihren scharfen, langen Fingernägeln auf Daimond los. Er wich knapp  aus, machte eine halbe Drehung . Leslie tat das Gleiche, sprang auf ihn zu und riss ihn mit sich zu Boden. Ihre Krallen hinterließen auf seiner Brust blutende Striemen und sein Hemd färbte sich rot. Daimond stöhnte schmerzhaft auf, kämpfte sich von ihrer würgenden Hand frei und schleuderte Leslie in eine Ecke des Saals, wo sie krachend aufkam. Lorana sah sich nach den Anderen um. Fast jeder hatte nun eine Verletzung und blutete. Egal wie oft die Fallmoons  sie zu Boden warfen, Leslies Truppe stand immer wieder auf. Daniel versetzte einem der Mädchen einen Schlag, während sie sich an ihn krallte und sich zu ihm zurück zog." So´n Mist! ", fluchte er. Lorana erkannte nun, dass es Lorey war, die gerade ihre Fangzähne in Daniels Hand stieß. Daniel schrie schmerzhaft auf und versuchte sich vergeblich von ihr zu befreien. Lorana wollte ihm helfen, konnte es dennoch nicht. Wenn sie alles betrachtete lagen die Chancen alle heil davon zu kommen sehr schlecht. Sie waren zahlenmäßig unterlegen, Daimonds Vater kämpfte sogar mit drei Bestien gleichzeitig und ihnen machten ihre Verletzungen stark zu schaffen. Sogar Ellas schönes Gesicht war Blutverschmiert. Wieso kämpfte sie überhaupt?

Fast gleichzeitig erkannte Lorana neben Ella eine weitere Gestalt. Zuerst dachte sie erschrocken es wäre ebenfalls eine dieser Bestien, doch es war ein Mädchen. Viel jünger als sie. Wer war sie?  Das Mädchen trug seltsame Kleidung. Es sah aus als würde es direkt aus der Barrockzeit stammen, mit vielen Schleifen und Rüschen. Plötzlich hörte sie einen lauten Schrei und wirbelte herum. Ihr stockte der Atem. Leslie zog gerade ihre Krallen aus Daimonds Brust, die triefend vor Blut waren. Daimond krümte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Boden. Unter ihm bildete sich eine Lache aus roter Flüssigkeit. Unsagbar langsam begriff Lorana, dass Daimond wegen ihr villeicht sterben würde. Bei dem Gedanken traten Tränen in ihre Augen und sie rannte schluchzend zu ihm. Gedämpft hörte sie Daniels Stimme, die sie rief. Aber sie verstand nicht. Betroffen ließ sie sich neben ihn sinken und umarmte ihn unter Tränen. Sie hatte solche Schuldgefühle. Ihr war nicht klar was sie tun sollte. Sie war stocksteif vor Angst, jedoch wusste sie, dass sie Daimond niemals im Stich lassen konnte, egal was geschah. Sogar wenn sie mit ihm sterben sollte.

" Geh... wieder zurück...", sagte Daimond zähneknirschend und ganz benommen von seinen Schmerzen. Er war zudem schweißnass. Leslie wollte sich wieder fauchend auf sie stürzen, doch Lorana wich nicht von seiner Seite. Heulend machte sie sich klar, dass alle ihr Leben für sie reskierten und sie nichts für sie tun konnte. Dabei wollte sie niemanden in Gefahr bringen. Sie wollte mit ihnen weiter leben. Denn sie hatte alle in ihr Herz geschlossen... Sie waren ihr wichtig.  „Ich werde mich bis zuletzt nicht von deiner Seite weichen. Ihr bedeutet mir doch so viel, " flüsterte Lorana unter Tränen. Leslie stockte in ihrem Angriff. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz und Widerstand.

In Lorana began sich Wut, Verzweiflung und Trauer über ihre Hilflosigkeit auszubreiten.

Plötzlich geschah etwas mit ihr.

 Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie sah Bilder aus der Vergangenheit, die sie nicht kannte und doch waren es eindeutig ihre.

 Ein Schloss, Wölfe, und... Magie. Genau, Magie war die Lösung. Erinnerungen rasten durch ihren Kopf und die wahre Lorana kam zum Vorschein.

Ihre Kraft erwachte.

 Der Mond schien noch heller zu strahlen und gab Lorana die Unterstützung, die sie brauchte. Aus heiterem Himmel began sie zu schweben wie ein Vogel bis sie knapp zwei Meter über den Boden war. Ihr Haar wirbelte wie durch einen unsichtbaren Wind berührt um ihr Gesicht herum und nahm einen rötlichen Ton an und ihre Augenfarbe änderte sich in ein samtweiches weinrot. Auch ihre Kleidung wechselte in einem Meer von Licht und Strahlen zu einem wunderschönen, roten, langen Kleid mit Verzierungen, Rüschen und Gold. Auf ihrem Kopf erschien eine genauso beeintruckende Krone. Sie verwandelte sich tatsächlich in eine Prinzessin.

