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1

Ich ging neben meinem neuen Klassenlehrer den leeren Schulgang entlang und hörte mir die Regeln an.
„Ich hoffe dir gefällt es hier. Hier wären wir auch schon.“
Er lächelte mich aufmunternd an und deutete auf eine Türe aus der kein einziger Laut kam. Er klopfte und öffnete dann einfach die Türe. Ich ging ihm nach in die Klasse. Die Klasse schrieb gerade einen Test. Deshalb war es so still. Meine neue Englisch Lehrerin kam zu uns und befahl den anderen, die aufgeblickt hatten, weiter zu schreiben. Sie lächelte mich an.
„Hallo. Du bist Corinna richtig? Ich bin Frau Klog.“
Ich schüttelte ihre Hand und lächelte. Dann sah sie zu Herrn Stein.
„Du kannst ruhig gehen. Ich kümmere mich um sie.“
„Gut. Ich hab nämlich auch Unterricht. Dann viel Spaß noch, Corinna!“
Er lächelte noch einmal und ging dann hinaus. Frau Klog sah auf die Uhr, nickte und deutete auf einen freien Platz in der Mitte der Klasse. Ich setzte mich, während sie die Tests einsammelte und holte Block und Stift hervor.
Gott sei Dank musste ich mich nicht vorstellen. Ich sollte einfach soweit es ging mitarbeiten und mir dann von einem Mitschüler die Unterlagen kopieren.
In der ersten Pause kam ein Mädchen zu mir.
„Hey, ich bin Sophie. Du kannst dir gerne meine Unterlagen nehmen und kopieren, aber ich brauch sie morgen wieder.“
Sie war kleiner als ich, hatte kurze blonde Haare, freundliche braune Augen, Sommersprossen und war einfach mit Jean und Shirt bekleidet. Ich nahm den Ordner lächelnd in die Hand.
„Danke. Das erspart mir das ganze herum Gefrage.“
Sie grinste.
„Wenn du willst, zeig ich dir in der großen Pause mal die Schule.“
„Klar. Danke, nochmal.“
„Bitte. Dann nach der Stunde vor der Klasse?“
Ich nickte. Sie lächelte noch einmal und ging dann zu ihrem Platz zurück. Ich stopfte den Ordner in meine Tasche zurück und konzentrierte mich auf die nächste Unterrichtsstunde.

„Okay. Also hier wäre die Mensa. Hier kommen eigentlich alle Jahrgänge her. Auch die kleinen. An unsere Schule ist ja eine Schule für Kinder von sechs bis zehn Jährige drangemacht. Da hinten ist ihr Platz.“
Sie zeigte auf eine Ecke in der lauter kleine Kinder aßen.
„Die Toiletten sind da hinten. Kommst du mit in die Mensa?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich hab meine eigene Jause dabei. Aber danke. Ich werde mich einfach irgendwo hinsetzen.“
„Okay. Dann bis später!“
Sie winkte und stellte sich bei der Schlange an. Ich seufzte, nahm meine Tasche vom Boden und ging hinaus in den Hof. Kaum hatte ich ein stilles Plätzchen gefunden, sah ich wie eine Gruppe Jungs meines Alters ein kleines Mädchen herum schubsten.
„Na Kleine, was ist? Kommt deine Mami nicht?!“
Ich sah genauer hin und erkannte meine kleine Schwester. Ich ließ die Tasche fallen, als sie sie zu Boden schubsten und rannte hin.
„Seid ihr vielleicht verrückt! Was soll denn der Scheiß!“
Ich nahm die weinende Steffi an den Armen und half ihr auf.
„Nur weil ihr Älter seid, braucht ihr nicht auf die Kleinen losgehen!“
Ich blickte jeden von den dreien in die Augen und stellte mich dann aufrecht hin.
„Wenn ihr meine Schwester auch noch nur ein einziges Mal belästigt oder sie dumm anredet, kriegt ihr alles doppelt so viel zurück. Arschlöcher. Sucht euch wen in eurem Alter.“
Ich schnaubte angewidert und ging dann mit meiner Schwester zurück zu dem Baum. Sie weinte noch immer.
Ich kniete mich vor sie hin und strich ihr die Tränen aus dem Gesicht.
„Alles gut, Steffi. Ich pass auf dich auf, versprochen. Die tun dir nichts.“
Sie nickte und schniefte.
„Ich hab gar nichts gemacht. Nur gesagt, sie sollen aufhören meinen neuen Freund herum zu schubsen. Der da!“
Sie zeigte auf einen kleinen Jungen, der sich mit einem Taschentuch über eine aufgeschürfte Wunde fuhr.
Ich seufzte.
„Komm schon, Steffi wir gehen zu deinem neuen Freund. Wie heißt er denn?“
Sie lächelte und nahm mich bei der Hand.
„Markus. Er ist sehr nett. Komm mit!“
Ich sah die drei Jungen aufmerksam an, als wir zu dem Jungen gingen. Zwei machten sich über jemanden lustig, aber einer sah zu Markus und runzelte die Stirn. Ich stellte mich vor den kleinen Jungen. Der andere sah auf und begegnete meinem angewiderten Blick. Ich schüttelte den Kopf und kniete mich dann vor Markus hin. Steffi setzte sich neben ihn.
„Markus, das ist meine große Schwester Coco.“
„Hallo Markus.“
Er wischte sich Tränen weg und nickte.
„Hi.“
„Zeig mal dein Knie, ich hab da was, was dir hilft.“
Ich lächelte und zog ein Pflaster und meine Wasserflasche aus meiner Tasche. Ich nahm ihm das dreckige Taschentuch aus der Hand, nahm ein neues und nahm seine kleine Hand um sie zu waschen.
„Hast du auch Geschwister hier?“
Er nickte. „Ja. Mein großer Bruder ist auch hier. Aber der geht schon in eine hohe Stufe.“
„Siehst du ihn hier irgendwo?“
Während sich Markus suchend umsah, wusch ich seine Wunde und klebte ihm ein Pflaster drauf.
„Da! Da kommt er gerade.“ Er winkte jemandem zu. Dann seufzte er. „Super, jetzt hat er gesehen, dass ich mir weh getan hab, jetz kommt er angerannt.“
Ich lachte.
„Sei doch froh, dass er besorgt ist oder? Warum haben die dich denn herum geschubst?“
Er zuckte die Schultern.
„Sie wollen immer Geld von mir, weil mein Papa eine Firma hat und reich ist. Ich hab Steffi herumgeführt, weil sie ja neu ist und dann haben sie mich mit Schnösel beschimpft und herum geschubst. Aber Steffi hat eingegriffen, ein kleines bisschen später bist du dann gekommen. Ich bin froh, dass sie Steffi nicht weh getan haben.“
Ich lächelte den kleinen Jungen an.
„Markus! Was ist denn passiert? Bist du hin gefallen?“
Steffi schüttelte den Kopf.
„Nein. Die drei da drüben, haben ihn geschubst aber ich hab ihn verteidigt.“
Sie zuckte mit den Schultern. „Sind dann auf mich losgegangen, aber dann hat Coco mir geholfen!“
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und ich lachte. Danach stand ich auf und drehte mich um.
„Es wäre besser, wenn du auf deinen Bruder besser aufpasst. Ein Schulhof ist gefährlich.“
Der Junge vor mir war zwei Jahre Älter als ich, hatte kurze schwarze Haare, grüne Augen und trug Jean und T-Shirt. Er nickte und kniete sich dann vor Markus hin.
„Hast du dir weh getan?“
„Ja, aber Coco hat mich schon verarztet schau! Sogar ein Pflaster mit Autos! Tut gar nicht mehr weh. Brauchst dir keine Sorgen machen Flo.“
Er rappelte sich hoch, nahm Steffis Hand und zog sie dann weiter, während er ihr alles zeigte. Ich schüttelte lächelnd den Kopf und nahm meine Tasche vom Boden.
„Hast du immer Autopflaster dabei?“
Ich drehte mich um und zuckte die Schultern.
„Mit zwei kleinen Brüdern und zwei kleinen Schwestern bin ich mit aller Art Pflaster ausgestattet. Kann man immer gebrauchen.“
Er lachte. „Danke, dass du dich eingemischt hast.“
Er runzelte die Stirn und sah zu den Jungs hin. Sie standen noch immer auf derselben Stelle und beobachteten die kleinen.
„Kennst du sie?“
Er sah mich wieder an und nickte. „Ja, die gehen mit mir in die Klasse. Meinen sie sind die Coolsten auf der Welt.“ Er sah noch einmal hin und verzog dann den Mund. „Ich hab nicht gewusst, dass sie auf Markus herumhacken. Er sagte immer, dass er hingefallen wäre und das Geld dabei verloren hat.“
„Er hat mir gesagt, dass sie ihm das Geld wegnehmen, um sich essen zu kaufen.“ Naja, indirekt. „Vielleicht passt du jetzt besser auf ihn auf.“
Er sah mich an und nickte wieder. Dann lächelte er.
„Ich bin Florian, du? Bist du neu?“
„Ja. Wir sind gestern hergezogen. Corinna.“
Es klingelte.
„Ich muss dann...“
Er nickte. Ich drehte mich um und ging Richtung Eingang. Als ich bei den drei Typen wieder vorbei kam, pfiffen sie mir zu. Ich schnaubte und zeigte ihnen den Mittelfinger.
Der Rest des Tages, verging ziemlich rasch. Sophie hat mich gesehen, als ich mit Florian geredet hatte und fragte mich über ihn aus. Anscheinend war er ein beliebter Junge hier.
Nach dem Unterricht, wartete ich vor der Schule auf Steffi, Fabi und Felix (meine zwei älteren Brüder, sie waren eineiige Zwillinge). Steffi kam mit Markus, der auf Florian warten musste. Florian wiederrum kam mit meinen zwei Brüdern aus der Schule. Na klar, sie werden in dieselbe Klasse gehen. Als sie bei uns angekommen waren, verabschiedete sich Florian und Markus und gingen zu einem Auto am Parkplatz. Während wir anderen zu viert zu Fuß gingen.
Fabi legte einen Arm um meine Schultern.
„Na? Wie war der erste Schultag denn so?“
Felix ging mit Steffi ein paar Schritte vor uns und erzählte ihr witzige Sachen.
Ich seufzte.
„Ging so. Hey, gehst du mit Florian in die Klasse?“
„Ja, woher kennst du ihn?“
„Heute hab ich Steffi vor drei Typen praktisch gerettet. Sie gehen mit euch in die Klasse. Ich hab Markus, Steffis neuer Freund und Bruder von Florian, verarztet. Deshalb kenn ich ihn.“
„Scheint so, als ob wir den dreien mal unsere Familie vorstellen sollten, nicht?“
Ich lachte, als ich seinen grimmigen Ausdruck im Gesicht sah.
„Ja, scheint so.“
Er grinste. „Wir sagen Hannes und Juli auch Bescheid, die haben vor der Arbeit sicher noch Zeit.“
Ich nickte.
Wir gingen eine Landstraße entlang, durch den Wald und dann auf die Lichtung hinaus. Dort stand ein kleines altes Holzhaus. Auf der Wiese vorm Haus saßen Klara, Xaver und Michael. Klara war erst drei Xaver und Michael waren vier, sie waren auch Zwillinge. Steffi rannte gleich zu den dreien hin. Fabi, Felix und ich gingen in das Haus. Meine Mum stand in der Küche und kochte gerade. Hannes und Juli deckten den Tisch.
Hannes war gerade zwanzig geworden und Juli war bereits zweiundzwanzig. Fabi und Felix waren beide achtzehn. Ich hatte vor zwei Tagen meinen sechzehnten Geburtstag.
Ich stellte meine Tasche weg und half meiner Mum beim kochen und anrichten. Danach holte ich die Kleinen von draußen.
Beim Essen, war ich still und hörte den anderen zu. Fabi stieß Juli an.
„Hey, wenn es euch beiden nichts ausmacht, würden wir euch morgen jemandem vorstellen.“
„Wem denn?“
Hannes beugte sich neugierig vor.
Felix redete weiter.
„Heute wurde Steffi und ein neuer Freund von ihr von drei Jungs aus unserer Klasse herum geschubst. Wie wärs, wenn wir ihnen mal die liebe Familie vorstellen?“
Juli sah ernst aus.
„Wann habt ihr aus?“
„Um eins. Morgen ist so ein Fest, da hat die ganze Schule aus.“
Hannes und Juli nickten beide. „Gut, wir kommen.“
Meine Mum sah sich unbehaglich um. Ich lächelte ihr zu.
„Keine Sorge Mum, wir tun ihnen nicht weh. Wir machen uns nur bekannt.“
Sie rollte mit den Augen. „Okay. Aber die ganz kleinen bleiben hier.“
„Klar Mama.“
Als die Kleinen im Bett waren, machte ich meine Hausübung und legte mich dann auch schlafen. Ich musste mir ein Zimmer mit Klara, Steffi, Xaver und Michael teilen. Hannes, Juli, Fabi und Felix teilten sich ein anderes Zimmer. Meine Mum schlief im Wohnzimmer. Seit mein Dad uns verlassen hat, vor drei Jahren hatten wir fast kein Geld mehr zum leben.
Aber irgendwie war es besser, jetzt schlug uns wenigstens keiner mehr.
Meine zwei größten Brüder, Hannes und Juli arbeiteten in einer Bowlingbar und verdienten nicht recht viel. Fabi und Felix arbeiteten an jedem Mittwoch und Freitag in einem Kindergarten und betreuten dort Kinder, was auch nicht viel einbrachte. Ich jobbte Samstag und Sonntag in einem Café, das alle Wochentage offen hatte. Meine Mum arbeitete in einem Großmarlt als Verkäuferin. Wir legten das Geld dann am Zahltag zusammen, machten Haufen für Essen, Kleidung, Schulzeug und Sonstiges. Wir kämpften praktisch ums Überleben. Mein Dad stattdessen fuhr mit Yachten mit seiner neuen Frau herum und badete in Champagner.
Jeden Monat bekamen wir Geld von ihm für die drei kleinsten, nicht viel. Ich hasste ihn dafür.
Als wir hier herzogen, wussten wir, dass diese kleine Stadt den Lia- Panters gehört. Sie waren halb Mensch halb Tier. Wir zogen hierher, weil die Panter jeden beschützten, der hier lebt. Mein Vater war ein Werwolf. Gott sei Dank, hatte sich sein Gen nur an Hannes und Juli vererbt. Beide waren zwar nicht froh darüber, aber sie konnten es kontrollieren. Normalerweise mögen die Panter Werwölfe nicht, aber bei Hannes und Juli haben sie eine Ausnahme gemacht. Sie durften hier leben, weil sie einen Vertrag unterschrieben hatten.
Ich wünschte wir würden einmal einen Panter zu Gesicht bekommen. Sie mussten wundervolle Tiere sein. Mit einem Fell so schwarz wie die Nacht. Vielleicht lerne ich einen kennen?
Ich legte mich ins Bett und schlief sofort ein.

