Ferien! Endlich!, denkt Maria, als sie sich genüsslich in ihrem Bett räkelt und gerade mit Freude festgestellt hat, dass ihr der klingelnde Wecker heute am A… vorbeigehen kann.
Von ihrem Zimmer aus, kann sie die üblichen Geräusche wahrnehmen: Tellergeklapper, das Geräusch der Spülmaschine, Papas Fernsehen. Gähnend streckt sie sich noch einmal und will sich dann zum weiterschlafen wieder auf die andere Seite drehen, als sie plötzlich einen entsetzlichen Schrei hört: „Maria, Maria, schnell komm!“ Es ist Papa, der schluchzend und völlig aufgelöst nach ihr ruft. So hat Maria ihren ernsten Vater noch nie schreien hören, völlig verzweifelt klingt er. Es muss etwas ganz schreckliches passiert sein! Erschrocken und sofort hellwach springt sie aus ihrem Bett und öffnet die Tür. Am Wohnzimmerboden liegt Mama, bewusstlos, Papa kniet weinend über ihr. Maria kann nicht glauben, was sie da sieht. „Mein Gott, was ist denn passiert?“ hört sie sich wie automatisch fragen. So etwas hat Maria noch nie gespürt, nämlich absolut nichts. Sie ist völlig unter Schock, fast mechanisch sind die Schritte, die sie auf Mama zugeht. „Ich habe keine Ahnung,“ schluchzt Papa, „sie war gerade noch dabei den Tisch abzuwischen, als sie plötzlich ohnmächtig zu Boden gefallen ist!“
Während Papa noch völlig außer sich ist und hilflos neben Mama kauert, spürt Maria immer noch keinen Schmerz, auch keine Angst. Ganz automatisch greift sie zum Telefon und wählt die Nummer vom Krankenwagen. Immer noch emotionslos schildert sie die Situation. „Haben Sie schon die stabile Seitenlage gemacht? Bleiben Sie am Apparat, wir haben schon einen Wagen losgeschickt.“ beruhigt die Dame am anderen Ende der Leitung. Maria hat immer noch keine Ahnung was genau mit ihr geschieht. Sie bleibt in der Leitung und legt selbst dann noch nicht auf, als es schon längst geklingelt hat und Papa völlig aufgelöst die Sanitäter in die Wohnung lässt. Sofort wird sich um die Ohnmächtige gekümmert. Einer gibt Mama irgendeine Lösung, hebt ihre Lidfalte an. „Hallo, Hallo, können Sie mich hören?“ Mama bleibt immer noch regungslos. „Puls geht. Auf, sofort!“ sagt einer der vielen Sanitäter. Sofort wird Mama auf eine Trage geschnallt und die Treppen nach unten befördert. Gefolgt von einem völlig verzweifelten und schniefenden Papa. „Es ist meine Frau! Ich lasse Sie nicht allein!“ stammelt er wie ein Häufchen Elend. Alle kümmern sich um Mama, einer steht Papa zur Seite. Maria ist immer noch völlig allein und hat gerade erst den Hörer aufgelegt. „Fahren Sie mit?“ will einer der Sanitäter nun wissen. Maria nickt. Immer noch kommt ihr alles vor wie ein schlechter Film. Ehe sie sich versieht, sitzt sie mit Papa im Krankenwagen. Sogar den Weg ins Krankenhaus registriert sie kaum. Die Zeit scheint auf einmal zu rinnen, die Strassen sind auf einmal kürzer denn je. Alles geschieht wie in Trance. Jetzt sitzt sie auf einmal mit Papa im Wartesaal des Krankenhauses, die Sanitäter sind, nachdem sie einige Fragen an Papa gestellt haben, mit Mamas Trage in einem Zimmer verschwunden.
Das Wartezimmer ist fast leer, nur ein junger Mann sitzt noch gegenüber, seine Hände stützen seine Wangen. Papa ist völlig nervös und zappelig, steht mehrmals auf um sich eine Serviette zu holen und die Tränen abzuwischen. Maria ist immer noch völlig ruhig und angespannt. Dann geht auf einmal die Tür auf und eine Schwester ist im Raum. „Sie ist jetzt wieder bei Bewusstsein. Aber wir wollen sie nicht überfordern, nur einer kann zu ihr.“ Sagt die Schwester langsam. Papa springt sofort auf und folgt ihr. Maria bleibt völlig allein zurück. Jetzt sitzen nur noch sie und dieser junge Mann im Warteraum. Maria spürt, wie der Mann sie mustert. Wieder vergehen Minuten, die Maria diesmal wie Stunden vorkommen. Dann kommt Papa mit einem Arzt zurück. Nun erfährt Maria erst, was genau mit Mama los ist. „Sie hat einen Tumor im Gehirn. Wir müssen sie jedenfalls ein paar Tage hier behalten.“ Obwohl diese Nachricht alles andere als beruhigend ist, bleibt Maria immer noch ruhig und in sich gekehrt. Papa ist schon wieder mit dem Arzt mitgegangen, um ihn mit Fragen zu löchern und sich Trost zu erhoffen. Nun ist Maria schon wieder allein mit diesem Fremden Mann im Zimmer. Erst jetzt beginnt sie sich bewusst darüber zu werden, was gerade in der letzten Dreiviertelstunde alles geschehen ist, erst jetzt beginnt sie die vielen Eindrücke und Informationen zu verarbeiten. Auf einmal fällt die körperliche Anspannung wie eine Sandburg zusammen und Maria beginnt zu schluchzen. Tränen laufen über ihre Wangen. „Keine Sorge,“ sagt der Fremde plötzlich, „hatte letztens bei mir in der Familie auch so einen Vorfall. Du wirst sehen, in genau einer Woche sitzt ihr alle wieder zusammen am Frühstückstisch und trinkt Kaffee.“ Die Worte des Fremden klingen beruhigend und wirken tröstend auf Maria. In seinem Ton nimmt sie solch eine Sicherheit wahr, als sei das, was er sagt die absolute Wahrheit und dass nichts schlimmeres mehr passieren kann und wird. Obwohl dieser Fremde eigentlich nur diese paar Worte gesagt hatte und Maria zuversichtlich und verständnisvoll ansieht dabei, verfehlen sie ihre tröstende Wirkung nicht. Nun wird Maria wieder ganz ruhig, ihr Körper ist entspannt. „Danke.“ meint sie und schaut dem Mann in die Augen. Jetzt kommt Papa wieder zurück, der Arzt hat ihm geraten, dass sie jetzt nach Hause gehen sollen, weil Mama Ruhe braucht.
Maria fasst Papa zuversichtlich an den Arm. „Alles wird gut.“ versichert sie ihm voll neuer Kraft und nickt dem Fremden beim Gehen nochmals zu. Dieser erwidert den Gruß, ebenfalls mit einem Nicken.
Texte: Saratina
Bildmaterialien: keine
Lektorat: Saratina
Übersetzung: keine
Tag der Veröffentlichung: 12.01.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meinen Papa