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Alles Walzer – Vorbereitungen auf den Hochzeitstanz



Eine Hochzeit bringt es mit sich, daß die Braut mit dem Bräutigam tanzen muß – und zwar, hier wird das Ganze zum Problem, möglichst regelkonform. Tanz ist nun in vielen Beziehungen ein schwieriges Thema, und die Herzdame und ich dachten gar nicht daran, uns dabei vom Durch- schnitt zu unterscheiden. Viele Paare leben froh und glücklich dahin, solange sie nicht gemeinsam eine Tanzfläche betreten. Man traut es den laminierten Böden der Tanzschulen gar nicht zu, aber sie sind üble Be- ziehungskiller. Die Herzdame hatte mich bis zur Verlobung nur einmal beim Tanzen gesehen, auf einer Party, bei der zufällig die Musik meiner Jugend gespielt wurde.
Die Herzdame lehnte an einem Bücherregal und sah mir zu, während ich zu „Teinted Love“ herumhopste wie damals, als ich achtzehn Jahre alt war. „Teinted Love“ ist für Menschen meines Alters das Herumhopslied Nummer eins, wer dabei sitzen bleiben kann, muß zwischen fünfzehn und achtzehn sehr merkwürdige Dinge erlebt haben, die man lieber nicht genauer erfahren möchte.
Ich tanzte in seliger Erinnerung an die Discos meiner Jugend. Man muß bei diesem Lied auch gar nicht über das Tanzen nachdenken, das macht der Körper alles ganz allein. Es tanzt so aus einem heraus.
Nach dem Lied kam die Herzdame zu mir und schlug vor, künftig getrennt auf Partys zu gehen. Wir beschlossen, Tanzkurse zu nehmen. Das ganz normale Programm, Standard-Latein, was man eben so können muß, wenn man behaupten möchte: „Wir können tanzen.“ Und was man so können muß, wenn man einen brauchbaren Eröffnungstanz bei einer Hochzeit vorführen möchte. Außerdem dachten wir, es wäre ja schön, ein gemeinsames Hobby zu haben. Was man so denkt, wenn man von einer seligen Zukunft träumt. Ich wies die Herzdame fairerweise darauf hin, daß ich schon einmal mit einer anderen Frau vor ihr Tanzkurse absolviert hatte, sogar bis hin zu Abzeichen und Urkunden.
Sie fragte skeptisch, ob es länger als einen Monat her sei und fand, sie müsse sich dann bei meiner durchschnitt- lichen Gedächtnisleistung keine weiteren Sorgen machen. Wir haben trotz großer Liebe viel gestritten in dieser Zeit.
Wenn man nach einem langen Bürotag, der beiden auf die Stimmung geschlagen ist, sich nach wechselseitig gemurmelten Durchhalteparolen gemeinsam dem Tanzsport widmet, kann das leicht unangenehme Folgen haben.
Die folgende Szene spielte kurz nach der Einweisung in eine komplizierte Schrittfolge des Langsamen Walzers.
Ich

: „Moment.“
Herzdame

: „Was ist? Warum hörst du auf? Mach sofort weiter!“
Ich

: „Moment.“
Herzdame

: „Los jetzt!“
Ich

: „Moment!“
Herzdame (rollt mit den Augen und stampft mit den Füßen auf)
Ich

: „Laß das, das sieht kindisch aus.“
Herzdame

: „Können wir jetzt bitte weitertanzen?“
Ich

: „Nein. Ich muß nachdenken. Mir fällt der Schritt nicht ein. Und laß mich los!“
Herzdame

: „Los, tanzen! Dann fällt er dir ein.“
Ich

: „Nein. Ich muß nachdenken. Beim Tanzen fällt mir nichts ein.“
Herzdame

: „Tan-zen!“
Ich

: „War der zweite Schritt langsam oder schnell?“
Herzdame

: „Was weiß ich? Los, ausprobieren! Wird
schon werden.“
Ich

: „Nein, ich muß es doch vorher wissen.“
Herzdame

: „Nein. Tanz aus dem Bauch. Los!“
Ich

: „Ich tanze mit den Beinen. Ist ja kein Bauchtanz- seminar hier. Und hör auf, an mir zu ziehen! Wenn hier einer führt, bin ich das.“
Herzdame

: „Nein.“
Ich

: „Doch.“
Herzdame

: „Nein, du führst nicht, wir tanzen ja nicht einmal.“
Ich

: „Ich führe generell. Das heißt, du hast hier nicht zu schubsen und zu ziehen. Sonst mache ich gar nichts.“
Herzdame: (gen Himmel) „Wie kann man so verstockt sein?“
Ich

: „Ruhe jetzt, verdammt, ich muß nachdenken.“
Herzdame

: „Kannst aufhören, das Lied ist eh vorbei.“
Ich

: „Ach, schon? Gehen wir was trinken?“

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Impressum

Texte: ISBN 978-3-86744-138-4 erschienen im Sankt Ulrich Verlag
Tag der Veröffentlichung: 28.04.2010

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