Fabi, Felix, Steffi und ich gingen jeden Tag gemeinsam zur Schule und wieder heim. Am Parkplatz stand zu Steffis Überraschung Markus mit Florian. Sie gab uns dreien einen Kuss und rannte dann mit Markus gemeinsam zu ihrer Schule.
Ich ging mit den anderen in unsere Schule. Fabi ging neben Florian.
„Ach ja, wegen den drein aus unserer Klasse.“
„Was ist mit denen?“
„Wir stellen ihnen heute mal unsere Familie vor.“
Felix grinste spitzbübisch. Flo runzelte die Stirn.
„Was bringt sich das?“
Ich lachte.
„Hannes ist zwanzig, Juli ist zweiundzwanzig, Fabi und Felix sind beide neunzehn und ich bin siebzehn. Da wären noch Steffi mit sechs Jahren, Xaver und Michael mit vier Jahren und Klara mit drei Jahren.“ Ich zuckte die Schultern. „Hannes und Juli kommen heute vorbei, aber die Kleinen lassen wir zu Hause. Wirst schon sehen, das hilft.“
Ich winkte ihnen und ging dann in meine Klasse. In den Pausen stand ich mit Sophie und Lukas aus meiner Klasse zusammen. Ich fand die zwei richtig nett. Außerdem waren sie ein Paar. Ich sah die drei Typen wieder, aber diesmal beobachteten sie nur.
Nach der Schule standen Hannes und Juli bereits vor dem Tor. Zu meiner Überraschung, kamen Fabi und Felix mit Florian und Markus.
Fabi legte mir den Arm um die Schultern, während Felix Steffi hochhob und zu Spaß fast hinunterfallen ließ.
„Florian steht uns bei. Hannes, Juli das sind Florian und Markus.“
Sie nickten ihm zu. „Wo sind denn die drei Typen?“
Ich sah mich um. Dann zeigte ich auf sie. Sie kamen gerade auf uns zu, als sie aus dem Hof gehen wollten, stellten sich Hannes und Juli in den Weg.
„Was soll der Scheiß? Lasst uns raus.“
Hannes lachte und Juli grinste. Danach schubsten sie sie zu uns.
Als sie mich und Steffi sahen, lachten die Jungs.
„Oh, haben die Mädchen etwa Freunde gefunden?“
Dann sahen sie die Anderen an.
„Ah. Die Zwillingsscheißer und Schnösel hoch zwei.“
Hannes nahm den Sprecher, hob ihn mühelos vom Boden hoch und drückte ihn gegen die Wand.
„Wie hast du gerade meine Brüder genannt, du kleiner Hosenscheißer?“
Der Typ riss die Augen auf. Hannes warf ihn zu dem anderen auf den Boden. Juli stellte sich neben ihn.
„Lasst unsere Geschwister und Freunde verdammt noch mal in Ruhe, sonst haben wir ein mächtiges Problem.“
Er schubste die anderen zwei zu dem dritten zu Boden. Danach grinsten sich meine Brüder an und schlugen ein, bevor wir alle weggingen. Florian ging wieder in Richtung Auto, aber er drehte sich noch mal um.
„Hey, Corinna!“
Ich sah ihn an.
„Mein Vater hat dich und Steffi zu uns eingeladen. Für gestern. Markus hat ganz schön angegeben. Er hat euch beide zum Abendessen eingeladen. Heute um sieben, geht das bei euch?“
Ich sah Juli an. Er nickte.
„Geht schon klar, Schwesterchen. Schließlich hast du dir das verdient. Steffi würde sich sicher freuen.“
Diese sprang aufgeregt hin und her. „Au ja! Bitte Coco.“
Ich rollte die Augen. Dann wandte ich mich an Florian.
„Okay. Aber wo wohnt ihr?“
„Das ist leicht zu finden. Housestreet vierunddreißig.“
„Die kenn ich.“
Er grinste. „Bis um sieben dann.“ Er stieg in den Wagen und fuhr davon. Während wir zu Fuß nach Hause gingen.
Meine Mum freute sich für Steffi und mich. Sie zwang uns sogar etwas anderes an zu ziehen. Um halb sieben gingen wir dann los. Wir gingen zwischen die Bäume, dann entlang der Lia, über eine Brücke und schließlich in die Housestreet. Um Punkt sieben standen wir vor einem riesigen Haus. Fast schon eine Villa.
Das Haus war weiß gestrichen und hatte einen hohen weiße Mauer herum. An der Straßenseite, war ein elektrischer Zaun und eine Klingel mit Sprechanlage.
Ich klingelte. Nicht lange darauf knackte es.
„Ja?“
Es war eine Frauenstimme.
„Ähm...Ich bin Corinna Schweiger mit meiner Schwester Stefanie.“
„Oh, richtig, kommt rein.“
Es surrte. Ich öffnete die Türe und schloss sie hinter Steffi. Langsam gingen wir einen Schotterweg entlang bis zum Eingang. In der Türe stand ein Mädchen in meinem Alter. Sie lächelte.
„Hey, ich bin Ella. Die Schwester von Florian und Markus.“
Ich gab ihr die Hand. „Ich bin Corina und das ist Steffi.“
Ella kniete sich hin und lächelte Steffi an.
„Hallo.“
Sie schloss die Türe hinter uns und deutete auf einen Garderobenständer. „Dort könnt ihr eure Jacken und Schuhe hinstellen. Papa und Mama warten im Wohnzimmer. Florian und Markus sind noch oben. Aber sie kommen gleich.“
Ich nickte und half Steffi aus ihrer Jacke. Ella deutete uns mitzukommen. Sie führte uns durch einen Gang in ein großes Zimmer. Darin standen eine Couch, drei Sessel, ein Tisch, ein Fernseher, eine Anlage, jede Menge volle Bücherregale und ein Kamin. Auf dem Sofa saßen zwei Erwachsene. Wahrscheinlich die Eltern.
„Mama, Papa? Das sind Corinna und Steffi.“
Beide standen auf. Sie hatten teure Kleider an. Wie ich jetzt bemerkte hatte Ella ebenfalls Markenkleidung an. Ich lächelte gezwungen als ich ihnen die Hand gab.
„Hallo.“
Der Mann grinste. Er sah Florian erstaunlich ähnlich. Hatte dieselben Haare und Gesichtszüge.
„Ihr könnt mich Manfred nennen, das ist meine Frau Caroline.“
Die Frau hatte die gleichen Augen wie Florian, sah aber eher Markus und Ella ähnlich.
„Hallo. Ich freue mich euch kenne zu lernen. Florian hat erzählt, ihr wärt neu hier?“
Ich nickte: „Ja. Wir sind vor zwei Tagen hier her gezogen.“
Der Mann lachte. „Na da bin ich froh, dass ihr das seid. Markus prahlt mit euch beiden, als wäret ihr Götter.“
Ich runzelte die Stirn. „Ja?“
„Ja. Ich wollte mich bei dir bedanken, dass du dich um meinen Jungen gekümmert hast.“
„Er ist ein Freund von Steffi, also ist er auch mein Freund und Freunde hilft man.“
Manfred sah mich erstaunt an. Ebenso wie Caroline.
Ella führte Steffi im Haus herum. Ich schlang die Arme um meinen Körper und fühlte mich unwohl. Das Haus erinnerte mich an unser zu Hause vor drei Jahren. Dieser Mann sah meinem Vater nicht ähnlich, aber er hatte dieselbe Ausstrahlung. Caroline, lächelte.
„Hast du denn auch andere Geschwister?“
„Ja. Zwei kleinere Brüder, eine weitere kleine Schwester und vier größere Brüder.“
Ihre Augen weiteten sich.
„Eine Großfamilie wie mir scheint.“
Ich nickte und war froh, als Florian und Markus hereinkamen. Markus sah sich suchend um und sah mich dann fragend an.
„Wo ist denn Steffi?“
„Ella, zeigt ihr euer Haus. Ich hab sie mitgebracht, keine Sorge.“
„Ich such sie! Es gibt ja gleich Essen.“
Er rannte hinaus. Manfred lächelte.
„Setzen wir uns an den Tisch. Ich sage Elisabeth sie soll das Essen anrichten.“
Ich ging ihnen nach in den Essraum und setzte mich gegenüber von Florian. Caroline setzte sich neben Manfred und wandte sich an mich.
„Wie gefällt es dir hier?“
„Bis jetzt habe ich einen guten Eindruck von dieser Stadt.“
„Ja, es ist eine wunderschöne Stadt. Besonders die Sommer sind schön. Da kann man an den Seen schwimmen gehen. Hast du sie schon gesehen?“
„Ja, wir wohnen in der Nähe eines Sees.“
„Oh! Das muss ja wundervoll sein. Wie gefällt es deinen Eltern?“
„Meine Mum findet es ganz schön. Das Beste findet sie ist, dass es an den Schulen und Kindergärten Tagesbetreuer gibt.“
Manfred kam mit Gläser und Saft aus dem Nebenraum.
„Und dein Vater?“
„Er wohnt nicht hier, sondern in Spanien.“
Ella, Steffi und Markus verhinderten eine qualvolle Stille. Als eine Frau das ganze Essen auf den Tisch gestellt hatte, fing ein entspanntes Essen an. Zuerst hatte ich mich unwohl gefühlt, aber mit der Zeit wurde es immer gemütlicher. Ich unterhielt mich mit Florian und Ella. Steffi blödelte mit Markus herum. Manfred und Caroline beteiligten sich an unseren Gesprächen. Um neun Uhr gingen Steffi und ich nach Hause. Schließlich war morgen Schule. Außerdem wollte meine Mum nicht, dass wir einem frei laufenden Panter begegnen. Sie traute ihnen nicht.


2
Wir lebten jetzt schon seit einem halben Jahr in der kleinen Stadt und ich hab noch immer keinen Panter gesehen. Irgendwie konnten wir die Miete bezahlen, uns Essen und Kleidung leisten und uns am Leben halten.
Meine Mum arbeitete jeden Wochentag Vollzeit. Mein Vater schickte Geld und wir brachten genügend ein.
Florian war einer meiner besten Freunde geworden, genauso wie Sophie und Lukas. Wir verbrachten zu viert die meiste Zeit. Steffi ging regelmäßig zu Markus mit nach Hause um mit ihm zu lernen oder zu spielen. Aber keiner wusste, wo oder wie wir lebten. Meine Brüder und Florian schafften die Abschlussprüfungen in der Schule. Ich durfte wegen meinen sehr, sehr guten Leistungen bei der Prüfung mitmachen und hatte sie ebenfalls geschafft. Jetzt musste ich nicht mehr in die Schule. Fabi und Felix fingen jetzt eine Lehre in einem Tischlerbetrieb an und Florian wurde in die Arbeit seines Vaters eingelehrt. Manfred besaß ein Möbelhaus und machte auch selbst Möbel.
Gestern war Zeugnistag. Es gab eine Feier bei Florian. Er hatte auch mich eingeladen. Ebenso wie Fabi und Felix. Ich konnte hin, da mir mein Chef freigegeben hatte.
Natürlich durften wir hingehen. Da es eine Poolparty war, zog ich mir unter Shorts und Top meinen Bikini an. Im Bad blieb ich beim Spiegel stehen und sah mich an. Obwohl ich das Werwolf-Gen meines Vaters nicht geerbt hatte, hatte ich die gleichen braunen Haare und die gleichen blauen Augen wie er. Meine Haare wellten sich bis zur Hüfte hinunter. Die Größe hatte ich ebenfalls von ihm, aber die schlanke Figur meiner Mum. Ich seufzte, band meine Haare zusammen und ging dann zu meinen wartenden Brüdern.

Bei Florian war schon viel los. Ella’s Klasse war ebenfalls da. Aus Florians Klasse waren alle bis auf die drei Schlägertypen, Max, Claudio und Carlos. Seine Eltern waren mit Markus bei den Großeltern. Fabi und Felix gingen sofort zu ihren Freunden. Ich sah mich um, erkannte niemanden und holte mir zuerst eine Flasche Wasser aus einer Kühltasche. Danach ging ich umher. Im Wohnzimmer war die Anlage aufgedreht und die Leute tanzten, die Terrassentüre war offen und man sah auf den Pool hinaus. Ich ging nach draußen und setzte mich in eine Stille Ecke am Pool und ließ meine Füße im Wasser baumeln. Danach sah ich dem Schauspiel vor mir zu. Mädchen kreischten auf, wenn zwei Jungs sie hochhoben und sie ins Wasser warfen und dann nachsprangen. Ein paar standen oder saßen in Gruppen auf der Wiese und redeten miteinander. Ich glaubte Ella zu sehen, wie sie mit einem Jungen im Zimmer verschwand. Ich schüttelte den Kopf, schloss die Augen und atmete die frische Luft ein.
Irgendwas umfasste meinen Fuß und zog mich nach unten. Ich schrie auf und schloss im Reflex meinen Mund als ich unter Wasser kam. Hustend kam ich wieder hoch und wischte mir Wasser aus dem Gesicht.
Florian schwamm gegenüber von mir und lachte.
Ich blitzte ihn an, tauchte unter ihm durch und drückte ihn dann von hinten mit beiden Händen unter Wasser.
Als ich von ihm abließ blieb er trotzdem unter Wasser. Ich runzelte die Stirn und schwamm näher ran. So lang hab ich ihn nicht runter gedrückt.
Eine warme Hand schloss sich blitzschnell um meine Hüfte und zog mich unter Wasser. Ich holte schnell Luft, öffnete die Augen und blickte in grüne.
Ich schlug ihm auf den Bauch und tauchte mit ihm auf.
„Hättest du nicht was sagen können? Jetzt sind meine Klamotten ganz nass.“
Das waren meine einzigen sauberen Sommergewänder, die ich mir aus den Sachen meiner Brüder gemacht hatte. Ich musste erst waschen.
„Dann wäre es doch keine Überraschung mehr gewesen. Du kannst deine Kleider auf die Heizung legen, dann trocknen sie.“
„Heizung? Im Sommer?“
Er zuckte mit den Schultern. Wir stiegen aus dem Wasser. Gemeinsam gingen wir in das Badezimmer und trockneten uns ab. Ich öffnete meine nassen Haare und band sie zu einem neuen Zopf zusammen. Danach holten wir uns was zu trinken und setzten uns hinterm Haus auf die Hollywoodschaukel.
„Wo warst du vorhin? Ich hab dich nicht gesehen.“
„Ich hab noch was besorgen müssen.“ Er zuckte mit den Schultern und trank von seiner Cola. Er lächelte.
„Hey, wir machen in den Ferien einen Ausflug zum See. Er ist nicht weit weg von hier. Möchtest du da mitkommen? Dort gibt es sogar Hütten zum übernachten.“
„Welcher See?“
„Lia-See, weil er an der Lia liegt. Du musst durch den Wald gehen, dann kommst du auf eine Lichtung, dort ist eine Hütte die am See liegt. Seit ein paar Monaten lebt dort wieder jemand.“
Ich sah ihn erschrocken an. Er meinte unsere Hütte!
„Was denn? Schau doch nicht so erschrocken. Man kann auch außerhalb einer Stadt überleben.“ Er zuckte mit den Schultern. „Mir tun die Menschen leid, wenn sie in einem solchen zu Hause leben müssen. Am liebsten würde ich ihnen ein schönes Haus bauen lassen und sie mit Geld versorgen, bis sie wieder auf dem Damm sind.“
Ich versteinerte.
„Vielleicht wollen wir aber keine Hilfe von anderen. Das wäre, als ob wir betteln würden.“
Er sah mich verwirrt an. „Wieso wir?“
„Hm?“
„Du hast gerade im Plural geredet.“
„Was? Nein, hab ich nicht.“
Ich sah starr auf die Wiese. Hier hinten waren wir alleine, von vorne kam Geplapper und Musik.
„Sag mal, Co wo wohnst du eigentlich?“
Ich schwieg lange, dann trank ich von meiner Cola.
„Ich kann dir das ganze Befragen ersparen. Ich weiß was du denkst. Also ja, ich wohne dort in der Hütte mit meiner Familie.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Wir können uns mehr nicht leisten. Aber sag es keinem. Es weiß niemand.“ Ich schwieg kurz. „Es soll auch keiner wissen. Sonst würden wir zum Gespött der Schule werden. Schließlich leben wir in einer Hütte mit tausenden Stromausfällen und kaltem Wasser, dass wir selbst aufheizen müssen.“
„Wieso hast du mir nie davon erzählt?“
Seine Stimme klang sanft. Ich sah ihn an.
„Ist doch nicht wichtig oder? Oder willst du nicht mehr mit mir befreundet sein, weil ich arm bin?“
Er sah mich schockiert an.
„Nein! Wie kommst du denn da drauf? Du bist doch immer noch du selbst.“
Ich lächelte traurig und zog meine Füße an die Brust und legte meine Wange drauf.
„Ich hab auch mal so gelebt wie du. Aber als mein Vater uns vor drei Jahren verlassen hat um mit einer seiner Schülerinnen zu leben, mussten wir um unser Leben kämpfen. Wir waren reich. Ja, aber jetzt haben wir gar nichts mehr. Das alles nur wegen unserem bescheuerten Vater. Ich weiß noch genau was er zu mir gesagt hat.“
„Und was?“
Ich schnaubte und sah ihm in die Augen.
„Corinna weine nicht. Es wird mir mit deinen Geschwistern zu viel. Ein Werwolf braucht seine Freiheit...und keine Familie.“
Tränen rannen über mein Gesicht, aber das war keine Trauer sondern Wut. Reine Wut.
„Werwolf?“
„Ja, mein Vater ist ein Werwolf. Aber er hat mir die Gene Gott sei Dank nicht vererbt. Nur Hannes und Juli. Aber sie haben die Erlaubnis von den Panter hier zu leben.“ Ich sah ihn neugierig an. „Hast du einen Panter mal gesehen? Ich wünschte ich würde einen zu Gesicht bekommen.“
„Wie stellst du sie dir denn vor?“
Ich dachte kurz nach. „Sie haben ein Fell so schwarz wie die Nacht. Sie bewegen sich anmutig, leise. Ihr Fell fühlt sich weich an. Aber ihre Zähne so scharf wie Messer. Es wären wundervolle Tiere.“ Ich seufzte und lächelte Florian an. „Irgendwann werde ich einen sehen. Egal ob fern oder nah.“
„Vielleicht hast du ja Glück.“
Seine Stimme hatte einen merkwürdigen Unterton. Aber bevor ich fragen konnte, kamen meine Brüder um die Ecke um mich zu holen.
Ich wischte die Tränen weg, umarmte Florian bevor ich mit meinen Brüdern nach Hause ging.