   Vollkommen überrascht und überrumpelt sahen alle zu, wie Lorana sich veränderte. Dann streckte sie gelassen ihre Hände aus, kniff die Augen zusammen, dabei wurde ihr Mund zu einer verärgerten Linie und ließ ihre Arme ausgestreckt nach außen wandern. Das Licht um sie herum färbte sich blutrot  und auf ein Mal entstand zwischen den Fallmoons und den Bestien eine rote Barriere. Sie war wie eine rote, durchsichtige Kuppel um ihre Köpfe. Leslie und ihre Mitstreiter wagten es nicht die Barriere zu berühren.

  Mit ausgestreckten Armen, schwebend vor dem roten Mond, verzaubert schön und mit vor Wut verzerrtem Gesicht sah Lorana wie ein Todesengel aus. Sie machte nicht nur den Angreifern angst, sondern auch den Fallmoons. Ihr durchdringender Blick, die Entschlossenheit und Selbstsicherheit von Lorana war überraschend fessselnd für ihre Freunde, für ihre Feinde jedoch wirkte das allein furchteinflösend genug um die Flucht zu ergreifen. Plötzlich klatschte Lorana in die Hände. Alle zuckten bei dieser Bewegung zusammen, so als würden sie von einer Trance erwachen. Stechend rote Flammen schossen aus dem Boden außerhalb der Barriere. Kreischend und wimmernd versanken die mutierten Mädchen im Feuer. Verzweifelt warfen sie sich gegen die Barriere in der kein Feuer war, trommelten gegen die Wand, fluchten, rannten im ganzen Raum herum, weinten, wehklagten und versuchtem dem Feuer zu entkommen, doch Lorana zeigte kein Erbarmen. Betroffen sahen die Fallooms zu, stellten dann aber verwundert fest, dass die Mädchen nicht verbrannten. Es wirkte grausam was Lorana tat, half den Mädchen aber. Noch lange hörte man ihr Wehklagen und erst nach mehreren Minuten verklang es. Unbeachtet dessen, was außerhalb der Barriere geschah, ließ Lorana blaue Flammen in ihrer Hand auftauchen und gab jedem der Fallmoons eine. Verwundert starrten sie zuerst Lorana, dann die Flammen an. Sie taten ihnen nicht weh sondern schwebten ruhig über ihren Köpfen. Sie sah jeden einzelnen von ihnen an, einschließlich Daimond zum Schluss. " Keine Angst. Sie werden euch heilen, " versprach Lorana mit fester Stimme und lächelte warm. In der nächsten Sekunde ließ sie die blauen Flammen wachsen, so dass sie die Fallmoons vollkommen umschlossen. Ruhig blieben sie stehen und genossen sogar den guttuhenden Vorgang, denn ihr Schmerz verebbte. Plötzlich erschall hinter Lorana ein gellendes, stechendes Gelächter und sie zuckte erschrocken zusammen, wirbelte dann aber  brodelnd herum.  Hark, so erinnerte sich Lorana, lachte aus vollem Hals. Er amüsierte sich. In jenem Moment begriff sie, dass sie ihn hasste. In einer hastigen, wütenden Geste streckte sie die Arme aus und brennende Rosenblüten schossen auf die Schatten zu. Klirrend zersprangen die Fenster, während die Blüten krachend den Baum zerschnitten. Eilig sprangen alle Schatten außer Reichweite, doch nicht schnell genug. Die Flammen fraßen sich in ihre Kleidung. Erschrocken stießen sie laute Schmerzenslaute aus. Das Feuer versenkte ihnen die Haut und bereitete ihnen Schmerzen als wären sie in der Hölle. Lorana hatte alle erwischt. Mit einem Blick ließ sie die Flammen weiter wachsen, so dass sie fast eingehüllt waren. Verzweifelt versuchten die Schatten die Flammen loszuwerden, jedoch vergeblich. Schließlich flüchteten sie als brennende Fackeln in die finstere Nacht hinaus. Einen Augenblick lang überlegte Lorana, ob sie sie verfolgen sollte. Dann beschloss sie es dabei bleiben zu lassen und beruhigte sich etwas.

