Das Tor zu Heimat
Tief unter meiner Hülle wütet das wahre Leben
kein Schmerz findet Schutz und alle Ängste
wirbeln frei und zügelos, jede Hitze wie Kälte
lässt das Fleisch spüren ihre Mächte, und jede
Nacht begebe ich mich auf die Flucht zum Tor
der Heimat in die Träume meiner Seele.
Im tiefen Traum stürzte ich aus der
Wirtshaustür, und sprang mit einem Satz in
die gerade abfahrende Postkutsche, der
Kutscher knallte mir der Peitsche und in
Windeseile flogen wir davon, den Insassen
standen noch die Münder offen, als ich ihnen
einen guten Tag wünschte. Noch ehe die
Besinnung wieder kam, da war ich auch schon
eingeschlafen.
Da träumte mir, ich säße auf der Bank vorm
Haus und blättere in einem Buch, die Sonne
schien warm durch die Fenster, drinnen hörte
ich die alte Uhr schlagen. Da erblickte ich
im Garten die Liebe meines Lebens, die Marie,
des Nachbars Tochter, lange blonden Locken,
und eine Rosenschönheit, sie saß am Hügel
unter des Baums Blätterdach, von mir abgewendet,
und sang, ich erkannte das Lied, und wie sie
sang, ging auf einmal ein Frühlingsschauer
durch die Lüfte und weiter übers Land, die
Nebel zerrissen, ich sah den Fluss, die Stadt,
die blauen Berge dahinter. Marie rief ich,
sie wandte schnell den Kopf.
Da wachte ich auf, als ich noch ganz verwirrt
in meinem Zimmer umhersah, war das Licht tief
heruntergebrannt, von draußen sah ein fremdes
Land mit schneeflimmernden Gebirgsspitzen
durch die Fenster herein, die Heimat war so
fern.
Ich flüchtete mich wieder in den Traum,
unerwartet weckte mich ein wilder Ruck,
die Kutsche kam zu stehen, vor dem Tor
der ferne Stadt, die erste Station zum
Pferdewechsel, schon standen vier Rösser
bereit, was mag hinter dem Tor für ein
Begegnis sein, auf den Bäumen die Buben,
die Frauen winkten mit Blumensträußen,
und der Schulchor ließ fröhliche Lieder
erklingen, ich spürte alle Augen schielten
nach mir, sodass ich einen Augenblick schon
glaubte, ich wäre eine wichtige Person,
nach dem die Wache den Schranken freigab,
rollte die Kutsche durch das alte Stadttor
hinein. Was war da los, so viel Wirbel, war
doch kein Festtag oder? Da erzählte die eine
Wache die Geschichte von der Hochzeit.
Über der Festung Salzburg liegt ein großer
Segen, seit vielen Hundert Jahren sind ihre
Mauern Zeugen, wie in Salzburg sich mit
allerhöchster Würde. Da drängte sich jener
Schmerz der Gedanken an Marie in mir auf.
Aus dem wunden Herzen nichts, das teure Bild.
Sollst du so verhehlen in Liebe, dein Herz,
fühlst zum ersten Mal im Leben unnennbaren
Schmerz, hast in keiner Liebe gezittert,
die von je dich schlug, seit ich hier in
meinem Busen dich beherrschend trug. Jetzt
muss ich mich ergeben und mein froher Sinn
neigt sich zur tiefen Schwermut und zur
Trauer hin. Wunden, die noch kein Messer
gemacht, haben zum Verbluten nahe nun mein
Herz gebracht.
In der Burgkapelle schallte laut Trompetenklang,
Paukenwirbel, der gewaltig durch die Hallen drang,
denn es stand in Pracht und Schöne vor dem Traualtar
und umgeben von allen Menschen das Brautpaar.
Freude strahlt aus allen Augen, denn das ganze
Land segnete in froher Hoffnung dieses schöne
Band, nur ein einziges Herz alleine liebte, litt
und schwieg, und dies war des edlen Fürsten
wirklich schönster Sieg.
Als sie von der Kirche zogen hin zum Prunkgemach,
sah dem Zug der Fürst tief ergriffen nach,
und die edle Fürstin neigt sich zu seinem Ohr,
wo beim Brunnenhof dorten wölbte sich das Tor.
Liebster, sprach sie, lass die Trauer, sei wie
ich beglückt, wälzt die Last von deinem Herzen,
die dich also drückt, und vertraue deinem Leiden
mir am heutigen Tag, da ich dein trübes Auge
nimmer schauen mag. Meine Last vom Herzen wälzen,
hätte ich nur die Kraft, wie der Stein zu meinen
Füßen war sie weggeschafft.
Die schöne Marie war vergeben, in dieser Stadt kann
ich nicht leben, ich winkte dem Postillon,
der knallte die Peitsche, das Volk schrie Hurra,
alles war entzückt von dem Paar, und ich flog
zum anderen Tore wieder hinaus, nach langen
Reisen kehrte ich wieder nach Salzburg durch
das Tor der Heimat.
Die Morgensonne weckte mich, doch mein Körper
ist noch nicht bereit für das alltägliche
Leben und er weigert zu erheben sich.
Das Tor der Heimat, meines Seele Traum,
so gerne flüchte ich mich hinein, in die Welt,
wo ich so gerne einschlafe mit dem Bildnis
der Marie und enden wird es nie ...
Texte: Renato Franco
Bildmaterialien: Zeno.org./Linzertor
Tag der Veröffentlichung: 22.03.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Gewidmet der Marie