Am nächsten Tag ging meine Mum mit den Kleinen in den Tierpark und nachher würden sie Eis essen gehen. Hannes und Juli gingen in die Stadt arbeiten und Fabi und Felix trafen sich mit ihren Freunden.
Als alle weg waren, machte ich den Haushalt und putzte das Haus im Schnelldurchlauf.
Danach legte ich mich mit einem Buch und einer Decke runter an den See und genoss die Stille.
Zuerst dachte ich mir jemand würde wandern, aber dann knackste ein Zweig viel zu nah bei mir im Wald. Ich hob ruckartig meinen Kopf und sah mich um. Es knackste vor mir. Ich stand langsam auf und lauschte angestrengt. War da wieder ein knacksen? Ich stand ganz still als es vor mir raschelte. Mein Herz schlug doppelt so schnell und ich drehte mich halb um, um in den See zu flüchten. Es raschelte noch einmal. Ich keuchte erschrocken als vor mir aus dem Gebüsch ein Panter auf die Lichtung trat. Er bewegte sich langsam, fast so, als wolle er mich nicht erschrecken. Was lächerlich war. Oder?
Sein schwarzes Fell leuchtete fast im Licht der Sonne.
Ein paar Schritte vor mir blieb er stehen, legte den Kopf schräg und knurrte. Aber kein gefährliches Knurren. Eher als würde er mit mir...reden?
Ich sah ihm in die Augen. Sie waren grün. Ich wusste es, aber ich konnte es nicht begreifen. Die Augen. Ich kannte diese Augen, mit diesem Ausdruck darin. Viel zu schlau für eine einfache Raubkatze.
Ich schluckte. Er kam einen vorsichtigen Schritt auf mich zu. Fast so als ob er Angst hätte, ich würde vor ihm davon laufen.
Ich schluckte noch einmal.
„F-Flo?“
Der Panter knurrte wieder und kam noch näher. Ein kleiner Schritt trennte mich von ihm.
„Du bist das wirklich nicht?“
Ich flüsterte. Der Panter neigte seinen Kopf und sah mich dann wieder an. Er hatte genickt! Ich blinzelte.
Da ich zu schwanken begann kniete ich mich hin. Jetzt sah ich ihm direkt in die Augen. Irgendwas machten diese Augen etwas mit mir. Ein Gefühl breitete sich in meinem Magen aus und wärmte meinen Körper.
Als ich die Hand ausstreckte, zitterte ich nicht. Er knurrte wieder, überbrückte den kleinen Abstand zwischen uns und legte seinen weichen Kopf in meine Hand.
Langsam fuhr ich mit meiner Hand durch sein Fell. Es war genauso weich, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Er schloss die Augen und schnurrte wie eine Katze. Ich lächelte.
„Faszinierend. Wieso hast du mir das nicht schon vorher gesagt?“
Er hörte mit dem schnurren auf und öffnete die Augen. Er drückte mit seiner Schnauze auf meine Knie und ging einen Schritt von mir weg.
„Ich bleib sitzen.“
Er knurrte noch einmal und rannte dann in den Wald hinein. Nur wenige Sekunden später, kam er in Menschengestalt zurück. Er trug nur eine kurze Jean.
„Wieso hast dus mir nicht gesagt?“
Er setzte sich neben mich auf die Decke und sah mich an.
„Ich wusste nicht, dass du dich freuen würdest. Ich dachte, du würdest weglaufen. Aber gestern hast du mir gesagt wie gern du einen sehen würdest. Also hab ich mich entschieden es zu probieren.“ Er grinste. „Mit Erfolg. Außerdem hast du mir auch dein Geheimnis anvertraut.“
Trotz des merkwürdigen Gefühls im Körper umarmte ich ihn. Zuerst war er starr, aber dann legte er seine Arme um mich. Als ich sprach flüsterte ich.
„Danke dass du es mir gesagt hast.“
„Danke, dass du nicht weggelaufen bist. Ich würde das nicht ertragen. Du hast doch keine Angst vor mir?“
Flüsterte er zurück.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich hab keine Angst vor dir.“
„Gut. Das würde ich nicht aushalten. Verstehst du?“
Ich löste mich aus der Umarmung und sah ihn verwirrt an. Was meinte er damit? Klar, es wäre schrecklich wenn ich Angst vor ihm hätte, aber mit der Zeit würde er sich daran gewöhnen. Warum hatte er es so dringlich gesagt? Ich sah in diese Augen und versuchte zu verstehen. Je länger ich in seine Augen sah, desto mehr verlor ich mich darin. Eine ungewöhnliche Wärme fuhr über meinen Rücken, ließ mein Herz schneller schlagen und mein Atem kam stockend.
Seine Hand legte sich auf meine Wange. Ein Blitz durchfuhr meinen Körper und meine Wange brannte dort, wo er mich berührte. Er beugte sich langsam zu mir, ließ mir Zeit weg zu gehen, doch ich blieb wo ich war. Zögernd berührten seine Lippen meine. Als ich noch immer nicht weg rückte, wurde er sicherer. Sanft fuhr er mit seinen Lippen über meine. Ich spürte seine Zunge als er über meine Unterlippe fuhr. Ich keuchte, als mich die Wärme überwältigte und legte die Hände auf seine warme Brust. Ließ ihn zwischen meine Lippen. Meine Hände wanderten über seine Brust hinauf und schlossen sich um seinen Nacken. Seine Hand wanderte über meinen Hals und hielt meinen Kopf im Nacken während seine andere meine Taille umfing und mich näher an ihn zog.
Es war überwältigend! Das Gefühl war Wahnsinn! Dort wo er mich berührte züngelten Flammen. Es war wundervoll!
Als er sich von mir löste, ließ er mich nicht los. Wir rangen beide nach Atem und sahen dem anderen in die Augen.
„Ich verstehe.“
Er runzelte die Stirn, dann schien er sich an seine Frage von vorhin erinnern. Er lächelte leicht.
„Brennst du auch?“
Er sah mich verwirrt an.
„Dort wo du mich berührst...“ Er drückte sanft meine Hüfte. Ich schauerte. „...fühlt es sich wie Flammen an. Ist das bei dir auch so?“
Ich fuhr mit einer Hand seine braune Brust nach. Meine weiße Hand stach an seiner braunen Hand hervor. Fasziniert sah ich zu wie sich Gänsehaut bildete und sich helle Härchen auf seiner Brust aufstellten.
„Ich weiß, was du meinst.“
Seine Stimme klang heiser, sein Atem fuhr über mein Gesicht.
Er beugte sich ein zweites Mal zu mir herab und drückte seine Lippen wieder auf meine. Dieses Mal war er sicherer. Ich ließ ihn bereitwillig meine Lippen öffnen um ihn zu schmecken. Um das Gefühl nie mehr zu verlieren.
Er ließ von mir ab und nahm mein Gesicht in seine Hände.
„Zeig mir dein zu Hause.“
Er lächelte und als ich vorsichtig nickte gab er mir noch einen kurzen Kuss. Er faltete die Decke zusammen, während ich mein Buch holte, danach deutete ich ihm mir zu folgen.
Am halben Weg, als sich unsere Arme berührten, griff er nach meiner Hand und verschränkte seine Finger mit meinen. Auf meinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus.
Ich sperrte die Türe auf, ließ ihn ein und legte meine Sachen auf eine Bank im Gang.
„Das ist die Küche. Wir haben die Schränke gelb und grün angemalt, um es freundlicher zu machen. Wasser müssen wir von draußen aus dem Brunnen holen. Wenn wir warmes wollen heizen wir es einfach auf. Den Tisch hat Hannes gemacht. Die Sessel hat Juli gebaut und Steffi und Klara haben sie verschieden angemalt. Damit jeder seinen eigenen hat.“ Ich zeigte auf einen hellblauen Stuhl. „Das ist meiner. Steffi mag meine Augenfarbe, deshalb hat sie ihn blau angemalt.“
Ich führte ihn durch die Küche in den angrenzenden Raum.
„Das ist das Wohnzimmer. Wir haben zwar keinen Fernseher, aber wir haben jede Menge Brettspiele und Bücher. Außerdem haben wir noch ein bisschen Spielzeug von den Kleinen. Den Teppich haben wir von früher noch. Das Sofa ist vom Flohmarkt. Wir haben es mit Nadel und Faden wieder hergerichtet. Die Polster habe ich in der Volkschule genäht. Das Sofa kann man ausziehen. Hier schläft meine Mum.“
Ich zog ihn mit mir in den Gang und dann ins Badezimmer.
„Die Dusche war schon vorhanden, wir haben die Wand nur neu gestrichen und einen Vorhang herum gemacht. Auf die Toilette und das Wachbecken haben wir richtig gespart. Sie sind glaub ich die modernsten Stücke. Die Handtücher haben wir auch von irgendeinem Flohmarkt. Aber das Geschirr in der Küche haben wir noch von früher.“
Ich schloss die Badezimmertüre und öffnete das Jungenzimmer.
Im Zimmer waren vier dünne Einzelbetten, mit vielen Matten, dünnen decken und Polster.
„Die Decken hat meine Mum gemacht und ich die Polster. Genauso wie meine Brüder. Hier schlafen Fabi, Felix, Hannes und Juli. Die Kisten dienen als Schränke. Wir haben nicht viel Kleider also brauchen wir keinen Schrank. Die zwei Fenster haben kein Glas, wir haben Löcher gesägt und aus dem Holz Läden gemacht.“
Ich schloss die Türe wieder und öffnete die daneben.
„Hier ist eigentlich alles dasselbe. Ich schlafe hier mit Steffi, Klara, Xaver und Michi. Für die Kleinen habe ich hier auch Blumen für die Mädchen und Autos für die Jungs an die Wand gemalt.“
Ich sah mich kurz um und schloss dann die Türe. Ich drehte mich um und sah ihn an.
„Es ist zwar kein Luxus, aber wir haben ein Dach über den Kopf und uns wird im Winter nie kalt.“
Ich lächelte.
„Wieso habt ihr denn kein Geld? Zahlt euer Vater denn nicht für euch Kinder?“
„Er zahlt nur für Xaver und Michi. Eigentlich müsste er für uns anderen sieben auch zahlen, aber er weigert sich. Meine Mum war schon oft am Gericht aber bis jetzt ist nichts geschehen.“ Ich hob die Schultern und lächelte traurig. „Wir müssen halt mehr sparen als wie andere und können unser Geld nicht für Schnick Schnack ausgeben. Wenn meine Brüder und ich mit dem Lohn heimkommen, legen wir alle zusammen, meine Mum legt ihren Lohn und das Kindergeld dazu. Dann machen wir Haufen für Essen, Kleidung, Schule und der kleine Rest wird aufgespart, falls es einen Notfall gibt.“ Ich schüttelte den Kopf. „Die meiste Kleidung für meine Schwestern und meine kleinen Brüder, mache ich aus den zu kleinen oder kaputten Kleidern von meinen größeren Brüdern.“ Ich grinste halb.
„Glück, dass ich so gut nähen kann. Heute zum Beispiel ist meine Mum mit meinen kleinen Geschwistern in den Tiergarten gegangen. Sie will das sie eine Kindheit erleben.“
Ich schluckte den Kloß hinunter.
„Ich kann sie verstehen. Wenn ich etwas Trinkgeld bekomme kaufe ich billiges Spielzeug für Steffi, Klara, Xaver oder Michi. Jedes Mal jemand anders und jedes Mal leuchten Kinderaugen auf, wenn sie ein neues Spielzeug bekommen.“
Ich lächelte ihn unter Tränen an. „Ich freue mich immer riesig, wenn sie sich freuen. Sie rennen dann den ganzen restlichen Tag im Haus umher und geben mit ihrem Spielzeug an. Am nächsten Tag bekomme ich dann eine Blume, ein gezeichnetes Bild oder tausend Küsse. Aber mir reicht auch schon das leuchten in den Augen oder das Kinderlachen den ganzen Abend lang. Dafür gebe ich gerne Geld aus, denn so etwas ist unbezahlbar.“
Er wischte mit seinem Daumen meine Wange ab und schloss mich in seine Arme, als ich schluchzte.
„Ich wünschte mir mehr Geld für solche Momente. Nicht für mich. Aber für meine kleinen Geschwister.“
Seine Hand strich beruhigend über meinen Rücken die Wirbelsäule entlang und gab mir einen Kuss aufs Haar.

Florian blieb den ganzen Tag bei mir, bis wir meine Mum kommen hörten, dann ging er. Aber wir verabredeten uns für morgen am See. Er würde Markus auch mitnehmen. Beim Einschlafen konnte ich noch immer nicht glauben, dass wir zusammen waren. Aber es fühlte sich richtig an. Sehr richtig...und schön.
Ich lächelte im Halbschlaf und träumte von meinem Panter.

Meine Brüder machten einen Campingausflug, der über mehrere Tage ging. Da Hannes und Juli jagen konnten, ließ meine Mum Fabi und Felix auch mitgehen. Sie gingen um zehn Uhr morgens.
Ich half meiner Mum beim abwaschen, während die Kleinen gemeinsam spielten.
„Mama?“
„Ja, Kleines?“
„Ich hab Florian und Markus für heute eingeladen? Ist das okay?“
„Wann hast du denn das geschafft?“
„Gestern. Ich hab Flo getroffen und hab ihn gefragt.“
„Oh. Ja, das ist okay. Ich muss heute sowieso arbeiten. Macht es euch beiden etwas aus, so viele kleine Kinder zu haben?“
„Nein. Das ist sicher kein Problem Mama. Wir gehen schwimmen, da passen wir besonders auf. Versprochen.“
„Danke, Schatz.“
Sie gab mir einen Kuss auf die Stirn und verschwand dann aus der Haustüre.
Ich rief alle in die Küche, als ich mit Abwasch fertig war. Sie setzten sich auf ihre Stühle. Ich nahm Klara auf den Schoß.
„Wir kriegen heute Besuch. Florian und Markus kommen. Wenn ihr versprecht brav zu sein, gehen wir zum See. Aber nur, wenn ihr brav seid und mir helft Brote zu machen, ja?“
Alle vier nickten begeistert. Klara verstand zwar nur ein paar Worte, aber ich hielt sie auf meinem Schoß und strich mit ihrer Hand die Brote. Während die anderen schon selbst streichen konnten. Ich sang lustige Kindergartenlieder mit ihnen und packte alles in einen Korb mitsamt Trinkflaschen und Handtücher.
Als alle mit ihren Badesachen in der Hand da standen half ich Klara in die Bikini Hose. Band Steffis Bikini am Rücken zusammen, zog meinen eigenen an und holte die Sonnencreme.
Sie stellten sich nebeneinander auf. Zuerst tupfte ich ihnen alle Cremehäufchen, auf Stirn, Wangen und Nase, dann über Arme, Beine und Bäuche und Rücken. Danach schmierte jeder den anderen ein. Immer andere Stellen. Als alle eingeschmiert waren, lagen sie lachend am Teppich. Ich kicherte und schmierte mich selbst ein. Danach zog ich Klara ein T-Shirt über die nackten Schultern. Steffi und ich zogen eine kurze Hose und ein T-Shirt über den Bikini über und den Jungen half ich in die T-Shirts.
Während die Jungen ein Brettspiel spielten, setzten sich Steffi und Klara vor mich hin.
Ich holte zwei Gummis und machte Steffi einen Zopf, bevor sie mit den Jungen spielte. Klara bürstete ich die Haare und band sie zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammen.
Klara kämmte mir gerade die Haare, als es klopfte.
„Kommt rein!“
Ich hörte wie die Türe aufging, sich schloss, hörte Stoff rascheln und wenige Sekunden später standen die beiden im Türrahmen.
Klara kämmte unbeirrt meine Haare weiter, obwohl ich keine Knoten mehr hatte. Ich wusste, dass ihr das Spaß machte.
Steffi rief Markus sofort zu den anderen, stellte sie einander vor und holte eine weitere Spielfigur aus der Schachtel.
Florian schlenderte gemächlich zu mir und setzte sich neben mich auf den Boden. Klara ließ die kämmende Hand sinken und sah ihn mit großen Augen an.
Er grinste.
„Hallo, Kleine. Ich bin der Flo und wer bist du?“
Klara sah von seinen Mund in seine Augen und lächelte, bevor sie weiterkämmte. Florian runzelte die Stirn. Ich strich der kleinen über die Wange.
„Klara hat noch nie geredet. Sie ist Taubstumm.“ Ich lächelte ihn an. „Sie ist nicht unhöflich. Wahrscheinlich hat sie die Worte Hallo und Flo richtig verstanden. Sie kann noch nicht so gut Lippenlesen.“
„Oh...“
„Ist egal. Macht es dir nichts aus, dass wir auf die Kleinen aufpassen müssen?“
„Nein, macht es mir nicht. Wollen wir gleich hinunter gehen? Es ist schon nach Mittag und sehr warm.“
„Gut.“
Ich rief alle zusammen, zwang Steffi das Spiel weg zu räumen und nahm den Korb mit den Broten, bevor wie hinunter zum Wasser gingen.
Wir hatten im Sommer extra einen Absperrzaun gemacht, sodass die Kleinen nur da schwimmen können, wo sie stehen konnten, da wir keine Schwimmflügel hatten.
Während die Kleinen im Wasser waren, legte ich eine Decke auf die Wiese und stellte den Korb darauf.
Klara stand die ganze Zeit an meinem Fuß und versteckte sich hinter mir vor Florian. Ich kniete mich zu ihr und bat mir zuzusehen. Wir zwei hatten eine extra Zeichensprache ausgemacht, die verstanden nur wir zwei.
Als sie nickte, stand ich auf, zog Florian in unsere Nähe und umarmte ihn.
„Was...?“
„Mach einfach mit. Ich zeige ihr, dass du ein Freund bist.“
Als ich ihn losließ, kniete ich mich wieder vor Klara hin. Sie sah Florian vorsichtig an, dann winkte sie mit ihrer kleinen Hand. Als er lächelnd zurück winkte, grinste sie ihn an, bevor sie zu den anderen ins Wasser sprang. Xaver stellte sich sofort zu ihr. Das machte er schon seit er gehen konnte, immer wenn Klara in der Nähe war stand er bei ihr damit man sie nicht überrannte.
„Hast du deine Badesachen unter dem Gewand an?“
„Hm? Oh, ja hab ich. Wieso?“
In übermenschlicher Geschwindigkeit stand er mir gegen über und schob blitzschnell mein T-Shirt über meinen Kopf. Die Hose durfte ich mir selbst ausziehen. Wie großzügig von ihm. Aber gleich darauf zerrte er mich mit sich ins seichte Wasser.


3

Als es dämmerte, packten wir unsere Sachen und gingen zu unserem Haus. Florian half mir mit den Kleinen, sie Bett fertig zu machen und brachte sie mit mir ins Bett. Mit Klara verbrachte er die meiste Zeit. Sie hatte sich im Laufe des Tages sehr an ihn gehängt.
Anscheinend mochte sie ihn genauso wie ich.
Ich ging in die Küche und wusch die Becher aus, verpackte und kühlte die restlichen Essensreste ein und verräumte den Korb wieder.
Als ich im Wohnzimmer stand und besorgt auf die Uhr sah, kam Florian wieder ins Zimmer. Markus lag auf dem Sofa und schlief.
Ich bemerkte Flo erst, als sich seine Hände um meine Hüfte legten. Ich fuhr zusammen und drehte mich in seinen Armen um.
„Stimmt die Uhr hier? Hast du eine dabei?“
Er nahm sein Handy aus der Hosentasche und gab es mir. Es war wirklich schon neun Uhr abends!
„Was ist? Co?“
Ich nagte auf meiner Unterlippe und gab ihm sein Handy zurück.
„Meine Mum hätte seit einer halben Stunde wieder hier sein sollen. Sie kommt nie zu spät.“
„Vielleicht steht sie im Stau. Mach dich nicht verrückt.“
Er rieb mir meine Arme und küsste mich auf die Stirn.
Ich seufzte und legte die Stirn an seine Brust.
„Du hast wahrscheinlich recht. Aber ich hab ein komisches Gefühl. Wieso haben wir das einzige Handy meinen Brüdern mitgegeben?“
„Schsch...“
Beide fuhren wir beim harten Klopfen an der Türe zusammen. Florian sah mich verwirrt an.
„Weiß jemand wo ihr wohnt?“
„Nein. Nur du.“
Ich ging im Schlepptau Florian zur Türe und öffnete sie. Zuerst wusste ich nicht, wen ich vor mir hatte, aber als er reden wollte, warf ich die Türe vor seiner Nase zu. Ich zitterte am ganzen Körper und starrte auf die Türe vor mir, wo jetzt noch einmal geklopft wurde.
„Corrina? Was ist denn? Wer ist das?“
Ich antwortete Flo nicht.
„Cory...Cory mach auf, bitte. Ich muss mit dir reden.“
Ich schlug mit der Faust so fest gegen die Türe, dass Flo zusammenzuckte.
„Verschwinde! Hau ab!“
„Cory, bitte, Kleines ich muss dir was sagen. Es geht um Mary.“
„Wer ist dieser Mann?“
Ich drehte mich um und sah, wie mich Flo besorgt musterte. Klar, meine Augen waren sicher ausdruckslos, wie meine Stimme.
„Mein Vater.“
Er klopfte wieder.
„Cory, Liebes. Bitte! Es ist wichtig!“
Ich drehte mich langsam um, starrte eine gefühlte Ewigkeit die Türe an, bevor ich öffnete.
„Was willst du?“
Augen, derselben Farbe wie meine blickten mich erleichtert und mit Tränen gefüllt an. Er hatte sich in den Jahren nicht verändert. Er war genauso groß wie früher, sein Haar war so kurz wie damals, nur trug er jetzt außer einer Jean und einem T-Shirt nichts.
„Cory...“
„Nenn mich nicht so! Sag was du willst und verschwinde wieder!“
Ich hielt meine Stimmer leise, aber an seinem Blick erkannte ich, dass er die Wut hörte. Gut so.
„Ich habe gerade einen Anruf bekommen. Deine Mutter, Mary, sie liegt im Krankenhaus. Herzinfarkt.“
Ich erstarrte. „Wieso rufen sie dich an, wenn du eigentlich auf deiner Yacht liegen solltest?“
Er sah kurz zu Boden, seufzte und sah mich wieder an.
„Ich bin schon lange nicht mehr auf meiner Yacht. Um genau zu sein seit einem Jahr nicht mehr. Bin herum gestreift. Seit fünf Monaten bin ich hier. Ich arbeite in der Wache und irgendwie hat man gewusst, dass ich dort war.“
Ich zischte.
„Du bist seit verdammten fünf Monaten hier?“ Ich starrte ihn lange an. „Du kommst noch nicht mal Hallo sagen. Sind wir dir schon so wenig wert?“
Ich spürte eine Hand, die sanft meine Faust löste und meine Finger mit ihren verschränkte.
„Das könnt ihr doch nachher klären, Co. Wichtig ist deine Mutter.“
Ich sah Flo über die Schulter an, atmete aus und nickte schließlich.
„Ja, du hast recht. Wecken wir die Kleinen und dann gehen wir ins Krankenhaus.“
Ich wollte die Türe schließen, aber Flo räusperte sich leise. Ich drehte mich wieder um.
„Sonst noch was?“
Ich zog die Augenbraue hoch. Mein Vater wurde rot. Rot! Ich sah seine kurze Wut und seine Hand zucken und drückte mich an Florian.
„Wir sehen uns.“
Damit drehte er sich um und verschwand im Wald. Ich wartete noch eine Weile, dann ging ich wortlos an Florian vorbei und weckte nach und nach meine kleinen Geschwister.
Sie saßen alle verschlafen in der Küche und sahen mich augenreibend an.
„Süßen, wir müssen uns anziehen. Mama hatte einen...Unfall. Wir gehen zu ihr, ja? Bis gleich.“
Ich half Klara beim anziehen und ging dann mit ihr zu Florian, der auf die anderen draußen im Garten aufpasste.
„Kann ich meine Brüder von deinem Handy anrufen?“
„Klar, hier.“
Ich tippte die Nummer ein und biss mir auf die Lippen.
„Hallo?“
„Hannes? Ich bins, Coco.“
„Was gibt’s?“
„Mum hatte einen Herzinfarkt. Wir gehen zu ihr ins Krankenhaus. Soll ich dich wieder anrufen, wenn ich mehr weiß? Ob ihr kommen müsst oder nicht.“
Es war kurz still. „Ja, ja mach das. Ich bleib munter.“
„Gut. Bis dann.“
„Ja. Hey, Co?“
„Ja?“
„Wie hast du das erfahren? Ist ein Polizist gekommen?“
Ich schnaubte. „So in der Art.“
Ich legte auf, gab Flo das Handy zurück und ging dann schnellen Schrittes mit Klara auf den Armen in die Stadt.