Was tat sie eignetlich? , fragte sie sich. Plötzlich verstand sie die Welt nicht mehr. Von ihrer Selbstsicherheit  war nichts mehr übrig geblieben außer Fragen, die sie nicht beantworten konnte. Was war mit ihr geschehen? Wieso konnte sie das alles?

                                                        Wer war sie?

 Lorana schaute ihre Hände an mit denen sie die Flammen erzeugt hatte. Mit denen sie gekämpft hatte. Doch dann verblasste ihre Sicht . Schwer fiel sie ohnmächtig zu Boden. Das war alles zu viel für sie. 

 

Er flüchtete mit den Anderen zu ihrem Hauptquartier. Sie hatten die Kleidung wechseln müssen, denn egal was sie taten, welche Zaubersprüche sie auch verwendeten, die Flammen waren nicht eher erloschen bis die Kleidung nur noch Asche war. Es war einfach nur unglaublich welche Verletzungen das Feuer bei ihnen hinterlassen hatte. Sein linker Arm und seine Schulter waren rot und aufgedunsen. Klar war die Brandverletzung schlimm und er beklagte sich auch, aber bei einigen von ihnen war es noch viel schlimmer. Dennoch würde auch diese Verletzung schnell heilen. Bis dahin tat sie immer noch entsetzlich weh.

 Er dachte an sie.

  Sie war so wunderschön gewesen und er hatte ihre Gefühle gespürt, so deutlich dass ihm Tränen in den Augen gebrannt hatten. Nicht nur ihm war es so ergangen. Alle empfanden das gleiche. Nur sein Meister hatte nichts bemerkt. Er glaubte sogar zu wissen warum. Sein Meister hatte einfach gesagt kein Herz. Gerade in jenem Moment kam  der Herr herein, mit einem Grinsen auf dem Gesicht, dass fast bis zu den Ohren reichte. " Ihr habt es gesehen, oder? Sie ist es. Und so stark! ". Er lachte während alle schwiegen. 

 

9. Kapitel

 

Es war dunkel und ihr Kopf schmerzte als hätte sie jemand bewusstlos geschlagen. Lorana öffnete langsam ihre Augen. Ein gleisendes Licht blendete sie und sie stöhnte gequält.

Wo war sie?

Schwer richtete sich das Mädchen auf und blickte sich im Zimmer um. Es war nicht ihres. Im Raum befanden sich ein hölzerner Schreibtisch,  ein großer Kleiderschrank, als auch ein schwarzes Himmelbett in dem sie sich befand. Die Wände waren lila gestrichen mit Bildern des Mondes bestückt. Durch ein Fenster zu ihrer linken strahlte Sonnenlicht ein. Verwirrt versuchte Lorana sich einen Reim daraus zu machen warum sie hier war. Plötzlich erinnerte sie sich an die grauenvolle Nacht in der Schule. Die Bestien, das grausame Lachen jenen Mannes, die Angst die sie verspürte als  Daimond verletzt wurde und was SIE danach getan hatte. Blei blickte sie auf ihre Hände, die die Bettdecke umklammerten. Sie zitterte. Einzelne Bruchstücke fügten sich zu einem ganzen Mosaic und langsam aber sicher war Lorana sich im Klaren, dass sie nicht ein normaler Teenager war. Ihre Welt wurde auf dem Kopf gestelllt und Lorana wusste nicht, was sie mit ihrem neuen Wissen anfangen sollte. Sie hatte so viele Fragen. Schlagartig kam ihr dabei Daimond in den Sinn und wie seine Familie versucht hatte sie zu beschützen. Die Fallmoons wussten was hier vor sich ging. Hastig stieg sie aus dem Bett und ging zur Tür. Ihr kam das Zimmer seltsam vertraut vor.  Ohne weiter nachzudenken schritt sie aus dem Zimmer und musste feststellen, das sie sich in der alten Spielvilla befand. Anscheinend hatten die Fallmoons sie hierher gebracht. Besorgt um den Zustand der Familie trapte sie die Treppe hinunter, in das große Wohnzimmer. So als hätten sie mit Loranas Auftauchen gerechnet, hatte sich die ganze Familie dort versammelt. Daimond war in eine Unterhaltung mit seinem Vater vertieft, während seine Geschwister auf der Couch saßen, jeder jeweils ein Buch in der Hand. Daimonds Mum, Karmen, telefonierte geistesabwesend, während sie auf und ab schritt. Nachdem Daimond bemerkte wie Lorana etwas schüchtern auf sie zukam, erhellten sich seine straffen Züge. Er lächelte sie liebevoll an, wobei er ihr entgegenkam. Überraschend nahm er sie in seine Arme, drückte Lorana an sich und flüsterte: „Ich bin so froh das es dir gut geht. Die Vorstellung das du vielleciht nicht mehr aufwachst hätte mich beinahe in den Wahnsinn getrieben.“ Etwas verdutzt antwortete sie : „Mir geht es gut.. uhm denke ich.“

