Die Wandelbarkeit der Zeit manifestiert sich in der Intensität des Gefühls.
Monate werden zu Stunden, deren Sekunden Universen beinhalten.
Auf der Reise durch das Leben bleiben Erinnerungen Anker, die uns an die Zeit binden. Doch manchmal verschwimmen selbst sie.
Niemals möchte ich die Erinnerungen missen, denke ich. Gedankenverloren sehe ich aus dem Fenster in die vorbeifliegende Welt. Häuser, Straßen, Autos hinterlassen bunte Schatten inmitten grüner Landschaften. Nur eine Konstante. Ein makellos blauer Himmel. Tief, wie der Ozean.
Die Musik hilft mir mich zu erinnern an das, was ich zurücklasse. Stunden, die in ihrer Gestalt Tagen gleichen und nur Sekunden dauern. Orte. Menschen. Verblichen die Form im Nebel der Entfernung. Verbannt in die Dunkelheit geschlossener Augenlider. Erst dann sind sie wieder klar wahrzunehmen. Stimme, Bewegung und Geruch. Eine Einheit getragen durch einen Blick. Seele im Gefühl.
Alles ein Trugbild? Was ist das Ziel dieser Reise? Ich weiß es nicht. Hab mir einen großen Wunsch erfüllt. Was bleibt noch?
Sehnsucht. Bedauern? Nein. Ein seltsames Gefühl der Erschöpfung und Leere. Fliegende Bilder.
Wolken ziehen auf. Draußen am Himmel und auch in mir. Regenschwere Wolken legen sich auf zarte Gedanken. Der Zug rattert über stöhnende Schienen. Weit voraus kündet das Vibrieren der Gleise von Geschwindigkeit und Kraft. Weiter und weiter. Immer weiter fort.
Zurück bleibt ein Hauch …
Ich verkrieche mich in dir, will nichts mehr sehen, nichts hören, oder spüren. Außer dich. Der Klang deiner Worte webt ein dichtes Netz und fängt mich auf. Wiegt mich sanft und dämpft die schmerzvollen Laute der Welt. Trägt mich hinaus in das All. Schwerelos schwebe ich durch die Fülle deiner Gedanken. Sie malen Sternenbilder in die Nacht. Fantastische Farben in geheimnisvollen Nebeln.
Meine Gedanken werden unscharf. Meine Träume verschwimmen im Schatten der Unendlichkeit. Deine Stimme ist mein Boot. Trägt mich mit sich fort. Auf hölzernen Planken berauscht durch die Dunkelheit. Du nimmst mir die Einsamkeit.
Ich spüre dich. Deine Arme um meinen Leib. Deine Lippen auf meinem Hals… ich spüre dich.
Du bist mir so nah …
Ich sehe dich mit geschlossenen Augen. Nie war ein Anblick unwichtiger. Die Art, wie du dich bewegst, deine Mimik, so oft vorgestellt und doch nicht von Bedeutung.
Der Augen beraubt, erkenne ich dich mit dem Herzen. Das Lachen deiner Gedanken. Die Tränen deiner Seele. Alles hast du mir gezeigt. Mir die Tür zu deinem Innern weit geöffnet.
Schattenwerfende Nebelbilder wogen aus dir in mich. Sonnenstrahlen brechen sie auf. Dein Ich erfüllt mich. Nimmt meines an die Hand.
Zusammen legen wir uns auf das Meer und lassen uns treiben …
Ich träumte heut von einem großen Haus, das ein Sturm fast nahezu zerstörte. Angst erfüllte mich und Verzweiflung. Es war das Haus meiner Eltern. Ursprünglich groß und sehr stabil, war es in den letzten Jahr ausgehöhlt und wacklig geworden. Geschwister standen mir bei, die ich nie zuvor bemerkte. Ein Blick aus dem Fenster ließ mich zurückschrecken. Ganze Teile des Giebels brachen heraus und stürzten hinab. Es regnete Dachziegel.
Steine fielen lose aus dem Fachwerk, schlugen mit Getöse auf den Boden. Laut heulte der Wind durch die offenen Stellen in den Wänden. Das Haus ächzte und knarrte. Bot kaum noch Schutz.