Im Krankenhaus sah uns die Tussi an der Information missbilligend an.
„Ja?“
„Meine Mutter ist eingeliefert worden. Mary Schweiger.“
Die Tussi tippte im Computer und nickte dann.
„Ja, sie liegt gerade im OP2. Aber ihr könnt im Wartezimmer warten.“
Ich hätte Klara fast fallen gelassen.
„OP? So schlimm?“
„Ich kann nicht sagen wie schlimm, das kann nur der Arzt.“
Ich wollte ihr gerade etwas unter die Nase reiben, aber Florian stellte sich vor mich. Sofort schien die Tussi netter zu sein. Sie setzte sich auf und lächelte.
„Danke, für die Hilfe.“
Er nickte ihr unbeeindruckt zu und schob uns alle in den Warteraum.
Danach holte er Spielzeug für die Kleinen und mir eine heiße Schokolade. Florian brachte Markus nach Hause und kam dann wieder zu mir. Damit ich meine Brüder erreichen konnte.
Mir kamen es Stunden vor, bis endlich ein Arzt ins Zimmer trat. Die Kleinen schliefen am Boden und bekamen nichts mehr mit. Florian saß neben mir und stand mit mir auf.
„Gehören Sie zu Mary Schweiger?“
Ich nickte.
„Gut. Ihre Mutter hatte einen schweren Herzinfarkt, aber nach der durchgeführten OP ist alles in Ordnung. Sie liegt im Zimmer und braucht jetzt unbedingt Ruhe. Wir behalten sie für ein paar Tage hier.“
„Können wir zu ihr?“
Er sah sich im Zimmer um.
„Nur die Familie.“
Ich lächelte halb. „Wir sind die Familie. Das sind meine Schwestern und Brüder.“
„Oh. Na dann nur einer nach dem anderen. Höchstens zwei.“
Damit rauschte er zu einem neuen Notfall. Ich strich mir mit einer Hand übers Gesicht und seufzte müde.
„Gut, ich geh schnell zu ihr. Dann gehen wir nach Hause.“
„Soll ich Hannes anrufen?“
Ich sah Florian dankend. „Ja. Sag, dass sie nicht kommen brauchen.“
Er nickte und zückte sein Handy, während ich aus dem Wartezimmer ging und ins Zimmer meiner Mum trat. Sie war wach. Ich ging schnell zu ihr und strich ihr übers Gesicht.
„Mama! Mach das nicht noch mal.“
Sie lachte.
„Ja, ich versuch es.“ Sie sah mich misstrauisch an.
„Warum weißt du, dass ich hier bin?“
„Dad war bei uns und hat mich geholt. Das Krankenhaus hat ihn informiert. Stell dir vor, er arbeitet schon seit fünf Monaten in dieser kleinen Stadt als Polizist.“ Ich schnaubte. „Anscheinend will ihn die Schlampe nicht mehr.“
„Oh, Liebes.“
Sie sah auf einmal traurig und sehr, sehr alt aus. Ich zwang mich zu lächeln, beugte mich hinunter und gab ihr einen Kuss.
„Schlaf ein wenig Mama. Ich geh wieder nach Hause, komm aber morgen wieder. Wir kommen schon zurecht.“
Sie seufzte und murmelte einen Dank, bevor sie einschlief, noch bevor ich aus dem Zimmer war.
Im Wartezimmer standen alle verschlafen da. Florian hielt die schlafende Klara in den Armen.
„Sie ist nicht aufgewacht.“

Im Haus schliefen alle sofort wieder ein. Ich nahm Klara von Flo und trug sie in ihr Bett. Flo stand im Wohnzimmer und starrte aus dem Fenster.
Ich sah ebenfalls in die Schwärze und runzelte die Stirn als ich glaubte, helles Fell zu sehen. Er war da draußen!
Als ich eine Hand an meiner Wange spürte fuhr ich zusammen. Ich sah Flo an.
„Er ist da draußen.“
Er nickte. „Hast du Angst? Ich kann hier bleiben, wenn du willst.“
Ich wollte schon verneinen, als mir klar wurde, dass ich vor Angst zitterte. Die Vorstellung jetzt im Dunkeln allein zu sein, wenn draußen mein Vater umher ging, machte mich fast panisch.
„Geht das wirklich? Du musst nicht nach Hause?“
„Nein. Ich muss nicht nach Hause.“
Er küsste meine Stirn und strich mir noch einmal mit der Hand über meine Wange.
„Jetz mach dich fertig und leg dich hin. Ich schlaf auf dem Sofa ist das okay?“
„Ja. Danke.“
Ich gab ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen, machte mich bettfertig und legte mich ins Bett. Aber ich konnte nicht schlafen. Jedes Mal wenn ich die Augen schloss, sah ich entweder den Wolf oder meinen Vater, der auf mich oder meine Geschwister einschlug. Nach einem weiteren gescheiterten Versuch zu schlafen, stand ich auf und verließ das Zimmer. Im Wohnzimmer war das Licht aus, also schlich ich auf Zehenspitzen ins Dunkle.
Mitten im Raum knarrte eine Diele, es raschelte und dann leuchteten Katzenaugen schräg vor mir auf.
„Ich wollte dich nicht wecken. Tut mir leid.“
Ich spürte, wie er mich musterte und schlang die Arme um die Brust.
„Kannst du nicht schlafen?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Mir kommt immer wieder mein Dad ins Gedächtnis, der das verhindert.“
Es raschelte wieder.
„Komm her.“
Ich zögerte kurz, ging dann aber zu ihm und schlüpfte neben ihm unter die Decke. Er schloss mich in die Arme und zog mich an seine Brust, wobei er meine Stirn an seine Brust drückte.
Ich roch seinen vertrauten Geruch, spürte unter meiner Hand seinen regelmäßigen Herzschlag und hörte seine langsamen Atemzüge. Irgendwann beruhigte ich mich und mir wurden die Augen schwer.
„Warum hast du Angst vor deinem Vater?“
Die Frage überraschte mich. Ich dachte er schliefe schon.
„Er war nie ein richtiger Vater. Wenn er wütend war, egal warum, ließ er es an uns aus. Entweder schlug er uns, oder er schrie uns so lange an, bis wir weinend aus dem Zimmer rannten.“ Ich zuckte leicht und müde mit den Schultern. „Die Reaktion bei ihm, ist fast automatisch. Selbst wenn er nur zuckt, reagiere ich unbewusst und weiche zurück.“
Es war wieder so lange still, dass ich dachte, er schliefe schon. Aber wieder irrte ich mich. Er zog mich noch enger an sich, legte sein Kinn an meinen Kopf und verschränkte seine Beine mit meinen.
„Ich pass auf dich auf.“ Es folgte eine kurze Stille in der er seine Lippen auf meine Schlefe drückte.
Kurz vorm Einschlafen hörte ich ihn noch murmeln.
„Ich liebe dich.“
Ich seufzte. „Ich dich auch.“
Dann war ich weggetreten.

Ein Kichern weckte mich. Ich seufzte und wollte mich strecken, doch ich stieß gegen was weiches und warmes. Das Etwas stöhnte qualvoll.
Verwirrt öffnete ich die Augen und sah direkt auf einen gebräunten Hals. Ich lag noch immer in Florians Armen unter der Decke. Als ich in sein Gesicht blickte, blitzten mich grüne Augen amüsiert an. Hinter ihm standen Steffi, Xaver und Michael und grinsten mich an. Ich rieb mir meine Augen.
„Was guckt ihr denn so! Was ist so witzig?“
Alle vier bekamen einen Lachanfall. Ich blitzte sie wütend an.
„Was?! Warum lacht ihr mich aus!“
Steffi tanzte um das Sofa herum und sang das Schlaflied, das uns unsere Mum immer vorgesungen hatte. Xaver und Michael fielen ein. Als auch noch Flo mit summte, der das Lied ja kaum kennen konnte, da es unsere Mum nur für uns erfunden hatte, runzelte ich die Stirn.
Er lachte, als er meine Miene sah und küsste meine Stirn.
„Was soll das alles?“
Er grinste. „Du hast gesungen, meine Liebe.“
Ich starrte ihn verdutzt an.
„Was?“
„Du hast dieses Lied gesungen. So laut und richtig, dass du mich und die Kleinen aufgeweckt hast.“
Ich wurde puterrot im Gesicht, stöhnte und versteckte mein Gesicht in den Händen.

Flo wich den ganzen Tag nicht von unserer Seite. Er begleitete uns ins Krankenhaus, kam zu uns Essen, doch an diesem Abend musste er heim, da sie den Geburtstag von Markus feierten. Pyjamaparty. Steffi durfte auch mit kommen. Sie hatte ein Armband für ihn geknüpft. Bevor die zwei gingen, gab mir Flo noch einen Kuss auf die Stirn. Hinter ihm schloss ich die Türe ab und ging dann mit den drei kleinen ins Wohnzimmer um mit ihnen zu spielen. Ein Ohr hatte ich trotz dem Spaß immer gespitzt. Gegen neun Uhr brachte ich die Kleinen ins Bett und setzte mich mit einem Buch aufs Sofa.
Es war so still, dass mir das leise Knarren am Fenster auffiel. Langsam hob ich den Kopf und sah in einen riesigen weißen Wolfskpof mit schlauen blauen Augen.
Ich schluckte und schloss das Buch. Danach stand ich auf, drehte das Licht ab und verschwand mit schnellen Schritten in unserem Zimmer. Alle schliefen tief und fest. Ich zog mir meine Hose aus und legte mich blitzschnell unter die Decke. Mein Herz sprang mir beinahe aus der Brust, die Stille wurde erdrückend. Zittrig atmete ich aus und schloss die Augen. Als der Wolf wieder erscheinen wollte, stellte ich mir ein schwarzes Fell vor. So schön wie die Nacht. Grüne Katzenaugen, die mich aufmerksam betrachteten. Die weiche des Fells unter meiner Hand. Dann verwandelte sich der Panter in einen fast zwei Meter großen jungen Mann. Grüne Augen strahlten mich liebevoll an, schwarze Strähnen hingen ihm in das gebräunte Gesicht. Mein Herzschlag beruhigte sich immer mehr und meine Augen blieben freiwillig zu. Ich merkte kaum, dass sich bevor ich einschlief, ein Lächeln auf meinen Lippen ausbreitete.

Ein leichtes Tätscheln an meiner Wange weckte mich am frühen Morgen. Vor mir standen Klara, Xaver und Michi. Alle hatten Tränen in den Augen und hielten sich die Ohren zu. Ich setzte mich schnell auf und lauschte, während sich die drei zu mir ins Bett kuschelten.
Es war still. Kein Vogel, keine Zirpen, nichts! Doch plötzlich donnerte es an die Wand. Ich fuhr zusammen und schrie auf. Doch ein lautes, wütendes Heulen übertönte mich. Es war wieder still. Ich glaubte zu spüren, wie der Wolf noch einmal Anlauf nahm.
Dann gab es ein Ohrenbetäubendes Krachen und man hörte Pfoten im Haus. Ich sprang leise vom Bett und holte ein Messer unter meinem Bett hervor. Meinen Geschwistern befahl ich zu schweigen. Sie nickten mit großen Augen und Tränennassen Gesicht. Mit gezücktem Messer stellte ich mich vor unsere Türe. Spürte wie der Wolf davor stand. Hörte sein Hecheln. Dann barst auch diese Türe und der weiße Wolf stand in der Schwelle. Er sah das Messer und knurrte.
„Verschwinde von hier, Dad! Ich benutze das Messer. Verschwinde.“
Ich sah die Pfote nicht, sondern spürte den scharfen Schmerz im Handgelenk. Mein Muskel gab nach und das Messer fiel klirrend zu Boden. Ich schrie auf und drückte meine verletzte Hand an die Brust. Blut sickerte in mein T-Shirt.
„Verschwinde! Hau! Ab!!“
Er brüllte und holte zum zweiten Schlag aus. Dieser traf mich an der Hüfte und schlitzte mir die Haut dort auf. Ich keuchte und fiel auf die Knie. Mit meiner unverletzten Hand hielt ich meine blutende Seite. Das genügte ihm nicht. Noch einmal holte er aus und schlug mir unters Kinn. Ich spürte wie das Blut an meinem Hals herunterrannte. Die Kleinen wimmerten.
Als mein Dad auf die Kleinen aufmerksam wurde, hörte ich jedoch weiteres Knurren aus dem Gang. Bevor mir ganz schwarz vor Augen wurde, sah ich wie zwei schwarze Wölfe sich voller Wut auf meinen Dad stürzten. Ich spürte nicht, wie hart mein Kopf auf dem Boden aufkam. Spürte nichts mehr. Nur Kälte.
Ich glaubte meinen Namen zu hören, doch ich kam nicht durch die Dunkelheit. Die Kälte breitete sich in Rekordgeschwindigkeit aus. Angefangen bei meinen Beinen, die ich nicht mehr spürte, bis hin zu meiner Hüfte wurde alles taub und kalt. Ich spürte keinen Schmerz mehr. In der Dunkelheit schienen plötzlich zwei smaragdgrüne Augen auf. Aus der Dunkelheit wuchs ein Schatten heraus. Der mich anlächelte und seine Arme ausstreckte. Flo! Ich ging auf ihn zu, doch schien er weiter weg zu sein, als ich dachte. Ich wurde ärgerlich als mich etwas nach hinten zog. Ich wollte doch in seine Arme! Aber als ich am Rand meiner Wut angekommen war, wurde ich so heftig zurückgerissen, dass ich umflog.
Ich hustete und öffnete zittrig meine Augen. Mein Hals kratzte heftig. Ich sah mich um. Die Wände des Zimmers waren weiß, ein Waschbecken, ein Spiegel, neben meinem Bett standen ein Nachttisch und ein Sessel. Am Nachttisch lagen ein Buch, ein Stift und ein Kreuzworträtselbuch. Außerdem ein Handy. Am Sessel saß in sich zusammengesunken Florian. Eine seiner Hände hatte sich um meine geschlossen. Unter seinen geschlossenen Augen, waren Ringe zu sehen. Er trug ein zerknittertes T-Shirt und eine Jogginghose. Meine rechte Hand war verbunden, ich hing an einer Infusion. Als ich unter meine Decke sah, hatte ich ein Krankenhaushemd an. Neben mir piepte regelmäßig ein Herzschlagmesser. Mein Hals tat schrecklich weh. Ich sah wieder zu Flo und wolle ihn ansprechen.
„Flo...“
Meine Stimme klang rau, heiser und sehr, sehr leise.
Ich erschrak daran. Was hatte mir mein Vater nur angetan?!
Ich musste wieder husten, dann drückte ich leicht Flo’s Hand. Sofort fuhr er hoch und sah mich mit hellwachen Augen an. Er sah trotz wachen Augen müde aus. Als ob er lange nicht geschlafen hatte.
Als er sah, dass ich wach war, erhellte sich seine Miene ein wenig. Er strich mir mit seiner freien Hand über meine Wange und ließ sie dort liegen.
„Fl-...“
Er schüttelte den Kopf.
„Nicht reden. Du darfst nicht reden, Co. Sonst tust du dir nur weh.“ Er drückte seine Hand ein klein wenig fester an meine Wange. Sein Daumen strich sanft meine Wange auf und ab. „Hast du schmerzen? Tut dir was weh?“
Ich wollte schon den Kopf schütteln, als ein scharfer Schmerz von meiner Hüfte weg bis in meinem Kopf schoss. Ich stöhnte. Flo runzelte besorgt die Stirn, beugte sich über mich und drückte auf einen Knopf neben mir an der Wand.
Aber er setzte sich nicht wieder zurück, sondern blieb über mich gebeugt stehen und legte seufzend seine Stirn an meine. Wobei er mir weiter in die Augen sah.
„Du wärst fast gestorben.“ Seine Stimme war ein heiseres Flüstern. „Dein Herz hat aufgehört zu schlagen. Für drei Minuten warst du tot.“
Seine Stimme brach und ich sah wie in seinen Augen Tränen schwammen. Ich genoss das Gefühl seiner Lippen auf meinen. Er striff meine nur. Küsste meine Stirn, meine Nase, meine Wangen und noch einmal sachte auf den Mund, bevor er sich wieder auf seinen Sessel setzte. Nur wenige Sekunden später kam ein Arzt ins Zimmer. Er trat an mein Bett.
„Sie ist gerade aufgewacht.“
Der Arzt nickte lächelnd und nahm meine Akte aus dem Behälter.
„Corrina richtig?“
Ich nickte. Böser Fehler. Mein Hals fühlte sich an, als würde er in tausend kleine Stücke zerfallen. Ich stöhnte. Flo drückte meine Hand.
Der Arzt nickte und kontrollierte die Geräte. Danach nahm er eine Spritze und meine Hand mit der Kanüle.
„Dein Körper braucht jetzt viel Ruhe zum Heilen. Ich geb dir etwas gegen die Schmerzen. Aber es wird dich auch müde machen. Gleich kannst du schlafen.“ Er zwinkerte mir zu. „Einen Beschützer hast du ja schon.“
Er drückte den Inhalt der Spritze in meine Hand und ging dann aus dem Zimmer. Es dauerte nur eine Sekunde, da schlug das Mittel schon an.
„Beschützer?“
Flo drückte meine Hand.
„Ich bin schon die ganzen Tage hier. Nicht einmal bin ich von deiner Seite gewichen.“
Ich hörte den Stolz aus seinen sanften, leisen Worten.
„Brauchst…doch..nicht…Flo.“
„Doch.“
Als mir die Augen zufielen, spürte ich seine Lippen an meiner Stirn.
„Ich liebe dich.“
Ich seufzte. „Lieb‘ dich auch.“
Dann schlief ich ein weiteres Mal ein.