Ihr sonst so bleiches Gesicht lief rot an wie eine Tomate, während sie seine Umarmung steif erwiderte. Die Hitzewelle die durch Loranas Körper jagte, machten ihre Hände schwitzig und sie unterdrückte den Drang ihre Hände abzuwischen. So hatte sie Daimond noch nie erlebt. Seine starken Arme um sie geschlungen, verschlug es ihr den Atem. Dort wo er sie berührte kribbelte ihre Haut angenehm, während ihr Herz wild pochte. Es schien ihr als wäre die Zeit stehen geblieben, denn Minuten vergingen, dennoch ließ er sie nicht los bis sich Daniel räusperte. Verlegen sah Lorana wie alle sie anstarrten und wand sich aus Daimonds Umarmung.

„ Sie ist erst aufgewacht. Lass ihr ein bisschen Luft zum Atmen du Casanova,“ stichelte Daniel seinen Bruder mit einem Grinsen auf.

„ Weißt du überhaupt was das Wort Casanova bedeutet, du Kleinkind?“, konterte Daimond düster. Lorana konnte jedoch sehen, das seine Wangen gerötet waren und schmunzelte. Hegte Daimond wirklich derartige Gefühle für sie oder war er nur besorgt? Sichtlich verwirrt von ihren eigenen Gedanken schob sie die Frage beiseite. Dale Fallmoon, deren Vater, unterbrach den aufkeimenden Streit und wandte sich an Lorana, die etwas ratlos dastand. Nun verstand das Mädchen auch woher die Geschwister ihr unbestritten gutes Aussehen hatten. Dale sah nicht älter aus als 25, hatte helle Haare, helle Augen, ein markantes Gesicht und einen getonten Körper. Karmen war genauso beeindruckend schön wie ihr Ehemann mit schwarzen Haaren, so wie einer grandiosen Figur. Sie hatte ihr Telefonat beendet und lächelte freundlich.

„ Wir freuen uns das du aufgewacht bist Lorana,“ sprach Dale erleichtert. „Ich bin mir sicher das du viele offene Fragen hast. Setzt dich doch erst mal hin.“

Lorana nickte. Fragen hatte sie auf allemal. Also bewegte sie sich auf das Sofa zu und setzte sich beklommen hin. Wie selbstverständlich reservierte Daimond sich den Platz neben ihr.

. Zum ersten Mal sah Lorana alle Fallmoons zusammen. Luna, ein 15 Jahre altes Mädchen das sich gerne im Look eines Gothic Lolita kleidete, Lumo, der 2 Jahre älter als Luna war und sehr verschwiegen schien. Neben Ella saß Michel, der wohl muskulöseste aus der Familie. Soweit Lorana wusste mochte er gern Sport. Es war ihr unerklärlich wie Karmen so viele Kinder hatte und dennoch eine gute Figur behielt. Letztlich blickte sie Dale an.

„ Ich weiß nicht wo ich anfangen soll mit meinen vielen Fragen,“ gestand sie ihm. Er lehnte sich zurück und faltete seine Hände zusammen. „ Ich kann dich sehr gut verstehen. Fang einfach mit der dringlichsten an,“ meinte Daimonds Vater. Auch wenn man es ihr nicht ansah, konnte Lorana ihre Ungeduld nicht mehr zurückhalten, also fing sie mit der wichtigsten Frage an, die beweisen würde ob sie verrückt war oder nicht.

„ Gibt es Magie denn wirklich?“. Sie konnte fühlen wie sich die gelassene Atmosphere von vorhin in Anspannung auflöste. Eindringlich musterte er sie und sein Blick war als würde er ihre Seele durchdringen.

„ Ja,“ antwortete Mr. Fallmoon langsam. „ Magie existiert. Wahrscheinlich nicht so wie du denkst, dennoch gibt es sie.“

„ Ich will alles wissen,“ spurtete Lorana heraus. „ Wer waren die abscheulichen Männer in der Schule, die mich beobachtet haben? Was hatten sie mit Leslie und ihrerer Clique gemacht? Wer oder was seid ihr? Und warum passiert das alles um mich herum? Und... wer bin ich?“. Etwas scheu versuchte Dale sie zu bremsen.

„ Ich glaube es ist wirklich das Beste wenn ich dir alles von Anfang an erzähle,“ sagte er beschwichtigend.