Ich fühlte mich so verloren. Versuchte etwas zu halten, was durch so viel stärkere Kräfte beeinflusst wurde. Kräfte, die außerhalb meiner Macht, meiner Person lagen. Kräfte, die mich mit zerstören konnten. Unerbittlich und gnadenlos.
Wir redeten darüber. Das Haus aufgeben? Ich konnte es nicht.
Der Sturm legte sich. Ich lief durch das geschundene Gebäude. War es hier noch sicher? Konnte ich es betreten? Oder würde es mir über dem Kopf zusammenbrechen?
Trotz seiner Zerstörung wirkte es stark. Ich gewann Mut.
Du musst nicht laufen, sagten sie mir. Ich war auf dem Weg ins Obergeschoss.
Nein?
Ich stieg in den Fahrstuhl, an den ich mich gar nicht erinnern konnte. Und weißt du, was passierte?
Er funktionierte …
du sagst, du sitzt allein in einem Boot
treibst draußen auf dem grauen,wilden Meer
verzweifelt misst du mit dem alten Lot
dein Proviant ist schon seit Tagen leer
die Segel flattern nutzlos und zerrissen
die Ruder sind verloren in der See
und alles, was du heute glaubst zu wissen
das schmerzt dich und tut in der Seele weh
erkenne mich in einer Möwe Feder
sieh mich im Leuchtturm dort am fernen Strand
die Sonne schickt aus feingeflochtnem Leder
die feste Leine, die dich zieht an Land
ich bin die Strömung in geheimen Tiefen
die im Vertrauen dich ans Ufer bringt
ich bin die Stimmen, die des Nachts dich riefen
und auch das Lied, das leise in dir klingt
und wenn du kommst, nehm ich dich in die Arme
so halt ich dich im Sturm wie in der Zeit
sehn mich nach dir, will hören deine warme
und sanfte Stimme, frei von all dem Leid
Der Wind weht über braune Erde. Packt ein Blatt und reißt es in die Luft, um es ein paar Meter weiter sanft zur Erde sinken zu lassen. Schritte schlurfen über taunassen Rasen. Raschelndes Laub. Eicheln fallen mit einem Klack auf den Weg. Krähen, hoch oben im Geäst schreien ihr Leben in die letzten Atemzüge der Nacht. Nebel steht über der Wiese.
Grau.
Ich sitze auf der Parkbank in der Melancholie des Morgens. Vor meinen Augen schälen sich Gestalten aus dem Nebel. Hand in Hand mit schlohweißem Haar. Ein Lachen fliegt durch die Luft. Ein Lachen, das mich an vergangenes Glück erinnert. Herzlich und erfüllt von Liebe.
Zukunft? Sie verliert sich im stehenden Wasser, das die Luft erfüllt. Jeder Tropfen ein Traum, ein Wunschbild, eine Erwartung, ein gewonnener oder verlorener Kampf. Ich erwarte nichts, sagen wir beide. Ich, weil ich nicht zu träumen wage und du? Es ist schön für den Moment. Mehr spielt keine Rolle.
Die Gestalten ziehen vorüber. Im Vorbeigehen sehe ich sein Schmunzeln. Wie er ihr beim Lachen zuschaut. Stolz und Belustigung in seinen Augen führt er ihre Hand zu seinen Lippen …
der Fluss der Zeit
gebiert so manchen Felsen
und strudelnd teilt
der Stein den geraden Weg
das Wasser schäumt
zieht wirbelnd in die Tiefe
das kleine Schiff
aus Packpapier und Holz
der Fluss der Zeit
der bricht so manchen Felsen
und trägt ein Boot
der Hoffnung mit sich fort
Flieg mein Engel flieg
Öffne deine Flügel, lass die Ketten los
Versenke die Steine im dunkelblauen Meer
Die Asche deiner Trauer mische mit dem sonnenhellen Sand
Atme die Tropfen aus Meer und Salz
Und lass die Angst zurück an Land
Flieg mein Engel flieg
Wo Sterne unbekannte Rhythmen trommeln
Lässt Dunkelheit Träume unter Federn wachsen
Ein einz´ger Flügelschlag verändert das, was du dein Leben nennst
Weil du maskenlos und ohne Scheu
die Sonne auch im Mond erkennst
Flieg mein Engel flieg
Texte: Sappho Sonne
Bildmaterialien: Sappho Sonne
Tag der Veröffentlichung: 30.01.2014
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