Als ich aufwachte, war es im Zimmer dunkel. Ich sah aus dem Fenster den Nachthimmel. Mein Blick sank zu dem Kopf neben mir. Flo’s Hand hielt meine, sein Kopf war auf meinem Kopfpolster gefallen. Seine Augen waren geschlossen.
Ich wollte ihn nicht wecken, deshalb schloss ich meine Augen wieder. Doch als ich eine Zeit lang an nichts gedacht hatte, erschien ein verschwommenes Bild vor meinem inneren Auge. Aus dem schwarz leuchteten blaue Augen, es bildete sich eine Schnauze mit gebleckten Zähnen, weißes Fell darum. Der Wolf knurrte und setzte zum Sprung an. Immer wieder schlug er auf mich ein.
Eine warme Hand an meiner Wange, riss mich aus dem Albtraum. Als ich die Augen öffnete, sah ich in besorgtes grün. Das Herzschlaggerät, raste, mein Hals scheuerte unter dem hastigen Keuchen.
Wieder strich er mit seiner Hand über meine Wange und sah mir so lange in die Augen, bis sich mein Herz und mein Atmen beruhigt hatten. Danach brach der Damm bei mir und ich weinte lautlos. Tränen rannten über meine Wange in seine Hand.
Sein Daumen strich beruhigend über meine Wange, während er seine Wange an meine freie legte und mir Beruhigungen ins Ohr flüsterte.
Ich merkte kaum, dass ich aufhörte und wieder einschlief.

Meine Augen öffneten sich. Diesmal war es hell im Zimmer. Flo saß im Sessel, hörte Musik und machte ein Rätsel.
Ich bewegte meine unverletzte Hand um ihm zu zeigen, dass ich wach war. Was mir gelang. Er sah sofort zu mir her, nahm seine Ohrstöpsel heraus und legte seinen iPod ausgeschaltet mit der Zeitschrift auf den Nachttisch. Danach lächelte er mich an.
„Wie geht’s? Hast du schmerzen?“
Ich wollte ihm antworten, aber ein Schmerz im Hals hielt mich zurück. Also schüttelte ich leicht den Kopf.
Er verflocht seine Hand wieder mit meiner.
„Der Arzt kommt gleich. Er gibt dir etwas mit dem du kommunizieren kannst. Du darfst jetzt eine lange Zeit nicht mehr reden. Aber deine Stimme kommt zurück. Ich hab gestern Hannes noch am Handy angerufen. Sie wissen, dass du aufgewacht bist. Heute werden sie mal vorbei schauen.“


4

Er drückte sacht meine Finger, als die Türe aufging und der gleiche Arzt wie gestern herein kam. Diesmal mit einem Assistenten.
Er nahm sich wieder eine Akte und gab mir eine Tafel mit Kreide.
„Hier. Darauf kannst du schreiben. Du bist doch keine Rechtshänderin oder?“
Ich schüttelte den Kopf, nahm die Kreide in die linke Hand und legte mir die Kreide zurecht.
„Gut. Hast du schmerzen?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Ich sage dir einmal was dir fehlt.“ Er schlug eine andere Seite auf und begann zu lesen.
„Dein rechtes Handgelenk ist gebrochen und Sehnen mussten wir zusammennähen. Du hast keinen Gips aber eine Schiene, da wir eine sehr tiefe Wunde noch verarzten müssen. Deine Hüfte ist verbunden, dort hast du eine Fleischwunde. Bei deinem Hals wurden die Stimmbänder stark verletzt, aber andere wichtige Körperteile wurden wieder hergestellt.“
Ich nahm die Tafel.
> Wie lange bin ich schon hier? <
„Zwei Wochen. In den letzten elf Tagen mussten wir dich in ein künstliches Koma versetzen, da du erstens sehr viel Blut verloren hattest und wir sehr viele Operationen machen mussten. Du musst mindestens noch weitere zwei Wochen hierbleiben, damit deine Verletzungen richtig verheilen können.“
Ich nickte und wartete bis sie wieder aus dem Zimmer waren.
>Was ist mit meiner Mum? Was ist mit Dad?<
„Deiner Mum geht es schon viel besser. Hannes und Juli haben deinen Vater noch verjagen können, bevor er dich endgültig umgebracht hatte. Aber ihr wohnt jetzt wo anders. Meine Eltern haben euch geholfen ein billiges, aber größeres Haus mit Strom zu finden.“
Er lächelte. „Nicht mal so abgeschieden wie die Holzhütte. Aber noch immer im Wald. Es ist in der Nähe von unserem.“ Danach verzog er die Lippen. „Dein Vater wird von der Polizei gesucht. Er ist wie vom Erdboden verschwunden. Aber euer Haus wird überwacht, ihr seid jetzt sicher. Wenn du trotzdem Angst hast, schlaf ich wieder bei dir.“
Ich wischte die Worte weg, zeichnete ein Herz und ein lächelndes Smiley darauf. >Ich liebe dich<
Dann drehte ich die Tafel lächelnd zu ihm hin.
Er lächelte halb, dann beugte er sich vor und küsste mich sanft auf die Lippen.
Da wurde die Türe aufgestoßen. Mit einem übermenschlichen Sprung saß er wieder im Sessel und zwinkerte mir zu, bevor er sich dem Kreuzworträtsel widmete. Ich wischte schnell die Worte auf der Tafel weg.
In mein Zimmer stürmten Klara und Xaver, den sie an der Hand hinter sich herzog. Hinter ihnen kam meine Mum schloss die Türe hinter ihnen.
Klara sprang auf Flo’s Schoß um meine Hand zu nehmen und grinste mich an.
Xaver stellte sich neben den Sessel, meine Mum stellte sich zu meinen Füßen ans Bett.
Als ich die warmen, offenen Gesichter sah, wurde mir seltsam warm ums Herz und ich war trotz meiner Verletzungen glücklich…

Morgen konnte ich endlich nach Hause. Ich lag jetzt schon seit insgesamt fünf Wochen im Krankenhaus. Heute kam der Arzt mit der Nachricht, dass ich entlassen werden konnte. Gerade rechtzeitig zu meinem Geburtstag. Der war in zwei Tagen.
Die Verletzung an meiner Hüfte war schon so gut verheilt, dass ich nur mehr eine Creme darauf schmieren musste. Mein Handgelenk war schon fast wieder heil. Ich hatte nur noch einen leichten Verband, den ich in zwei Tagen abmachen konnte.
Meine Stimmbänder gingen jetzt schon wieder wie normal. Nur hatte ich eine leicht tiefere Stimme. Mich hatte das gestört, aber seitdem Flo mir versichert hatte, dass sie wunderschön war, gefiel sie mir immer besser. Um meinen Hals hatte ich einen Verband, unter dem eine bestimmte Creme aufgestrichen wird.
Der Arzt hatte gesagt, dass ich die Verbände in zwei Tagen abmachen konnte. Aber es werden Narben bleiben.
Ich war froh endlich gehen zu können, um meinen Geburtstag nicht im Krankenhaus verbringen zu müssen. Ich hatte den Geburtstag von Klara verpasst und den von Michi und Xaver. Fabi und Felix hatten Geburtstag, als ich im Koma lag. Nur den Geburtstag von Flo, Steffi, Hannes und Juli standen noch aus. Aber die hatten erst in zwei oder drei Monaten.
Flo konnte ich überreden tagsüber meistens zu verschwinden. Denn obwohl ich seine Anwesenheit sehr genoss, merkte ich wie viel ihn der enge Platz ausmachte. Ein Panter hasste enge, kleine Räume. Deshalb hatten sie ein so großes Haus mit viel Garten und Wald daran.
Mein Dad war noch nicht wieder auf getaucht. Vielleicht ließ er uns ja jetzt in Ruhe.
In der Nacht war Flo immer bei mir. Seitdem ich nicht mehr so starke Schmerzen hatte und nicht mehr am Tropf hang, legte er sich zu mir und schloss mich dann immer in seine Arme. Denn vergessen hatte ich den Vorfall noch nicht. Immer wieder wachte ich in der Nacht aus einem Albtraum auf...und er war da, strich mir beruhigend über Rücken und Wange, murmelte leise Worte und küsste meine Stirn. Danach konnte ich mich beruhigen und wieder einschlafen.

Heute hatte ich ihn überredet mal herum zu streifen. Ich lag im Bett und las mir ein Buch durch, was mir meine Mum gebracht hatte.
Die Zeit verging immer schneller. Der Arzt kam, untersuchte mich, band mir neue Verbände um und ging wieder. Als es dämmerte kam Flo wieder. Wie jeden Tag. Ich wusste das sehr wohl zu schätzen. Wenn er am Tag nicht hier war, knüpfte ich an einem Armband für ihn. Vor dem Vorfall hatte ich am See einen Stein gefunden, der schwarz war und weiße wunderschöne Muster hatte. Er hatte mir erzählt, dass er seltene Steine sammelte. Außerdem hatte ich von einem kurzen Mitbewohner von mir, ein Buch geschenkt bekommen. Das hatte Flo immer wieder erwähnt, er würde es sich kaufen. Jetzt hatte ich ein Buch, einen Stein für seine Sammlung und ein Armband. Das alles würde ich ihm zum Geburtstag schenken.
Wir sahen eine kurze Zeit fern, machten gemeinsam ein Kreuzworträtsel und blödelten herum, bevor wir das Licht ausdrehten und uns schlafen legten. Ich drehte mich so, dass mein Kopf an seiner Schulter lag und schloss die Augen.

Als ich aufwachte, war es schon hell im Zimmer. Flo neben mir schlief noch tief und fest. Die Schatten unter seinen Augen waren jetzt ganz weg. Nichts mehr deutete darauf hin, dass er müde war. Ich weckte ihn, als ich den Arzt vor der Türe hörte.
Natürlich waren seine Reflexe sofort hellwach. Er saß blitzschnell im Sessel und hielt meine Hand, während die Türe aufging und der Arzt hereinkam.
„Wie geht’s dir Corinna?“
„Gut. Mir tut nichts weh.“ Ich grinste.
„Ich schau mir deine Verletzungen noch einmal an, dann kannst du sicher nach Hause gehen.“
Er nahm die Verbände ab, nickte erfreut, cremte die Stellen noch einmal ein, gab mir dann die Creme für zu Hause mit, verband die Stellen und gab dann das zustimmende Wort um mich zu entlassen.
„Morgen kannst du die Verbände ganz abnehmen. Nur noch heute Abend neu eincremen, dann müssten sie den Rest von selbst heilen.“
Ich bedankte mich und rannte fast mit Flo ins Freie.
Da ich nicht wusste, wo wir jetzt wohnten, musste ich mich an seine Schritte anpassen. Aber das machte nichts. So konnte ich wenigstens die frische Luft genießen.
Ganz plötzlich machte er eine scharfe Kurve und führte mich mitten in den Wald hinein. Zuerst runzelte ich die Stirn, doch dann sah ich ein großes, weißes Haus umgeben von Bäumen. Auf der Wiese vor dem Eingang spielten Xaver und Michi mit einem Ball, während Hannes mit Klara herumalberte.
Als mich Klara entdeckte, ließ sie Hannes stehen, rannte zu mir und warf sich in meine Arme. Ich schloss meinen Arm um ihre Hüfte. Sie legte ihre Wange an meine.
Flo blieb bis zum Abendessen. Weil ihn meine Mum geradezu zwang. Fabi und Felix berichteten mir, dass sie das Gen unseres Dads ebenfalls geerbt hatten. Sie waren letzte Woche gleichzeitig geplatzt und standen als überraschte Werwölfe vor meiner Mum. Da sie und Hannes und Juli sich sehr gut verteidigen konnten, wohnten sie alle vier in der Holzhütte. Während die Kleinen in einem Zimmer schliefen, hatte ich zum ersten Mal im Leben ein eigenes Zimmer. Es war klein aber schlicht. Ein Bett, eine Kiste für mein Gewand und ein einfacher Tisch mit Sessel. Ich brachte den widerwilligen Flo zur Türe.
„Du musst doch mal wieder zu Hause schlafen! Was denken sich deine Eltern?“
„Nichts. Sie wissen, dass ich im Krankenhaus bei dir war. Außerdem schlafe ich nie bei ihnen im Haus.“
Ich sah ihn verdutzt an. „Wo denn sonst?“
Er grinste und verkreuzte die Arme vor der Brust. Dann zog er eine Augenbraue hoch.
„Ich bin neunzehn, dass heißt ich bin volljährig. Dazu kommt noch, dass ich ein Panter bin. Ich hasse enge Räume. Für kurze Zeit ist es mir recht herzlich egal. Aber auf längere Zeit drehe ich durch.“
Er zuckte mit den Schultern und verzog den Mund, bevor er wieder lächelte.
„Ich habe mein eigenes zu Hause. Bin ausgezogen. Das heißt, ich kann schlafen wo ich will. Keiner sagt mir, wo ich leben muss. Schon gar nicht meine kleine Freundin.“
Ich schlug ihm leicht auf die Brust.
„Du schläfst jetzt seit fünf Wochen bei mir in einem engen Zimmer. Hier ist mein Zimmer noch enger!“
Ich lächelte. „Ich hab keine Angst.“
Er gab eine Art knurren wider.
„Wenn ich nicht bei dir schlafen kann, dann leg ich mich eben vor dein Fenster. Mir ist’s egal. Beides ist bequem. Nur erschreck nicht, wenn du in der Früh eine große Raubkatze vor deinem Fenster siehst.“
Bevor ich antworten konnte, war er verschwunden. Ich stampfte mit dem Fuß auf.
„Du bist so was von stur!“
Die Antwort war ein körperloses Lachen. Ich schnaubte und stieß die Türe zu bevor ich mich in mein Zimmer legte. Schlafen konnte ich jedoch nicht. Da mein Fenster offen war, hörte ich ganz genau wie sich etwas vor meinem Fenster bequem machte. Ich seufzte, rollte mit den Augen, holte eine kurze Hose von meinem Bruder und lehnte mich aus dem Fenster.
Auf der Wiese lag ein Panter und starrte in den Wald. Ich schnaubte. Sofort sah er mich an.
„Komm rein. Das ist doch kindisch so was.“
Als er mit einem Satz in mein Zimmer sprang, drehte ich ihm den Rücken zu und wartete, bis ich hörte wie Stoff raschelte. Wortlos legte ich mich in mein Bett.
Gleich darauf, legte sich jemand neben mich und schloss mich in die Arme. Er strich meine Haare zurück und küsste meine Schlefe. Ich schloss die Augen, seufzte und drehte mich um.
„Du musst mir mal dein zu Hause zeigen.“
Ich konnte sein Grinsen fast spüren.
„Wann immer du willst.“

Am folgenden Tag, tat ich in der Früh gleich die Verbände weg. Von den Wunden waren nur mehr Narben zu sehen. Ich war zufrieden damit. Nichts tat mir weh. Mit den Narben würde ich leben können. Am Nachmittag waren wirklich alle bei uns. Sogar Flo’s Eltern, Markus und Ella. Geschenke bekam ich von meinen Geschwistern selbstgemachte Armbänder oder Ketten. Von Flo bekam ich ein silbernes Kettchen mit einem schlichten, blauen Tropfen als Anhänger. Er hatte mir beteuert, dass es fast geschenkt war. Ich war zwar noch immer misstrauisch, aber ließ es zu, dass er es mir umhängte. Von meiner Mum bekam ich ein neues Buch.
Flo’s Mum hatte einen Kuchen gebacken. Der war im Schnelltempo verschwunden.
Zu Abend gingen Flo’s Eltern wieder nach Hause. Steffi durfte bei Markus übernachten.
Am Gang zog ich Flo in eine stille Ecke. Als ich seinen misstrauischen Blick sah, lächelte ich.
„Keine Sorge, nur eine Frage. Zeigst du mir dein zu Hause? Bitte. Ich will sehen wie du lebst. Du kennst meinen Wohnstil auch.“
Er lächelte und zuckte mit den Schultern.
„Wenn du willst. Aber er ist ungewöhnlich.“
„Egal.“
Ich sagte meiner Mum Bescheid, dass ich mit Flo wegging. Sie brauchte sich keine Sorgen zu machen, ich wusste nicht wann ich zurückkam. (oder ob)
Mitten im Wald blieb Flo auf einmal stehen und verwandelte sich vor meinen Augen in einen glitzernden Regenbogen, bevor ein schwarzer Panter vor mir stand und sich vor mich hinkniete. Ich zögerte kurz, setzte mich aber dann zwischen seine Schultern. Meine Hände krallten sich in sein Nackenfell, als er lospreschte.
Zuerst hatte ich Angst, doch mit der Zeit genoss ich den starken Gegenwind und das rasende schwarz. Er würde schon nicht gegen einen Baum prallen. Als er jedoch plötzlich mit seinen Krallen an einem Baum hing, quiekte ich erschrocken auf. Er knurrte nur und kletterte den Baum weiter hinauf, bis wir in der Krone standen. Auf einem sehr breiten Ast, war eine kleine Holzhütte gebaut. Dicke Seile hielten sie, damit sie nicht herunterfallen konnte. Er setzte mich vor dem Eingang ab, bevor er im Inneren verschwand und als Mensch in Shorts zurückkam.
Mit einem schiefen Lächeln nahm er meine Hand und zog mich in einen Raum hinein. In der rechten Ecke lag eine Matratze am Boden mit vielen Decken und Kissen darauf. Links stand ein kleiner Tisch, ein Schrank mit Gläsern, Teller und Essen, was man trocken lagerte. In einer Tiefkühltasche, lagen Lebensmittel. Einfach und schlicht und wenig. Aber es war schön.
„Zum waschen gehe ich in den See. Er ist keine fünf Minuten entfernt von hier. Essen hol ich mir immer wieder. Aber nur so viel, wie ich essen kann. Sonst würde alles verderben.“
Ober der Matratze sah ich jetzt ein Regal mit vielen verschiedenen Steinen darin. Seine Sammlung.
Ein Vorhang verbarg den Eingang. Eine Lampe mit Batterien stand in der Mitte des Raums.
„Es ist nicht viel. Aber mehr brauche ich nicht zum leben.“ Er lachte unsicher. „Ich hab noch nie jemanden mit hergebracht. Schon gar kein Mädchen. Ich weiß also nicht wie es auf andere wirkt.“
Ich sah mich noch einmal um, bevor ich mich zu ihm umdrehte.
„Es wirkt gemütlich. Klein aber herzlich.“ Ich lauschte kurz, dann lachte ich leise. „Und ruhig. Perfekt zum schlafen. Außerdem sicher vor allem Ungetier am Boden.“
Ich überbrückte den kleinen Schritt zwischen uns und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. Danach sah ich in seine Augen.
„Danke für dein Geschenk.“
Noch einmal küsste ich ihn. Diesmal jedoch hielt er mich fest als ich mich lösen wollte. Eine Hand legte sich vorsichtig in meinen Nacken, die andere hielt mich an der Hüfte fest an ihn gedrückt, während seine Zunge meine berührte. Ich seufzte und schloss die Arme um seinen Nacken.
Seine Hand fuhr unter mein T-Shirt und legte sich sanft an meine vernarbte Haut. Ich zuckte zurück. Er hörte sofort auf mich zu küssen und sah mich besorgt an.
„Tut das weh?“
Ich schüttelte den Kopf. Nein, es tat nicht weh, es war sogar sehr angenehm.
„Was dann? Du kannst es mir sagen. Soll ich aufhören? Ich zeig dir den Wald. Er ist wunderschön.“
Ich wollte nicht, dass er aufhörte. Aber war ich nicht ekelhaft? War die Haut denn nicht runzelig, so wie sie aussah? Ich fühlte mich nicht mehr wie ich. Sondern verunstaltet.
„Co? Sag doch was.“
Er klang jetzt wirklich besorgt. Ich schluckte einmal.
„Ich...Ich bin doch hässlich! Wie kannst du mich nur anfassen?! An diesen Stellen!“
Er wirkte erleichtert und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr.
„Du bist doch nicht hässlich. Wieso sollte ich dich nicht anfassen wollen? Du bist schließlich immer noch du. Genauso wie du bist. Dazu gehören jetzt nun die Narben. Na und? Ich liebe dich immer noch. Mir ist es egal wie du aussiehst. Dein Körper ist doch nur deine Hülle. Das was zählt bist du im Inneren. Dich gibt es nur einmal.“
Er gab mir einen Kuss auf Stirn und Nase.
„Natürlich gefällt mir die Hülle auch.“
Als er diesmal die Hand wieder auf meine Hüfte legte, während er mir in die Augen sah, zuckte ich nicht zurück. Langsam breitete sich ein kleines Lächeln auf meinen Lippen aus. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und drückte meine Lippen auf seine. Irgendwie landeten wir schließlich auf der Matratze, während wir uns gegenseitig erkundeten. Seine Brust war braun gebrannt, Muskeln zeichneten sich unter der Haut ab, spannten sich unter meinen Berührungen an. Seine Hände waren überall. Berührten mich an Stellen, an denen ich nie daran gedacht hatte und die dann warm wurden.
Ich akzeptierte den kurzen stechenden Schmerz, genoss seinen warmen Körper dicht an meinem. Ein Feuer breitete sich immer schneller in mir aus. Bevor es explodierte, nahm er mein Gesicht in die Hände und sah mir in die Augen. Ich sah wie die Kontrolle in den grünen Augen für einen kurzen Moment verschwand.
Er lag neben mir, zog mich an sich. So schlief ich an seiner Brust ein.