„ Nun als Erstes, wir sind keine Menschen Lorana. Wir sind Abstammung des Menschengeschlechts, die jedoch mehr Fähigkeiten besitzen als der gewöhnliche Mensch. Eines dieser Dinge ist die Handhabung der Magie und das uns dadurch verliehene längere Lebensalter. Wir alle besitzen diese Gabe. Geschichten über Fabelwesen stammen aus der Zeit als wir noch mit den Menschen koexistierten. Feen, Wichtel, Elfen und alle anderen Lebewesen die mit Magie hantieren zeigen sich nur nachts. Die Nacht ist unser Tag. Denn unsere Magie erwacht wenn die Sonne untergeht. Es war schon immer so gewesen und ist ebenfalls unsere einzige Schwäche. Denn tagsüber sind wir nur gewöhnliche Menschen. Manche von uns leben unter den Gewöhnlichen, die meisten jedoch leben in abgelegenen Dörfern, von Barrieren und Sprüchen umgeben. Die Zivilisation  war einst am Brink der Zertörung, da die Menschen uns immer mehr fürchteten und so ein grausamer Krieg anfing. Als sich alles zuspitzte rettete unsere damalige Königin die Zivilisation dadurch, das sie uns in den Augen der Menschen zu Fabelwesen machte. Sie verlor ihr Leben, doch wir alle hatten gelernt unser Dasein zu hüten.“

Einen Moment lang herrschte betroffenes Schweigen. Es schien als hinge er in Erinnerungen einer längst vergessenen Zeit nach, bevor er zähend weitererzählte.

„ Schon seit Uhrzeiten gab es die Familie der Noctura, die einer königlichen Abstammung herrührte und seltene Gaben besaßen. Jedoch waren wir keinesfalls dazu gezwungen uns einem Herrscher unter zu ordnen. Das Gegenteil war der Fall. Es war im Interesse aller, das jemand gewählt wurde, der die Macht besaß, den Frieden zwischen verschiedenen Rassen und Clänen zu wahren. Auch in einer Gesellschaft aus Fabelwesen muss Gesetz und Ordnung herrschen. Jahrhunderte vergingen nach diesem Ereigniss. Aber nicht alle waren mit dem was passiert war zufrieden. Es bildete sich eine Gegenfront. Grundsätzlich fanden sie, dass wir uns nicht vor den Menschen verstecken sollten, sondern uns diese zu Untertanen machen sollten, da wir über Macht und Magie besaßen. Sie nannten sich den Orden des Phönix. Diese Überlegung ist meiner Ansicht nach jedoch töricht in vieler Hinsicht. Als es zu einer Revolte kam wurde dies von den Noctura erfolgreich verhindert, da der Orden Unruhe zwischen den Völkern stiftete und sich dunkler Magie hingab. Man dachte der Orden sei vernichtet, also lebte man lange Zeit im Frieden bis der Phönix sich noch ein mal erhob. Dieses Mal erfolgreich. Durch eine Intrige verschuften sie sich Einlass in den Palast und ermordeten, das  kürzlich gekrönte Königspaar. Ein schrecklicher Kampf brach aus. Vieles wäre anders verlaufen, hätten die Cläne früher von dem Angriff gewusst, jedoch erreichte uns die Nachricht zu spät. Der gesamte Palast wurde eingenommen, die Noctura waren aussgelöscht. Das Oberhaupt des Phönix, Amur, krönte sich zum selbsternannten Herrscher, terrorisierte Dörfer und schlachtete jeden Rebellen, der es wagte sich ihm zu widersetzen. Seine Macht wuchs je mehr er tötete. Wir fanden heraus, das er die Magie anderer in sich aufnehmen konnte. Indessen erreichte uns eine unbekannte Nachricht, die behauptete, dass es einen Überlebenden der Noctura gab. Eine Prinzessin. Jeder ging davon aus das die neugeborene Tochter mit ihren Eltern zu jener Zeit starb. Der Beweis ihrers Überlebens gäbe uns der Mond zu seiner hellsten und größesten Nacht wenn sich alles rot färbt, hieß es. Gegen allen erwartens geschah dies nur einen Tag später. Jedoch entging dem Orden dieses Ereignis nicht und man fand sich in einem Rennen um die Prinzessin zu finden. Was uns widerum zu dir führt Lorana...“

Lorana starrte Dale fassunglos an. Obwohl sie wusste, dass er nicht log, konnte sie den Inhalt des gesagten nicht verarbeiten. Jedenfalls nicht in dem Moment.

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Texte: Die Idee und den Text bitte nicht weiter verwenden!
Tag der Veröffentlichung: 03.09.2010

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