Kälte weckte mich. Ich wollte näher an Flo rücken, doch neben mir war das Bett leer. Ich riss die Augen auf. Helles Sonnenlicht erhellte den Raum. Flo saß mit dem Rücken zu mir, in Shorts am Boden und strich sich ein Butterbrot. Ich tastete nach einem T-Shirt neben dem Bett und zog es mir über. Danach nahm ich meinen Slip vom Boden und zog ihn ebenfalls an. Als ich mich aufsetzte, merkte ich, dass das Shirt von Flo war. Ich zuckte die Schultern und stand auf. Das Shirt fiel mir bis in die Kniekehlen. Eine Holzdiele knarrte. Er hörte auf sein Frühstück zu machen und drehte den Kopf in meine Richtung und lächelte.
„Morgen. Hast du Hunger?“
Er deutete auf sein Brot. Ich nickte und setzte mich zu ihm auf den Boden. Er gab mir ein Messer, eine Scheibe Brot und Butter. Während ich mein Brot erst machte, biss er bei seinem ab. Ich überhörte das Knurren meines Magens und warf ihm einen bösen Blick zu. Er zuckte mit den Schultern.
„Hättest du mich gefragt, dann hätte ich dir ein Brot gemacht und warten müssen.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Natürlich nur mit Bezahlung.“
„Bezahlung?“
Ich stellte die Butter in die Kühltasche und sah ihn misstrauisch an, bevor ich abbiss. Er grinste.
„Also einen Kuss wäre das sicher wert gewesen, oder nicht?“
Ich schnaubte und verdrehte die Augen. Er aß sein letztes Stück Brot und lachte in sich hinein. Dann stand er auf. Ich konnte nicht verhindern, dass sich mein Blick an seine Brust heftete, bevor ich wieder in sein Gesicht blickte. An seiner gehobenen Augenbraue wusste ich, dass er es bemerkt hatte. Ich schoss ihm einen weiteren bösen Blick zu und biss noch einmal von meinem Brot ab. Er lachte nur noch einmal leise und beugte sich zu mir herunter.
„Aber den Kuss bekomme ich so oder so.“
Ich schluckte den Bissen hinab.
„Ach ja?“
Er grinste. „Ja.“
Dann küsste er mich. Unter seinen Lippen schmolz ich mit einem Seufzen dahin. Als mir der letzte Bissen Brot fast zu Boden gefallen wäre, kam ich wieder ganz zu mir zurück. Also beendete ich den Kuss und steckte den letzten Bissen in meinen Mund. Er schnaubte und stand auf. Er fuhrwerkte irgendwas am Bett herum, als er sich umdrehte, sah ich ein weißes Laken mit einem kleinen roten Fleck darauf. Ich verschluckte mich und bekam einen Hustanfall. Mir schoss die Röte über Hals und Wangen. Er runzelte die Stirn.
Nach dem Hustanfall, sprang ich auf und nahm das Laken aus seinen Händen.
„I-I-Ich wasch das schon.“
Ich drehte mich um und wollte raus hier. Aber ein Arm schloss sich um meine Taille und zog mich an seine Brust.
„Was ist denn?“
Es war so peinlich! Ich wollte mich losmachen, doch sein Arm schloss sich nur fester um meine Taille.
„Hör auf.“ Seine Stimme klang sanft in meinen Ohren. Ich gehorchte und hielt still. „So. Jetzt sag mir, was so schlimm daran ist, wenn ich meine Wäsche waschen will?“
„Das—Das war ich. Es ist mir...mir peinlich.“
„Was? Weil es dein erstes Mal war? Glaubst du mich stört es?“ Er seufzte und drehte mich zu sich um. Dann nahm er mein Gesicht zwischen seine Hände, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. „Coco, ich habe bis jetzt nur mit einer Frau geschlafen und das war in der zehnten. Nur fiel ich auf sie herein, denn sie verließ mich noch in derselben Nacht. Wie sich herausstellte, hatte sie nur eine verlorene Wette eingelöst. Seitdem habe ich mit keiner mehr geschlafen.“ Er lächelte schief. „Ich weiß nicht was, aber bei dir fühle ich mich anders als bei anderen. Deshalb habe ich es gestern zugelassen und es war kein Fehler von mir. Nein, mit Sicherheit nicht. Mich...ehrt es, dass du von selbst beschlossen hast, dass du mit mir schlafen willst. Ich hätte dich nie dazu gezwungen. Noch mehr freut es mich, dass es dein erstes Mal war. Denn eins kann ich dir versichern.“ Er gab mir einen kurzen Kuss und lächelte. „Ich habe keine Wette verloren und ich liebe dich wirklich.“
Er küsste mich noch einmal. Ich war so abgelenkt, dass ich dabei nicht merkte, wie er mir das Laken sanft aus den Händen nahm und es in einen Krug mit Wasser warf.
Er brachte mich nach Hause und verbrachte mit Markus den ganzen Tag bei uns.

Das Leben ging weiter. Ich konnte ab Montag wieder arbeiten gehen, akzeptierte die neugierigen Blicke der anderen und brachte Geld mit nach Hause. Meine Mum hatte sich ganz erholt und arbeitete jetzt ein paar Stunden kürzer. Was sich mit meinem Einkommen jetzt wieder ausglich, da ich fünf Tage die Woche arbeitete. Manchmal auch sechs. Die großen hatten ebenfalls kein schlechtes Leben mehr. Wie feierten die Geburtstage von Steffi, Hannes und Juli. Jetzt fehlte nur noch Flo am fünften Oktober. Ich hatte sein Geschenk schon fertig verpackt.
Ich schlief am Wochenende immer bei Flo. Unter der Woche trafen wir uns nur wenig, da er einen neuen Job als Türsteher bei einem Nachtclub hatte und ich am Tag arbeitete. Deshalb freute ich mich am Wochenende wie am ersten Tag ihn zu sehen. Doch seit einiger Zeit fühlte ich mich anders. Jetzt konnte ich es noch verheimlichen. Aber bald nicht mehr. Selbst ich sah schon eine Andeutung. Glauben konnte ich es trotzdem nicht. Ich wollte es nicht wahrhaben und ignorierte es einfach. Ignorieren konnte ich gut.
Von meinem Dad hörten wir nichts mehr. Die Polizei hatte die Suche aufgegeben, hatte uns aber versichert, uns weiterhin zu beschützen. Ich vergaß ihn nicht, doch er rückte mit der Zeit in meinen Hinterkopf bei unwichtigeren Dingen.

Ich zog mich gerade um, als es klopfte. Schnell schlüpfte ich in ein T-Shirt.
„Ja?“
Die Türe öffnete sich und Klara kam herein. Sie hielt ein kleines Päckchen in der Hand, lächelte und schloss die Türe hinter sich. Danach rannte sie zu mir und hüpfte auf meinen Schoß.
„Hallo Kleine. Was hast du denn da?“
Sie grinste und hielt mir das kleine Päckchen hin. Dann blitzte Stolz in ihrem Gesicht auf.
„Flo! Für Flo.“
Ich starrte sie verdutzt an. Sie grinste noch breiter.
„Flo! Flo! Flo!“
Dann kicherte sie.
„Mum! Mum! Komm schnell!“
Klara sah mich erstaunt an.
„Wieso denn Mama? Das ist für Flo!“
Die Türe wurde aufgerissen und meine Mum stand im Zimmer.
„Schatz? Was? Ist was passiert?“
„Mum! Klara redet!“
Sie seufzte. „Co, Schatz, sie redet seit vier Jahren nicht.“
Ich verdrehte die Augen und sah Klara an.
„Kleine, für wen ist das Päckchen hier?“
„Für Flo. Hab ich selbst gemacht. Zum Geburtstag! Morgen oder?“
„Ja, er hat morgen Geburtstag.“
Meine Mum war genauso verblüfft wie ich, dann freuten wir uns zu dritt.
Als ich aber auf die Uhr sah, musste ich mich beeilen um ins Bad zu kommen. Ich sprang vom Sessel und flog gleich wieder hinein. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich hielt mit einer Hand meinen Kopf, während ich mit der anderen meinen Bauch rieb. Ich verspürte eine sehr starke Übelkeit und stürzte unter den fragenden Blicken zur Toilette. Gerade rechtzeitig als ich das Essen wieder hervorholte. So schlimm war es noch nie gewesen, vielleicht eine Magenverstimmung? Als ich wieder klar sehen und denken konnte, stöhnte ich als ich sah, dass mir meine Mum zugesehen hatte. Ich stand auf und spülte mir meinen Mund aus. Danach spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht.
Meine Mum kam zu mir und griff mir an Stirn und Wangen.
„Fieber hast du nicht. Geht es dir gut? Ist dir noch übel?“
Ich dachte nach. Dann schüttelte ich den Kopf.
„Nein. Mir geht’s gut Mum. Ich glaub ich bin nur zu schnell aufgestanden.“ Ich lächelte. „Mir geht’s wieder gut. Ich mach mich jetzt fertig und geh arbeiten.“
Als ich an ihr vorbei wollte, hielt sie mich zurück.
„Nein. Du wirst heute schön im Bett liegen bleiben verstanden?“
Sie bugsierte mich in mein Zimmer unter meine Bettdecke und zwang mich liegen zu bleiben.
„Aber Mum! Mir geht’s wieder perfekt! Wirklich!“
Sie schüttelte den Kopf und ging hinaus. Ich seufzte und sah ergeben auf meinen Wecker. Neben ihm lag eine mir bekannte Schachtel. Ich erstarrte wie Eis.


5
Ich kramte blitzschnell meinen Kalender aus der Schreibtischlade und blätterte zu September vor. Danach rechnete ich. Noch einmal. Noch einmal. Aber es kam immer aufs Selbe hinaus. Es war eingetroffen. Himmel ich musste mit Flo reden!
Ich lag wieder im Bett als meine Mum hereinkam. Sie brachte mir eine Wärmflasche, ein Glas Wasser und eine Teekanne mit Tasse und stellte alles am Nachttisch ab.
„So. Ich muss arbeiten und die Kleinen müssen in den Kindergarten beziehungsweise Schule. Aber ich bin immer erreichbar, Schatz. Ruf einfach an.“
„Mach ich. Danke Mum. Mach dir keine Sorgen.“
Sie gab mir einen Kuss auf dir Stirn und verließ dann mit den Kleinen das Haus.
Als es im Haus still wurde, holte ich einen Test und machte ihn zur Vorsicht. Positiv. Schnell stand ich auf und rannte wie gehetzt zum Telefon. Die Nummer war schnell eingetippt.
„Ja?“
„Komm! Komm schnell.“
„Co?“
„Ja. Komm. Komm zu mir. Schnell.“
„Was? Was ist denn?!“
Ich hörte Wind rauschen. „Komm einfach her.“
Dann legte ich auf und wartete. Es würde nicht lange dauern und er stand vor meiner Türe. Zur Vorsicht öffnete ich die Haustüre bevor er sie eintreten konnte.
Neben dem Eingang hing ein Spiegel. Ich sah mich an, mit bleichem Gesicht, schob ich mein T-Shirt hoch. Ich starrte auf die leichte Wölbung. Wieso bemerkte ich sie erst jetzt so groß? Sie war doch kleiner gewesen oder? War sie schon immer da? Als ich ein Rascheln hörte, schob ich hastig das T-Shirt zurück an seine Stelle.
Gleich darauf kam mir ein Panter aus dem Wald entgegen und blieb erst knurrend vor mir stehen. An seinem Bein sah ich eine Hose.
Ich seufzte. „Komm rein und verwandle dich zurück. Dann müssen wir reden.“
Der Panter ging brummend an mir vorbei, sein Schwanz striff über meine Beine, wie bei einer Katze.
„Brauchst gar nicht so zu brummeln.“
Die Antwort war ein weiteres Brummen. Ich ließ meine Hand über sein Fell gleiten, bevor er im Nebenzimmer verschwand. Ich leerte zwei Gläser Saft ein, legte den Test hinter meinen Rücken und setzte mich wartend auf’s Sofa. Er kam durch die Türe und schüttelte seine Haare aus den Augen. Er musste unbedingt zum Frisör.
Langsam, leicht schläfrig, ließ er sich ans andere Ende des Sofas fallen.
„Was gibt‘s?“
Er sah seltsam reserviert aus. Ich legte den Kopf schief und musterte ihn. Seine grünen Augen schienen nicht. Sein Mund lächelte nicht, sondern hatte einen komischen Zug herum. Ich runzelte die Stirn.
„Bist du krank?“
Er sah mich erstaunt an. „Nein.“
Seine Antwort war kurz und nur um haaresbriete nicht unfreundlich.
„Hab ich was falsch gemacht?“
Er zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme.
„Du wolltest doch mit mir reden. Sags doch einfach, dann geh ich.“
„Wovon sprichst du bitte?“
Er runzelte die Stirn.
„Willst du denn etwa nicht mit mir Schluss machen?“
Mir fiel das leere Glas, was ich abstellen wollte zu Boden. Mit offenem Mund sah ich ihn geschockt an.
„Was?!“
„Na, deshalb willst du doch mit mir reden. Zuerst dachte ich ja, dass etwas passiert wäre. Aber dann warst du sicher, also war es logisch.“
„Ich will nicht mit dir Schluss machen.“ Ich runzelte die Stirn. „Wieso sollte ich, schließlich liebe ich dich doch. Es gibt auch andere Themen die auszusprechen sind.“
Er sah direkt erleichtert aus. Ich verdrehte die Augen. Männer können manchmal so beschränkt sein!
Er schien sich zu entspannen, lehnte sich zurück. Das leichte glänzen kehrte in seine Augen zurück und um seine Lippen lag sein übliches, leichtes Lächeln. Mit einem Mal war ich die nervöse. Meine Hände wurden eiskalt und nass, ich musste mir die Hände unter meine Beine schieben um nicht immer meine Haare zurück zu streichen. Natürlich entging ihm das nicht. Er lächelte schief.
„Was willst du mir sagen? Du bist ja ganz nervös.“
Er beugte sich vor und strich mir über die Wange.
„Nichts ist schlimmer als wenn du mich jetzt verlassen hättest.“ Er grinste und bekam Grübchen. Das war mir schon vor langer Zeit aufgefallen. Wenn er nur breit genug grinste, bekam er zwei niedliche Grübchen im Gesicht. „Ich beiße nicht.“
Er beugte sich noch weiter vor und biss leicht in meine Unterlippe, wie um mir zu beweisen, dass es nicht stimmte. Kaum waren seine Zähne weg, strich seine Zunge darüber, um den Schmerz zu lindern.
Ich seufzte und begann zu schmelzen. Aber als ich mich nach hinten lehnte, stach mir etwas in den Rücken und brachte mich zurück in die Realität. Ich wurde starr und drückte ihn von mir. Mit einem Knurren ließ er von mir ab. Doch seine Lippen wanderten über meinen Hals.
„Hör auf! Du musst mir zuhören.“
Er seufzte ergeben, rückte aber nicht von mir ab. Im Gegenteil. Eine Hand lag hinten an meinem Rücken, während seine andere mit meinen Haaren spielte.
„Na gut. Was gibt es denn so dringendes?“
Ich zog ein verpacktes Kondom aus meiner Hosentasche und hielt es stumm hoch. Er runzelte die Stirn.
„Was soll ich damit?“
„Wozu benutzt man das?“
„Um sich vor Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaften zu schützen.“
„Genau. Kannst du mir sagen...wann wir so etwas hergenommen haben?“
Er dachte kurz nach.
„Wir haben erst zweimal geschlafen. Vor zirka drei Monaten das Erste Mal...haben wir nichts hergenommen. Aber vor ein paar Wochen. Warum?“
„Äh...Ich...“
Er ließ mich nicht ausreden. Sondern lächelte.
„Du machst dir Sorgen, dass ich dich vielleicht angesteckt haben könnte? Kein Grund dafür. Ich bin kerngesund. Außer du...?“ Er sah mich forschend an.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich bin gesund. Aber ich...“
Er strich mir eine Strähne hinters Ohr.
„Um eine Schwangerschaft brauchst du dir auch keine Sorgen machen. Das geht nicht.“
Ich starrte ihn an. „Häh?“ Meine Stimme war nur ein Krächzen. Er zuckte mit den Schultern.
„Ich kann Kinder zeugen. Aber erst wenn ich mit meiner Gefährtin verbunden bin. Da entsteht ein Band zwischen uns, dann schaltet mein Körper automatisch auf Zeugungsfähig um. Also kann man vorher keine Kinder zeugen.“
Er legte eine Hand an meine fahle Wange.
„Geht’s dir nicht gut? Du siehst so blass aus.“
„Wie merkt man so ein...Band? Ab wann hat man so etwas?“
„Das kann ganz schnell gehen. Normalerweise merken es dir Personen erst, wenn die Frau schwanger ist. Dann nehmen sie ein warmes, sanftes Kribbeln war, wenn sie einander nahe sind. Es gibt aber auch welche, die spüren das Band ganz deutlich von Anfang an. Richtig merken kann man es nicht. Aber man spürt es im Unterbewusstsein, bis es an die Oberfläche kommt. Das Gefühl meine ich.“ Er legte den Kopf leicht schief und lächelte. „Warum?“
Ich sah durch ihn hindurch und suchte. Es dauerte nur eine Millisekunde bis ich es gefunden habe. Ich hatte ein seltsames Gefühl. Als ob mich jemand beobachten würde. Es war ein leichtes, warmes Kribbeln in meinem ganzen Körper. Das Gefühl hatte ich immer als Reaktion auf seine Berührungen zugeschrieben. Ich sah ihn mit großen Augen an. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen.
„Was ist? Sags mir.“
Seine Stimme war nur ein Flüstern. Trotzdem hörte ich die Sorge heraus. Ich schluckte, bekam aber trotzdem nur ein Flüstern zustande.
„Versprich mir was.“
„Was?“
„Lauf nicht davon. Versprich es mir. Lauf nicht davon.“
Er sah mich ernst an, nahm mein Gesicht zwischen seine Hände und strich mit seinen Lippen sanft meine. Bevor er mir in die Augen sah, ohne zurückzuweichen.
„Ich lauf nicht weg. Egal was du mir zu sagen hast.“
Noch einmal küsste er mich. Sanft und langsam. Ich holte tief Atem und schloss hinter meinem Rücken die Hand um den Test.
Danach blickte ich ihm ernst ins Gesicht. Er lächelte leicht und spielte mit meiner linken Hand. Ich verschränkte die Finger mit seinen und drückte leicht.
„Sieh mich an.“
Er ließ seine Hand in meiner und sah mir direkt ins Gesicht. Auch er sah mich jetzt ernst und besorgt an.
„Wovor hast du solche Angst?“
Ich schluckte noch einmal, dann riskierte ich es einfach.
„Ich bin schon schwanger Flo.“ Ich drückte noch einmal seine Hand. „Du bist der einzige Flo. Außerdem...außerdem spüre ich es. Du nicht? Fühl nach. Es ist da.“
Ich sah ihn die ganze Zeit über in die Augen. Zuerst wurden sie unnatürlich dunkel. Fast schwarz. Seine Pupillen wurden zu schlitzen, wie die einer Katze. Dann schloss er sie kurz. Nur um sie nach kurzer Zeit überrascht wieder auf zu reißen. Sie hatten wieder ihre normale Farbe. Ich wartete noch immer auf seine Reaktion und war überrascht als er sich zu mir beugte und schnupperte.
„Was machst du da?“ Er hatte meine Haare weggestrichen und klebte fast an meiner Haut. Er bedachte mich nicht, sondern setzte sich wieder aufrecht hin.
„Du riechst nicht anders. Bist du dir sicher?“
Ich reichte ihm den Test. Er warf nur einen kurzen Blick darauf. Ehe er ihn weglegte.
„Der könnte falsch sein.“
Ich sah ihn traurig an.
„Nein, es stimmt. Flo ich habe seit über zwei Monaten meine Tage nicht mehr. Ich habe es vor lauter Stress nicht bedacht und danach verdrängt. In den letzten Wochen habe ich gelegentlich Übelkeit am Morgen. Außerdem esse ich viel mehr...und...und mein Busen fühlt sich größer an. Verstehst du? Außerdem ist mein Bauch anders.“ Ich sah ihn hilflos an. Tränen rannen mir über die Wangen. „Ich weiß nicht was ich machen soll. Aber ich will dich nicht verlieren. Das will ich nicht. Aber ich werde es auch nicht entfernen lassen. Nein.“ Ich wischte mir nutzlos über mein nasses Gesicht. Dann drückte ich noch einmal seine Hand. „Lauf nicht weg. Bitte. Ich hab Angst.“
In meiner Kehle kroch ein Schluchzen hoch. Mit einem Schlag wurde mir bewusst, dass ich wirklich Angst hatte. Aber nicht vor dem, was in mir wuchs. Nein, ich hatte panische Angst, dass er mich nicht wollte. Dass er jetzt einfach ging und nie mehr zurückkam. Er hatte in letzter Zeit einen großen Platz in meinem Leben eingenommen. Wenn er mich jetzt verlassen würde, zerbrach ich. Ich schlug mir die Hände vor mein Gesicht und weinte. Es dauerte eine Weile bis ich begriff, dass er nicht weg war.
Ich saß zwischen seinen Beinen, die sich um meine Hüfte geschlossen hatten, zu einer Kugel zusammengerollt. Mit einer Hand drückte er mein Gesicht an seine Brust, während er mit der Hand immer wieder beruhigend über mein Haar und meinen Rücken fuhr. Seine Stimme flüsterte so lange beruhigende Worte in mein Ohr, bis meine Tränen versiegten. Er strich mir Haare aus dem Gesicht und wischte restliche Tränen von meinem Gesicht, bevor er es zwischen seine Hände nahm.
„Ich hab dir versprochen nicht weg zu laufen oder? Egal was du sagst? Erinnerst du dich?“
Seine Lippen fuhren leicht über meine.
„Ich liebe dich.“ Er grinste. „Das heißt, dass ich dich nicht verlasse. Erst recht nicht, wenn du erstens von mir schwanger bist und zweitens meine Gefährtin bist.“
Er küsste mich noch einmal. „Das könnte ich gar nicht. Du brauchst keine Angst zu haben. Wir schaffen das schon.“
Plötzlich änderte sich die Situation. Äußerlich veränderte sich nichts, aber innerlich. Ich keuchte auf. Meine Hand fuhr automatisch auf meinen Bauch unter dem T-Shirt. Er sah mich angsterfüllt an.
„Hast du schmerzen? Ist was mit dem Baby?“
Ich sah ihn an und schüttelte den Kopf.
„Was dann?“
Ich nahm stumm seine Hand, zögerte noch einmal kurz, dann schob ich mein T-Shirt hoch und legte seine Hand mit meinen beiden auf die Wölbung und hielt sie dort. Wieder trat es.
Ich sah Flo’s Augen größer werden. Ein seltsames Gefühl spiegelte sich in ihnen wieder. Sein Daumen strich sanft über meinen runden Bauchansatz.
„Unglaublich…!“
Er flüsterte. Danach warteten wir beide. Der nächste Tritt ließ nicht lange auf sich warten. Als das Telefon klingelte, zuckten wir beide zusammen. Ich sprang auf und nahm den Hörer ab.
Ich räusperte mich. „Ja?“
„Schatz? Geht es dir besser? Ich hab gerade Mittagspause und wollte mich melden. Soll ich vielleicht nach Hause kommen, damit du nicht alleine bist?“
„Nein Mama. Mir geht’s schon wieder gut. Flo ist vorbei gekommen. Er hat gesagt, dass er mir Gesellschaft leistet. Mach dir keine Sorgen um mich, mir geht es gut.“
„Na gut. Dann sehen wir uns am Abend. Schöne Grüße an Florian.“
„Mach ich. Tschüss!“
Ich legte wieder auf und sah Flo an.
„Schöne Grüße soll ich dir ausrichten.“
Er nahm es mit einem Nicken zur Kenntnis. Danach streckte er sich auf dem Sofa aus und winkte mich zu sich. Ich runzelte die Stirn, legte mich aber neben ihm auf das Sofa.
Er zog mich an seine Brust, den Arm um mich geschlungen, seine Hand lag unter meinem T-Shirt auf meinem Bauch.
Ich kuschelte mich an ihn und legte meinen Kopf auf seinen anderen Arm den er ausstreckte. Er gähnte.
„Lass uns schlafen. Ich bin noch müde von gestern Abend und du siehst auch müde aus.“
„Hm-hm.“
Ich seufzte und drückte mich noch enger an ihn. Aber der Schlaf kam nicht. Das Baby hatte sich noch nie gerührt, jetzt hörte es fast nicht mehr auf. Fast so, als wüsste es, dass ich nicht alleine war. Ob es wusste, dass sein Vater neben mir lag? Jedenfalls drehte es sich unaufhörlich. Ich dachte das Flo schlief, aber wenn das Baby trat, strich er beruhigend über meinen Bauch. Danach schien es eine kurze Zeit still zu liegen. Aber dann trat es wieder.
„Verwandelt sich das Kind so wie du in einen Panter?“
Seine Hand hielt inne. Er schien eine Weile nach zu denken, dann küsste er meine Schlefe.
„Wenn es ein Junge wird schon. Mädchen können sich selten verwandeln. Wir wissen nicht wieso.“
Ich schwieg wieder. Aber nicht lange.
„Ich habe Angst.“
Er zog mich so eng wie es ging an sich und legte sein Kinn an meinen Kopf.
„Wovor?“
Seine Stimme war leise und sanft.
„Wir haben...nicht genug Geld. Wir können uns kein Kind leisten.“
Er strich mit seiner Hand sacht über meine Wange.
„Liebes, mach dir keine Sorgen über Geld. Ich habe genügend Geld um für unsere ganze Familie zu sorgen. Außerdem verdienst du doch auch etwas dazu. Wir schaffen das schon. Hast du noch immer Angst?“
Ich nickte leicht.
„Wovor?“
„Familie.“
Er fing tatsächlich an zu lachen! Ich drehte mich um und sah ihn böse an. Doch das beruhigte ihn keineswegs.
„Wir veranstalten bei mir zu Hause ein Essen, dann sagen wir ihnen was Sache ist, alle sind schockiert, freuen sich aber nachher und helfen uns. Mach dir nicht so viele Sorgen, sonst bekommst du Falten.“
Er küsste meine Stirn, meine Nasenspitze, meine Lippen. Dann sah er mich verschmitzt an, schob mein T-Shirt hoch und küsste meinen Bauch. Ich schnappte überrascht nach Luft. Er kam wieder zu mir hoch und küsste mich noch einmal.
„Wir schaffen das schon. Vertrau mir. Versuch zu schlafen. Dein Gesicht besteht ja fast nur aus den Ringen unter deinen Augen.“
Er schloss sanft meine Augen und drückte mein Gesicht an seine Brust. Danach strich er mir über Kopf und Rücken und schnurrte wie eine Katze. Irgendwie schien es das Baby zu beruhigen, denn es lag still und ich konnte endlich einschlafen.
Gelächter weckte mich schließlich und riss mich aus einem traumlosen Schlaf. Verwirrt blinzelte ich in das schon dämmernde Wohnzimmer.
Flo lag nicht mehr neben mir, sondern saß mit Klara am Boden und spielte mit ihr. Naja, sie wälzten sich eher lachend und kichernd am Boden herum.
„Ich hab gewonnen!“
Flo schnaubte nur. „Von wegen! Du schummelst!“
„Nein. Nein. Nein. Das tu ich nicht.“
„Und ob!“
Sie quietschte vergnügt, als er sie hoch in die Luft warf und erst im allerletzten Moment auffing, nur um sie am Bauch zu kitzeln. Ich sah auf die Uhr. Es war schon sieben Uhr! Himmel, hatte ich etwa zehn Stunden geschlafen?
Ich seufzte und streckte mich. Da machte sich das Baby mit einem Tritt in meine Magengrube bemerkbar. Ich riss die Augen auf und stürzte unter den erstaunten Blicken von Flo und Klara ins Bad gleich zur Toilette.
Dort würgte ich nutzlos. Natürlich waren sie mir nachgerannt. Ich spürte, wie Flo neben mir kniete, mein Haar aus dem Gesicht hielt und meine Stirn und Wange mit seiner Hand streichelte.
Ich stöhnte und schob ihn mit einer Hand schwach weg. „Geh raus!“
„Nie im Leben!“ Seine Stimme klang sanft. Er hielt mir ein Glas Wasser an den Mund. „Komm spül dir den Mund aus, Liebes.“
Ich nahm ihm den Becher ab und spülte so lange bis der Geschmack weg war. Danach spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und schloss die Augen. Ich stöhnte als es mich noch einmal trat. Himmel! Ein Kind konnte doch nicht so stark treten! Schon gar nicht im zweiten oder dritten Monat! Erst als ich eine warme Hand unter meinem T-Shirt spürte, die sanft über meinen Bauch strich und sich ein warmer Körper gegen meinen Rücken drückte, schien es sich zu beruhigen. Es wurde ruhiger, bis es aufhörte sich zu drehen. Ich seufzte und lehnte mich an ihn.
„O Mann. Das kann doch nicht stimmen! Nicht im dritten Monat.“
Er küsste meine Schlefe.
„Ich glaube, dass es bei uns ein wenig anders abläuft Liebes.“
Ich runzelte die Stirn. „Wie?“
Er lachte. Nervös? Ja, er klang nervös. „Das kann ich dir nicht sagen. Aber meine Mum weiß es ganz sicher.“ Er räusperte sich. „Äh...meine Eltern haben euch alle morgen zu uns eingeladen. Zu meinen Geburtstag. Essen und Feiern. Wenn du willst, dann sagen wir es ihnen gleich wenn alle da sind.“
„Klar.“
Warum nur klang meine Stimme so hoch? Er strich mit seiner freien Hand über mein Haar.
„Geht’s dir jetzt besser?“
„Ja.“ Ich grinste. „Scheint es zu beruhigen, wenn du mich dort anfasst.“ Ich seufzte. „Ich könnte dich ja zwingen den ganzen Tag lang so an mich gedrückt zu stehen, dann würde mir nicht so schlecht werden.“
Er lachte.
„Wie gern würde ich das tun. Aber leider muss ich jetzt zur Arbeit. Deine Mum ist gerade an der Haustüre angekommen. Kommt ihr morgen gegen ein Uhr?“
Ich seufzte, öffnete meine Augen und traf seine im Spiegel.
„Ja. Um ein Uhr. Habs gespeichert.“
Ich drehte mich um und küsste ihn, bevor er mit einem Abschiedsgruß nach draußen verschwand.
Ich überbrachte meiner Mum die Nachricht, dass wir eingeladen waren und sah mit den Kleinen Fern. Flo hatte mir einen Kapuzenpulli da gelassen. Unter dem verschwand meine Figur...und verdeckte auch meinen Bauch.
Juli, Hannes, Felix und Fabi würden heute bei uns übernachten um morgen mit uns gemeinsam zu Flo zu gehen. Es fiel mir schwer nicht andauernd die Hand auf meinen Bauch zu legen. Schließlich drehte sich das Baby die meiste Zeit. Aber unter den wachsamen Blicken meiner Familie war das unmöglich. Sobald es dunkel war, legte ich mich in mein Bett und summte leise vor mich hin. Irgendwann wurde sogar das Baby ruhig und hielt still. Das war der Moment wo ich einschlief.

Ein streicheln an meiner Wange weckte mich. Ich blinzelte und sah in das Gesicht meiner Mum. Sie setzte sich an mein Kopfende und strich mir über die Stirn.
„Geht’s dir nicht gut mein Schatz?“
„Sicher Mum. Es ist nichts. Warum?“
„Weil du gestern so früh ins Bett gegangen bist. Es ist schon zwölf Uhr. Ich dachte du wärst munter, aber du hast noch tief geschlafen.“
Ich hob überrascht die Augenbrauen.
„Nein Mum, mir geht’s gut. Ich mach mich frisch, dann komm ich ins Wohnzimmer.“
„Gut.“
Sie küsste meine Stirn und ließ mich wieder alleine. Bevor wir gingen, hatte ich mich geduscht, umgezogen und das Geschenk bereit gelegt und eingepackt. Mit den anderen ging ich mit zu ihnen.
Flo’s Eltern hatten von ihrem Koch ein wunderbares Essen machen lassen. Während dem Essen redeten die Kleinen und unterhielten die anderen. Flo hatte sich einen Platz neben mir geangelt und hielt unter der Tischdenke meine Hand. Immer wieder fuhr sei Daumen beruhigend über meinen Handrücken. Ich konnte nicht viel Essen. Aber als ich den besorgten Blick meiner Mum sah, zwang ich mich trotzdem etwas zu essen. Aber viel war es trotzdem nicht. Meine Mum unterhielt sich mit Caroline. Während Manfred mit Felix und Fabi sprach. Flo unterhielt sich mit Klara oder mit mir. Hannes redete mit den Kleinen. Steffi mit Markus. Ella schien ganz von meinem Bruder Juli fasziniert zu sein. Jedenfalls hatte sie gerötete Wangen, glänzende Augen und lachte fast die ganze Zeit. Man sah Juli an, dass sie ihm gefiel. Er beugte sich zu ihr um mit ihr zu reden. Hatte ebenfalls ein Lächeln im Gesicht. Ich lächelte in mich hinein.

Nach dem Essen gingen wir in das Nebenzimmer, während die ganz Kleinen mit Markus in sein Zimmer hinauf gingen. Nur Klara war nicht von Flo weg zu kriegen. Sie klebte an seinem Hals so wie ich an seiner Hand. Ihm schien das nicht zu stören.
Bald schallte Kinderlachen hinunter. Ich saß mit Flo im Sessel und sah ihm zu wie er mit Klara spielte und Witze erzählte. Meinen Kopf legte ich an seine Schulter.
Unsere Eltern und meine Brüder setzten sich auf die übrigen Plätze und diskutierten in freundschaftlichem Ton.
Jeder hatte einen Drink in der Hand. Ella saß mit Juli auf der Fensterbank.
Ich konzentrierte mich auf die Hand in meiner. Auf den Klang seiner Stimme, wie sie Klara unterhielt, auf seinen Geruch. Wie sich mein Körper an seinen schmiegte. Ich seufzte geräuschlos und kuschelte mich enger an ihn. Bereitwillig ließ er es zu.

Gegen Nachmittag gab es dann die Geschenke und Kuchen. Er freute sich über alle Geschenke. Ein Gutschein, eine CD, ein Spiel, eine DVD. Mein Armband tat er gleich hinauf. Als alle Kuchen aßen, drückte er meine Hand, bevor er aufstand. Sofort stellten sich die Gespräche ein. Er hatte die volle Aufmerksamkeit. Mir wurde übel. Er schien nicht zu wissen, wie er anfangen sollte, denn er kratzte sich über seinen Kopf. Er murmelte was unverständliches, dann seufzte er.
„Okey. Ich muss euch allen was sagen.“
Manfred sah besorgt aus. „Hast du was angestellt?“
„Äh…so ähnlich. Egal. Es hat mit euch allen etwas zu tun, deshalb hab ich…äh haben wir es geheim gehalten.“
Er deutete auf mich.
„Ihr wisst, dass wir zusammen sind?“
Alle nickten. Ich wurde rot und verkroch mich in meinen Sessel.
„Wir...hatten nicht gewollt, dass das passiert. Naja, ist ja jetzt auch egal.“
Er atmete noch einmal tief durch. Dann sah er jeden einzelnen an.
„Co ist schwanger.“ Er räusperte sich. „Von mir.“


6

Es war still. Wirklich Mucksmäuschen still. Sie saßen alle starr da und starrten entweder mich oder Flo an. Dann brach Klara die Stille.
„Was heißt das? Mami?“
Alle schienen zu schmelzen. Flo setzte sich wieder und nahm meine eiskalte Hand in seine und rieb meine Finger. Ella starrte Flo noch immer mit offenem Mund an. Sie schien nicht zu wissen wie man ihn zu machte. Klara sprang auf den Schoß von meiner Mum.
„Mami? Was heißt...schwanger?“
Meine Mum sah mich mit großen Augen an. Strich Klara über den Kopf und murmelte die Antwort. Trotzdem konnte ich sie hören.
„Das heißt, Liebes, das im Bauch deiner Schwester gerade ein Baby lebt.“
Erst jetzt schienen es die anderen zu glauben. Manfred nahm einen weiteren Drink und trank ihn auf Ex.
„Aber…das geht doch gar nicht.“
Flo sah seine Mutter an. „Doch Mama. Wir...Wir haben das Band noch nicht gespürt. Erst als sie es mir sagte, war es wirklich präsent.“
Fabi und Felix grinsten sich an.
„Cool!“
Sie schlugen ein. Hannes kicherte und verdrehte die Augen. Juli sah noch benommen aus. Irgendwie verstanden uns dann alle. Sie freuten sich. Klara saß ab dem Moment nur mehr auf meinem Schoß und griff dauernd auf meinen Bauch. Flo war mit seinem Vater im Nebenraum verschwunden. Felix und Fabi gingen mit Hannes nach Hause. Juli saß mit Ella am Klavier. Steffi, Markus, Xaver und Michi waren oben im Zimmer.
Meine Mum, Caroline, Klara und ich saßen auf den Sofas.
Caroline sah mich an.
„Hat dir Flo gesagt, dass die Schwangerschaft von Panter anders wird?“
„Er hat es angedeutet. Aber irgendwie glaube ich nicht, dass ein normales Dreimonate altes Baby so fest treten kann.“
„Wie läuft es denn anders?“
Meine Mum hatte sich am schnellsten gefasst, jetzt saß sie neben Caroline und sah sie neugierig an.
„Normalerweise dauert eine Schwangerschaft neun Monate. Aber bei uns geht es schneller. Deshalb hast du auch schon so einen Wölbung und es tritt stärker. Wenn du jetzt im dritten Monat bist wird es nur mehr zwei weitere dauern.“ Sie lächelte mich warm an.
„Am besten wäre es zu einem unserer Ärzte zu gehen. Sobald wie möglich. Ich schreibe dir meinen auf. Wenn du angst hast, geht Florian sicher mit.“
Sie fischte eine Karteikarte aus ihrer Handtasche und gab sie mir. Ich nickte dankbar.
„Ich rufe ihn gleich morgen an. Danke.“
„Ist es in der Kindheit ebenfalls anders?“
Caroline nickte meiner Mum zu.
„Ja. Ab dem Ersten Jahr können sich die Jungen verwandeln. Sie probieren es gerne aus. Aber sie wachsen ab der Geburt normal wie ein Menschenkind. Wenn es ein Mädchen wird, dann gibt es keine andere Kindheit. Sie können sich nicht verwandeln.“
Caroline nahm meine Hand und drückte sie lächelnd.
„Wenn du Hilfe brauchst, dann komm einfach zu mir. Ich helfe dir gerne. Obwohl ich den Gedanken, dass ich jetzt schon Oma werde schwer finde.“
Ich umarmte sie fest. Dann klärten sie mich über alles Restliche auf.

Die Zeit verging immer schneller. Während mein Bauch dicker wurde, ging ich mit Flo zum Arzt. Bekam mein erstes Bild vom Baby. Gemeinsam klebten wir das Bild neben das Bild meines Bauch’s in ein Fotoalbum.
Flo baute mithilfe seines Vaters und meinen Brüdern, das Haus am Baum weiter aus. Nach nur einem Monat, hatten wir neben dem Raum von vorher einen weiteren. Darin stellten wir Möbel für ein Kind. Ich bekam von meiner Mum eine Wiege, die wir neben unser Bett stellten. Ich zog zu Flo in den Baum. Zuerst hatte meine Mum noch was dagegen, aber dann sah sie es auch ein, dass wir zusammenleben mussten.
Jetzt saß ich den ganzen Tag mitten im Wald auf einem Baum und las, kuschelte mit Flo den ganzen Tag zwischen den Kissen und langweilte mich in der Nacht, wenn er nicht hier war. Manchmal ging ich auch zu meiner Mum oder zu meinen Brüdern schwimmen.
Heute gingen wir zu meiner Mum. Sie hatte uns zum Essen eingeladen. Für mich war das Gehen schon anstrengend. In vier Tagen musste das Baby kommen. Flo ging neben mir, einen Arm um meine Taille. Damit mir das Kind nicht zu schaffen machte, lag seine Hand an meinen Bauch. Immer wenn er in der Nähe war, hielt es still. Ich schnaufte angestrengt, als wir durch die Tür in den Flur gingen.
„Bin ich froh wenn ich kein Walross mehr bin. Das ist doch schon peinlich.“
Flo lachte und gab mir einen Kuss auf die Nase.
„Du bist kein Walross, du bist süß.“
Ich verdrehte die Augen, schälte mich aus der Jacke und ging dann neben ihm in den Essraum.
Es gab Pfannkuchen, mein Lieblingsessen. Ich aß mindestens drei davon. Als wir im Wohnzimmer saßen, setzte sich Klara auf meinen Schoß und drückte ihr Ohr an meinen Bauch und flüsterte mit dem Baby. Das machte sie immer.
Flo saß an meiner Seite und hatte einen Arm um mich gelegt. Er sprach mit meiner Mum. Aber ich war so müde, dass ich mich an ihn lehnte, die Augen schloss und vor mich hinschlummerte. Da passierte es plötzlich. Es war wie ein ziehen, wenn ich meine Tage bekam. Ich runzelte die Stirn und öffnete die Augen.
Es hatte sich nichts verändert. Ich spürte etwas Nasses. Als ich noch ein Ziehen spürte, riss ich die Augen auf.
„Mum!“
Beide drehten sich geschockt um. Meine Mum runzelte die Stirn.
„Was denn Schatz?“
Ich sah nicht sie an, sondern in die besorgten grünen Augen Zentimeter von mir entfernt. Als ich sprach, war es nur ein Flüstern.
„Es geht los.“
Zuerst schien er nicht zu kapieren. Dann machte es klick. Er sprang auf und holte meine gepackte Tasche aus meinem alten Zimmer. Meine Mum half mir auf die Beine und in das Auto, wo Flo schon am Lenkrad saß. Meine Mum setzte sich zu mir auf die Rückbank und hielt meine Hand. Flo fuhr los, als die Türe zu war.
Meine Mum strich mir übers Gesicht. Ich sah sie panisch an. Sie lächelte.
„Ich weiß genau wie du dich fühlst, Schatz. Keine Sorge, alles wird gut.“ Sie drückte meine Hand. Ich klammerte mich an sie, als ein heftigerer Schmerz kam.
„Schsch...Atme tief ein und langsam wieder aus. Schsch..Wir sind gleich da.“
Irgendwie schaffte es Flo innerhalb zwei Minuten vor dem Krankenhaus zu stehen, obwohl es zehn Minuten entfernt war.
In der Eingangshalle stand ich gebeugt da und stöhnte. Flo strich mir über die Wange, immer wieder, hielt mich aufrecht. Meine Mum kam mit einer Krankenschwester zurück. Sie brachte mich in ein Zimmer, befahl mir zu duschen und Flo half mir ein Krankenhaushemd anzuziehen. Danach maß ein Arzt meinen Blutdruck. Ich bekam einen Einlauf, damit sich mein Darm leerte. Flo war immer dabei. Er hielt meine Hand und strich mir immer wieder über die Wange.
Eine Hebamme kam, um zu sehen, wie weit ich war. Sie nickte zufrieden.
„Da können wir gleich in den Entbindungsraum gehen.“ Sie sah Flo an. „Du bist wahrscheinlich ein Freund?“
Er sah sie an. „Ich bin der Vater.“
Die Hebamme schien überrascht zu sein. Dann nickte sie. „Du kannst dabei sein, wenn du willst.“
Er sah mich an und lächelte beruhigend.
„Natürlich, ich lass sie jetzt doch nicht alleine.“
Ich konnte nicht antworten. Nur eine Grimasse schneiden und vor Schmerzen Stöhnen.
Halb bekam ich mit, wie ich in einen Saal geschoben wurde. Irgendwo bekam ich mit, dass jemand schrie.
Die Hebamme nickte mir zu.
„Das wird schnell gehen, du wirst sehen.“
Von wegen! Es war die pure Hölle. Ich hechelte, presste und entspannte mich wann sie es wollten. Trotzdem zerquetschte ich wahrscheinlich Flo’s Hand. Aber er sagte nichts, sondern strich mir beruhigend verschwitztes Haar aus dem Gesicht. Ein paar Tränen kullerten über meine Wangen. Die Hebamme sah zu mir hoch.
„Du musst pressen Liebes, sonst kann es nicht raus. Glaub mir es hilft. Ich seh schon den Kopf.“
Sie lächelte. Ich stöhnte und presste mit aller Kraft. Plötzlich passierte etwas. Die Schmerzen wurden abgeschnitten und nach unten geschoben. Aus mir raus. Ich lag erschöpft und keuchend auf der Liege. Total neben mir. Ein Schrei holte mich wieder zurück. Flo war neben mir ganz still geworden. Seine Hand lag noch immer an meiner verschwitzten Wange.
Die Hebamme kam her und drückte mir ein kleines weißes Bündel auf die Brust. Wie ein Reflex hielt ich es fest.
„Hier ist dein Junge.“ Sie sah Flo an. „Euer Junge.“
Ich sah hin. In weißen Decken eingehüllt, lag ein kleiner Junge. Schwarzer Flaum auf dem Kopf. Die kleinen Augen öffneten sich und sahen sich überall um.
Ich weinte ohne es zu wissen. Es war vorbei. Ich hatte es geschafft. Hier war das Wesen aus meinem Bauch.
Eine Hand kam in mein Blickfeld. Eine winzige Hand schloss sich um den kleinen Finger. Ich drehte den Kopf. Flo lächelte leicht, seine Augen glühten, als sich die kleine Hand an seinem Finger festkrallte.
Uns hatte es beiden die Sprache verschlagen. Ich wurde in ein Zimmer gebracht, wo ich schlafen konnte. In der Zwischenzeit, lernte Flo von einer Hebamme wie man ein Baby richtig hielt, nachdem man unser Kind untersucht hatte.

Als ich aufwachte, hörte ich neben mir zwei Leute atmen. Ich öffnete die Augen. Neben meinem Bett im Sessel, saß Flo. Er hatte ein blaues Bündel in der Hand und war vollkommen konzentriert. Ich musste lächeln. Das Bündel fing an zu quengeln.
„Schsch...deine Mama ist ja bald wach. Sie muss sich ausruhen, du hast sie ja ziemlich erschöpft.“
Ich grinste und seufzte.
Flo sah zu mir und lächelte. Er stand auf und beugte sich zu mir hinunter um mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken.
„Morgen. Wie geht es dir?“
Ich setzte mich halb auf. „Gut.“
Neben dem Sessel stand eine Art Kinderbett. Das Zimmer war hell erleuchtet. Die Wände schlicht in Weiß gehalten. Gegenüber von mir war ein Bett leer.
Ich sah auf meinen Bauch. Er war flach. Keine Wölbung. Als ob nichts gewesen wäre.
Ich sah wieder zu Flo, der neben meinem Bett stand.
Er legte den Kopf schief und lächelte.
„Hier.“
Langsam beugte er sich vor und gab mir das Bündel. Er schien genau in meine Arme zu passen. Als ich in das winzige Gesicht sah, breitete sich langsam ein kleines Lächeln auf meinem Gesicht aus.
Ich strich mit einem Finger über seine Wange und nahm dann die kleine, suchende Hand. Winzige Finger schlossen sich um meinen Finger. Er schmatzte.
Ich konnte nichts sagen. Keine Worte fielen mir ein.
Ich sah in die großen dunkelgrünen Augen und strich dem kleinen Jungen über die Wange.
Flo lachte. Ich sah auf und rutschte ein bisschen zur Seite, damit er sich neben mich setzen konnte.
Er tat es und legte einen Arm um meine Schultern.
„Faszinierend nicht wahr?“
Ich nickte und lehnte den Kopf an seine Schulter.
„Er hat deine Augenfarbe. Nur dunkler.“
„Den grünen Ton haben alle Panter.“
Ich dachte kurz nach. „Christopher. Wie findest du das?“
Er sah mich mit lachenden Augen an.
„Finde ich gut.“ Er küsste meinen Scheitel und grinste, als Christopher zu quengeln begann. Flo sah mich an.
„Die Hebamme hat gesagt, dass er wahrscheinlich Hunger hat, wenn er zu schreien beginnt.“
Ich runzelte die Stirn. Er lachte leise.
„Sie hat gesagt, dass du es mit Stillen versuchen sollst. Du muss ihn nur richtig halten, er kann es von alleine.“
Ich zögerte kurz, dann schob ich das Hemd hinunter und legte eine Brust frei. Flo zeigte mir, wie man ihn halten musste. Die Hebamme hatte es ihm gelernt. Sobald Christopher richtig in meinen Armen lag, schlossen sich kleine Lippen um die Warze und begannen zu saugen. Es war unbeschreiblich!
Während er trank, griff seine Hand immer wieder nach meinem Finger und drückte ihn.
Als er genug hatte und sein Bäuerchen hinter ihm war, schlief er schmatzend in meinen Armen ein, während ich mein Hemd richtete.
Da ging plötzlich die Türe auf und eine Schwester kam herein.
Sie lächelte mir zu.
„Geht es Ihnen gut?“ Sie sprach gedämpft um Chris nicht zu wecken. Ich nickte.
„Ja, danke.“
„Um zwölf Uhr gibt es Essen. Draußen warten dreizehn Personen um zu Ihnen zu kommen. Sie behaupten alle Ihre Familie zu sein.“
Ich lachte leise. „Das ist richtig.“
Ihr verschlug es die Sprache. Flo grinste. Sie nickte noch einmal und ging dann aus dem Zimmer.

Uns blieb keine Pause gewährt, denn sofort ging die Türe wieder auf. Diesmal jedoch kamen einer nach dem anderen ins Zimmer.
Meine Mum, Klara, Xaver, Michi, Steffi, Markus, Hannes, Juli, Felix, Fabi, Manfred, Caroline und Ella. Alle waren leise. Chris schlief immer noch, aber unbewusst, hatte er den kleinen Finger von Flo in seiner winzigen Hand.
Klara setzte sich zu meinen Füßen und starrte Chris an.
Ich lehnte mich müde an Florians Seite und lächelte meine Mum an. Sie strahlte zurück.
Ella sprang an die Seite des Bettes und blickte auf Chris.
„Der ist ja süß! Gut gemacht Bruderherz. Auf diesen Neffen kann ich richtig stolz sein.“
Flo lachte in sich hinein.
„Danke, das finde ich auch.“
Sein Griff um meine Taille wurde stärker, als ich mich an ihn kuschelte.
Ich verlagerte vorsichtig mein Gewicht. Dabei bewegte ich Chris kaum. Flo sah seine Eltern an.
Manfred und Caroline lächelten beide. Bevor sie was sagen konnten, stand auf meiner anderen Seite Xaver.
„Wie heißt er Coco?“
„Christopher. Er heißt Christopher.“
„Der Nachname?“ Meine Mum sah mich fragend an.
Ich sah zu Flo. Der lächelte nur.
„Den der Mutter.“ Er hielt kurz inne, sein Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Cole.“
Manfred grinste ebenfalls, Caroline schnappte nach Luft. Ich runzelte die Stirn.
„Aber ich heiße Schweiger.“
Er lachte und drückte seine Lippen an mein Ohr.
„Nicht mehr. Wenn du ja sagst.“
Ich schnappte erschrocken nach Luft als ich kapierte.
„Ich bin erst achtzehn!“
Dadurch weckte ich leider Chris. Er quengelte und fing an zu weinen. Ich nahm ihn aufrechter in die Arme.
„Schsch...Tut mir leid.“ Ich rieb meine Nase an seiner. Darauf verwandelte sich das Weinen in etwas anderes. Ich probierte es noch einmal. Er hörte auf zu weinen und sah mich mit großen Augen an. Seine Hände griffen in die Luft und griffen an meine Wange. Er quietschte. Ich küsste seine winzigen Finger, die meine Lippen berührten. Er schien zu lachen.
Ich grinste.
„Coco! Die Antwort fehlt noch!“
Ich sah auf und blickte in Hannes Augen. Als ich mich umsah, blickte ich überall in erwartungsvolle Blicke.
Bis auf die Kleinen. Sie wussten noch nicht was, dass alles bedeutete.
Ich sah Flo unsicher an. Er lächelte sanft. In seinen Augen stand Verständnis. Er würde mich auch noch wollen, wenn ich nein sagen würde. Aber was machte den Unterschied?
Ich lächelte vorsichtig. „Hm...Ja?“
Er grinste und bekam seine süßen Grübchen.
„Nur wenn du willst.“
Ich sah Chris an, der mit einer meiner Haarlocken spielte. Danach sah ich Flo wieder an.
„Ja.“
Seine Augen strahlten. Er küsste mich fröhlich. Als ich nach Luft schnappte, drückte er seine Lippen an mein Ohr.
„Ich liebe dich.“ Seine Stimme war so leise, dass nur ich ihn hören konnte. Ich lächelte.
„Ich liebe dich auch.“
Chris fing wieder an zu weinen. Diesmal nahm ihn mir Flo ab. Er drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Flo’s Haare lenkten ihn ab und er griff sofort hinein und zog daran. Die anderen lachten. Ich konnte gar nicht fassen, dass ich gerade zugestimmt hatte zu heiraten! Ich war doch erst achtzehn!
Nach drei Tagen durfte ich endlich das Krankenhaus mit Chris verlassen. Ich legte ihn verpackt in einer dicken Jacke und unter Decken verstaut in eine Tragetasche. Die konnte man auch in einen Kinderwagen einsetzen, aber im Wald konnte man mit einem Kinderwagen nicht viel anfangen. Also trug ich ihn halt.
Ich zog den Reisverschluss an der Seite zu und rannte fast zu Flo, der draußen auf mich wartete. Bei ihm standen Sophie und Lukas. Ich hielt überrascht inne, ging dann aber zu den dreien hin.
„Hi Co! Wie geht’s?“
Ich lächelte. „Danke gut. Was führt dich denn her Sophie?“
Sie winkte ab. „Ach, mein Papa ist zur Kontrolle drin. Lukas begleitet mich ihn zu besuchen. Und du?“
Ich lächelte leicht und hob die Tasche mit Chris. Der schlief.
Sophie guckte hinein und quiekte.
„Wie süß!“ Sie sah mich an. „Wer ist die Mutter?“
„Hm..ich.“ Ich grinste schief.
Ihr fielen fast die Augen aus dem Kopf. Lukas klopfte Flo auf die Schulter.
„Gut gemacht.“
Er grinste. „Danke.“
„Sophie können wir uns ein anderes Mal sehen? Ich bin ziemlich müde und möchte nach Hause.“
Ich griff nach Flo’s Hand und verschränkte meine Finger mit seinen.
„Klar. Ruf mich an!“
Ich nickte. Flo nahm meine Tasche und gemeinsam gingen wir los in unser neues Leben.

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Tag der Veröffentlichung: 19.06.2011

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